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COMPARATIYE ZOÖLOGY,
AT HARVARD COLLEGE, CAMBRIDGE, MASS.
jFounDeü bg prfbntc subscrfptfon, in 1861.
DR. L. de KONINCK'S LIBRARY.
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COMPAEATIVE ZOÖLOGT
AT HAEYATJ) COLLEGE. Ü1LBFJME. US
jFounücti bv pn'batc subsrrfptfon, hu 1S61.
DR. L. de KONINCK'S LIBRARY.
SITZUNGSBERICHTE
DER KAISERLICHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHE CLASSE.
SECHSUNDZWANZIGSTEU BAND.
WIEN.
AUS DER K. K. HOF- UND STAATSDRUCKEREI.
TN COMMISSION BEI KARL GEROLD'S SOHN. BUCHHÄNDLER DER KAIS. AKADEMIE
DER WISSENSCHAFTEN.
1858.
SITZUNGSBERICHTE
DER
MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHEN
CLASSE
DER KAISERLICHEN
AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
SECHSUNDZWANZIGSTER BAND.
Jahrgang 1857.
(Ittit 3 Harten n. 26 «affin.)
WIEN.
AUS DER K. K. HOF- UND STAATSDRUCKEREI.
IN COMMISSION BEI KARL GEROLD'S SOHN. BUCHHÄNDLER DER KAIS. AKADEMIE
DER WISSENSCHAFTEN.
1858.
INHALT.
Seite
Sitzung vom 8. October 1857.
Stricker, Untersuchungen über die Papillen in der Mundhöhle der
Frosehlarve». (Mit 1 Tafel.) 3
Oppel, Weitere Nachweise der Kössener Schichten in Schwaben und in
Luxemburg 7
Rolle;, Über einige an der Grenze von Keuper und Lias in Schwaben
auftretende Versteinerungen. (Mit 1 Tafel.) 13
Petzval, Bericht über dioptrische Untersuchungen. (Fortsetzung.) . . 33
Sitzung vom 15. October 1857.
Lorenz, Vergleichende orographisch-hydrographische Untersuchung der
Versumpfungen in den oberen Flussthälern der Salzach, der
Enns und der Mur , oder im Pinzgau , Pong-au und Lungau.
(Mit 3 Karten.) 91
Oeltzcn, Argelander"s Zonen-Beobachtungen vom 15. bis 31. Grade
südlicher Declination in mittleren Positionen für 1850-0. (Erste
Abtheilung von 01' bis 4'') 151
Pohl, Über den Gebrauch des Thermo-Hypsometers zu chemischen und
physicalischen Untersuchungen. (Mit 1 Tafel.) 229
Wedl, Anatomische Beobachtungen über Trematoden. (Mit 4 Tafeln.) . 241
Uitscheiner, Über die graphische Kreis-Methode. (Mit 6 Tafeln.) . . 279
Sitzung; vom 22. October 1857.
Heller, Beiträge zur österreichischen Grotten-Fauna. (Mit i Tafel.) . 313
Sachs, Über eine Methode, die Quantitäten der vegetabilischen Eigen-
wärme zu bestimmen 326
— Über die gesetzmässige Stellung der Nebenwurzeln der ersten
und zweiten Ordnung bei verschiedenen Uicotyledouen-Gattungen.
(Mit 2 Tafeln.) 331
Böhm, Über Pendel mit Quecksilber-Compensation 345
Hyrtl, Anatomische Untersuchung des Ciarotes Heaglini 371
Kner, Ichthyologische Beiträge. (Mit 9 Tafeln.) 373
Spitzer, Integration verschiedener linearer Differentialgleichungen . . 449
— Bemerkungen über die Integration linearer Differentialgleichungen
mit Coefficienten , die bezüglich der unabhängig- Variablen von
der ersten Potenz sind 479
Verzcichniss der eingegangenen Druckschriften 51;;
Tabellarische Übersicht der Witterung in Österreich im Monate Juni 1857.
(Mit I Tafel.)
SITZUNGSBERICHTE
DER
KAISERLICHEN AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN.
MATHEMATISCH - NATURWISSENSCHAFTLICHE CLASSE.
XXVI. BAND. I. HEFT.
JAHRGANG 1857. — OCTOBER.
SITZUNG VOM 8. OCTOBER 1857.
Eingesendete Abhandlungen.
Untersuchungen über die Papillen in der Mundhöhle der
Froschlarven.
Angestellt im physiologischen Institute der Wiener Universität
von Salomon Stricker.
(Mit 1 Tafel.)
Die Froschlarven tragen in ihrer Mundhöhle eine ziemlich eon-
stante Zahl von Papillen, welche an bestimmten Standorten einzeln
oder zu Paaren aufsitzen. Man braucht nur die Spitze einer feinen
Scheere in die Mundhöhle einzuführen, durch einen Schnitt die ganze
Schleimhaut derselhen blosszulegen, und letztere mit einer Nadel ab-
zustreifen , um sich zu überzeugen , dass die genannten Gebilde
Schleimbautfortsätze seien. Sie erheben sich mit einem cylindrischen
oder etwas plattgedrückten Körper, um dann mit einer oder mehreren
abgerundeten Spitzen zu endigen.
Der durchscheinende und homogene Körper ist an seinem
unteren grösseren Abschnitte von einer einfachen Zellenlage beklei-
det , an einem oberen Abschnitte werden diese Zellen gewöhnlich
massenhaft und pigmenthaltig. Weder durch Zusatz von Reagentien
noch durch Druck konnte ich dieselben ablösen. (Fig. 1.)
Der untere Theil des Körpers ist der Untersuchung leicht zu-
gänglich. Man findet in ihm eine Menge länglicher Kerne, welche
mit zwei fadenförmigen Fortsätzen und einem körnigen Inhalte ver-
sehen sind , quer eingelagert , ausserdem zwei bis drei helle und
dünne Fäden von der Basis gegen die Spitze verlaufen.
4 Stricke r.
Die Form und das constante Vorkommen dieser Fäden , so wie
die an ihnen beobachtete Theilung machen es schon wahrscheinlich,
dass sie Nervenfasern seien. Zur Gewissheit wurde mir aber diese
Annahme dadurch, dass ich an einer unter der vordersten Hirnzelle
aufsitzenden Papille einen solchen Faden bis zu einem grösseren
Nervenbündel, welches längs eines Rathke'schen Balkens J) verlief,
verfolgen konnte. Um mich über den Verlauf dieser Nervenfasern
durch die pigmentirten Stellen der Papille, und über deren Verhalten
an der Spitze aufzuklären, fand ich es am zweckmässigsten die
Präparate erst mit acidum acet. glaciale, und bald darauf mit Gly-
cerin, dem etwas Natron beigemengt ist, zu behandeln.
Es zeigte sich alsdann, dass die Fäden an den genannten Stellen
sich vielfach theilen, und dann die einzelnen Ästchen theils bis hart
an die Spitze, theils nach den Seiten hinschicken. An diesen Stellen
angelangt hören sie mit ganz leichten Anschwellungen auf, nachdem
sie sich noch gewöhnlich in eine Endgabel aufgelöst haben. Die
zwei Zinken einer solchen Gabel pflegen so nahe an einander zu
liegen, dass sie mit den zwischen ihnen liegenden Körnchen einen
grösseren Kern täuschend nachahmen können. Ich kann übrigens
nicht leugnen, dass ich an manchen Stellen selbst nach den genaue-
sten Beobachtungen solche Endkerne zu sehen glaubte.
') Ich habe mich des Ausdruckes Ra thke'sche Balken aus dem Grunde bedient , weil
ich mich von der Existenz, derselben, ganz in dem Sinne wie sie R a thk e in seiner
Entwicklungsgeschichte der Natter schildert, auf das Bestimmteste überzeugen konnte,
und zwar mittelst eiuer Präparationsmethode , welche es mir nebst der Leitung des
Herrn Prof. Brücke möglieh machten, die Entwicklungsgeschichte der Froschlarven
mit viel grösserer Sicherheit zu studiren , als dieses bei der schwierigen Präparation
unter der Loupe möglich ist. Nachdem ich nämlich die Froschlarven durch einige
Tage in absolutem Alkohol aufbewahrt hatte, konnte ich dieselben in beliebig dünne
Scheibeben schneiden, welche schon nach Zusatz vom Wasser für die stärksten Ver-
grösserungen geeignet waren. Die weitere Behandlung mit Glycerin machte es aber
möglich, die einzelnen Organe oder deren Anlagen in Bezug auf Topographie und
Structur gleichzeitig zu untersuchen.
Solche Schnitte , in drei auf einander senkrechten Ebenen am Kopftheile der
Larven geführt, waren es, welche mich überzeugten, dass die Schädelbasis derselben
von der Gegend der Gehörorgane bis nahe zum vorderen Ende des centralen Nerven-
systems, mit Ausnahme zweier seitlicher, knorpeliger Balken, nur aus zwei Membranen
bestehe, deren untere die Schleimhaut der Mundhöhle, deren obere aber eine sehr
dünne, bindegewebige Anlage ist. Letztere setzt sich über die innere Seite des drei-
kantigen , seitlichen oder R at hke'schen Balkens nach oben fori, um dann mit den
weichen Schädeldecken zu verschmelzen.
Untersuchungen über die Papillen in der .Mundhöhle der Frosch lai-Ten. ;>
Wer viele Froschlarven auf die beschriebenen Gebilde unter-
sucht, wird gewiss auch solche finden, denen die pigmentirten Stel-
len am oberen Abschnitte ganz fehlen, und sich nach Zusatz von Giv-
cerin sehr leicht von dem Verhalten der Nervenendigung überzeugen
können. (Fig. 3.)
Ich habe ferner Beobachtungen über ein ähnliches Verhalten
der Hautnerven gemacht , und zwar an der Unterlippe der Frosch-
larven. Diese besitzt nämlich an ihrem freien Rande eine einfache
Reihe von Papillen , welche über die Mundwinkel hinauf bis an die
Hornzähne der Oberlippe reichen.
Im Baue unterscheiden sich diese Papillen nicht wesentlich von
den in der Mundhöhle befindlichen. Sie besitzen einen den Haut-
papillen des Menschen ähnliehen Körper, in welchen längliche Kerne
quer eingelagert sind, und ein darüber liegendes mehrschichtiges
Epithel. Nach Zusatz von acid.acet. glaciale undGlycerin konnte ich
beobachten, dass mehrere helleFädchen gegen die Spitze hinziehen,
wo sie gewöhnlich nach einmaliger Theilung in der schon beschrie-
benen Weise ihr Ende erreichen. (Fig. 2.)
In Bezug auf B i 11 rot h's neueste Entdeckung über den Zusammen-
hang der Nerven mit dem Epithel an den breiten Papillen der Frosch-
zungen muss ich bemerken , dass sich mir durch die beschriebenen
Gebilde eine ähnliche Ansicht aufdrängte. Die Veranlassung dazu
gaben folgende Umstände: 1. dass die Endanschwellungen gewöhn-
lich sehr oberflächlich liegen; 2. dass man nach leichtem Drucke
mit dem Deckgläschen nicht selten einen oder den andern Faden an
der Spitze frei in die sich abstreifenden Zellen herausragen sieht;
endlich 3. dass die Ästchen, welche nach der Seite hinzielen, in
dem das Gebilde umgrenzenden Saume ihr Ende erreichen. Dieser
Saum, der bei jeder seitlichen Ansicht zur Anschauung kommt, ist
aber offenbar nur der Ausdruck der sich deckenden Epithelialzellen.
Es erübrigt mir nur noch von der Function der beschriebenen
Gebilde zu sprechen.
Der Standort und der Nervenreichthum der Papillen an der
Unterlippe, so wie deren Zusammenhang mit der Cutis sprechen
klar dafür, dass wir es mit Tastpapillen zu thun haben. Sie müssen
die Nahrung vor ihrem Eintritte durch die Mundöffnung betasten, und
können bei der Beweglichkeit der Unterlippe selbst bei ihrer Auf-
suchung behilflich sein.
ß Stricker. Unters, über die Papillen in der Mundhöhle d. Froschlarven.
Der Nervenreichthum der Schleimhautpapiilen stellt es eben-
falls ausser Zweifel, dass sie einer Empfindung vorstehen. Der Um-
stand jedoch, dass zur Zeit ihrer höchsten Ausbildung noch kein
eigentliches Geschmacksorgan ausgebildet ist, und dass an der Stelle,
wo später die Zunge erscheint, zu jener Zeit breite mit den Papillen
gleichgebaute Schleimhautfortsätze vorhanden sind, legen den Ge-
danken nahe, dass wir es hier mit einem provisorischen Geschmacks-
organe zu thun haben. Mit dem Erscheinen der hintern Extremitäten
verkümmern sie allmählich und sind endlich im ausgebildeten Thiere
gar nicht mehr zu finden.
Erkliirong der Abbildungen.
Figur 1 stellt eine Papille aus dein Boden der Mundhöhle bei 300 maliger
Vergrösserung dar.
a Nervenfaden,
b quergelagerte Kerne,
c Grenze zwischen dem pigmentirten und durchscheinenden Theile
der Papille.
Figur 2 stellt eine Papille dar, welcher das pigmenthaltige Epithel gänzlich
fehlt. Vergrösserung 400 Mal.
a und b wie in Fig. 1 ,
d dunkler Saum durch das Epithel gebildet.
Figur 3. Zwei Papillen vom freien Rande der Unterlippe nach Behandlung
mit aeid. acet. glaciale und Glycerin. Vergrösserung 350.
a und b wie früher.
d Epithelialsaum der sicli von einer Papille auf die andere ununter-
brochen fortsetzt.
Stricker Untersuchungen über die Papillen in der Mundhöhle der Froscharten
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O |> |> e I. Weitere Nachweise der Kimener Schichten i" Schwaben etc
Weitere Nachweise der Kössener Schichten in Schwaben und
in Luxemburg.
Von Dr. Albert Oppel.
Der im letzten Jahre gemeinschaftlich von Hrn. E. Suess und
nur geschriebene Aufsatz *) hatte zum Zwecke, den Synchronismus
zweier entfernt liegender und unter verschiedenen Namen angeführter
Ablagerungen durch paläontologische Untersuchungen nachzuweisen.
Es wurde darin gezeigt , dass der im südwestlichen Deutschland an
der Grenze zwischen Keuper und Lias auftretende Sandstein (Bone-
bed-Sandstein) dasselbe geognostische Alter besitzt, wie die in
Niederösterreich , Tirol und Vorarlberg entwickelte Formations-
Abtheilung, welcher von den Geologen dieser Länder die Bezeichnung
„Kössener Schichten" beigelegt wurde.
Diese beiden Entwickelungen bilden gleichsam zwei verschie-
dene Typen, indem die eine als oberste Lage des Keupers sich von
Schwaben in westlicher Richtung durch Frankreich und England
ausbreitet, die andere dagegen in südöstlicher Richtung an einer
Reihe von Localitäten, meist enge verschmolzen mit den Bänken des
untern Lias, sich geltend macht.
Die Geologen Österreichs und der Schweiz haben ihre Kössener
Schichten nicht allein an zahlreichen Punkten nachgewiesen, sondern
zugleich auch die paläontologischen Verhältnisse dieser Bildung
mit ausdauerndem Fleisse verfolgt, so dass diese noch vor Kurzem
wenig gekannte Ablagerung uns den Schlüssel für die Deutung der
organischen Reste geben musste, weichein demBonebed-
Sandsteine Württembergs neuerdings aufgefunden wurden.
Die Geologen Österreichs und der Schweiz haben uns in diesem
Falle durch ihre paläontologischen Untersuchungen ausgeholfen und
l) Über die muthmasslichen Äquivalente der Kössener Schichten in Schwaben. Sitzungs-
beriehte der mathem. - naturw. Clause der kaiserl. Akademie der Wissenschaften.
Bd. xxi. s. :;:j:;. jnii I8S6.
8 0 p p e 1.
uns durch ihre vorhergegangenen Beobachtungen die alsbaldige Bestim-
mung der in Schwaben aufgefundenen Muschelfauna des Bonebed-
sandsteines ermöglicht.
Im südwestlichen Deutschland, in Frankreich und in England
ist zwar die geographische Verbreitung dieser Zone vielleicht mit
derselben Ausdauer verfolgt und zum Theile auch in die geognosti-
schen Karten eingetragen worden, allein die Kenntniss der organi-
schen Einschlüsse beschränkt sich immer noch auf wenige locale Vor-
kommnisse. Wir haben es uns desshalb zur Aufgabe zu machen, hier
einen Schritt weiter zu gehen und auf unserem, durch seine Gesteins-
beschaffenheit weniger günstigen Terrain dieselben Aufschlüsse zu
erzwingen, durch welche die unermüdlichen Geologen Österreichs
und der Schweiz die Wissenschaft bereichert haben. Da wir das
Niveau dieser Zone im westlichen Deutschland, in Frankreich und in
England beinahe überall kennen, so ist die Aufgabe gelöst, sobald
wir die entsprechenden Versteinerungen aufgefunden haben werden.
Es handelt sich desshalb nur darum, das was in Württemberg in den
letzten Jahren bereits geschehen ist, auch in anderen Gegenden des
Westens auszuführen und hier die in Verbindung mit dem Bonebed
auftretenden Schichten zu untersuchen und die darin ausgesprochene
Zone der „Kössener Schichten" paläontologisch nachzuweisen.
Ich habe diese Aufgabe mehreren meiner geologischen Freunde
nahegelegt und habe auch in den letzten Wochen die erfreuliche
Nachricht erhalten, dass es einem derselben gelungen ist, in dem
Grossherzogthume L u x e m b u rg , nicht allein das Bonebed zwischen
Lias und Keuper nachzuweisen, sondern auch in den unmittelbar
darunter liegenden Sandsteinen mehrere der bezeichnendsten Species
aufzufinden , welche die Muschelfauna unseres schwäbischen Bone-
bed-Sandsteines und somit auch der „Kössener Schichten" charak-
terisiren.
Die Angaben, welche ich im Nachfolgenden über den Bonebed-
Sandstein Luxemburgs mache, sind die Resultate der Untersuchungen
meines Freundes R. v. Hövel, welcher im Juni dieses Jahres das
Grossherzogthum Luxemburg zum Zwecke geognostischer und palä-
ontologischer Forschungen bereiste und mir die gesammelten Notizen
sammt den mitgebrachten Belegstücken mittheilte. Es Hess sich dar-
aus das Folgende zusammenstellen. Die Bildung, welche im Grossher-
zogthume Luxemburg zwischen den untersten blauen Kalkbänken des
Weitere Nachweise der Kössener Schichten in Schwaben etc. J)
Lias und den rothen Mergeln des Keupers entwickelt ist, besteht aus
weissen kieseligen und grauen kalkigen Sandsteinen, in deren oberen
Lagen häufig eine Arkose überhand nimmt, in welche dunkle Quarz-
körner, abgerollt und von verschiedener Grösse , eingebacken sind.
Diese obere Schichte schliesst bei Dahlheim zwei Stunden südöst-
lich von der Stadt Luxem b urg, die Knochenreste des Bonebeds
ein, welche zwar nicht so zahlreich als z. ß. in Württemberg oder
an der Küste von Lyme Regis darin enthalten sind , sich aber den-
noch leicht auffinden lassen. Unter dem von R. v. Hövel gesammel-
ten Material konnte ich Sargodon tomicus PI ien. Sphaerodus mini-
ma* und Smirichthys acuminatiis Ag. (Zähne), und Gyrolepis tenui-
striatus Ag. (Schuppe) erkennen. Unter dieser Knochenschichte,
welche wir als das hier ausgesprochene Bonebed zu betrachten
haben, finden sich in den kalkreichen, grauen, äusserst harten Bänken
von der Wolfsm ühle bei Ell in gen (•% Stunde südlich von Dahl-
heim) einzelne mit Versteinerungen ganz angefüllte Platten. Die
Schalen der Muscheln sind zwar erhalten, zum Theil aber sehr zer-
drückt und dabei schwierig aus dem harten Gestein zu befreien.
R. v. Hövel erkannte diese Muscheln an Ort und Stelle schon als
die Species der Kössener Schichten. Die Richtigkeit dieser Ansicht
bewies sich mir bei der Einzeluntersuchung der Erfunde, indem ich
folgende Arten bestimmen konnte:
Schizodus cloacinus Quenst. sp.
Cardium Rhaeticum M e r.
Avicula contorta Porti.
Mytilus minutus Gold f.
Pectcn Valoniensis Defr.
Anomia sp. ind.
Mactra? sp. ind.
Natica sp. ind. (mit erhaltener Farbenzeichnung).
Ich halte diesen Fund des Bonebeds mit der darunter liegenden
Muschelfauna der Kössener Schichten in den Umgebungen von Lu-
xemburg (Ellingen und Dahlheim bei M o n d o r f) aus doppel-
ten Gründen für wichtig. Einerseits wurde diese Zone als solche
von den Geologen Luxemburgs noch nicht nachgewiesen , denn die
charakteristischen Fossil-Einschlüsse findet man nirgends erwähnt.
Das nunmehrige Auffinden derselben bildet desshalb einen Beitrag
für die Paläontologie jenes Landes und wird auch zur Deutung des
10 Ü p p e 1.
bis jetzt noch wenig gekannten, aber wahrscheinlich mit diesen Lagen
identischen Sari([stemes(„GresdeMartmsartS(Dewü\que^i) dienen.
Andererseits haben wir aber wieder einen neuen Boden gewonnen,
aufweichein eine höchst beachtenswerthe Zone in regelmässiger Rei-
henfolge auftritt und wiederum durch dieselben organischen Reste
charakterisirt wird, welche wir in anderen entfernten Gegenden aus
den Schichten gleichen Alters kennen gelernt haben.
Ich füge hier noch einige Ergänzungen bei , welche sich durch
die Untersuchungen des Bonebed- Sandsteines in Württemberg
seit der Veröffentlichung der mit E. Suess gemeinschaftlich ge-
schriebenen Notiz ergeben haben.
Diese Bildung war während des verflossenen Jahres stets ein
Gegenstand geologischer und paläontologischer Forschungen. Die
Zahl der darin aufgefundenen Arten von Mollusken beträgt nunmehr
schon 2S, worunter verschiedene neue und interessante Species, von
welchen ich wenigstens eine hier erwähne, um spätere Verwechs-
lungen zu verhüten. Wir haben in unserer Arbeit die Abbildung von
Anatina praeeursor Quenst. sp. gegeben. Damals hatten wir nur
wenige Exemplare zur Verfügung, während ich seither 70 — 80 wei-
tere Stücke untersuchte. Hier zeigte es sich nun, dass die in Bezie-
hung auf ihre Dimensionen im Allgemeinen übereinstimmenden Ana-
tinen des Bonebed-Sandsteines in zwei Species zerfallen, deren eine
durch unsere frühere Beschreibung (und Figuren) dargestellt wird,
während eine zweite Art durch constante Unterschiede davon abweicht.
Ich nenne letztere Anatina Suessi. Sie ist nicht weniger häufig als
An. praeeursor und findet sichmit derselben in den Sandsteinen unge-
fähr 8 Fuss unter dem Bonebed zu Nürtingen , sowie in den ange-
schwemmten Blöcken von Oberensingen. Die Unterschiede beider
Species bestehen bei gleicher Grösse der Exemplare in Folgendem:
Die Schalen von An. Suessi sind gewölbter, der Hauptkörper grösser,
die hintere Verlängerung aber verhältnissmässig um ein Gutes kürzer
als bei An. praeeursor. An. Suessi trägt eine von den Wirbeln
gegen den Unterrand sich erstreckende deutliche Einbuchtung der
Schalen, dagegen läuft von den Wirbeln aus schräg rückwärts gegen
unten eine abgerundete Kante, welche den Hauptkörper der Schalen
von der Verlängerung abtrennt. Hinter dieser Erhöhung biegen sich
i) Vergl. meine Arbeit „Die Jura-Formation" S. 384 und 367.
Weitere Nachweise der Kössener Schiebten in Schwaben etc.
die concentrischen Falten um und wenden sich plötzlich gegen oben, in
dem sie mit ihrer seitherigen Richtung einen rechten bis spitzen Win-
kel bilden. Der hintere Rand der Muschel klafft stark, was noch durch
eine schwache Umstülpung der Schalen gegen aussen vermehrt wird.
Muskeleindrücke und Manteleinschlag Hessen sich auf den san-
digen Steinkernen nicht wieder erkennen, auch kann über das Schloss
nichts angegeben werden. Die Muschel gehört vielleicht zu dem
Genus Panopaea, da sie in verschiedenen Beziehungen Übereinstim-
mung mit Panopaea dilatata Phill. sp. zeigt.
Unter den Wirbelthierresten des Sandsteines verdienen die lan-
gen dünnen Knochen besondere Aufmerksamkeit, welche in neuerer
Zeit in mehreren Exemplaren gefunden wurden und welche sehr wahr-
scheinlich einer Species Ton Pterodactylus angehören. Ich fand einige
dieser Knochen in den oberen Lagen des Sandsteines zu Birkengehren.
Sie scheinen nicht selten zu sein und es lässt sich bei einiger Aus-
beute jener Schichten wohl bald Bestimmteres über das Auftreten
dieses Genus im Bonebed-Sandstein erwarten.
Im verflossenen Jahre wurden noch einige weitere Localitäten
in Württemberg bekannt, an welchen die Äquivalente der Kössener
Schichten mit ihrer eigentümlichen Fauna entwickelt sind. So tritt
der Bonebed-Sandstein an der Halde vonKemnath, gegenüber der land-
wirtschaftlichen Akademie Hohenheim, unter den Schichten des Lias
auf. Das Bonebed ist deutlich vorhanden, mit demselben fand Herr Pro-
fessor Fleischer schon in früheren Jahren die muschelführenden
oberen Bänke des Sandsteines. Von ihm erhielt ich im letzten Winter
zahlreiche Exemplare , welche schon längere Zeit in der Sammlung
der k. Akademie aufbewahrt wurden und welche er mir gütigst zur
Einsicht übersandte. Schizodus cloacinus Quenst. sp. , Mytilus
minutus G o 1 d f., Cardium cloacinum Quenst., Cardium Rhaeticum
Mer. , Avicula contorta Porti, und Pecten Valoniensis Defr.
kamen hier mit den Knochen und Zähnen des Bonebeds in derselben
Bank zahlreich vor.
Von den unteren Lagen des Sandsteines finden sich zu Ober-
ensingen am linken Ufer des Neckar zahlreiche Blöcke angeschwemmt
auf secundärer Lagerstätte. Der Punkt , an welchem sie von dem
anstehenden Fels losgerissen wurden, liess sich noch nicht genau
ermitteln. Die Stücke enthalten viele Versteinerungen, welche mit
den von Nürtingen beschriebenen völlig übereinstimmen.
12
Oppel. Weitere Nachweise der Kössener Schichten in Schwaben etc.
Herr Bergrath voa Alberti hatte die Freundlichkeit, mir einige
von ihm gesammelte Stücke aus dem Bonebed-Sandstein von Tübin-
gen zur Besichtigung mitzutheilen. Das Gestein ist an dieser Loca-
lität sehr kalkhaltig, braust mit Säuren, besitzt eine weisse Farbe und
besteht zum Theil aus späthigen Partien. Neben den Zähnen,
Schuppen und Koprolithen des Bonebeds schliessen die Exemplare
auch die Reste von Mollusken ein , unter welchen Mytilus minutus
Gold f. und Cardium cloacinum zu erkennen waren. Doch enthielten
dieselben Gesteinsstücke noch zwei weitere Genera, von welchen
das eine an den übrigen Localitäten Württembergs im Bonebed-Sand-
stein noch nicht aufgefunden wurde. Es waren mehrere Exemplare
einer der Cardinia Listeri nahestehenden Species, sowie die meh-
rere Zoll grosse Schale einer Lima.
Ohne Zweifel lassen sich in den Tübinger Sandsteinen auch die
übrigen Species dieser Zone später noch nachweisen. Während schon
diese vereinzelten Thatsachen Grund genug geben, jene Localität
künftig genauen und weiteren Untersuchungen zu unterziehen , so
wird uns diese Aufgabe durch den Umstand noch näher gerückt,
dass dies derjenige Punkt ist, an welchem im südwestlichen Deutsch-
land der Bonebed-Sandstein zuerst unterschieden und unter der Be-
zeichnung „Versteinerungsre icher Sandstein von Tübin-
gen" zuerst in die Literatur aufgenommen wurde. (Vgl. v. Alberti,
1834, Monogr. des bunten Sandsteins , Muschelkalkes und Keupers,
S. 153.)
Fig. 1. Fig. 2.
Schliesslich mögen noch einige Bemerkungen über das Auftre-
ten des Bonebeds im Elsasse folgen. Nach den Beobachtungen von
R. v. Hövel liegt zu Oberbronn (Bas Bhin) über den rothen Keuper-
mergeln ein gelber Sandstein in einer Mächtigkeit von circa lOFuss.
Die oberste Lage des Sandsteines ist von den Zähnen und Knochen
des Bonebeds angefüllt. Mit denselben finden sich zahlreiche Abdrücke
vonMuscheln. welche wohl Arten der Kössener Schichten entsprechen.
Rolle. Über einige an der (irenze von Keuper und Lias anl'tr. Versteinerungen. | 3
«leren Bestimmung uns aber noch fehlt, da die Muscheln hier nicht
in der nöthigen Anzahl gesammelt wurden. Die Zahne und sonsti-
gen Reste von Fischen aus dem Oberbronner Bonebed sind .klein
und schlecht. Hybodus minor, Saurichthys acuminatus, letzterer nur
in Form kleiner abgebrochener Zahnspitzen, Gyrolcpis tenuistriatus
letzterer sehr häufig, ist Alles, was ich entdecken konnte. Ziemlich
in der Nähe über dem Bonebed folgen die untersten Kalkschichten
des Lias.
Über einige an der Grenze von Keuper und Lias in
Schwaben auftretende Versteinerungen.
Von Dr. Friedrich Rolle,
Assistent am k. k. Hof- Mineralien - Cabinete.
Als einen der lohnendsten Punkte der heutigen paläontologi-
schen Forschung kann man jedenfalls die Untersuchung der zur Zeit
noch sehr wenigen Fossilien bezeichnen, welche die Fossilfauna der
Trias-, Lias- und Jura-Gebilde des nördlichen und mittleren Europa's
mit den so abweichend von diesen entwickelten gleichalten Ablage-
rungen der Alpen und der Mittelmeer-Gegenden verknüpfen. Die im
Julihefte 1856 der Sitzungsberichte erschienene Abhandlung „Über
die muthmasslichen Äquivalente der Kössener Schichten in Schwa-
ben von Dr. Alb ert Oppel und EduardSuess" eröffnete in dieser
Hinsicht einen neuen Weg zur Ermittlung der wahren Altersverhält-
nisse unserer überhaupt in so vielen Punkten noch immer räth sei-
haften Alpenkalk -Gebilde. Die schwäbischen Fossilien, über welche
ich der geehrten Classe meine Beobachtungen vorzulegen mir erlaube,
schliessen sich unmittelbar jenen an, welche von den Herren Oppel
und Suess beschrieben wurden; sie gehören gleich diesen der schwer
zu deutenden Grenzregion zwischen oberem Keuper und unterem Lias
an, und versprechen mit ihnen zusammen einer späteren monographi-
schen Bearbeitung der Kössener Fossilien wesentlich vorzuarbeiten.
Eine zweite Frage von hohem allgemeinen Interesse knüpft sich
ebenfalls an unsern Gegenstand, die Frage, wohin haben wir nach
dem jetzigen Stande unsererKenntnisse die Grenze zwischen Keuper
und Lias zu legen V Die Gesichtspunkte, die man bei Beantwortung
einer solchen Frage einhielt, waren zu verschiedenen Zeiten unserer
Wissenschaft verschiedene. Eine ältere Schule, jetzt hauptsächlich
J 4r Rolle. Über einige an der Grenze von
durch Prof. Quenstedt zu Tübingen vertreten, bestimmte die
obere Grenze des schwäbischen Keupers vor allem nach rein petro-
graphischen und in Folge dessen auch orographischen Momenten.
Das plötzliche Auflagern einer Gesteinsart über einer andern, das
plötzliche Auftreten einer gewissen Färbung statt einer andern
bisher herrschend gewesenen, das massenhafte Erscheinen orga-
nischer Reste an Stellen, unterhalb deren Mangel an solchen
gewesen , eine Veränderung in der heutigen Oberflächen gestaltung
des Landes in Folge des Erscheinens einer festen, Boden-Terrassen
und Wasserfälle erzeugenden festen Gesteinsschichte in einer sonst
aus vorwiegend lockeren und leicht zerstörbaren Gebilden bestehenden
Schichtenfolge; dies alles betrachtet Quenstedt als wesentliche
Ausgangspunkte für Feststellung der Formationsgrenzen. Jeder, dem
es vergönnt war, unter Qaenstedt's Führung die so ungemein
wechselvollen und fossilreichen Flötzgebilde Württembergs studiren
zu können und seiner vielfachen und zuvorkommenden Unterweisung
sich zu erfreuen, wird anerkennen, von welchem hohen Werthe jene
rein geognostischen Momente für die klare Auffassung der in Würt-
temberg entwickelten Verhältnisse sind und bleiben müssen. Aber
man muss auch anerkennen, dass ihre Bedeutung eine vorwiegend
örtliche, zunächst nur für Württemberg und die angrenzenden Ge-
genden massgebende ist, und dass die von den örtlichen und Gesteins-
verhältnissen absehende Deutung und Abwägung des stratigraphi-
schen Werthes der organischen Einschlüsse ein weit wichtigeres
und für die Vergleichung der Formationen verschiedener Länder —
namentlich wenn man die alpine Facies unserer Flötzgebirge mit
hereinzieht — allein entscheidendes Moment ist. In dieser Hinsicht
muss man den Verdiensten Plieninger's um Feststellung des rein
paläontologischen Werthes der einzelnen Schichten des schwäbischen
Keupers, zumal in Bezug auf die Zeit ihres Erscheinens (1843) alle
Anerkennung zollen1). Durch Verfolgung dieses Weges allein ist
man im Stande, die durch Beobachtungen in dem geognostisch so
reich ausgestatteten Südwesttheile Deutschlands gewonnenen Kennt-
nisse fruchtbringend auf die Lösung der mancherlei unsere Alpen-
kalk-Gebilde betreffenden Fragen anzuwenden.
») Herrn, v. Meyer und Th. P I i e u i n g er, Beitrüge zur Paläontologie Württembergs.
Stuttgart 1844.
Keuper und Lias in Schwaben auftretende Versteinerungen. j 5
Die beiden an der Grenze von Keuper und Lias gelegenen
Schichten, in welchen die Herren Oppel und Suess Fossilien des
Kössener Alpenkalkes entdeckten und diejenige, deren Einschlüsse
mich zu dieser Mittheilung veranlassten, liegen der verticalen Folge
nach nahe beisammen und können daher nur wenig im Alter von ein-
ander abweichen. Jene beiden treten in einem festen Sandsteine auf
(Quenstedt's „gelbem Keupersandstein") J) ; sie schliessen sich
also, wenn man nach rein geognostischem Gesichtspunkte urtheilt, —
d.h. auf die blosse petrographische Natur hin, abgesehen von paläon-
tologischen Charakteren — zunächst dem oberen Keuper an; jene
dritte aber, von der weiter unten die nähere Beschreibung folgen
wird, ist kalkig und schliesst sich ihrerseits als petrographisch dem
darauf folgenden untersten Liaskalk, nämlich der Psilonoten-Bank
(Schichte des Ammonites planorbis Sow.) schon enge an. Die
fossilen Mollusken beider Regionen sind — wie das bei zwei im
Alter nahe stehenden, aber petrographisch abweichenden Schichten
oft genug beobachtet wird — verschieden. Die Fischreste dagegen
scheinen beiden gemeinsam zu sein und während erstere in beiden
Regionen ausgezeichnet liasischen Charakter bieten, weisen letztere,
wie zuerst Agassiz an den anfänglich nur aus England bekannt
gewordenen Resten nachwies, mehr auf die Trias hin.
Es ist schon aus Q u e n s t e d t's und P 1 i e n i n g e r's Arbeiten hin-
reichend bekannt, dass in Württemberg bereits mit dem Erscheinen
des weissen Keupersandsteines (Stubensandstein) ein merklicher
Gegensatz gegen die tieferen Glieder der Trias beginnt, noch mehr
aber mit dem auf die oberste Schichte von rothem Keupermergel
folgenden „gelben Keupersandstein," wo selbst schon wesentliche
petrographische Gegensätze im Vergleich zu den tieferen Schichten
sich geltend machen, Unterschiede, die indessen doch nicht bedeutend
genug waren, um nach rein geognostischem Gesichtspunkte zu einer
Abtrennung der betreffenden oberen Glieder von den übrigen Trias-
gebilden führen zu können. Bringen wir nun den Charakter der
in jenen oberen Schichten enthaltenen Fossilien auch in Rechnung,
so werden die angedeuteten Gegensätze dadurch noch bedeutend
gehoben. Die Labyrinthodonten-Reste, die vom bunten Sandstein an
bis zu den untern Keuperschichten — bis zum grünen Sandstein von
l) Quenstedt, Das Flötzgebirge Württembergs. Tübingen 1853, Seite 109— 113.
1 () K o I 1 e. Über einige an der Grenze von
Stuttgart — bezeichnend auftreten, die Mollusken des Muschelkalkes
und der Lettenkohle, die reiche Flora der Lettenkohle und des Stutt-
garter Sandsteines sind bereits mit dem ersten Beginne des weissen
oder Stubensandsteines verschwunden und nur spärlich durch andere,
fast ohne Ausnahme der tieferen Trias fremde Thier- und Pflanzen-
formen ersetzt, deren Auffindung und Erforschung nur sehr langsam
und allmählich vorschreitet. Namentlich erscheinen denn nun im Gebiete
des sogenannten gelben Sandsteins jene, erst neuerlich durch die
Arbeiten von Quens tedt 1), Oppel und Suess bekannt gewor-
denen, zumTheile mit den Kössener Schichten der Alpen gemeinsamen,
zum Theile der Keuper- und Lias-Grenze verschiedener Länder ange-
hörenden Schalthier-Arten Cardium rhaeticum Mer., Pecten valo-
niensis Defr., Avicula contorta Porti, u. s. w. und zugleich mit
ihnen die merkwürdige von Fischresten erfüllte, hauptsächlich von
Prof. PI ieninger untersuchte Liasgrenzbreccie, das Bonebed der
Engländer2) und hierauf erst, mit der sogenannten Psilonoten-Bank
beginnend, der untere Lias mit seinem bekannten und für die geolo-
gische Orientirung vollkommen ausreichenden Petrefacten-Beichthum.
Jene neuen Schalthierarten des obersten oder gelben Keuper-
sandsteins, deren Beschreibung das Juliheft des Jahres 1856 brachte,
liegen nach Dr. 0 p p e l's Untersuchung theils 7 — 8 Fuss tief unter dem
Bonebed — so bei Nürtingen unweit Stuttgart — theils nahe
damit zusammen und zwar dicht über demselben — Neilingen,
Birkengehren u. a. 0. — Von zwölf der beiden schalthierführen-
den Bänken eigenen Arten sind nur drei, höchstens vier gemeinsam.
Diesen beiden Vorkommen schliesst sich nun noch ein drittes an und in
ihm erscheinen abermals andere Fossilien, die hinreichend viel Inter-
esse bieten, um die Vorlage dieser besonderen Mittheilung rechtfer-
tigen zu können. Das fischführende Bonebed erscheint, wie schon
oben gelegentlich erwähnt wurde, hier nämlich als eine mehr oder
minder sandhaltige Kalkmasse; es führt neben zahlreichen Fisch-
resten noch eine Anzahl Mollusken, die von denen der beiden andern
in Sandstein gelegenen Bänke vollkommen abweichen. Von neun
*) Quenstedt: Der Jura. Tübingen 1SS6, S. 25— 32.
3) Über das Vorkommen des Bone-bed zu Axmoutb an der Küste von Dorsetshire
(England) hat Dr. Üppel ausführliche Nachrichten mitgetheilt (A. Oppel, die
Juraformation Englands, Frankreichs u. s. w. Stuttgart 1836, S. 20 — 22).
Keuper and Lias in Schwaben auftretende Versteinerungen.
dieser Mollusken-Arten des kalkigen Bonebeds sind drei oder vier
mit solchen anderer Schichten des unteren Lias identisch, die übrigen
neu. — Ich glaube der erste gewesen zu sein, der unter Nachwei-
sung sicherer Lias-Mollusken im ßonebed dieses zuerst mit Bestimmt-
heit als eine Schichte des unteren Lias beanspruchte. Die Engländer
hatten allerdings ihr Bonebed von Aust-ClifT, Axmouth u. a. 0. von
jeher dem Lias beigerechnet , aber ohne den paläontologischen
Beweis dafür zu liefern und ohne die zuerst von Agassiz dagegen
gemachten Einwürfe widerlegen zu können. Ich kann mich in dieser
Hinsicht auf meine im Sommer 1852 gearbeitete und im August des-
selben Jahres der philosophischen Facultät der Universität Tübingen
unter dem Beferat von Herrn Prof. Dr. Quenstedt vorgelegte Inau-
gural-Dissertation „Versuch einer Vergleichung des norddeutschen
Lias mit dem schwäbischen. Homburg vor der Höhe, 1853" bezie-
hen (Seite 7 bis 8).
Es wurden nämlich im Sommer 1852 am sogenannten „Ely-
s i u m" auf der W a 1 d h ä u s e r Höhe u nweit von T ü hingen beim
Umroden eines Stück Landes grosse Mengen von Bonebed -Blöcken
zugleich mit solchen von gelbem Keupersandstein und grauem Psilo-
notenkalk zu Tag gefördert und ich hatte Gelegenheit von den Fossi-
lien des Bonebeds hier eine ziemlich reiche Auslese zu halten. Anste-
hend sah man an der betreffenden Stelle allein nur den rothen
Keuper-Letten; auf ihm lagert der gelbe Sandstein, welcher nach
Dr. 0 p p e Ts Beobachtung auf der Waldhäuser Höhe überhaupt 8 Fuss
Mächtigkeit erreicht. Über diesem Sandstein, der von Fossilien hier
nichts als einige Spuren undeutlicher Pflanzenreste umschliesst und
unter der Psilonotenbank dürften nun jene beim Anroden zu Tage ge-
kommenen Blöcke des Bonebeds zwischeneingelagert gewesen sein;
die Mächtigkeit der letzteren Schichte scheint nicht mehr als höch-
stens 4 — 5 Zoll betragen zu haben. .
Das Bonebed erscheint hier als eine feste gröbliche, dunkel-
graue Conglomerat-Masse von grauem kalkigem Bindemittel; es ent-
hält hirse- bis pfefferkorngrosse, graulichweisse, abgerundete Quarz-
körner, stellenweise vielen hellgrauen Kalkspath, dann zahllose, theils
wohlerhaltene , theils bis zur völligen Unkenntlichkeit abgerollte
schwarze, glänzende Fischzähne und Fischschuppen, so wie auch
häufig Koprolithen ; endlich einzelne wohlerhaltene, ya bis 1 Zoll
Grösse erreichende Mollusken- und Anneliden-Schalen. Die Mollusken
Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. XXVI. ßd. I. Hft. 2
J8 Rolle. Über einige an der Grenze von
scheinen um so häufiger aufzutreten, je mehr im Gestein der kal-
kige Teig vorherrschend wird; werden statt dessen aber die Sand-
körner häufiger, so pflegen gewöhnlich nur Fischreste sich zu
zeigen.
Unter den Mollusken erkannte ich schon 1852 den seltenen
und interessanten Am. Hag enowi D unk er (Am. psilonotus laevis
nach Qu en st edt), eine sonst nur aus dem untersten Lias von
Norddeutschland bekannte und hier allein nur mit echt liasischen
Schalthierarten vorkommende Form, welche jeden Gedanken an eine
Beiziehung des Bonebed's zur Trias ausschliesst. Auf diesen Fund
gestützt sprach ich mich schon 1852 in meiner Dissertation mit Be-
stimmtheit dafür aus, dass, wenn auch die Fischreste des Tübinger
Bonebed's noch sehr an solche der Trias erinnern mögen oder selbst
zum Theile nicht einmal von solchen der Trias specifisch zu unter-
scheiden sind, doch die Mollusken derselben Schichte auf unteren
Lias deuten und dass man hiernach nicht mehr Anstand nehmen könne,
das Bonebed entschieden dem Lias als unterste Bank zuzuzählen. Ich
war um so mehr zu dieser Folgerung berechtigt, als eine Verglei-
chung von Schichten auf Grundlage von Mollusken, zumal Ammoni-
ten, in der Regel weit sicherere Schlüsse gewährt, als eine solche nach
blossen Fischzähnen oder Schuppen , und als auch im untersten Lias
von Halber stadt Prof. Dunker Fischzähne fand, zwei Hybodus-
Arten, die er nur mit solchen des Bonebeds und der oberen Trias ver-
gleichen konnte und die aus höheren Liasschichten bis jetzt noch
nicht bekannt sind. Die 1856 von denHerrenOppel und Suess ver-
öffentlichte Arbeit hat inzwischen noch weiter beigetragen, den soge-
nannten obersten oder gelben Keupersandstein nebst dem Bonebed
in paläontologischer Hinsicht dem unteren Lias mehr als dem oberen
Keuper zu nähern.
Ich wende mich nun zu der Aufzählung und Beschreibung der
von mir im Bonebed der Waldhäuser Höbe gesammelten Schalthiere
und bemerke, dass unter den mir vorliegenden Exemplaren keines
ist, welches nicht mit Fischresten zusammen in ein und demselben
Gesteinsstücke eingeschlossen wäre. Manche dieser Fischreste aber
sind, wie gezeigt werden soll, bestimmbar und solchen gleich, die
man sonst als bezeichnend für das von Agassiz als eine obere
Triasschicht erklärte und auch von den württembergischen Paläonto-
logen bisher meist als solche festgehaltene Bonebed ansieht.
Keuper uiid Lias in Schwaben auftretende Versteinerungen. J 9
I. Amiuonites Hagenowi Dunk.
1847. Ammonites Hagenowi Dunk. in Dunk. und H. v. Mey. Paliionto-
graphica. I. Band, Cassel 1846—1851, S. 115, Taf. XIII, Fig. 22,
Taf. XVII, Fig. 2.
1853. Id. Ro II e, Versuch einer Vergleichung des norddeutschen Lias mit dem
schwäbischen. Homburg 1853 ; S. 7 und 15.
Prof. Dunk er hat aus dem untersten Lias *) von Halbe r st a dt
und Quedlinburg, so wie auch von Exten bei Rinteln einen
flachscheibenförmigen und ziemlich hochmündigen Ammoniten, der all-
gemeinen Form nach dem Am. hecticus Rein, nicht unähnlich, aber
von einer auffallenden, einigermassen an die der Ceratiten erinnern-
den Loben- und Sattel-Bildung abgebildet. Die Herren Prof. Quen-
stedt und Dr. Oppel haben diesselbe ohne weitere Bemerkung dem
Am. planorbis Sow. (Am. psilonotus laevis Quen stedt) gleich-
gesetzt. Ich muss gestehen, dass es mir schwer wird, über diesen
Punkt eine feste Meinung zu behaupten, jedenfalls aber halte ich dafür,
dass man den Am. Hagenowi Dunker, abgesehen von theoretischer
Deutung jedenfalls vorläufig vom echten Am. psilonotus Quenstedt
getrennt halten soll.
Im Jahre 1852 fand ich ein einzelnes Exemplar des Am. Hage-
nowi, sehr nahe mit den beiden von Dunk er abgebildeten Halber-
städter Exemplaren (namentlich mit Taf. XVII, Fig. 21) überein-
stimmend , in der kalkigen Partie des Lias-Bonebeds der Wald-
häuser Höhe bei Tübingen. Ich bemerkte in meiner Dissertation
darüber: „Es ist wahrscheinlich nichts anderes als Am. psilonotus
laevis Quenstedt. Diese drei Exemplare, die zwei von Halber-
stadt und andern Orten in Norddeutschland abgebildeten und das
Tübinger Exemplar, zeichnen sich in ganz eigenthümlicher Weise
durch eine auffallende, au die der Ceratiten erinernde Loben- und
Sattelbildüng aus. Sie haben gleich den Ceratiten und der jugend-
lichen Entwicklungsstufe der Ammoniten ganzrandige Sättel und auch
noch sehr einfach gebildete Loben. Man könnte in ihnen auf embryo-
naler Stufe stehen gebliebene Individuen des Am. psilonotus sehen.
1) Concinnen-Scliichten, unterer Lias a, in Schwaben die Psilonoteu- und Angulatenbank
zusammen begreifend.
2»
%() Rolle. Über einige an der Grenze von
Ohnehin sind, wie es bis jetzt sich gezeigt hat, solche ceratitenartige
Individuen nie so gross, als die Psilonoten mit der normalen Loben-
und Sattelbildung zu werden pflegen." Gleichviel, wie dem nun auch
sei, man wird jedenfalls vor der Hand den Am. Hagenowi mit dem
psilonotus noch nicht zusammenwerfen dürfen.
Die beiden von Prof. D unk er abgebildeten Exemplare zeigen
einige Verschiedenheiten in der Höhe und Breite der Windungen und
der Form der Lobenlinie. Das Exemplar auf Taf. XIII ist sehr flach
zusammengedrückt, flacher als irgend ein anderer Ammonit des unteren
Lias; die Höhe der Windungen beträgt etwa das Dreifache der Breite
und die Sättel zeichnen sich durch besondere Breite aus; für die
Loben bleibt zwischen ihnen nur ein ganz ungemein enger Baum. Das
andere Exemplar (Taf. XVII) ist minder hochmündig, die Höhe der
Mündung beträgt nur das Doppelte der Breite; die Sättel sind bei
dieser Form schmäler, ihre Breite beträgt nur noch das Doppelte von
der der Loben. Bei beiden Exemplaren ist die ausserordentlich
geringe Zähnelung der Lobenlinie auffallend; die Loben zeigen nur
je 2 — 4 kleine Zähnchen, die Sättel sind auf ihrer Höhe vollkommen
ganzrandig.
Das von mir in der Fische führenden tiefsten Kalkbank des
schwäbischen Lias gefundene Exemplar ist gegen einen Zoll gross,
flach-scheibenförmig, an der äussersten Windung drei Wiener Linien
breit und vier Linien hoch, also noch weniger hochmündig als
Dunker's Exemplar auf Taf. XVII. Es zeigt eine Beihe ziemlich
wohlerhaltener Lobenlinien und einen halben, noch theilweise mit
erhaltener Schale versehenen Umgang der Wohnkammer. Der Sipho
liegt deutlich unsymmetrisch; die letzte Lobenlinie der vorletzten
dicht genähert, was man gewöhnlich als Merkmal eines ganz aus-
gewachsenen Individuums ansieht.
Die Windungen sind wenig involut, flach und wie von aussen abge-
plattet, der Bücken gerundet. Die grösste Breite liegt etwas über der
Nath, die Windung fällt hier steil treppenförmig nach innen ab. Die
Schale ist verhältnissmässig dick, an den älteren Windungen ist sie
ziemlich stark gefaltet, so dass die Falten noch am Steinkern sicht-
bar bleiben. Auf den späteren Windungen zeigen sich feine, an den
flachen Seiten der Schale schwach rückwärtsgebogene, am Bücken aber
nach vorn sich wendende Streifen; man erkennt sie auf dem Stein-
kern nur über den Bücken hin.
Kenner und Liaa in Schwaben auftretende Versteinerungen. 2 |
Die Anheftungslinie der Kammerwände erscheint als eine sanft-
wellig gebogene, mit nur sehr geringen Zacken versehene, stellen-
weise auch ganz einfach gebogene Linie. DieSüttel nehmen nicht viel
mehr Raum als die Loben ein. Der Unterschied in der Breite beider
ist entschieden geringer als bei beiden Dunker'schen Exemplaren.
Der Rückenlobus ist etwas breiter als tief und durch einen ziemlich
grossen , einfach zugespitzten Siphonal - Sattel getheilt. Der erste
Seitenlobus ist auch ziemlich breit und etwa eben so tief gelegen als
der Rückenlobus. Der zweite Seitenlobus reicht weit weniger zurück
als beide vorigen. Der Rückensattel ist breit und zeigt einige sehr
geringe Einkerbungen. Der erste Lateralsattel ist etwas schlanker als
der vorige, tritt weiter gegen vorn vor und steht schief; er ist mit
der Oberseite nach vorn und innen geneigt. Er ist an einzelnen
Lobenlinien des Exemplars mit ein oder zwei Einkerbungen ver-
sehen, an andern ganzrandig. Der zweite Lateralsattel ist breit und
nieder, er zeigt wieder einige geringe Einkerbungen.
Die Lobenbildung im Ganzen genommen erinnert theils an die
der Arieten, so namentlich die Höhe des ersten Lateralsattels. Be-
kanntlich stellt auch Quenstedtdie Psilonoten als nächste Ver-
wandte neben die Arieten und nennt sie „ungekielte Arieten." Ande-
rerseits erinnert die Lobenbildung des Am. Hagcnowi auch und
zwar durch die geringe Einkerbung oder selbst völlige Ganzrandig-
keit der Sattel an gewisse andere Ammoniten, welche Übergänge zu
Ceratiten darstellen, wie namentlich zu dem im alpinen Lias von Ad-
neth in Osterreich vorkommenden Am. ceras Gieb. (A. ceratitoides
Quenstedt, nicht Bu ch), doch ist der eigentliche Typus der Loben-
linie des letzteren ein ganz anderer, die Verwandtschaft des Am.
Hagenowi zu den Arieten ist jedenfalls eine grössere.
Die drei, theils von Dunker, theils von mir beschriebenen
Exemplare des^4m. Hagenowi schliessen sich zu einer und derselben
Reihe zusammen, bei der im gleichen Grade, wie die Hochmündigkeit
wächst, auch die Breite der Sättel zunimmt und die Kerbung der
Sättel und Loben vermindert erscheint. Es schliessen sich dieselben
in folgender Weise an einander:
22
Rolle. Über einige an der Grenze von
1. Exemplar von
H a 1 b e r s t a d t.
Dunk. Taf. XIII.
2. Exemplar von
Halber stadt.
Dunk. Taf. XVII.
3. Exemplar von
Tüb ingen.
Höhe der Mündung zur Breite
= 2:1 bis 3 : 1.
Höhe der Mündung zur Breite
= 2:1.
Höhe der Mündung zurBreite
= 1-5 : 1.
Sättel sehr breit.
4 — 8mal breiter als die Loben.
Sättel minder breit, nur noch
2mal breiter als die Loben.
Sättel noch mehr im Abneh-
men, nur noch um ein geringes
breiter als die Loben.
Diese Reihe würde denn Am. planorbis Sow. (Am. psilo-
notus laevis Quenstedt) fortsetzen. Ich habe von dieser sehr
vielgestaltigen Form eine Reihe von Exemplaren ans der Psilonoten-
Rank des Lias a von Tübingen vor mir liegen. Sie sind alle breiter
wie Am. Hagenowi , und auch wenn sie (was selten ist) schmal und
hochmündig werden, doch immer an den Seiten gerundeter. Rei allen
Exemplaren, sobald sie nur erst die Grösse von einem halben Zoll
oder mehr erreicht haben, ist die Kerbung der Loben und Sättel
beträchtlicher. Einen wirklichen und sicheren Übergang des Am.
Hagenowi in den glatten psilonotus kann ich aus ihnen nicht ent-
nehmen.
Immerhin lässt sich vermuthen, dass Am. Hagenowi nur eine
ungewöhnliche Form des Am. psilonotus laevis ist , bei der aus-
nahmsweise die bei den jungen (erst ein paar Linien grossen)
Individuen der Psilonoten, wie derAmmoniten überhaupt, herrschende
ceratitenartige Lobenbildung auch im erwachsenen Zustande ver-
blieben ist.
Was am meisten sich zur Rechtfertigung einer solchen Hypo-
these vorbringen lässt, ist die grosse Veränderlichkeit der Lobenbil-
dung bei den Psilonoten überhaupt. Wären bei dieser Gruppe die
Loben- und Sattelformen so specifische Merkmale, wie sie bei so
manchen anderen Ammoniten-Arten es sind, so müsste man aus den
drei Exemplaren des Am. Hagenowi jedenfalls drei Arten, aus den
übrigen Psilonoten aber auch nicht drei Arten, wie d'Orbigny,
sondern gewiss noch viel mehr machen. Es scheint vielmehr, dass
überhaupt bei den Psilonoten allen die Lobenbildung in sehr weiten
Grenzen variiren kann und dass hierauf vor allem die bald höhere,
bald breitere Form der Windungen von Einfluss ist.
Keuper und Lias in Schwaben auftretende Versteinerungen. 23
Will man mit Quenstedt und Oppel den Am. Hagenovri
Dunker mit dem Am. planorbis Sow. (Am. psilonotus laevis
Quenstedt) vereinigen, so muss man jedenfalls auch den Am.
Suessi v.Hauer dazunehmen. Bergrath von Hauer hat in den
Sitzungsberichten der k. Akademie, XIII. Band, 1854, S. 401,
Taf. I, Fig. 1 — 6 aus den Hierlatz-Schichten der nordöstlichen Alpen
einen flachscheibenförmigen, unsymmetrischen Ammoniten unter dem
Namen Am. Suessi dargestellt, der dem Am. Hagenowi jedenfalls
äusserst nahe steht. Er ist etwas hochmiindiger als das Exemplar aus
dem Tübinger Bonebed (Höhe zur Breite = 1*8:1), die Oberflächen-
zeichnung ist ziemlich ähnlich, aber nach den einzelnen Individuen
sehr veränderlich, die Lobenlinie zeigt grosse Übereinstimmung mit
der des Am. Hagenowi, die Loben sind wiederum schwach gekerbt, die
Sättel ganzrandig, der obere Seitensattel ebenfalls wieder stark ent-
wickelt, höher als der Rückensattel und etwas schief gestellt.
Im Ganzen genommen bewegt sich jedenfalls Am. Suessi noch
sehr innerhalb des Varietäten-Cyklus des Am. Hagenowi, indessen
gehört er einer jüngeren Epoche, nämlich dem mittleren Lias, an.
Vorläufig wird man wohlthun, ihn ebenso von Am. Hagenowi getrennt
zu lassen, als diesen vom Am. psilonotus.
2. Pleuromya suevica Rolle.
Eine der Galtung nach nicht sicher zu bestimmende Art, die in
ihrer äusseren Form mit einem Theile der Pleuromya- Arten von
Agassiz, namentlich mit Pleuromya elongata Münst. s\>.,P.tenui-
stria M iinst. sp., P. tellina Agas. und anderen ober- oder mittel-
jurassischen Myaciten nahe übereinstimmt. D'Orbigny bringt alle
diese Pleuromyen zu Panopaea, was indessen Deshayes als
unrichtig bezeichnet hat. In der That haben die lebenden und ter-
tiären Panopäen eine ganz andere Form und sind namentlich auf der
Hinterseite viel stärker abgestutzt.
Unter den Pleuromyen des unteren Lias ist keine, die ich mit
dem Exemplar aus der fischführenden Schichte von Tübingen iden-
tificiren könnte. Dieses zeigt folgende Charaktere.
Ganz oder doch beinahe gleichschalig, ungleichseitig, nicht oder
nur sehr wenig klaffend, dünnschalig, länglich-eiförmig, doppelt so
lang als breit, massig stark gewölbt, vom Wirbel aus nach vorn und
unten abgestutzt, Hinterseite und Stirnrand sanft zugeschärft.
24 Rolle. Über einige an der Grenze von
Wirbel nach innen und vorn eingekrümmt, weit nach vorn
gerückt. Vom Wirbel zur Unterseite verläuft eine breite seichte Ein-
bucht der Schale; Oberfläche bedeckt mit einer feinen und dicht
stehenden, aber ziemlich unregelmässigen Anwachsstreifung und mit
entfernter stehenden, flachen Runzeln, welche letztere allein auf dem
Steinkern sich ausdrücken.
3. Cardium Philippianum Dunk.
1847. Cardium Philippianum Dunk. in Dunk. und Mey. Paläontographica.
I. Band, S. 116, Taf. XVII, Fig. 6.
1853. Id. Rolle. Versuch einer Vergleiehung der norddeutschen Lias mit dem
schwäbischen. S. 14.
1854. Id. Terquem. Mem. de Ia soc. geol. de France. Deuxieme Serie.
Tome cinquieme. 1 partie. Paris 1854. S. 288, Taf. XVIII, Fig. 16.
1856. Cardium des Malmsteins von Göppingen, Quenstedt, der Jura,
S. 62, Taf. VI, Fig. 10 (nicht C. Philippianum Quenst. der Jura.
S. 30, Taf. I, Fig. 38).
Eine kleine dünnschalige Art von dickgewölbter, dreiseitig
gerundeter Form, zu den sogenannten Protocardien (C. hillanum
Sow., C. striatulum Sow. u. s. w.) gehörend. Die hintere Seite
steil abgestutzt und mit feinen Längslinien bedeckt. Diese Linien
sind nur gegen unten zu stark ausgesprochen , höher oben, gegen
den Wirbel zu sind sie sehr fein und nur für das bewaffnete Auge
erkennbar. Die übrige Schale zeigt sehr feine concentrische An-
wachsstreifen.
Prof. Dunk er hat diese Art aus dem unteren Lias a von Hal-
berstadt beschrieben. Die von ihm gegebene Zeichnung stimmt
sehr gut mit meinem Exemplar aus dem Bonebed der Waldhäuser
Höhe. Nur reicht bei Dunker's Zeichnung die Streifung auf der
Oberfläche der Hinterseite gleichmässig vom Wirbel zur Unterseite
und fehlt auf der Innenseite der Schale. An meinem Exemplar ist auf
der abgestutzten Hinterseite die äussere Schale nicht erhalten, die
Streifung gehört dem Steinkern an. Indessen scheint mir dasselbe
doch mit der Dunker'schen Specics identisch zu sein und nur
einem jüngeren Individuum angehört zu haben, bei welchem die Schale
noch dünn genug war, um auch innen die Zeichnung der Aussenseite
ausgedrückt zu zeigen. C. rhaeticum Merian (C. Philippianum
Quenstedt nicht Dunker), aus dem Sandstein der Bonebed-
Region von Nellingen und Birkengehren, ist ganz ähnlich,
Keuper und Liaa in Schwaben auftretende Versteinerungen. ^5
jedoch von rundlicherem Umriss und flacher, dabei auch auf der
abgestutzten Hinterseite stärker gestreift.
4. Astarte Suessi Rolle.
Eine kleine, ziemlich dickschalige, quer-ovale Form mit etwa
5 — G starken concentrischenRunzeln nächst dem Wirbel; diese Run-
zeln, sowie auch den unteren Schalentheil — die Stirn-Gegend —
bedecken feine, sehr regelmässige, dicht stehende Anwachslinien.
Diese kleine Art ist häufig im Bonebed der Waldhäuser Höhe.
5. Astarte sp. ?
Eine kleine sehr flache, vierseitig gerundete Muschel mit einigen
— mindestens vier — starken concentrischen Fallen, die vom Wirbel
gegen den Stirnrand zu an Stärke wachsen.
Es liegt mir nur die Innenseite einer Schale und der dazu gehö-
rige Steinkern vor. Die Schale scheint ziemlich dünn zu sein, die
Falten treten stark auf dem Steinkern noch hervor. Der letztere zeigt
zugleich um den Wirbel herum ziemlich starkeEindrücke von schwie-
ligen, vom Wirbel her ausstrahlenden Verdickungen der Schale, wie
man sie sonst nicht bei Astarte, wohl aber z. B. bei Crassatella-Arten
häufig stark entwickelt sieht. Die generische Stellung dieser Form
ist sehr unsicher, eine Astarte kann es nicht wohl sein, aber auch
nicht leicht eine Crassatclla, da letztere Gattung auch nur dick-
schalige Arten zeigt und mit Sicherheit wohl nur in viel späteren
Schichten nachgewiesen ist.
6. Lcda Oppeli Rolle.
Eine flache längliche Form, wie sie im mittleren Lias, besonders
im Lias o Schwabens häufig ist; querlanzettförmig, Hinterseite mit
langem geradem Schlossrande, der fast dreimal so lang ist als die
Vorderseite.
Das Exemplar zeigt eine wohlerhaltene Schalenoberfläche; sie
ist bedeckt von feinen entfernt stehenden Anwachslinien. Diese wer-
den unter sehr spitzem Winkel von andern Linien durchkreuzt, die von
vorn schräg gegen hinten verlaufen, eine Zeichnung, die auch bei
Leda-Avlen jüngerer Formation wiederkehrt.
26 Rolle. Über einige an der Grenze von
Da die ovalen Leda-Arten des mittleren Lias gewöhnlich nur in
verkiestem Zustande und ohne erhaltene Schalenoberfläche vorkom-
men, die des Bonebeds mir aber nur in einem einzigen Exemplare,
welches seine Sehale noch besitzt, vorliegt, so ist es schwer, zu ent-
scheiden, ob die so viel ältere Form aus demBonebed von den bekann-
ten jüngeren ovalen Arten wirklich sicher verschieden ist. Die ganz
ähnliche länglich-ovale Art des mittleren Lias bezeichnet Qu en st edt
und mit ihm Oppel als Nucula inflexa Rom. Indess ist dies falsch;
die N. inflexa Rom. (Norddeutsch. Oolith. S. 100, Taf. VI, Fig. 15)
hat andere Form und Grösse und gehört dem mittleren braunen Jura
an. N. inflexa Quensted t (Handb. S. 528, Taf. XXXXIV.Fig. 10).
Oppel. (der mittl. Jura. S. 85, Taf. IV, Fig. 21) ist gleich N. striata
Rom. (Norddeutsch. Oolith. S. 99, Taf. VI, Fig. 11) aus den oberen
Liasmergeln (Lias o) von Quedlinburg, wie ich schon 1852 in
meiner Dissertation (S. 36) nachwies. Doch ist der Name striata
bereits anderweitig in derselben Gattung schon vergeben und d'Or-
bigny hat die Art des mittleren Lias daher LedaRosalia genannt
(Prodr. Et. toarcien. Nr. 176).
Wir haben darnach also von ovalen Leda-Arten:
im untersten Lias Leda Oppeli R o 1 1 e ,
mittleren „ (ß, 7, ö) Leda Rosaita d'Orb. (= L. inflexa Quenst. id.
Oppel. nicht Rom.; = Nucula striata Rom. nicht Lam.),
„ braunen Jura Leda inflexa Rom. sp.
7. Lima tecticosta Rolle.
Eine kleine länglich dreiseitige Art aus der Abtheilung der soge-
nannten duplicaten Limen; flach gewölbt, mit zwanzig oder mehr
starken, dachförmigen scharfen Rippen und noch einigen schmäleren,
feineren und dichter stehenden Streifen auf den Seiten. Die Haupt-
rippen stehen entfernt und werden durch ziemlich breite und gerun-
dete Furchen getrennt, auf deren Grund man mit der Loupe 2—3
oder mehr sehr feine, aber scharf ausgesprochene Längslinien
bemerkt. Die ganze Schale bedeckt ausserdem eine sehr feine con-
centrische Anwachsstreifung, die in den Furchen sich etwas vor, auf
den Rippen etwas zurückbiegt.
L. pectbwides S 0 w. aus dem unteren Lias von England, Schwa-
ben, Elsass, der Harz-Gegend u. s. w. ist ähnlich , hat aber stets
eine ausgezeichnete Zwischenrippe in der Furche zwischen je zwei
Keuper und Lias in Schwaben auftretende Versteinerungen. 27
Hauptrippen, wovon meine Exemplare aus dem Bonebed der Wald-
häuser Höhe nichts wahrnehmen lassen.
Eine der häufigeren Schalthier- Arten des ßonebeds. Plie-
ninger (Seite 106) erwähnt des Vorkommens von Lima (Plagio-
stoma) pectinoides Sow. im Bonebed von Degerloch bei Stutt-
gart, es dürfte dies wohl dieselbe Form sein, die ich von der Wald-
häuser Höhe als neu beschrieb.
8. Pecten Hehli d'Orb.
1830. Pecten glaber Hehl in Zieten's Petref. Würt., Taf. LIII, Fig. 1 (non
Montagu); id. Quenstedt.
1849. P. Hehli ä'Orb. Prodr. Et sinemur. Nr. 130.
1836. Id. Oppel, die Juraformation. S. 103.
Eine glatte Pecten- Art des unteren Lias, die unter der Loupe
eine feine concentrische Anwachsstreifung zeigt.
In der Arietenbank des Lias a Schwabens hat man sie besonders
häufig; Vaihingen und Degerloch bei Stuttgart, Tübingen,
Gmünd u. a. 0., auch in Norddeutschland (P. liasinns [Nyst.]
Dunk.) zu Halbe rstadt u. a. 0.
9. Ostrea sp.
Eine kleine unregelmässig runzelige Auster mit seitlich gewen-
detem Wirbel.
Ähnlich sind besonders die Abbildungen der Ostrea irregularis
bei Goldfuss (Petref. Taf. LXXIX, Fig 5 c und Quenstedt (Der
Jura, Taf. III, Fig. 15). Man hat solche mehr oder minder unregelmässig
verzogene, concentrisch-runzelige Austern auch in der Psilonoten-
Bank und den höheren Bänken des Lias, wo sie dann mit Gryphäen
zusammen vorkommen und oft nicht leicht von Abänderungen solcher
zu unterscheiden sind. Diese Austern des unteren Lias bedürfen noch
sehr einer kritischen Bearbeitung.
10. Serpola exigoa Rolle.
Eine kleine, entweder gerade oder schwach gebogene, walzen-
förmige Art mit schwachen, aber ziemlich groben und gerundeten
Anwachsrunzeln. Eines der beiden aus dem Bonebed der Waldhäuser
Höhe vorliegenden Exemplare zeigt vorübergehend um eine einzelne
Stelle der Schale herum einen schwielig verdickten Ring.
28 Rolle. Über einige an der Grenze von
Alle hier beschriebenen zehn Species kommen, wie schon
bemerkt wurde, in einem und demselben Gestein zugleich mit zahl-
reichen Fischresten vor. Es sind dies theils Schuppen (Gyrolepis
tenuistriatns Ag.) theils Zähne, wie Saurichthys acnminutus Ag.,
Acrodus minimus A g. , Thectodus spp. P 1 i e n i n g e r , Sargodon
tomicus Plien., Ceratodus u. s. w.
Als Belege dafür wurden auf der Tafel neben obigen Mollusken
noch folgende Fischreste abgebildet:
Acrodus minimus kg., eine der bezeichnendsten Arten desLias-
Bonebed's im Gegensatz zu jenen der tieferen Schichten des Keupers
und Muschelkalks (vergl. M ey. und Plien. Taf. X,Fig. 25, 26), ferner
Hybodus sublaevis Ag. und
Hybodus minor A g.
Alle diese Versteinerungen aus der kalkigen Partie des Lias-
Bonebed's von Tübingen befinden sich in der paläontologischen
Sammlung des k. k. Hof-Mineralien-Cabinets zu Wien.
Es sei mir vergönnt, die Endergebnisse der Arbeit und meine
Deutung der in Arbeiten anderer dargestellten Verhältnisse noch
einmal in Kürze zusammen zu fassen.
Während, wie PI ieninger ') zuerst hervorhob, mit dem weis-
sen Keupersandstein die echt triasischen, mit denen von Muschelkalk
und Lettenkuhle entweder ganz identischen oder ihnen doch äusserst
nahe stehenden Fossilien entschieden zurücktreten, um einer neuen,
nicht mehr echt triasischen, aber auch vorerst noch nicht sicher liasi-
schen Flora und Fauna Raum zu geben; während, wie Quenstedt von
jeher besonders betonte, mit dem Beginne der ersten untersten Schichte
des „gelben Keupersandsteins" auch in petrographischer Hinsicht, —
nämlich durch das Verschwinden der bis dahin herrschend gewesenen
rothcn und das Erscheinen der grauen Mergel als Zwischenschich-
ten des Sandsteines — wieder ein nachweisbarer Gegensatz gegen
tiefere Keuperschichten und eine gewisse Annäherung an den unter-
sten Lias gegeben ist, stellt sich mit dem gelben Sandstein und dem
Bonebed eine aus Fischen und Mollusken bestehende Fauna ein,
welche bereits als eine entschieden liasische zu bezeichnen ist.
Die im Sandstein gelegenen Schalthier- Arten, welche die Herren
Oppel und Suess beschrieben und in denen sie Arten der Kössener
») H. v. Meyer u. Th. PI ienin ger, Beitr. z. Pala'ont. Würt. Stuttgart 1844, S. 91.
Keuper und Lias in Schwaben auftretende Versteinerungen. 20
Schichten des Alpenkalks erkannten, ehenso die im kalkigen Bonebed
von mir nachgewiesenen, lassen nur eine Beziehung auf unteren
Lias zu *). Die Fischreste deuten, wie besonders Prof. Plieninger
und neuerdings auch Dr. Opp el (die Juraformation Englands, Frank-
reichs u.s.w. Stuttgart 1856, S.23) hervorgehoben haben, allerdings
mehr auf eine obere Triasschichte, besitzen indessen durchaus nicht
den gleichen stratigraphischen Werth, wie die betreffenden Mollusken,
da erstlich Fischzähne überhaupt als unsichere, weder generisch
noch speeifisch mit Bestimmtheit festzustellende Überreste dastehen
und nur aushilfsweise als Leitfossilien benutzt werden können und
zweitens auch, wie Prof. Dunker nachwies, im unteren Lias von
Halberstadt Fischzähne vorkommen, wie man sie sonst nur aus
der oberen Trias kennt. Ja Dr. Oppel seihst (S.23) gibt an, dass
Hybodus-Zähne, die er in der Mittelregion des unteren Lias von Lyme
Regis in England sammelte, mit einzelnen der im Bonebed vorkom-
menden Formen nahe übereinstimmen, was gewiss ein Grund mehr
dafür ist, auf den triasischen Charakter einiger Zähne des Lias-
Bonebeds keinen zu grossen Werth zu legen.
Gelber Keupersandstein und Bonebed sind also Schichten des
unteren Lias.
Die Veränderung der Fauna an der Grenzregion von Keuper
und Lias ist, wie wir deutlich zu erkennen vermögen, kein plötzli-
ches und rein momentanes Ereigniss gewesen. Vielmehr scheinen in
den Gewässern, aus welchen jene Schichten Schwabens sich abla-
gerten, nur solche (durch irgend welche, einen grösseren Theil der
Erdoberfläche betreffende Katastrophe hervorgerufenen) Änderungen
der äusseren Existenzverhältnisse der Meeresbevölkerung vor sich
gegangen zu sein, welche von Schichte zu Schichte eine andere Mol-
luskenfauna zur fossilen Erhaltung gelangen Hessen, während die Wir-
belthier-Fauna keine oder nur sehr allmähliche Veränderungen erlitt
und vielleicht selbst in einzelnen Arten noch bis in die Kalk-Region
des eigentlichen unteren Lias hereinreichte.
l) Nur die Myophoria postera Qu eu st. sp. (Triyonia postera Ouenst.J scheint allein
von den Mollusken dieser Region einem Typus tieferer Schichten (M. curvirostris
Alberti) zu entsprechen und damit einen gewissen Gegensatz zur liasischen Fauna
darzustellen.
30 Rolle. Über einige an der Grenze von
Ich schliesse mit einer übersichtlichen Zusammenstellung der
soeben beschriebenen Arten und ihres Vorkommens.
Es geht aus dieser Zusammenstellung hervor, dass das kalkige
Bonebed der Waldhäuser Höhe keine einzige Mollusken-Art mit den
von Oppel und Suess beschriebenen Schichten von Nürtingen,
Birkengehren u. s. w. gemeinsam hat, aber auch mit der unmit-
telbar darauf folgenden Psilonotenbank des schwäbischen Lias sind
nur höchstens eine oder zwei Arten gemeinsam. Die eigentlichen
Leitfossilien der Psilonoten-Region fehlen im Bonebed der Waldhäu-
ser Höhe. Diese Verschiedenheiten sind um so auffallender, da alle
jene Schichten in der fraglichen Grenzregion von Keuper und Lias
eine vorwiegende Acephalen-Facies darstellen, also unter sehr ana-
logen Verhältnissen abgelagert worden sein mögen. Gastropoden-
reiche Schichten zeigt bekanntlich erst die Angulaten- Bank des
unteren Lias Schwabens.
Dagegen stellt sich eine gewisse Annäherung an die Fauna der
Angulaten - Schichten von Schwaben , an den Gre's de Hettange
(Luxemburger Sandstein pro parte) der Mosel-Gegenden und an
den untern Lias oder die Concinnen-Schichlen von Halberstadt u. a.
Orten Norddeutschlands heraus.
Es wird wohl nicht zu sehr gewagt sein, den Schluss daraus zu
ziehen, dass die Psilonotenbank weit mehr nach ihrer Facies als durch
grösseres Alter von den Angulaten-Schichten abweicht. Im Jahre 1852
wies ich schon darauf hin, wie in Norddeutschland und ebenso im
Elsass die beiden in Schwaben gesondert entwickelten Schichten zu
einer einzigen grossen Ablagerung zusammenfallen , welche durch
wesentlich dieselben organischen Reste, wie in Schwaben bezeich-
net erscheint, und sich von der darüber gelagerten oberen Hälfte des
Lias a mit ziemlich derselben Schärfe wie dort sondert.
Es scheint, dass eine solche Abgrenzung auch im alpinen Lias
vorhanden ist. Nach den Angaben des Herrn Suess, der neuerdings
die Arieten- Schichten (Region des Ammonites bisulcatus Brug.,
B ukl andi So w.) zu Enzesfeld bei Wien, dem östlichsten Punkte,
an welchem bisher diese Schichten nachgewiesen sind, untersucht
hat, sind dieselbe!; nämlich hier scharf, und zwar , wie es scheint,
ohne Zwischenlagerung einer andern Petrefactenbank von den dar-
unter liegenden Brachiopoden führenden Kössener Schichten ge-
trennt.
Keuper und Lias in Schwaben auftretende Versteinerungen.
31
Arten des Bonebeds der Wald-
häuser Höhe bei Tübingen
Anderwärtiges Vorkommen
A. Fische.
1. Hybodus sublaevia
Ag-
2. Hybodus minor
Ag.
3. Acrodus minimus
Ag-
4. Saurichthys acu-
minatus Ä g.
Taf. I,
Fisr. 16.
Fig. 17.
Fig. 18
5. Sargodon tomicus
Plien.
6. Gyrolepis tenui-
striatus Ag.
B. Anneliden.
7. Serpula exigua
Rolle.
Fig. 14 u,
15.
Lias-Bonebed von Degerloch u. a. 0.
und Sandstein von Tübingen in
Schwaben.
Lias-Bonebed von Degerloch u.a. 0.
in Schwaben (Plieninger).
Unterer Lias a (Concinnen-Schichten) von
Halberstadt (Dunker).
Bonebed von Aust - Cliff in England
(Agassiz).
Lias-Bonebed von Degerloch u. a. 0.
Sandstein von Tübingen, Bonebed
von Aust-Cliff in England (Agas-
siz) u. L i s n a g r i b in Irland (Port-
lock).
Lias-Bonebed von Degerloch, Sand-
stein von Tübingen, Aust-Cliff
in England. Reptilienbreccie des un-
teren Keuper zu Gölsdorf bei
Rottweil. Lettenkohle-Bonebed von
Crailsheim.
Lias-Bonebed von Steinenbronn, De-
gerloch, Tübingen u. a. 0. in
Schwaben.
Lias-Bonebed von Degerloch u. Sand-
stein von Tübingen in Württem-
berg.
Lias-Bonebed von England. L i s n a g r i b
in Irland. Reptilienbreccie des un-
teren Keuper zu Gölsdorf bei
B ottweil.
Lettenkohle-Bonebed von C r a i 1 s h e i m.
32 Rolle. Über einige an der Grenze von Kenper und Lias etc.
Arten des Bonebeds der Wald-
häuser Höhe bei Tübingen
Anderweitiges Vorkommen
C. Mollusken.
Ammonites Hage-
nowi D unk.
9. Pleuromya sue-
vica Rolle.
Fig. 1.
Fig. 2 u.
3.
10. Cordimil Philippi- Fig. 4.
anain D un k.
11. Astarte
Rolle.
Suessi
12. Astarte sp.?
13. Lcda OppeliRo].
14. Lima tectieosta
Rolle.
IS.PectenHehlid'O rb.
16. Ostrea sp.
Fig. 5, 6.
Fi-. 7.
Fiff. 8.
Fig. 9 u.
10.
Fig. 11
u. 12.
Fig. 13.
Unterer Lias a von Norddeutschland (H al-
berstadt, Quedlinburg, Exten
bei Rinteln).
Unterer Lias a von Halberstadt, die-
selbe Schichte (sogenannter Malm-
stein) von Göppingen in Schwa-
ben; ferner dieselbe Schichte zu
Hettange bei Thionville (Dept.
Moselle).
Vielleicht noch im Lias-Bonebed von De-
gerloch bei Stuttgart (Plagiostoma
pectinoides bei Plieninger).
Allenthalben in den Arieten- Schichten
von Schwaben, Elsass u. a. 0. Aber
auch in höheren Liasschichten. Nach
F. v. Hauer auch in den Kössener
Schichten von Osterreich.
Rolle. An Aer Gremse van Lins und Keuper auftretende Versteinerungen.
/.rt_r/ .4ililiir/iut<-i Niif/i/in/m Üiuiher
'l,n-/>. P/r/r llimi/n .vi/r nritl Brille
3 id y
■'/. oardium PkHippümum Du.
./.{>rt-e i/.r/t//'fr .f'r/e.r.rr Ä't'llt'.
'/. .!.<■/ arte ?
K Leda Oppeti Ttolie
Ma - 6. /(>. Lima tccticofta Hol/r.
//- /'J. Per/m Hehlt d 'Orb.
/:>' Oxfrr/t
/t_/S. ■ !< '-r/ilt/rf f.rtr/t/fi Rolle
/ fi' t/t/bndt/.v ■%ltfi/tlflit.r jfy.
//. „ minor .1//.
/#. Aerodne minimus . It/.
Sitziiii.jslvd.k Akad J.V. mr.lh.iu-.turw. 11. VXVI. Bd.l.Ht-H 1851.
Petzval. Bericht über dipptrische Untersuchungen. 33
Vortrag.
Bericht über dioplrische Untersuchungen.
Von dem w. M. Prof. J. Petz Tal.
(F o rt s et z un g.)
(Vorgetragen in der Sitzung vom 23. Juli 1857.)
Ich habe in den Sitzungen vom 12., 19. und 26. März 1857 der
kais. Akademie der Wissenschaften einen kurzen Bericht über die
Ergebnisse meiner langjährigen dioptrischen Untersuchungen vorge-
legt und glaube von dem theoretischen Theile ein genügend klares
Bild in Bezug auf Ausdehnung und Zweck, so wie auf die hervor-
ragendsten wissenschaftlichen Resultate, die in Gestalt von optischen
Naturgesetzen mit einfachem analytischen Ausdrucke der Forschung
entgegen getreten sind, gegeben zu haben. Es fehlte jedoch dieser
Arbeit auch nicht an praktischen Resultaten; ja sie konnte schon
desshalb nicht ohne solchen bleiben, weil sie im Grunde von einer
praktischen Leistung, dem gegenwärtig allgemein im Gebrauche ste-
henden Cameraobscura-Objective ihren Ausgang nahm, was ihre wesent-
lich praktische Sendung so. zu sagen begründete. Ich habe jedoch
nie auf dem Wege der Presse zu dem Publicum davon gesprochen,
habe somit diese meine Erzeugnisse stets den Wechselfällen des
Lebens preisgegeben; halte daher gegenwärtig, wo ich zugleich ein
Cameraobscura-Objectiv neuer Construction der kaiserl. Akademie
vorlege, eine etwas ausführlichere Besprechung für meine Obliegen-
heit, der sich um so leichter nachkommen lässt, als eine langjährige
Erfahrung, die hinter uns liegt, nicht nur die Notwendigkeit begründet
hat, dass die Wissenschaft von Zeit zu Zeit in einfacher und «m'md-
lieber Sprache zu denjenigen rede, die von ihren Erzeugnissen
Gebrauch machen, sondern auch den Inhalt und die Art und Weise
wie dies zu geschehen hat, für den aufmerksamen Beobachter bloss-
gelegt hat.
Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. XXVI. Bd. I. Hft. 3
34 P e t z v a 1
Es dürfte wohl kaum ein optisches Instrument geben, selbst
wenn wir an das Fernrohr denken, welches ein grösseres in ernster
Weise damit beschäftigtes Publicum besässe, als gegenwärtig die
Camera obscura. Eine grosse Anzahl von Photographen, theils vom
Fache, theils von Liebhaberei, arbeitet an der Ausbildung einer Kunst,
die des Wunderbaren und Reizenden mehr haben dürfte, als irgend
eine andere. Die viele Übung schärft die Sinne und erzeugt eine
Menge von Kennern, die bereits vielfältig und mit Recht bemerkt
haben, dass es jetzt schon weit mehr schlechte Objective gibt, als
gute, die daher ein vorzügliches Erzeugniss dieser Art zu schätzen
wissen und auch wirklich keine Opfer scheuen, um sich ein solches,
falls es zu haben ist, zu verschaffen. Bei einem Artikel nicht optischer
Natur wären hiemit die Bedingungen der successiven Veredlung
erfüllt. Dass dies bei der Camera obscura nicht der Fall ist, beruht
auf mehreren Gründen, nämlich erstens auf dem Unistande, dass
dieses Erzeugniss schon bei seinem Entstehen misslicher Weise der
Wissenschaft so zu sagen aus der Hand gerissen wurde und einem
optischen Künstlerpublicum zugeschleudert war, dem tiefere wissen-
schaftliche Einsicht in der Regel als etwas sehr Überflüssiges erscheint;
zweitens auf der einseitigen Kennerschaft der Photographen, die
nur höchstens so weit, als sie reell ist, ein gutes Objectiv von einem
schlechten zu unterscheiden weiss, übrigens aber kaum wissen dürfte,
was sie will, oder was sie vernünftigerweise wollen kann, und, um
die Verwirrung der Begriffe zu vervollständigen, Eigenschaften von
einem Apparate verlangt und gelegentlich auch zuschreibt, die er
gar nicht haben kann, oder die mindestens unter dem Eindrucke einer
ersten Wahrnehmung auf sehr ungeeignete Weise ausgedrückt wur-
den. Z. B. dieser Apparat arbeitet plastisch heraus, jeuer nicht;
dieser Apparat arbeitet tief hinein ins dunkle Grün, jener nicht;
dieser hat einen chemischen Focus, jener nicht u. s. w. Alle diese
Redensarten, einem wirklich wahrgenommenen Übelstande entspros-
sen, aber sämmtlich unrichtig im Ausdrucke, dienen nur, die Begriffe
zu verwirren und die Aufmerksamkeit des Beurtheilers von dem
Umstände abzulenken , der an solcher Unzukömrnlichkeit die Schuld
trägt und dürften endlich zu einem Handwerks- Jargon führen, der
seiner Zeit nicht ohne Einfluss bleiben könnte auf die Versteinerung
der Zunft. Hier kann wohl nur die Wissenschaft abhelfen durch
gründlichen und dermassen populären Unterricht, dass ihm in den
Bericht über dioptrische Untersuchungen. 3«)
elementaren Lehrbüchern der Physik alsogleich eine Stelle ange-
wiesen werden kann. Ich halte es für zweckmässig, einen solchen
bei gegenwärtiger Gelegenheit, wo ich mein neues Objectiv vorlege,
einzuleiten, und wenn ich auch dabei Gefahr laufe, etwas zu sagen
was einige schon wissen, so strebe ich doch nach dem Verdienste,
diesen Wenigen ein Gesammtbild vorzuführen, welches sie noch nicht
besassen.und zugleich ein grösseres photographisches Publicum über
die Natur des Instrumentes, von dem sie Gebrauch machen, gründ-
licher zu belehren. Ich glaube den Zweck am aller besten dadurch
zu erreichen, dass ich mir hier diejenigen Fragen vorlege, die auch
der rationell vorgehende Erfinder eines solchen Apparates sich vor-
legen muss, sie beantworte, und die Ergebnisse der Untersuchung an
dem allgemein bekannten Gegenstande dieser Art beispielsweise
erläutere. Diese Fragen sind: Was ist ein Cameraobscura-Objectiv,
zu welchen Zwecken wird es gebraucht; welche sind die zur Errei-
chung derselben dienlichen Eigenschaften; endlich in welchem Masse
und mit welchen Mitteln lassen sie sich in einem solchen Instrumente
vereinigen ?
Eine Schrift, die den Zweck hat, gründliche Einsicht in die
Natur eines optischen Instrumentes mit wesentlich mathematischer
Grundlage denjenigen zu verschaffen, die davon Gebrauch machen
und nur zum geringsten Theile mathematische Bildung besitzen, kann
sich nicht im Sinne anderer populärer Schriften dadurch als populär
gestalten, dass sie sich lediglich in unbestimmten Redensarten ergeht
über die Wirkungen eines solchen Geräthes, die denjenigen, der sie
vernimmt, um nichts klüger machen, als er war. Sie hat vielmehr das
Piecht von Jedermann nicht ein leichtes Lesen, oberflächliches, sondern
vielmehr ein angestrengtes gründliches Studium zu verlangen, dagegen
aber auch die Verpflichtung, dem Bildungsgrade eines sehr gemischten
Publicums sich dadurch anzupassen, dass sie für jeden einen ent-
sprechenden Grad klarer Einsicht in die Natur des entsprechenden
Gegenstandes bringt. Eine solche klare Einsicht gewinnt man aber
erstens dadurch, dass man das Gesetz oder die Gesetze der verschie-
denen Wirkungen kennt, die erwünscht oder unliebsam einem solchen
optischen Apparate angehören, Gesetze, die am allerzweckmässigsten
in einer mathematischen Formel ihren Ausdruck finden und die frei-
lich wohl nur für denjenigen ihren vollen Werth haben , der der
mathematischen Sprache im gewissen Grade mächtig ist; es lässt
3»
30 P e t a v a 1.
sich aber auch zweitens ein beschränkterer Grad von Einsicht dadurch
erzielen, dass man diese Wirkungen der Grösse nach in den Fällen,
die die Praxis angehen, in bestimmten Zahlen angibt. Aus der Ver-
bindung dieser beiden Hebel der Einsicht, der mathematischen Formel
nämlich, die man für eine gewisse Anzahl specieller Fälle in Zahlen
umgesetzt hat, entspringt die klare Einsicht eines gründlichen Ken-
ners, der sein Urlheil nicht erst mühsam aus den verborgensten Falten
des Gedächtnisses zu holen hat, sondern der es wie mit einem
Schlage vor Augen legt. Es können daher in dieser Abhandlung die
einfachsten optischen Formeln nicht fehlen und auch der Gebrauch der
ersten Anfangsgründe der Infinitesimal- Analysis kann nicht umgangen
werden , weil er für den mathematisch Gebildeten wahrhaft populär
ist. Für diejenigen aber, die vor einer Formel erschrecken, sind die
aus ihr abgeleiteten numerischen Daten in runden Zahlen, und es
wird gewiss nicht schaden, wenn auch der Laie sieht, wie die Mathe-
matik mit leichter Mühe zu Resultaten gelangt, die selbst das ange-
strengteste Nachdenken des verständigen , aber mathematisch unge-
bildeten Kopfes schwer oder gar nicht herausgebracht hätte. Hiemit
kehren wir zurück zum Gegenstande unserer Untersuchungen.
Eine Camera obseura ist eine Vorrichtung, vermittelst welcher
in endlicher Entfernung ein Bild gemacht wird von einem fernen oder
nahen Gegenstande.
Es wird wohl schon nach dieser Erklärung Niemandem schwer
fallen, der Camera obseura Eigenschaften anzuwünschen, und die
Wünsche werden sich desto kühner gestalten, je lebhafter die Phan-
tasie und je geringer die Einsicht des Wünschenden ist. Es ist auch
erspriesslich, alles dasjenige, was sich vernünftigerweise wünschen
lässt, aufzuzählen, um dann später überlegen zu können, in wie ferne
demselben zu willfahren ist. Wir wünschen also: das Bild soll scharf,
lichtstark, naturgetreu, eben sein, die Camera obseura soll dienen zur
Abbildung entfernter und naher Gegenstände, wo möglich zu gleicher
Zeit ; soll grosses Gesichtsfeld besitzen , das Bild soll gross oder
klein sein, wie man nur immer will, auch soll der Apparat möglichst
wenig kosten und bequem sein zum Handhaben.
Einer grossen Mehrzahl dieser Anforderungen lässt sich Geniige
leisten durch eine Vorrichtung, zu der der Optiker nicht den gering-
sten Bestandtheil liefert und ganz überflüssig ist und die auch nichts
weiter kostet, als einen Nadelstich in ein Kartenblatt. Man versieht
ßorielit über dioptrische Untersuchungen. 37
nämlich den Fensterladen eines sorgfältig verfinsterten Gemaches mit
solch' einer kleinen Öffnung und stellt vor dieselbe einen Schirm, so
fällt darauf ein Bild der aussen sich befindlichen Gegenstände, Avelches
die Mehrzahl der oben angegebenen Eigenschaften besitzt in idealer
Vollkommenheit: absolute Naturtreue, Abbildung entfernter und naher
Gegenstände zu gleicher Zeit, grosses Gesichtsfeld, so nahe an 180°,
als man nur will, eben oder gekrümmt nach Belieben, geringe Kosten
und eine Handhabung, die sich nicht bequemer denken lässt, sind die
Eigenschaften, die ihm aus dem Inbegriffe der oben aufgezählten
zukommen und es fehlt nur an Schärfe und Lichtstärke. Dieser Ab-
gang genügt aber auch vollkommen, um die Vorrichtung zu ernsteren
Zwecken unbrauchbar zu machen. Es könnte daher auch hier von
derselben nicht die Rede sein, wenn sie nicht ein im hohen Masse
geeignetes Beispiel darböte , um zu zeigen, was die Natur bereit-
willig bietet und was durch mehr oder minder schwere Opfer erkauft
werden muss, ferner, wie oft eines der bereitwillig Gebotenen ver-
loren geht, wenn man durch die Mittel, welche die Kunst und Wis-
senschaft angibt, die edleren Eigenschaften: Schärfe und Lichtstärke
erhöhen will, und endlich von welcher Art und von welchem Ein-
flüsse die verschiedenen, theilweise noch übrig bleibenden Unvoll-
kommenheiten seien, denn das absolut Vollkommene erscheint auf
dem Erdenrunde nicht.
Wer in die Natur irgend einer Sache tiefere Einsicht gewinnen
will, thut beinahe immer am besten, wenn er sein Studium vom
Ursprünge derselben, oder von der allereinfachsten Form beginnt.
Dies ist Regel in allen Kunst- und Wissenschaftszweigen. Der Sänger
darf nicht aufhören, die Tonleiter zu singen, der Tänzer muss fort-
während seine Pliees und Battements üben. Der gelehrte Schulmann
vom Fache verdankt seine Überlegenheit über den Dilettanten grossen-
theils der steten Beschäftigung mit den Elementen. Wer die Segnun-
gen der Civilisation gehörig würdigen will, muss sich mit Robinson
Crusoe im Geiste auf eine wüste Insel versetzen u. s. w. Wer einen
andern Weg einschlägt, lauft gar oft Gefahr, gerade das Werthvollste
und Einflussreichste zu übersehen. Er gelangt nie zu einer gerechten
Würdigung der Leistungen der Kunst und Wissenschaft, schätzt hoch,
was keinen Werth hat, und oft gar nicht da ist, missachtet hingegen
das wahrhaft Werthvolle, verlangt das Unmögliche und ist mit einem
Worte ein sehr unerspriesslicher Kenner. Wir heben daher das
38 P e t z v a 1.
Studium der Camera obscura an mit einer sorgfältigen Discussion ihrer
allereinfachsten Form, nämlich einer kleinen Öffnung im Fensterladen
und wollen annehmen, dass die abgebildeten Gegenstände in sehr
grosser Entfernung von demselben liegen, dass daher ein jeder Punkt
einen äusserst spitzen Strahlenkegel der kleinen Öffnung zusende,
den man für einen dünnen Strahlencylinder nehmen kann.
Wäre nun die Fortpflanzung des Lichtes eine geradlinige , so
würde ein jeder solcher Strahlencylinder mit der ihm eigenen Farbe
und Lichtintensität durch die Öffnung des finsteren Gemaches dringen
bis zum Schirm, der das Bild auffängt. Auf diesem würde er dann
einen kreisrunden Fleck nahezu von der Grösse der Öffnung und von
der ihm eigenen Farbe und Lichtstärke erzeugen. Der Inbegriff aller
dieser verschieden gefärbten Flecke würde sich dann zu einem Bilde
gestalten, welches, gegen das Object betrachtet, in der Richtung von
oben nach unten sowohl, wie in jener von rechts nach links, umge-
kehrt erschiene, geradeso, wie dies auch bei der gewöhnlichen Camera
obscura der Fall ist. Die Schärfe des Bildes Hesse sich erhöhen, und
zwar nach Belieben, durch Verkleinerung der Öffnung. Dies gilt aber,
wie gesagt, nur in der Voraussetzung der geradlinigen Fortpflanzung
des Lichtes.
Da sich aber das Licht nicht geradlinig fortpflanzt, so ist hier
der Sachverhalt ein ganz anderer. Macht man nämlich die Öffnung
am Fensterladen zuvörderst entsprechend gross und denkt sich der
einfacheren Betrachtung wegen nur einen einzigen leuchtenden Punkt,
etwa einen Stern, abgebildet, verkleinert ferner die Öffnung, um ein
stets schärferes, einem leuchtenden Punkte näher kommendes, also
immer kleineres Bild dieses leuchtenden Punktes am Schirme zu
gewinnen, so sieht man allerdings dieses Bild sich mit der Öffnung
bis zu einem gewissen Masse verkleinern; überschreitet man dieses
Mass, die Öffnung noch mehr verringernd, so wird das Bild des leuch-
tenden Punktes wieder grösser und lichtschwächer zugleich, über-
schreitet aber an Grösse jeder Zeit die Öffnung selbst, der es unter
der Voraussetzung der geradlinigen Fortpflanzung des Lichtes immer
gleich bleiben sollte. Diese Wirkung, dieses Ausweichen der Licht-
strahlen nach derSeite, bildet nun eineSorte sogenannter Abweichung,
nämlich die Abweichung, welche der Beugung des Lichtes entspricht.
Ihre Kenntniss ist einem jeden nothwendig, der von irgend einem
optischen Instrumente, ob Fernrohr, Mikroskop, oder Camera obscura
Bericht über dioptrische Untersuchungen 39
Gebrauch macht; es genügt jedoch nicht, nur zu wissen, dass diese
Wirkung überhaupt vorhanden ist, sondern man muss sie auch wenig-
stens ungefähr ihrer Gestalt und Grösse nach anzugeben wissen, weil
sonst die Kenntniss keinen praktischen Nutzen hat. Auch der Pho-
tograph hat mit dieser Abweichungssorte zu kämpfen, wenn er ein
scharfes Bild durch ein enges Diaphragma erzielen will. Es ist daher
nothwendig, näher einzugehen in die Beschaffenheit der besprochenen
Beugungserscheinung.
Vermöge der Beugung des Lichtes ist das Bild eines leuchtenden
Punktes bei noch so sehr verminderter kreisrunder Öffnung doch
niemals ein Punkt, sondern ein sogenanntes Beugungsspectrum, das
aus einem lichten kreisrunden Flecke besteht, der mit dunklen und
lichten concentrischen Kreisen abwechslungsweise umgeben ist. Die
grösste Lichtstärke hat der kreisrunde lichte Fleck in der Mitte, die
umgebenden lichten Binge aber sind unter den eben besprochenen
Umständen so lichtschwach, dass man sie kaum wahrnimmt und dass
sie nur durch die künstlicheren, von der Wissenschaft in Anwendung
gesetzten Mittel wahrnehmbar gemacht werden können. Insofern als
also die Beugung als störende Wirkung auftritt, kann man sie ihrer
Grösse nach durch den Durchmesser des innersten lichten Fleckes,
gemessen ungefähr bis zu dem ersten umgebenden dunklen Binge, als
bestimmt ansehen. Diesen Durchmesser erhält man aber durch fol-
gende geometrische Construction: Man denke sich durch den Mittel-
punkt der Öffnung am Fensterladen senkrecht auf die Ebene dessel-
ben eine Linie gezogen, trage von diesem Mittelpunkte aus gegen
den Schirm zu eine Strecke auf, gleich dem Durchmesser der Öffnung,
und im Endpunkte derselben eine darauf Senkrechte, auf der man
nach oben und nach unten die Wellenlänge aufträgt, die für rothes
Licht '/so- ooo eines Zolles, für violetes ungefähr yi0o-ooo beträgt;
nun ziehe man durch den Mittelpunkt der Öffnung zwei gerade
Linien durch die zwei Endpunkte dieser Senkrechten , so werden
diese, bis zu dem Schirm fortgesetzt, auf demselben die zwei
Endpunkte des in Bede stehenden Durchmessers markiren und die sie
verbindende Linie wird der Durchmesser selbst sein. Heisst die
Wellenlänge X und der Halbmesser der Öffnung p, die Durchmesser
des Abweichungskreises D, die Entfernung des Schirmes aber A,
so wäre:
£ = — ■ (1)
40 P e t z v a I.
Dies gilt jedoch nur, wenn p bereits sehr klein geworden ist. Wäre
dem nicht so, d. h. wäre die Öffnung eine grössere, so müsste man
ihren Durchmesser zum Werthe von D noch hinzuzählen und hätte
dann :
D = 2p + ^.
P
Dieser Gleichung lässt sich der vorteilhafteste Werth p d.h. der-
jenige, dem das kleinste mögliche D und somit das schärfste Bild
entspricht, entringen. Differenzirt man nämlich, um D zu einem Mini-
mum zu machen, dasselbe nach p und setzt den Differentialquotienten
der Nulle gleich, so gewinnt man :
p3= IjH folglich p = \ —AI (2)
und :
D = 2 V%A\.
Ist z. B. A = 11 Zoll, so ergibt sich für rothes Licht, d. h. für
1
A = g^jöö Zo11' nahezu :D = 0-042 Zoll und p = 0-01 Zoll; für vio-
1
letes Licht hingegen, d. h. für X = Zoll hat man D = 0-030
und p = 0-007 Zoll = 007 Linien. Man kann also sagen: es wird
im Allgemeinen nichts mehr nützen, wenn man die Öffnung unter 1/i0
Linie im Halbmesser und */5 Linie im Durchmesser verkleinert, und
es wird im günstigsten Falle das Bild eines leuchtenden Punktes ein
kreisrunder Fleck sein von etwa 1/3 Linie im Durchmesser. Es wird
sich daher das Bild nur aus einer solchen Entfernung allenfalls gut
ansehen lassen, aus welcher ein solcher kreisrunder Fleck von i/z Linie
Durchmesser noch als Punkt erscheint, d.h. aus einer Entfernung, aus
welcher derselbe unter einem Gesichtswinkel von 1 Minute wahr-
genommen wird, d. h. aus einer Entfernung von beiläufig 2 Klaftern.
Vergrösserung wird es natürlich gar keine vertragen. Es kommt also
dem Bilde nur ein sehr geringer Grad von Schärfe zu und auch die
Lichtstärke ist sehr unbedeutend. Um von beiden eine genauere
numerische Kenntniss zu gewinnen, möge man erwägen, dass ein
gewöhnliches photographisches Cameraobscura - Objectiv von 3 Zoll
Öffnung und 11 Zoll Brennweite, bestimmt zum Porträtiren, wenn es
nurhalbwegs gut ist, ein Bild liefere, welches mindestens in der Mitte
des Gesichtsfeldes zehnmalige Vergrösserung verträgt. Es ist also
Bericht über dioplrische Untersuchungen. 4 1
an Schärfe der Camera obscura ohne Glas beiläufig 180mal über-
legen. Bessere Instrumente sind es natürlich noch in weit höherem
Grade. In Bezug auf die Lichtstärke beachte man, dass bei gleicher
Brennweite, nämlich von 11 Zoll, also derselben Bildgrösse, d. h. der-
selben Grösse der Abbildung eines bestimmten Gegenstandes die
Öffnungen, die einerseits J/5 Linie, anderseits 36 Linien betragen, in
dem Verhältnisse wie 1 : 180 sind; die Lichtstärken verhalten sich
aber wie die Quadrate der Öffnungen, stehen somit im Verhältnisse wie
1 : 32400. Eine photographische Abbildung wird man mit dieser
Lichtstärke schwerlich erzielen.
Hieraus folgt nun zweierlei, was der Aufmerksamkeit werth ist:
Man sieht nämlich erstens, wie Kunst und Wissenschaft dahin gelangt
sind, Mittel zu erzeugen, Linsen nämlich mit den gehörigen Krüm-
mungen und in passender Anordnung, die geeignet sind, gewisse
vorzüglich schätzbare Eigenschaften einer Vorrichtung, Bildschärfe
nämlich und Lichtstärke zu erhöhen im Verhältnisse wie 1 : 180 und
letztere gar wie 1 : 32400; zweitens lernt man eine Art Abweichung
kennen, welche dem masslosen Diaphragmiren des Objectives Grenzen
setzt. Wer nämlich sein 3zölliges photographisches Objectiv, vielleicht
um scharfe Abbildungen verschieden entfernter Gegenstände gleich-
zeitig zu erzielen, z. B. bis auf 6 Linien Öffnung abblendet, der erzeugt
sich selbst eine die Schärfe beeinträchtigende Abweichung im Bilde
und bewirkt namentlich, dass das Bild eines leuchtenden Punktes kein
Punkt ist, sondern ein runder Fleck, dessen Durchmesser gegeben
ist durch die einfache Formel (1), in welcher X durch die Wellen-
1
länge gleich Zoll, A durch die Brennweite gleich 1 1 Zoll, p aber
ö ö S0.000 ö r
durch die halbe Öffnung gleich 3 Linien ersetzt werden muss. Mit
diesen Daten ergibt sich nahezu der Durchmesser des Abweichungs-
kreises D — 0-01 Linie. Da in feinen Zeichnungen und Schriften
Linien vorkommen, deren Breite selbst geringer ist, als i/i0 Linie, so
werden solche mit einem derart diaphragmirten Objective photogra-
phisch copirt, von Abweichungskreisen der angrenzenden lichten
Punkte theilweise überdeckt, schmäler noch und feiner erscheinen,
und es wird sich diese missliebige Wirkung steigern, wenn zur Ab-
weichung wegen der Beugung noch irgend eine andere hinzutritt,
z. B. die aus der Krümmung des Bildes hervorgehende , bis endlich
bei vollständiger Überdeckung diese im Originale schwarzen Linien
42 P e t z v a I.
im Bilde nur entweder als blasse Schatten oder gar nicht wahrnehmbar
sind, so dass ein solches Bild, wenn es auch mit freiem Auge anzu-
sehen ist, doch keine Vergrösserung mehr verträgt.
Kehren wir jetzt, um mit der möglichsten Klarheit stufenweise
fortzufahren, zur natürlichen Camera obscura ohne Glas zurück und
suchen wir sie dadurch zu veredeln, dass wir in die Öffnung eine
kleine einfache, folglich unachromatische Glaslinse hineinfügen, die,
damit man den Vergleich mit dem gebräuchlichen Cameraobscura-
Objective fortsetzen könne, 11 Zoll Brennweite haben und ausCrown-
glas bestehen mag; und untersuchen wir sodann, was durch diese
wenig kostspielige Veränderung an den guten Eigenschaften der Vor-
richtung gewonnen und was verloren ist.
So lange die Öffnung dieser Linse gegen die Brennweite klein
genug ist, kann man ohne wesentlichen Fehler annehmen, dass die
Strahlen von einerlei Brechbarkeit von ihr vereinigt werden in einem
und demselben Punkte. Das Bild also eines im homogenen Lichte
strahlenden Punktes würde dann, abgesehen von der Beugung, auch
wieder ein Punkt sein, wenn man nur den Schirm an die rechte Stelle
setzt. Es kann hier alsogleich bemerkt werden, wie mit der erzielten
Verbesserung alsogleich auch eine minder bequeme Handhabung ver-
knüpft ist. Bei der natürlichen Camera obscura ohne Glas nämlich
stellt man den Schirm wohin man will, und bekommt überall ein gleich
gutes und bei gleichzeitiger Modification der Öffnung nach den For-
meln (2) auch das beste mögliche Bild. Wie man eine Linse anwen-
det, muss man aber den Schirm aufstellen in einem bestimmten
Punkte. Dieser Punkt, in welchem das Bild zu Stande kommt, heisst
Focus oder Brennpunkt des Objectives. Weil aber Glas die ver-
schiedenfarbigen Strahlen anders und anders bricht, so haben auch
die äussersten rothen , mittleren gelben und äussersten violeten des
Spectrums je ihren eigenen Focus. Da aber die Entfernung derselben
vom Linsenmittelpunkte, den wir durch ^bezeichnen wollen, gegeben
ist durch die bekannte Formel:
in welcher r und r' Krümmungshalbmesser sind der Vorder- und
Hintertläche der Linse, n aber der Brechungsindex, und nachdem
sich die verschiedenfarbigen Strahlen eben durch ihre Brechungs-
Bericht über dioptrische Untersuchungen.
43
indices unterscheiden; so wird man Brechungsindex und Brennweite
für rothes Licht mit n und p, für violetes Licht hingegen mit n-\- dn
und p -\- dp bezeichnen können und, die Formel nach n und p diiYe-
renzirend, erhalten :
dp / 1 1 \ dn
pz \ r r> ) ~ (w— 1) p
also
p d n
dp = .
Für Crownglas ist — -. — 0-036, folglich hat man
° n — 1 °
dp = —0036^ (4)
und da wir endlich die Brennweite p gleich 11 Zoll des gewöhnlichen
Cameraobscura-Objectives zu Grunde gelegt haben, so wird für eine
solche :
dp = — 0396
sein, d.h. die äussersten violeten Strahlen, die brechbareren, besitzen
eine um beiläufig 04 Zoll kleinere Brennweite als die äussersten
rothen. Die er-
steren vereini-
gen sich in V, die
anderen weiter
entfernt von der
Linse in R. Zwi-
schen V und R
liegen dießrenn-
p unkte aller
übrigen im sola-
ren Spectrum erscheinenden Strahlen. Diejenigen unter ihnen,
welche vorzüglich auf das Sehorgan des Menschen einwirken, sei es
durch ihre Menge oder Farbe, concentriren sich um einen Punkt
0 herum, der näher an R als an Fliegt und streng genommen kein
absolut bestimmter sein kann, schon aus dem Grunde, weil die
Empfindlichkeit für verschiedenfarbiges Licht nicht für alle Augen
dieselbe ist. Auf diesen Punkt Owird das Bild gewöhnlich eingestellt,
von jedem Beobachter in der Begel auf eine andere, etwas verschie-
dene Weise. Weiter in C befindet sich ein anderer Punkt näher an V
als an R, indessen Nähe diejenigen Strahlen zur Vereinigung kommen,
denen vorzugsweise chemische Wirkung zukommt. Auch dieser
44 F c t z v a 1.
Punkt scheint ein absolut bestimmter zu sein und dürfte abhängen
von dem Stoffe, auf den der Lichteindruck erfolgt. Hier kommt das
beste photographische Bild zu Stande. Endlich ist zwischen VunAR,
beinahe genau in der Mitte gelegen, noch ein dritter Punkt zu merken,
der P, allwo der durch den Schirm abgeschnittene Strahlenkegel
den allergeringsten Querschnitt hat. Nennt man den Durchmesser dieses
Querschnittes D, die halbe Öffnung der Linse wie zuvor p, die
Brennweite p und dp, die sogenannte chromatische Längenabweichung
gleich R V, so ist
Dsaa2*L'= 0036 p,
V
der Durchmesser also des kleinsten chromatischen Abweichungs-
kreises ist lediglich abhängig von der Linsenöffnung und nicht von
der Brennweite, ein sowohl in der Theorie der Fernröhre, wie auch
der Camera obscura importanter Satz.
Zu dieser chromatischen Abweichung tritt nun noch diejenige,
die wir früher kennen gelernt haben, nämlich die aus der Beugung
des Lichtes entspringende, hinzu und vergrössert den Durchmesser
des Abweichungskreises um ihren Betrag, um p\ nämlich, so dass
also die Gesammtabweichung
D = 0036p +P—
P
ausfällt. Sucht man auch hier auf eben dieselbe Weise wie früher
denjenigen Werth der Linsenöffnung p, für welchen D ein Kleinstes
wird, so hat man abermals, den nach p genommenen Differential-
quotienten von D der Nulle gleich setzend :
V-^- und Z> = 0-072 V-^
0-036 T 0-036
also für rothes und violetes Licht beziehlich
p = 008 D = 0-006
p = 006 D = 0004.
Die zulässige Öffnung, die das schärfste Bild gibt, kann also beiläufig
gleich iy3 Linien angenommen werden, erscheint mithin mehr als
7mal so gross, als bei der natürlichen Camera obscura ohne Glas,
wodurch sich die Lichtstärke auf die SOfache erhöht, jedoch noch
immer ein sehr geringer Bruchtheil, nämlich y648 von derjenigen
bleibt, die das gebräuchliche Cameraobscura-Objectiv besitzt. Hiebei
Bericht ülicr dioptrische Untersuchungen. &K
hat aber auch die Schärfe bedeutend zugenommen, denn der Durch-
messer D des Abweichungskreises ist im Mittel auf 0005 Zoll oder
beiläufig auf 0-06 Linien herabgesunken, erscheint also beiläufig
12mal kleiner, als bei der Dunkelkammer ohne Glas, was ein Bild
gibt, das von demjenigen der üblichen Camera obscura nur noch im
Verhältnisse von 1:15 an Schärfe übertroffen wird.
Diese nicht sehr bedeutende Steigerung zweier der wichtigsten
Eigenschaften: Schärfe und Lichtstärke nämlich wird durch theil-
weise Aufopferung aller übrigen theuer genug erkauft. Die Natur-
treue ist zwar nicht wesentlich verloren gegangen, der mehrseitigen
Verwendbarkeit jedoch zu grossen und kleinen Abbildungen in ver-
schiedenen Entfernungen ist Eintrag gethan, denn das beste Bild
befindet sich an einer gewissen Stelle, im Focus nämlich, der ein
anderer ist für die optischen und für die chemischen Strahlen. Nach
dem herrschenden Sprachgebrauche würde man sagen, dieser Appa-
rat habe einen chemischen Focus. So unrichtig und unlogisch auch
dieser Ausdruck ist und so sehr er auch dazu dient, die Begriffe zu
verwirren und den chemischen Focus als eine Art bösen Geist darzu-
stellen, der das Bild verschiebt, so wird es doch schwerlich mehr
gelingen, denselben abzuschaffen und durch etwas Bichtigeres zu
ersetzen. Vernünftigerweise kann man den chemischen und optischen
Focus nur bezeichnen als jene zwei Punkte in der Axe des Instru-
mentes, in welchem das beste Bild photographisch erzeugt wird, und
im welchem es dem Auge am schärfsten erscheint. Was ist also ein
Apparat mit einem chemischen Focus? Offenbar ein solcher, der einen
Punkt in der Axe besitzt, in welchem ein gutes Bild photographisch
zu Stande kommt. Und was ist ein Objectiv ohne chemischen Focus?
Offenbar ein solches, welches nirgends ein gutes Bild macht. Der
gangbare Ausdruck bezeichnet gerade dasGegentheil von demjenigen,
was man sagen will. Ebenso leicht und richtiger wäre es, zu sagen:
das Objectiv habe getrennte Brennpunkte. Im gegenwärtigen Falle
zum Beispiele einer kleinen unachromatischen Linse stehen dieselben
in einem Abstände von etwa drei Linien, was das Erzielen eines
scharfen Bildes in der photographischen Praxis wesentlich erschwert.
Wenn die chromatische Längenabweichung dp, welche durch
die Formel (4) gegeben ist, stets eine und dieselbe wäre, somit auch
der Abstand, der die beiden Brennpunkte trennt, stets ein und derselbe,
so wäre hier sehr leicht abzuhelfen: man brauchte nämlich dann nur
4(> P e t a v a I.
das matte Glas der Camera obscura an eine andere Stelle zu setzen,
als diejenige Fläche, auf welcher photographisch das Bild gemacht
wird, in die Entfernung von drei Linien nämlich. Die Sache verhält
sich jedoch anders: Die Formeln (3) und (4) geben nämlich nur die
Vereinigungsweite paralleler Strahlen und gelten daher nur für
solche und sind anwendbar für den Fall, dass man sehr entfernte
Gegenstände abbildet. Für nähere in massiger Entfernung a vom
Objective stehende Gegenstände nämlich tritt eine andere Formel auf;
denn diese werden nicht mehr im Brennpunkte, also in der Entfer-
nung p abgebildet, sondern in einer andern a, welche gegeben ist
durch die Formel :
i-i-i m
a p a
Differenzirt man diese nach dem Brecliungsindex, der sich in p vor-
findet, so erhält man:
aS dp ,„^
dcc = - (6)
Nun stellt da die chromatische Längenabweichung vor und
kann von dem dp, welches die Formel (4) gibt, wesentlich ver-
schieden ausfallen. Setzt man beispielweise, um einen extremen Fall
vor Augen zu haben, a = 2 p voraus, also den abzubildenden Gegen-
stand dein Objective der Camera bis auf den doppelten Betrag der
Brennweite nahe gerückt, so ergibt sich aus der (5) a — 2 p und
aus der (6) da = 4 dp. Die chromatische Längenabweichung ist
also viermal so gross geworden, folglich auch der Abstand der beiden
getrennten Brennpunkte, der hiemit auf einen ganzen Zoll angewachsen
ist. Da sohin die Trennung dieser beiden Punkte sich als eine mit
der Entfernung des abzubildenden Gegenstandes im namhaften Masse
veränderliche Grösse darstellt, so entspringt daraus ein wesentlicher
mit unachromatischen Linsen verbundener Übelstand bei photogra-
phisehen Dunkelkammern, dessen Wegschaffung durch möglichst voll-
kommenen Achromatismus hier noch wichtiger erscheint, als bei
Fernröhren.
Die Formel (5) belehrt uns noch über einen anderen Vorzug,
den die natürliche Camera obscura ohne Glas vor der veredelten hat,
der somit bei dem Übergange von der ersteren zur letzteren aufge-
geben werden muss. Es ist nämlich hier gleichgültig, ob die Gegen-
stände nahe oder fern sind. Die durch eine Glaslinse veredelte hin-
Bericht über dioptrische Untersuchungen. 47
gegen wirft das Bild sehr entfernter Gegenstände in den Abstand p,
dasjenige der in der Entfernung a stehenden hingegen in die Entfer-
nung a, und hat man die einen scharf, so sind es die andern nicht.
Dies zwingt den Photographen zu mancherlei künstlichen Anordnun-
gen in der Aufstellung des Apparates, Gruppirung der abzubildenden
Gegenstände und Einrichtung der Camera obscura, über die Einiges
später zur Sprache gebracht werden soll.
Das Bild ist ein gekrümmtes geworden, das schärfste fällt nicht
mehr auf eine Ebene, sondern in eine Kugelfläche, die aus dem Lin-
senmittelpunkte mit dem Halbmesser 3/2 /> = 16-5 Zoll beschrieben
ist. Da nun das Photographiren auf solchen gekrümmten Flächen
mancherlei Schwierigkeiten unterliegt, so ist man durch diesen
unvermeidlichen Umstand wieder gezwungen, einenTheil der Schärfe,
und zwar einen desto grösseren aufzugeben, je grösser das Gesichts-
feld ist. Hiedurch wird aber mittelbar das Gesichtsfeld desto mehr
reducirt, je mehr an der Schärfe gelegen ist. Man sieht mit einem
Worte, wie eine Steigerung der guten Eigenschaften der Vorrichtung,
Lichtstärke und Schärfe nämlich, die zwar bedeutend aber doch nicht
so gross ist, dass der veredelte Gegenstand brauchbar würde, erkauft
werden muss mit sehr bedeutenden Opfern ; und dies rückt uns einen
allgemeinen Grundsatz vor Augen, der, mit wenigen Worten ausge-
sprochen, so lautet: Nichts ist umsonst. Wir gewahren aber auch
andererseits, dass es vor allem anderen und wesentlich darauf
ankomme, wenn man eine zu ernsten Zwecken wirklich brauchbare
Camera gewinnen will, den Achromatismus herzustellen, denn dadurch
fällt die chromatische Abweichung weg; in Folge dessen kann Öffnung
und Lichtstärke vergrössert werden , mit der vergrösserten Öffnung
aber ist wieder eine entsprechende Verringerung derjenigen Ab-
weichung verknüpft, die aus der Beugung entspringt.
Der Achromatismus wird bekanntlich durch Zusammenfügen der
Linse aus einem Crown- und Flintglasbestandtheile erzielt und ist
namentlich bei Fernröhren etwas seit langer Zeit Bekanntes. Die
Objective derselben sind nämlich achromatisch und man hat durch
die Zusammensetzung aus zwei Linsen von verschiedenem Glase auch
noch einen andern Zweck nebst dein Achromatismus erreicht, die
Wegschaffung nämlich einer bei grösseren Öffnungen erst merkli-
chen neuen Abweichungssorte, der Abweichung nämlich wegen der
Kugelgestalt, die man den Linsenflächen gibt und die wohl die
48 P e t z v a 1.
praktisch am allerleichtesten ausführbare, aber nicht die geeignete
ist, sämmtliche Strahlen in einem einzigen Punkte zu vereinigen. Die
Krümmungen der zwei Bestandlinsen werden also so gewählt, dass
die sphärische Abweichung zwar nicht ganz aufgehoben, aber doch
wenigstens sehr namhaft bis auf einen geringen Bruchtheil ihres
sonstigen Werthes verringert wird. Es geschieht dies bei Fernröhren
auf Grundlage einer gewissen Berechnung, welche aber in aller
Strenge nur einen einzigen Punkt des Bildes, den in der Axe des
Linsensystems nämlich ins Auge fasst und nur die Erfüllung einer
einzigen Bedingung, Bildschärfe nämlich in diesem einzigen Punkte,
mithin auch in dessen nächster Nähe, durch eine einzige Gleichung
ausgedrückt verlangt, und nachdem dies möglich ist, auch wirklich
erreicht. Man muss sich übrigens nicht vorstellen, dass der Fern-
röhre erzeugende Optiker hier berechnend zu Werke geht; es
genügt nämlich das Festhalten der äusseren Ähnlichkeit der Form,
um ein genügend gutes Objectiv zu erzielen. Die Crownglaslinse
biconvex, die Flintglaslinse planconcav mit derselben zusammen-
gekittet, bilden bei gehöriger Krümmung der Kittfläche ein Ganzes
welches das Verlangte nahezu leistet, wenn man die convexe Fläche
der so entstehenden planconvexen achromatischen Linse demObjecte,
die plane aber dem Bilde zukehrt. Die grosse Mehrzahl der terrestri-
schen und zu geodätischen Messungen bestimmten Objective ist so
gebaut und nur bei grösseren astronomischen Fernröhren geht n>":n
mit mehr Sorgfalt und Genauigkeit zu Werke. Da man nun dasselbe
Fernrohr-Objectiv auch in die Camera obscura verpflanzt hat und da
es nach Daguerre in den ersten Zeiten derDaguerreotypie das allge-
mein gebrauchte war, so verdienen seine Eigenschaften und Leistun-
gen, als den ersten namhaften Fortschritt auf diesem Felde darstel-
lend, der erst zu einem praktisch brauchbaren Ergebnisse geführt hat,
hier eine nähere Beleuchtung.
Man mochte wohl ursprünglich versucht haben, das auf die
Camera obscura ühertragene Fernrohrobjectiv gerade so zu verwen-
den, wie am Fernrohr selbst, die convexe Seite dem Objecte. die
plane dem Bilde zugekehrt. Es hat sich aber wahrscheinlich aus der
Untersuchung ergeben, dass es auf diese Weise nicht brauchbar war
und dies zwar wegen einer etwas sonderbar klingenden , desshalb
aber doch thatsächlich vorhandenen Ursache, nämlich wegen seiner
einseitigen Vollkommenheit. Von der Theorie dazu bestimmt, ein
Beriebt über dioptrische Untersuchungen. 4-JJ
sehr scharfes, nahmhafte Vergrösserung aushaltendes, aber ganz kleines
Bild zu liefern, so viel nämlich, als man mit einem Oculare übersehen
kann, dem Gesichtsfelde nach ungefähr zwei Grad oder mitunter auch
noch viel weniger, leistet es dies bei richtiger Construction auch
wirklich. Wie man sich aber von der Mitte des Bildes oder der Axe
desRohres mehr und mehr entfernt, wird der Betrag der sphärischen
Abweichung, die nur für die Mitte weggeschafft wurde, immer grös-
ser, zugleich aber fällt das beste Bild nicht auch eine Ebene, wie
man es in der Camera obscura wünscht, sondern auf eine krumme
Fläche, die eine Art Rotationsparaboloid ist, mit einem Krümmungs-
halbmesser 3/3 p am Scheitel, unter p, so wie im Vorhergehenden, die
Brennweite der achromatischen Linse verstanden. Das Fernrohr-
objeetiv wäre daher brauchbar erstens dann, wenn man nur sehr
kleine Bildchen, kleiner nämlich, als das Objectiv selbst, damit zu
erzeugen wünscht, und zweitens dann, wenn man etwas in eine solche
krumme Fläche Hineingezeichnetes abzubilden beabsichtigt. Nun ist
aber weder das eine, noch das andere der Zweck, zu dem man eine
Camera obscura braucht. Dieser Auseinandersetzung entnimmt man
sogleich zwei Wege der möglichen Veredlung dieses optischen Er-
zeugnisses; man rnuss ihm nämlich entweder die einseitige Voll-
kommenheit, die ausgezeichnete Schärfe in der Mitte und die ge-
krümmte Beschaffenheit des Bildes nehmen, bis der Contrast zwi-
schen Mitte und Rand ein minder auflallender und störender wird,
oder man muss die sphärische Abweichung des Bildes amRande durch
die von der Theorie gebotenen Mittel zu beseitigen suchen. Den
ersten Weg als den leichtern hat die optische Praxis eingeschlagen,
der zweite konnte nur durch die Wissenschaft betreten werden.
Wer sich im Besitze eines terrestrischen oder kleineren Theo-
dolithen-oderNivellir-Fernrohres befindet, kann sehr leicht folgenden
Versuch, der, der Praxis den Weg zu zeigen, geeignet ist, anstellen:
Er schraube das Objectiv ab, und kehre die achromatische Linse
in ihrer Fassung um, dergestalt, dass sie nunmehr die plane Fläche
dem Objective und die convexe dem Bilde zukehrt; so wird er ge-
wahr werden, dass er sein gutes Fernrohr in ein schlechtes verwan-
delt hat, dem nur durch ein beträchtliches Blenden wieder ein etwas
besseres Bild abgewonnen werden kann. Die in einer solchen Loupe
eintretende sehr bedeutende sphärische Abweichung ist hieran Schuld
und es vereinigen sich die Strahlen, die zu einem und demselben
Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. XXVI. Bd. I. Hft. 4
50 F e t z v a I.
Strahlencylinder gehören, nimmermehr, wenn auch nur annäherungs-
weise in einem Punkte, sondern in einer Reihenfolge von Punkten,
einer Linie, sogenannten Caustica, welche durch mehrere, in der
Nähe des Brennpunktes auf die Axe senkrecht gelegte Ebenen durch-
geht, so dass man also bei beliebiger Neigung des Strahlencylinders
gegen die Axe immer aus diesem Strahlencylinder einen dünneren
Büschel wird ausschneiden können, dessen Strahlen sich nahe genug
vereinigen in der Ebene, die durch den Brennpunkt gelegt ist. Der
Klarheit wegen muss hier bemerkt werden, dass unter Brennpunkt
hier derjenige Punkt der Linsenaxe verstanden wird, in welchem die
Centralstrahlen , d. h. die der Axe nächsten desjenigen Strahlen-
cylinders sich vereinigen, welcher zur Axe parallel ist.
Man verfolge nun denjenigen Strahlencylinder, der einen Punkt
am Rande des Gesichtsfeldes abbildet, suche sich in demselben den
Büschel heraus, den man immer finden wird, wenn nur das Objectiv
reichlich mitsphärischer Abweichunggesegnetist, welcher in der Nähe
der Ebene, auf der man das Bild zu haben wünscht, zur Vereini-
gung kommt, bezeichne sich den Fleck am Objective, wo dieser
Büschel einfällt, und blende alles übrige Licht durch ein am schick-
lichen Orte aufgestelltes Diaphragma ab , so hat man ein passendes
Cameraobscura- Objectiv. Bei einer Linse von 3 Zoll Öffnung und
etwa 16 Zoll Brennweite, wie die in den ersten Zeiten der Daguer-
reotypie verwendeten waren , fällt das Diaphragma beiläufig auf
3 Zoll Entfernung vor dieser Linse gegen das Object zu und ver-
trägt eine Öffnung von einem Zoll bei einer leidlich guten, aber nicht
ganz gleichförmigen Beschaffenheit des Bildes, das vielleicht in der
Mitte eine etwa dreimalige Yergrösserung mittelst einer Loupe vertra-
gen dürfte und am Rande nur noch mit dein blossen Auge anzusehen ist,
mithin an Schärfe jedenfalls von dem von mir angegebenen Camera-
obscura-Objective, das gegenwärtig im allgemeinen Gebrauche steht,
mindestens im Verhältnisse wie 1 : 3 übertroffen wird. In den gegen-
seitigen Lichtstärken ist der Unterschied noch grösser. Da nämlich
diese sich verhalten direct wie die Quadrate der Öffnungen, und
umgekehrt, wie die Quadrate der Brennweiten, so stehen sie hier
im Verhältnisse wie 1M12 : 32-16= oder wie 121 : 2304, in runden
Zahlen wie 1:19. Dieser bedeutende Unterschied in den Lichtstärken
wird einigermassen ermässigt durch die vier reflectirenden Flächen,
um welche das neue Objectiv mehr hat, durch die etwa J/5 des
Berielil über dioutrische Untersuchungen. 5 j
Lichtes verloren geht, wodurch sich das obige Verhältniss ungefähr
auf 1:16 zurückzieht.
Der Übergang von dem unachromatischen zu dem hier betrach-
teten achromatischen Objective erscheint ohne Widerrede als der
namhafteste Schritt zur Veredlung dieses optischen Gegenstandes;
denn nicht nur dass die Schärfe dadurch auf die 3fache erhöht
Morden, die Lichtstärke aber gar auf die 40 fache gebracht ist, ver-
schwindet noch überdies der die Ausübung sehr erschwerende Übel-
stand des getrennten optischen und chemischen Brennpunktes. Das
Bild ist nahezu eben geworden, was sich übrigens bei der unachro-
matischen Linse durch dasselbe Blendverfahren auch erzielen lässt.
Das Gesichtsfeld endlich ist in ein zwar nicht ganz scharfes aber
doch nahezu, d. h. durch eine nicht sehr breite Zone von abnehmen-
der Lichtstärke begrenztes übergegangen und namentlich trägt das
vorgestellte Diaphragma die Schuld an dieser Beschaffenheit. Da aber
dies oft genug die Wirkung der Diaphragmirung ist, so verdient sie
hier schärfer ins Auge gefasst zu werden.
Man denke sich aus dem Mittelpunkte des Objectives mit 1 Zoll
als Radius einen Kreis beschrieben, dessen Peripherie im Abstände
gleich */a Zoll vom Linsenrande sich befinden wird. Alle durch das
einzöllige Diaphragma durchgehenden Strahlencylinder, deren Axen
durch diese Kreisperipherie durchgehen, werden noch ganz von dem
Objective aufgenommen und bilden einen Punkt ab mit voller Licht-
stärke, derselben nämlich, die auch in der Mitte des Bildes vor-
handen ist.
Ein jeder solcher Axenstrahl ist auf die Axe des Instrumentes
unter einem Winkel von beiläufig 18 Grad geneigt und man ersieht
hieraus, dass das Bild bis zu einem Gesichtsfelde von 36 Graden volle
und constante Lichtstärke besitze, dieselbe nämlich, welche in der
Mitte vorhanden ist. Alle diejenigen Strahlencylinder ferner, deren
Axenstrahlen gerade dem Linsenrande begegnen, werden nur halb
vom Objective aufgenommen, die andere Hälfte ist durch die Fassung
am Eintritte verhindert. Sie sind auf die Axe des Instrumentes geneigt
unter einem Winkel von 26 Grad, daher die Lichtstärke von 36 Grad
bis zu 52 Grad Gesichtsfeld von ihrem vollen Werthe bis auf die Hälfte
herabsinkt. Diejenigen Strahlencylinder endlich , deren Axenstrahlen
ausserhalb des Linsenrandes und in einer Entfernung von sechs Linien
auffallen, werden gar nicht mehr eingelassen , daher denn die Licht-
4»
52 P e t z v a I.
stärke von 52° bis 66° des Gesichtsfeldes von der Hälfte des Normal-
betrages bis auf Null herabsinkt. Wer also gleiches Licht zu haben
wünscht, der darf einem solchen Objective nicht mehr als 36° Ge-
sichtsfeld abfordern und dies hat man auch wirklich gethan.
Dies ist also dasjenige Objectiv seinen Eigenschaften nach, mit
welchem Daguerre arbeitete, als er seine schöne Erfindung machte.
Es ist nicht das einzige zu solchen Zwecken dienliche. Achromati-
sche Linsen, convex-concav gebaut, bieten nämiich , auf dieselbe
Weise behandelt, den Vortheil dar, dass ihnen das Diaphragma mehr
genähert werden kann , wodurch sie bei derselben Leistung an
Schärfe und Gesichtsfeld eine mindere Öffnung benöthigen. Sie wür-
den auch vermuthlich über kurz oder lang in Verwendung gekom-
men sein, wenn die Wissenschaft nicht wirksamere Hilfsmittel
besässe, durch dieder Zweck mit viel geringerem Aufwände an mate-
riellen Mitteln in weit vollständigerer Weise erreicht werden kann.
Die tatonirende Optik jedoch vermag hier nichts mehr mit ihren
beschränkten Hilfsmitteln und es sind die ferneren Fortschritte vor-
zugsweise Aufgabe der Wissenschaft.
Es hat in der That die ausübende Optik bei der Herstellung
eines Fernrohr-Objectives nur drei Bedingungen zu erfüllen, die sich
noch dazu von einander sondern, und je für sich durch die geeig-
neten Schritte behandeln lassen, nämlich erstens, eine bestimmte
Brennweite herstellen; zweitens den Achromatismus erzielen und
drittens die sphärische Abweichung auf ein Kleinstes herabzubringen.
Das erste braucht nicht mit Genauigkeit zu geschehen, weil in der
Begel gar nichts daran liegt, ob die Brennweite um ein Geringes
grösser oder kleiner ausfällt. Der Achromatismus hängt wesentlich
von den Brennweiten der Bestandlinsen, die sphärische Abweichung
hingegen von den Krümmungen ab. Dies macht, dass man im Stande
ist, den chromatischen Zustand zu verändern, ohne die sphärische
Abweichung wesentlich anzutasten, und umgekehrt; man vermag mit
einem Worte, jede dieser Krankheiten abgesondert zu curiren , was
die Ausführung eines solchen Objectives ganz ohne Bechnung und auf
dem Wege des Versuches wesentlich erleichtert und die Thatsache
erklärt, dass die praktischen Optiker es kaum der Mühe werth gefun-
den haben, sich bei Fernrohren, besonders kleinen, einer mathema-
tischen Berechnung zu bedienen. Ganz anders verhält sich die Sache
bei dem edleren Cameraobscura - Objective , das ein sogenanntes
Bericht über dioptrische Untersuchungen. 53
Bild der fünften Ordnung liefern soll. Hier hat man nicht ein, sondern
fünf Glieder der sphärischen Abweichung, die weggeschafft werden
müssen. Der Achromatismus wird durch zwei neue erfüllte Bedingun-
gen zu Wege gebracht und eine achte Bedingung fliesst aus einer
bestimmten dem Objective zu ertheilenden Brennweite. Es sind daher
auch nicht mehr drei Linsenkrümmungen zureichend, sondern man
braucht acht verschiedene optische Elemente, d. h. Linsenflächen
und Entfernungen, um diesen acht Bedingungen zu genügen. Hier
führt alles Versuchen und Probiren zu nichts und die Theorie muss
die genauen Dimensionen des Apparates angeben. Sie aus dem der
Rechnung zu Grunde gelegten Materiale mit der entsprechenden
Genauigkeit auszuführen, ist jetzt die Aufgabe der Kunst.
Die Wissenschaft steht mit dem Leben in innigerem Zusammen-
hange, als man auf den ersten Blick wohl meinen möchte. Was
das Leben nicht als Bedürfniss anerkannt hat, das macht man
auch selten zum Gegenstande einer tiefen wissenschaftlichen Unter-
suchung und wenn man es thut, so erzielt man ein, wenn auch an sich
sehr werthvolles, doch von den Zeitgenossen unbeachtetes Resultat,
das ohne Leben nur höchstens in einem Zustande von Einbalsamirung
durch Druckerschwärze fortbesteht. Das Leben wirkt befruchtend auf
die Wissenschaft und umgekehrt, desshalb wird auch im Allgemeinen
jede wissenschaftliche Entdeckung besonders wenn ein kostspieligeres
praktisches Erzeugniss die Frucht davon ist, durch das Bedürfniss des
Augenblickes beeinflusst, das Gepräge desselben an der Stirn tragen.
Dies ist so nothwendig, dass man mit Grund behaupten kann, dass
wenn es Jemanden gelungen wäre, ein ganz ausgezeichnetes vollkom-
men taugliches Cameraobscura-Objectiv noch vor Daguerre zu be-
rechnen, er zuvörderst keinen Optiker dazu gefunden hätte. Hätte er
es aber selbst zu Stande gebracht, so würde es bei den Zeitgenossen
schon vermöge seines Namens: Cameraobscura-Objectiv gar keine
Anerkennung gefunden haben und zu den minder wichtigen Spiele-
reien der Optik gezählt worden sein, ungeachtet eine ganz neue
optische Zukunft in demselben vergraben gewesen wäre. Auch das
allgemein gebräuchliche Cameraobscura-Objectiv trägt das Gepräge
des Augenblickes, in welchem es entstanden ist, und der Inbegriff
seiner Eigenschaften ist den damaligen Bedürfnissen angepasst.
Es entstand nämlich in den ersten Zeiten der Daguerreotypie
da man noch keine anderen Bilderkannte, als solche auf Silberplatten
Jj^ P e t z v a I.
mit Jodüberzug. Die Exposition dauerte */z Stunde und darüber ;
lebende Gegenstande, wie Menschen, konnten nur aufgenommen wer-
den, wenn man sie, angelehnt, sitzend oder liegend, einer halbstündi-
gen Insolation meist mit geschlossenen Augen preisgab und doch war
der Wunsch rege geworden, auch Porträte auf diesem Wege zu
erzielen. Hiezu kommt noch, dass man die Daguerreotypie sehr gern
mit der Loupe besichtigte und die Schärfe der Bilder als etwas be-
sonders Werthvolles heraushob. Diesen Anforderungen musste natür-
lich die Aufgabe entkeimen , ein neues Cameraobscura-Objectiv zu
besitzen von ungleich grösserer Lichtstärke, als das von Daguerre
verwendete; und damit es diesem in keinem Punkte nachstehe, auch
von grösserer Schärfe.
Nachdem es mir nun durch längere Anstrengung gelungen war,
die Theorie dieser optischen Gebilde aufzustellen, ging ich an die
Berechnung eines solchen Objectives beiläufig auf Grundlage der fol-
genden Erwägungen :
Grössere Lichtstärke ist nur durch zwei verschiedene Mittel zu
erzielen: erstens durch vergrösserte Öffnung, und zweitens durch
verminderte Brennweite, oder, was dasselbe ist, durch Verkleinerung
des Bildes. Beides wird erreicht dadurch, dass man anstatt einer ein-
zigen Sammellinse deren zwei oder mehrere in Verwendung bringt
und sie, wenn nichts dawiderspricht, auch bis zur unmittelbaren
Berührung an einander stellt. Dieser Aufstellung widersetzt sich aber
die Theorie, indem sie die Regel aufstellt, dass durch ein System
von aneinanderliegenden Linsen, wenn auch noch so viel an der
Zahl, kein edleres Bild entstehen könne, einen einzigen Fall ausge-
nommen, nämlich wenn die Gesainmtheit dieser Linsen wirkt , wie
ein Planglas, wenn folglich ein unendlich grosses Bild in unendlicher
Entfernung gemacht wird. Die Linsen mussten daher getrennt wer-
den und zwar namhaft , weil bei geringen Entfernungen nach der
Theorie auch die Wirkung des Objectives sich immer mehr der eines
Planglases nähern musste. Die nothwendige Trennung betrug % der
Brennweite der vordem, dem Objecte zugekehrten Linse. Sie nöthigte
sofort jede dieser getrennten Linsen achromatisch zu gestalten, weil
sonst den zwei Bedingungen des vollständigen Achromatismus nicht
Genüge geleistet werden konnte. Diese zwei Bedingungen sind näm-
lich : Alle verschieden gefärbten Bilder müssen an eine und dieselbe
Stelle fallen und auch gleich gross sein. Da hiemit zur Erfüllung von
Bericht über dioptrische Untersuchungen. §K
acht Bedingungen acht verschiedene optische Elemente nothwendig
waren, so wurden siehen Linsenflächen und eine Entfernung als sol-
che gewählt. Dies gestaltete, den zwei Bestandteilen der ersten
achromatischen Linse eine gemeinschaftliche Fläche zu geben und
sie an derselben zusammenzukitten. Hiedurch ergaben sich drei ver-
schiedene Linsenflächen. Die Bestandtheile der zweiten Linse hin-
gegen mussten getrennt bleiben, um noch die rückständigen vier
Flächen zu liefern, wiewohl hiedurch ein Lichtverlust von beiläufig
*/, des Betrages entstand.
Hiemit waren für die Rechnung genügende Anhaltspunkte gewon-
nen und es ward der Gegenstand nach meiner Angabe in der Werk-
stätte von Vo ig tl ander ausgeführt, alsbald Porträte in 40Secunden
jedoch im directen Sonnenlichte damit erzielt, darauf vielfach bespro-
chen, beurtheilt und auch begutachtet, allein eine gründliche und
trockene Darstellung seiner Eigenschaften, gehörig in Zahlen ausge-
drückt, weder von mir noch von einer andern Seite gegeben. Es wur-
den ihm vielmehr und werden jetzt noch Eigenschaften beigelegt, die
er nicht besitzt, so wie andere, die er besass, abgesprochen wurden:
und vielleicht glänzender, als irgendwo sonst, bestätigt sieh auch hier
der in der österreichischen Gesetzgebung angenommene Grundsatz :
Wo sichsum eine neue Erfindung handelt, da gibt es nur einen einzigen
Sachverständigen und dieser ist der Erfinder selbst. Man könnte hin-
zusetzen, und nur einen einzigen gründlichen Beurtheiler und der ist
die Zeit. Ein sehr einsichtsvoller Fachmann hatte das Objectiv unter-
sucht und wollte gefunden haben, dass das Bild lOOmalige Vergrös-
serung vertrage. Dies hätte ein Lob sein sollen, wäre aber im Grunde,
wenn es wahr wäre, ein Tadel, weil aus der übertriebenen und ganz
unnützen Schärfe sich andere nützliche Eigenschaften hätten machen
lassen, z. B. grössere Öffnung und hiemit ein Zuwachs an Lichtstärke.
Wenn man aber erwägt, dass das ursprünglich ausgeführte Objectiv
bei 1 ya" Öffnung eine Brennweite von 5y8" besass, dass ferner
bei einem solchen schon die von der Beugung des Lichtes herrüh-
rende Abweichung, nach der Formel (1) berechnet, einen Betrag aus-
weist, kraft dessen das Bild eines Punktes als runder Fleck dargestellt
erscheint von t/60o'" Durchmesser : nimmt man nun noch überdies an,
dass die Überbleibsel der übrigen Abweichungen, der chromatischen,
der Farben des secundären Spectrums und der sphärischen den gleichen
Betrag ausweisen, was schon sehr günstige Umstände und sehr sorg-
56 P e t z v a l.
fältige Ausführung voraussetzt, so hat man einen Kreis der Total-
abweichung von i/300 Linie Durchmesser, der sich unter lOOmaliger
Vergrösserung in der Grösse von i/s Linie dem Auge darstellt. Dies
gibt beiläufig ein Bild, wie das der natürlichen Camera obscura
ohne Glas. Es ist nun freilich wahr, dass die stärksten Vergrösse-
rungen an grossen astronomischen Fernröhren aus denselben Gründen
auch keine andern Bilder liefern; gleichwohl ist Vergrösserung das
Steckenpferd der Fernrohrliebhaber, während die Wissenschaft
solche Übertreibungen als nutzlos bezeichnet.
Das ausgeführte Cameraobscura-Objectiv war indessen wirklich
sehr scharf, und 20malige Vergrösserung unter günstigen Umständen
konnte wohl dem Bilde zugemuthet werden. Es schien mir dies
stets viel zu viel Opfer den herrschenden Ansichten dargebracht, zu-
gleich ein unliebsames Präcedens, das aber dennoch einen doppelten
Vortheil darbietet. Man hat nämlich erstens etwas aufzuopfern, und
selbst eine minder sorgfältige Ausführung vermag immer noch ein
brauchbares Resultat zu liefern, und zweitens das Cameraobscura-
Objectiv rückt dadurch auch vermöge seiner Schärfe und Farben-
reinheit in den Rang der für edel erachteten optischen Instrumente
vor. Diese Schärfe also und eine 16mal so grosse Lichtstärke, als die
Daguerre'sche Camera besass, waren die Haupteigenschaften, die die
Theorie anstrebte und auch errang.
Man erlangt aber, wie schon gesagt, nichts umsonst und alle
Vollkommenheit in menschlichen Dingen ist nur eine relative, auf einen
bestimmten Zweck bezogene, und es muss eine jede Errungenschaft
mit verhältnissmässigen Opfern bezahlt werden ; also auch hier. Die
Verwendung von zwei getrennten achromatischen Linsen hat eine
unliebsame Wirkung in ihrem Gefolge, nämlich erstens gekrümmtes
Bild und zweitens beschränktes Gesichtsfeld.
Nach einem optischen Naturgesetze hätte bei dieser Anordnung
das beste Bild fallen sollen in die Höhlung eines Rotationsparaboloi-
des, dessen Krümmungshalbmesser am Scheitel zwischen 7 und 8
Zoll beträgt. Bei dem später im doppelten Massstabe von 3 Zoll Öff-
nung ausgeführten Objective ist diese Krümmung eine sanftere von
15 Zollen. Es ergaben sich jedoch in den Umständen Mittel, dieses
noch immer etwas unsanft gekrümmte Bild einer Ebene näher zu
bringen mit einiger Aufopferung der Schärfe am Rande des Gesichts-
feldes. Man konnte sich hiemit um so mehr begnügen, als die abzu-
Bericht über dioptrische Untersuchungen. Qf
bildende Person ihrer ganzen Gestalt nach nie in eine Ebene fällt,
sondern in ihrer gewöhnlich sitzenden Stellung eher eine gekrümmte
Fläche darstellt und zwar, wenn es der Photograph einzurichten
versteht, eine solche, die eben abgebildet wird. Auch bei Aufnahme
von Gruppen hat man es wieder nie zu thun mit einem ebenen Gegen-
stande, sondern ordnet die abzubildenden Personen in die Peripherie
eines Kreises um den Apparat herum und kann dies wieder in einer
Weise veranstalten, dass das Bild ein ebenes wird. Beim Porträtiren
also ist die gekrümmte Beschaffenheit des Bildes von keinem beson-
deren Nachtheile, ja man könnte sogar behaupten, das ein Apparat
mit vollkommen ebenem Bilde zu diesem Zwecke keine erspriess-
licheren Dienste leisten würde.
Die zweite Wirkung der getrennten Linsen ist das beschränkte
Gesichtsfeld, geradeso, wie bei dem einfachen Objective durch das
vorgesetzte Diaphragma, denn hier ist es die Fassung der ersten
Linse, welche die Rolle des Diaphragma's übernimmt und der zweiten
das Licht zumisst.
Um sich die Wirkungsweise dieser Linsenfassung klar zu
machen, fasse man abermals beispielsweise ein photographisches
Objectiv von 3 Zoll Öffnung ins Auge. Die erste Bestandlinse hat
16 Zoll, die zweite im Abstände Sy3 sich befindende hat 24 Zoll
Brennweite mit derselben Öffnung von 3 Zoll. Ein jeder Strahlen-
cylinder, man denke sich zuvörderst den zur Axe parallelen, verwan-
delt sich nach erlittener Brechung an der ersten Linse in einen Strah-
lenkegel von 16 Zoll Axenlänge bis zur Spitze und hat dort, wo er
die zweite Linse trifft, bereits einen geringeren Querschnitt von um
y3 kleineren Durchmesser, d. h. einen Durchmesser von 2 Zollen.
Dasselbe gilt nahezu auch von den übrigen Strahlenkegeln, in die sich
die Strahlencylinder verwandeln, die unter einem gewissen Winkel
gegen die Axe geneigt sind. Nun denke man sich ferner auf der
zweiten Linse und aus dem Mittelpunkte derselben einen Kreis von
Va Zoll Halbmesser beschrieben, eine Peripherie wird vom Linsen-
ende im Abstände von 1 Zoll stehen; so werden, offenbar all' die-
jenigen Strahlenkegel, deren Axenstrahlen durch die Mitte der ersten
Linse ungebrochen durchgehen und die gerade in einem Punkte der
Peripherie des so gezogenen einzölligen Kreises die zweite Linse
treffen, noch sämmtlich ungehindert durch diese zweite Linse ihren
Durchgang finden, werden daher die Punkte, von welchen sie her-
58 P e I z v a 1.
kommen, noch abbilden in ungeschwächter Lichtstärke, derjenigen
nämlich, die auch der Mitte des Objectes zukommt.
Strahlencylinder aber, die einen grösseren Winkel mit der Axe
bilden, deren Axenstrahlen daher die zweite Linse in grösserer
Entfernung von der Mitte treffen, werden von der Fassung der-
selben schon theihveise am Eintritte verhindert. Es wird daher hier
die volle Lichtstärke Maximum nur von der Mitte an bis zu einem
Winkel reichen, dessen Tangente gleich ya : $%/z = Väa ist,
somit etwas mehr als 5 Grad beträgt; und das Gesichtsfeld, wel-
ches diese grösste Lichtstärke hat, beträgt nur das Doppelte die-
ses Winkels, d. h. 10 Grad und umfasst am Bilde selbst einen runden
Fleck von 2 Zoll Durchmesser. Nun denke man sich ferner einen
gegen die Axe noch mehr geneigten Strahlencylinder durch Brechung
verwandelt in einen Kegel, dessen Axe gerade die Linsenfassung
trifft. Von diesem wird mehr als die Hälfte des Lichtes am Eintritte
in die zweite Linse verhindert. Der Winkel mit der Axe ist derjenige,
dessen Tangente 1*/% : S^ = 9/32 ist, d. h. fast 16 Grad betragt und
das Doppelte desselben, d. h. 31 Grad bezeichnet den Gesichtswinkel,
bis zu welchem die Lichtstärke auf etwas weniger als x/z ihres
grössten Betrages herabsinkt. Endlich denke man sich noch einen
dritten Strahlencylinder einfallend, dessen Axe die zweite Linse gar
nicht mehr trifft, sondern ausserhalb der Fassung in der Entfernung
von 1 Zoll vom Rande auffällt. Von diesem wird kein einziger Strahl
mehr eingelassen. Sein Neigungswinkel gegen die Axe ist derjenige,
dem die Tangente 2'/» :5y3 = 15/32 angehört, also 25 Grad beträgt. Das
Doppelte davon, d. h. 50 Grad bezeichnet den Gesichtswinkel, über
welchen hinaus die Lichtstärke Null ist, somit die Grenze des Gesichts-
feldes. Das Bild hat also nur bis zum 10. Grad, d. h. bis zu einem Durch-
messer von 2 Zoll volles Licht; bis zum 31. Grad, d.h. bis zu einem
Durchmesser von 6 Zoll nimmt die Lichtstärke bis etwas mehr als
die Hälfte ab und hört endlich bei einer Ausdehnung im Gesichts-
winkel von 50 Grad oder im Durchmesser 10 Zoll ganz auf, eine
Beschränkung, durch die sich die Photographen genöthigt sehen, die
Ecken ihrer Abbildungen abzurunden, die aber auch noch zu anderen
Umzuköminlichkeiten Veranlassungen gab, die sie sich vermuthlich
gar nicht klar machen konnten, weil sie diese Betrachtungen wahr-
scheinlich nie angestellt haben werden. Beim Porträtiren, wo es
sich wesentlich um die treue Abbildung eines geringen Theiles des
Bericht über dioptrisehe Untersuchungen. JJQ
abzubildenden Gegenstandes, des Gesichtes nämlich handelt, hatte
die sehr namhafte Ungleichheit der Beleuchtung keinen besonderen
Nachtheil. Das Aufnehmen von Landschaften hingegen mit dem vollen
und ungeblendeten Objective würde dadurch heinahe unmöglich
werden, wenn man nicht in der passenden Diaphragmirung Mittel
besässe, das Licht nicht nur gleichmässiger zu vertheilen, sondern
auch den Eintluss der ungleichen Entfernung der im Bilde erschei-
nenden Gegenstände zu verringern und die Krümmung des Bildes zu
ermässigen. Die passendste Stelle für ein Diaphragma ist bei glei-
cher Öffnung der beiden achromatischen Bestandlinsen genau in der
Mitte zwischen denselben und man kann, die Lichtstärke auf einen
geringen ßruchtheil ihres vollen Werthes, etwa 1/4, y9, yi6 herab-
bringend, den Kreis der gleichen Lichtstärke so nahe, als man will,
an 31 Grad oder sogar auch darüberbringen, während die zwei Zonen,
in deren Bereiche die Lichtstärke auf die Hälfte ihres Werthes Maxi-
mum und von da an auf Null herabsinkt, stets schmäler werden, je
enger man abblendet. Da man nun auf diese Weise ein Bild erzielte,
welches im Allgemeinen an Güte dem der besten einfachen achroma-
tischen Linse überlegen war, so wurde dieser ursprünglich nur zum
Porträtiren bestimmte Apparat auch zur Aufnahme von Landschaften
benützt und da man diese im grösseren Formate zu haben wünscht,
als die Porträte, so fand man sich veranlasst, das ursprünglich auf
1 i/z Zoll Öffnung berechnete Objectiv im doppelten, dreifachen, ja
selbst vierfachen Massstabe zu construiren mit 3, 4 und auch 5 Zoll
Öffnung, um dadurch Bilder bis zur Grösse von 14 Zoll zu erzeugen.
Diese Vergrößerungen hat die optische Praxis eigenmächtig, ohne
Zuthuu der Wissenschaft vorgenommen, aber übersehen, dass hiebei
die Krümmungshalbmesser einer gewissen kleinen Correction bedürf-
tig seien, damit das Bild in gleicher Güte erhalten werde. Da sie
aber diese anzubringen nicht verstand, so trug dieser Umstand auch
wesentlich dazu bei, dass die späteren Erzeugnisse in jeder Beziehung
immer unvollkommen, mit sphärischer Abweichung, doppeltem Focus
und anderen ähnlichen Unzukömmlichkeiten gesegnet wurden. Es
scheint auch nicht, als ob sich in diesen Vergrösserungsbestrebungen
weiter gehen Hesse, weil schon der Preis eines Szölligen Objectives
ein so bedeutender ist, dass nur Photographen von Profession, die
ihren Lebensunterhalt aus der Kunst ziehen, und keineswegs wissen-
schaftlich gebildete Dilettanten sich darauf einlassen können; und
60 P e t z v a I.
doch sind diese Letzteren die eigentlichen Träger der Kunst, denen
wir vorzugsweise ihre Ausbildung verdanken und denen auch künf-
tighin die Aufgabe zufallen wird, die ferneren Fortschritte, deren sie
noch fähig ist, anzubahnen.
Hiemit wäre nun, wie ich glaube, das Bedürfniss eines neuen
photographischen Objectives fühlbar geworden , das zwar nicht das
alte verdrängen soll, welches vielmehr dasselbe nur zu seiner ursprüng-
lichen Bestimmung, d. h. zum Porträtiren zurückzuführen hat, im Übrigen
aber zu einem anderen Zwecke, nämlich zur Aufnahme vonLandschaf-
ten, Gebäuden, Karten, Kupferstichen u.s. w. bestimmt, ganz anderen
Anforderungen Genüge leisten muss.
Erstens: Nach sehr grosser Lichtstärke hat man hier nicht
zu streben , es wäre sogar ein grosser Fehler, wenn man es thäte,
weil dies nothwendig die Bildgrösse beschränkt und den Eintluss
ungleicher Entfernungen der Gegenstände auf die Schärfe des Bildes
vergrössert.
Zweitens. Dagegen ist desto mehr am Gesichtsfelde gelegen,
welches möglichst gross und gleichförmig der Beleuchtung sowohl,
wie auch der Schärfe nach gewünscht wird.
Drittens. Möglichst grosse Schärfe soll, wenn auch nicht bei
allen, doch mindestens bei solchen Objectiven beibehalten werden,
deren Bilder dazu bestimmt sind, vergrössert zu werden, solchen
z. B. die zum Copiren grosser Karten ins Kleine zu dienen haben, so
dass die Abbildungen den Gebrauch einer Loupe gestatten.
Viertens. Da die abzubildenden Gegenstände selten in einer
Ebene liegen dürften, sondern vielmehr in einer irgendwie gekrümm-
ten Fläche, die jedoch ihre Concavität dem Apparate zukehrt, so
braucht man zwar nicht ein Objectiv, das einen vollkommen ebenen
Gegenstand eben abbildet, weil ein solches den gekrümmten auch
wieder gekrümmt geben würde, sondern man braucht vielmehr eines
mit möglichst sanfter Krümmung des Bildes, über dessen Grösse man
wo möglich verfügen können soll.
Fünftens. Endlich soll dies alles erzielt werden mit einem
möglichst geringen Aufwände von Glas, also mit massiger Öffnung
des Objectives, damit man, wenn es die Notwendigkeit erheischt,
dieses noch im grösseren Massstabe zu construiren im Stande sei,
um Bilder zu erzeugen von beliebiger Grösse, der nur die notwen-
digen Dimensionen des Cameraobscura-Kastens ein Ziel setzen.
Bericht über dioptrische Untersuchungen. (J \
Dies ist um so wichtiger, als es zum Besten der Kunst im hohen
Grade wünschenswert ist, das neueErzeugniss dem wissenschaftlich
gebildeten Dilettanten der Kunst dem Preise nach zugänglich zu
machen.
Diesen Anforderungen entspricht nun eine wesentlich veränderte
Construction desObjectives. Aus zwei achromatischen Bestandlinsen
musste es zwar immer noch zusammengesetzt werden, weil sonst die
Bedingungen des vollständigen Achromatismus nicht erfüllt waren;
man musste aber diese beiden Linsen viel näher an einander rücken,
wenn man die Ungleichförmigkeit der Beleuchtung vermeiden und
ein durch das ganze Gesichtsfeld gleich lichtstarkes Bild bis hinein
in die Ecken gewinnen wollte, ja es musste nebstdem, um diese sehr
wünschenswerthe gleiche Lichtstärke eines grossen Gesichtsfeldes
zu erzielen, ein wenn auch nur geringer Theil der Öffnung des
Objectives, also Lichtstärke verloren gegeben werden auf eine Weise,
auf die ich später zurückkommen werde, und die das kleine gebrachte
Opfer noch durch einen entsprechenden anderen Vortheil wieder
vergütet.
Das nach einer sorgfältigen Berechnung ausgeführte Objectiv,
welches ich hiemit der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften
vorlege, besteht, wie gesagt, aus zwei achromatischen Linsen, von
denen die erste drei Zoll, die zweite aber nur zwei Zoll Öffnung
besitzt. Sie befinden sich in einem Abstände von etwas weniger als
einem Zoll, gemessen von der hintersten Fläche der ersten bis zur
vordersten Fläche der zweiten. Das Bild hat eine Grösse, wie von
einer einzelnen achromatischen Linse von 26 Zoll Brennweite und
es ist dies Objectiv auf eine BildgrÖsse von 20 Zoll Durchmesser,
wenn man es kreisrund wünscht, oder 20 Zoll in der Diagonale, wenn
man es viereckig haben will, berechnet und ausgeglichen, bietet also
ein Gesichtsfeld von 42 Grad mit ganz gleicher Lichtstärke bis an den
Kreisrand, oder bis in die äussersten Ecken; und namentlich ist es die
kleinere Öffnung der zweiten Bestandlinse, durch welche dieser Vor-
theil der ganz gleichen Lichtstärke erzielt worden ist. Diesem Vor-
theile hat man wohl freilich einen Theil der Lichtstärke zum Opfer
gebracht. Die zweite Bestandlinse wirkt nämlich wie eine Blendung
und nimmt nur noch dasjenige Licht auf, das von 28 Linien Öffnung
der 36 Linien haltenden ersten Linse ihr zugesendet wird. Diese
28 Linien Öffnung gelten aber bis in die äussersten Ecken und es
62 P e t z v a I.
sind für verschiedene Punkte des Bildes auch andere und andere
Stellen der ersten Objectivlinse wirksam. Da sich die Lichtstärken
direct wie die Quadrate der Öffnung und umgekehrt wie die Quadrate
der Brennweiten verhalten , so wäre an dieser Eigenschaft das zum
Porträtiren bestimmte Objectiv dem neuen im Verhältnisse wie
5 : i überlegen. Factisch besteht aber diese Überlegenheit darum
nicht, weil bei dem ersteren die volle Lichtstärke blos auf einen
kleinen Fleck in der Mitte beschränkt ist und schnell gegen den Band
zu bis zur Hälfte des Betragens herabsinkt und weil man bei der
Expositionszeit auf die geringere Lichtstärke am Bande nothwendig
Bücksicht nehmen muss. Ich glaube aus einigen Versuchen an auf-
genommenen Personengruppen Expositionszeiten bei diesen zwei
Apparaten angeben zu können, die sich verhalten dürften wie21/3 : 1,
oder wie 3:1. Genauere Daten besitze ich einstweilen noch nicht.
Es dürfte auch schwer sein, sich solche zu verschaffen eben wegen
der ungleichen Vertheilung des Lichtes im Porträtirapparate, der
zufolge er nothwendigerweise schneller wirken muss, wenn ihm ein
geringes, als wenn ihm ein grosses Gesichtsfeld abgefordert wird,
somit keine feststehende Expositionszeit haben kann, ein Übelstand,
der bei dem neuen Landschaftsobjective vermieden ist.
Die Krümmung des Bildes ist eine sehr geringe. Ein vollkommen
ebener Gegenstand , durch das Objectiv aufgenommen, gibt einen
Krümmungshalbmesser des Bildes von 80 Zoll im Scheitel und eine
Personengruppe z. B., die man beiläufig in der Peripherie eines
solchen mit 80 Zoll oder 7 Fuss Halbmesser beschriebenen Kreises
aufstellt, wird eben abgebildet. Weiter im Geradebiegen des Bildes zu
gehen, wäre im Allgemeinen mehr schädlich als nützlich gewesen,
specielle Zwecke ausgenommen, die aber alle bisher mit keinem
solchen Ernste verfolgt werden, dass sie das Bedürfniss eines eigenen
Objectives fühlbar machten.
Bezüglich der chromatischen Beschaffenheit kommt hier Folgen-
des zu bemerken : Weder die Brechungsindices bei Crown- und
Flintglas, die man in der Rechnung gewöhnlich mit n bezeichnet und
die dem verschiedenfarbigen, im solaren Spectrum durch dunkle
Linien getrennten Lichtsorten angehören, nocli auch ihre Differenzen
dn sind einander proportional und trägt man die dem Orownglase
entsprechenden dn auf eine gerade Linie als Abscissen , die dem
Flintglase angehörigen dn hingegen senkrecht darauf als Ordinaten,
Bericht über dioptrisehe Untersuchungen. ß3
so erhält man, die Endpunkte dieser Ordinaten verbindend, keine
gerade, sondern eine sanft gekrümmte Linie, die ihre Convexität der
Abscissenaxe zukehrt. In Folge dieses Umstandes kann man zwar je
zwei Strahlensorten des Spectrums durch zweckgemäss eingeleitete
Zusammensetzung aus Crown- und Flintglas zur Vereinigung bringen,
alle jedoch nicht, und es bleibt jedenfalls noch die Farbenabweichung
des secundären Spectrums übrig, die je nach der Wahl der ver-
einigten Strahlensorten einen minderen Charakter trägt. Bei Fern-
röhren thut man am besten, wenn man den lichtreichsten Theil des
Spectrums, der in der Nähe der gelben Strahlen nur beiläufig */8 der
Länge desselben einnimmt, vorzugsweise berücksichtigt, wodurch
das rothe Ende zu inniger Vereinigung gelangt und für die äusser-
sten violeten Strahlen, mithin auch diejenigen, welche vorzugsweise
chemische Wirkung haben , eine beträchtliche Abweichung übrig
bleibt, die aber das Auge nicht berücksichtigt und die ohne erhebli-
chen Schaden einen Abweichungskreis von 5 bis 6 Minuten im Ge-
sichtswinkel behalten kann, ohne dem scharfen Sehen wesentlich
Eintrag zu thun. Ein jedes so zweckmässig construirte Fernrohr-
Objectiv wird mithin, da es die optischen gelben mit den chemischen
violeten Strahlen nicht vereinigt, vielmehr die letzteren ausser Acht
setzt, nicht nur getrennte Brennpunkte besitzen, sondern wird auch
noch überdies ein minder scharfes photographisches, als optisches
Bild liefern, eine Ursache mehr, warum Fernrohr-Objeetive zu photo-
graphischen Zwecken weniger tauglich sind. Wollte man hingegen, von
einem Extrem zum andern übergehend, das beste mögliche photogra-
phische Bild zu Stande bringen, dem optischen gar keine Beachtung
schenkend , so müsste man die Strahlen des violeten Endes des
Spectrums zu innigerer Vereinigung bringen und es würde dadurch eine
bedeutende chromatische Abweichung übrigbleiben fürdiegelben und
äussersten rothen und das Objectiv hätte abermals einen chemischen,
vom optischen getrennten Brennpunkt. Man kann aber auch schliess-
lich das ganze Spectrum berücksichtigen und nicht vorzugsweise ein
Ende desselben, und es wird dann zwar für die chemischen sowohl,
wie für die optischen Strahlen eine gewisse chromatische Abweichung
übrig bleiben, aber die wirksamsten einen werden mit den wirksam-
sten anderen möglichst nahe zur Vereinigung gelangen und das
Objectiv wird vereinigte Brennpunkte besitzen, wird aber dabei, wie
es sich von selbst versteht, weder das beste mögliche optische, noch
64 P e l z v a 1.
das beste mögliche photographische Objectiv liefern , was übrigens
so lange noch kein Nachtheil ist, als es ohnehin noch einen Überfluss
an Schärfe hat, kraft dessen es eine namhafte Vergrößerung aushält.
Ich habe diese letzte Art Achromatismus vorgezogen, muss aber hier
bemerken, dass das neue Objectiv gleichwohl für Augen, die für
verschiedenfarbiges Licht nicht gleich empfindlich sind, noch eine
kleine Spur von Trennung der Brennpunkte bei einem sehr empfind-
lichen Experimente zeigen kann. Sie wird aber bei dem einen positiv
sein und bei dem anderen negativ und kann sich mit der Zeit als
veränderlich ausweisen auch bei einem und demselben Individuum,
und zwar wird die Trennung desto merklicher hervortreten, je grösser
die Focallänge des Objectives ist. Desshalb, stellt auch jedes Auge
das Bild auf seine eigene Weise ein, die von der Einstellung des
anderen um etwas Weniges, einen Bruchtheil einer Linie, verschie-
den ist.
Die optische Kunst kann hier nur ein vollkommen gesundes,
normales Auge berücksichtigen, dem krankhaft afficirten aber bietet
die Wissenschaft Hilfsmittel dar, von einem guten, wohl construirten
Apparate ohne vorgängige Peteriorirung bequemen Gebrauch zu
machen. Die Sache verdient übrigens eine sorgfältige Erörterung,
und ich nehme mir vor, später darauf zurückzukommen. Vor der Hand
dürfte hier nur noch bemerkt werden, dass die ganze, nothwendig
übrigbleibende, dem secundären Spectrum entsprechende chromatische
Längenabweichung bei einem Objective von 26 Zoll Brennweite,
angefertigt aus denjenigen Glassorten, aus welchen das in Bede ste-
hende zusammengesetzt ist, nicht ganz eine halbe Linie betrage, d.h.
an dem einen Ende dieser kurzen Strecke vereinigen sich die Strahlen,
die der Mitte des Spectrums angehörig sind, an dem anderen End-
punkte hingegen die äussersten rothen und violeten, zwischen hinein
fällt der chemische sowohl, wie auch der optische Brennpunkt, beide
vereinigt für ein gesundes Auge und etwas getrennt für abnorme
Augen von besonderer Beizbarkeit für Farben. Die Trennung kann
nur sehr wenig, d. h. nur einen sehr geringen Bruchtheil von einer
halben Linie, z. B. kaum '/§ Linie betragen, vermag demnach durch
ein feines Experiment und namentlich durch Copiren ins Grosse aller-
dings durch Multiplication sichtbar gemacht werden, kann aber
doch nie störend auftreten unter Umständen, unter welchen ein
photographischer Apparat gewöhnlich verwendet wird.
Bericht über dioptrische Untersuchungen, ßj)
Es erhellt aus dieser Exposition zur Genüge, in welchem Ver-
hältnisse das neue Objectiv zu dem alten stehe. In Bezug auf Licht-
stärke, der grössten sowohl, wie auch der mittleren, steht das erstere
dem anderen bedeutend nach und das alte wird fortan in all' den-
jenigen Fällen den Vorzug behaupten, in welchen eine möglichst
kurze Exposition von nöthen ist, z. B. beim Abbilden lebhafter Thiere,
Poträtiren u. s. w., denn es lag nicht in der Absicht, denselben durch
ein neues Erzeugniss zu verdrängen, es liegt vielmehr im Wunsche,
die Hindernisse seiner Vervollkommnung nach derjenigen Seite, nach
weicherer Vorzügliches leistet, zu beseitigen. Hingegen übertrifft
das neue Objectiv seinen Vorgänger an Gleichförmigkeit der Schärfe
sowohl, wie auch der Beleuchtung, an Grösse des Gesichtsfeldes,
beziehlich Grösse des Bildes ; und eben diese Grösse, in Verbindung
mit jener gleichen Vertheilung von Licht und somit auch von Schatten,
bewirkt das augenfällig angenehme Aussehen der Bilder, die ich als
Proben vorlege, in Folge dessen man sich zu dem Urtheile veran-
lasst fühlt: sie träten plastisch hervor, also der Apparat arbeite pla-
stisch, wiewohl dies ein ganz unrichtiger Ausdruck ist, weil ein in
einer Ebene zu Stande gekommenes Bild nie plastisch genannt werden
kann. Es frommt offenbar mehr, auf den Grund der Sache zurückzu-
gehen und zu sagen: das Bild des neuen Apparates besitze durchaus
gleiches Licht und schiebe nicht so, wie der alte, dunkle Schatten
in die Ecken zusammen, die dann dem Bilde ein fremdartiges Aus-
sehen ertheilen.
Es versteht sich von selbst, dass man alle von dem neuen
Objective gebotenen Vortheile auch mit entsprechenden Opfern zu
erkaufen genöthigt ist. Der Preis eines solchen Objectives ist zwar
ein massiger und ist sogar von mehreren Sachkundigen im Vergleiche
mit den Leistungen für viel zu gering erachtet worden; mit der Grösse
der Bilder jedoch ist eine Vergrösserung der übrigen Gerätschaften
von der Camera an bis zu den verschiedenen Gefässen, die der Pho-
tograph braucht, verknüpft, die der bequemeren Handhabung Eintrag
thut, ja sogar zu ganz neuen Einrichtungen nöthigt. Ich glaube die
Reform der verschiedenen Schalen, Casetten, Cuvetten am schick-
lichsten dem photographischen Publicum selbst überlassen zu können,
sehe mich hingegen genöthigt, die Camera obscura zum Gegenstande
einer ganz besonderen Sorgfalt zu machen, weil diese den Eigenheiten
des Objectives innig angepasst werden muss, wenn das Objectiv all
Sil/.l.. (I. mathem.-naturw. CUXXVI. Bd. I. Hft. 5
66 P e t z v a 1.
das Vorzügliche leisten soll, was die Theorie hineingelegt hat, und
weil diese Eigenheiten Niemandem so gut bekannt sein können , als
dem Erfinder selbst.
Man macht sich in der Regel nicht gleich ein klares Bild von
den Schwierigkeiten, die mit der Vergrösserung eines Geräthes ver-
knüpft sind. Etwas im doppelten oder dreifachen Massstabe zu con-
struiren, scheint auf den ersten Anblick gar so leicht. Nichts leichter
als das, wenn man nur im gleichen Masse auch den Menschen ver-
grössern könnte, damit er den grösseren Apparat mit derselben
Leichtigkeit handhabe. Für ein Bildchen von 7 bis 8 Zoll eon-
struirt sich der hölzerne Kasten einer Dunkelkammer ohne alle
Schwierigkeit aus zwei in einander geschobenen Bestandteilen, so
wie die ursprünglichen Kästen dieser Art, die man auch ohne alle
feinere Mikrometer- Vorrichtungen aus freier Hand einstellen konnte,
weil es bei der geringeren Schärfe des Bildes auf y4 Linie mehr oder
weniger gar nicht ankam. Die Schwierigkeit wurde etwas grösser,
als das scharfe Porträlir-Objectiv ankam und musste durch ein zum
Behufe der feineren Bewegung angebrachtes Getriebe beseitigt
werden. Der Kasten durfte noch nicht namhaft vergrössert werden,
weil auch das Bild nicht viel grösser war. Jetzt jedoch , wo man
Bilder hat von i2 und 16 Zoll Seite und grössere, wo somit linear
genommen ein zwei oder dreimal so grosser Kasten nothwendig wird,
der unter beibehaltener Ähnlichkeit der Construction 8 bis 27mal
so viel Gewicht hat. was etwas mehr oder weniger als einen Centner
austrägt, sohin eine Bedienungsmannschaft, so wie bei einem groben
Geschütze, erfordern und dennoch jeden Augenblick bei dem unver-
meidlichen Werfen des Holzes bald falsches Licht einlassen , bald
gänzlich den Dienst versagen würde durch lneinanderverquellen,
ist man genöthigt,alle möglichen von der Erfahrung gebotenen Hilfs-
mittel in Anwendung zu setzen, um dem Apparate diejenige Hand-
samkeit wieder zu geben, die er durch seine Vergrösserung theil-
weise verloren hat und die Übelstände zu beseitigen, die, aus gar zu
gewichtigen und desshalb schwer zu bewegenden Massen entstehend,
verhindern, dass man von den guten Eigenschaften des Objectives
den umfassendsten Gebrauch macht. Ich führe hier eine solche
Camera obscura vor, blos als erste Auflösung der Aufgabe, die nur
dazu bestimmt ist, zu zeigen, auf was es eigentlich ankomme;
wünsche aber allen Verbesserungs-Gelüsten den freiesten Spielraum
Bericht über dioptrische Untersuchungen. ß7
zu lassen, insofern wenigstens, als sie das Objeetiv nicht berühren:
denn dieses lässt sieh gar nicht mehr verbessern, nicht einmal durch
dieTheorie,indem es das beste in seiner Art ist, was man mit diesem
Aufwände optischer Mittel zu erzielen vermag.
Ein sehr fest gebautes, durch keine unnütze Gliederung
geschwächtes Stativ trägt oben ein dreieckiges hölzernes Prisma von
4 Zoll Seite, zusammengeleimt aus mehreren Stücken, um das Wer-
fen möglichst zu verhindern, und mit starken Fournieren überzogen.
Stativ und Prisma hängen zusammen durch eine Docke, in der sich
dieses Prisma hin und her schieben lässt und mittelst einer Schraube,
die von unten durch den Kopf des Statives durchgeht, mit einer
Klemmmutter versehen ist und fest angezogen werden kann. Diese
Schraube geht durch eine messingene Hülse, mittelst welcher Docke
sowohl, wie auch Prisma eine drehende Bewegung um eine verticale
Axe annehmen können; und damit diese drehende Bewegung eine
leichte und fleissige zugleich sei, findet die Bewegung nicht Statt
von Holz auf Holz, sondern es ist ein messingener Ring an die kreis-
förmige Grundfläche der Docke von einem Durchmesser von 10 Zoll
und von unten angeschraubt, der über drei am Kopfe des Statives
eingelegten Messingstücken liegt und sich auf ihnen leicht und genau
bewegen kann. Der Ring kann mit einer Eintheilung in Grade ver-
sehen sein, und die Messingstücke können Nonien tragen, so wie bei
gegenwärtigem Exemplare, wenn man den Apparat zu Messungen des
Gesichtsfeldes tauglich einrichten will. Wer dies nicht beabsichtigt,
braucht auch keine Eintheilung. Auf dieses Prisma wird von einem
Ende, etwa von vorne, eine zweite Docke aufgeschoben, die einen
Blasebalg trägt zwischen zwei Rahmen. Der vordere ist fest und
stark, um ein gewichtiges Objeetiv tragen zu können , der andere ist
leicht und schiebt sich in den ersten hinein. Ein zweiter Blasebalg
von grösseren Dimensionen wird von rückwärts mittels zweier Docken
auf das Prisma aufgeschoben und trägt der Rahmen drei: eine voran
und zwei andere rückwärts. Der vordere Rahmen wird mit dem ersten
hinteren des kleinen Blasebalges durch zwei Riegel, sogenannte Ver-
reiber, fest verbunden. Sie sind so gefalzt, dass an der Verbindungs-
stelle kein falsches Licht eingelassen wird. Keiner der erwähnten
vier Bestandtheile des Apparates, als da sind: Stativ, Prisma, erster
und zweiter Blasebalg, ist von einer solchen Masse, dass die Hand-
habung mit einer wesentlichen körperlichen Anstrengung verknüpft
5*
68 P e t z V a 1.
wäre, und jetzt ist nur noch vorne das Ohjectiv und rückwärts die
matte Glastafel, die das Bild empfängt, jedes in seinem eigenen
Rahmen hineinzufügen , so steht der Apparat fertig. Die Blashälge
sind von Leinwand und Papier völlig undurchsichtig und von innen
schwarz , so dass sie einen vollkommenen Verschluss bewirken und
gar kein falsches Licht hineinlassen in die Camera.
Wiewohl das Schieben auf einem Prisma das leichteste Denkbare
ist, so erfordert doch die grosse Schärfe des Bildes beim Einstellen
desselben eine feine mikrometrische Bewegung, welche hier nicht
mehr gut zu Stande gebracht werden kann durch ein am Ohjective
angebrachtes Getriebe, weil der menschliche Arm ohne Mitwirkung
eines umständlichen Gestänges mit Kegelrädern oder Houk'schen
Schlüssel zu kurz ist, um einem Kasten von 26 Zoll Seite herum und
längs eines Prismas von 5 Fuss Länge nach dem Kopfe eines Getriebes
zu greifen. Die zum Einstellen dienende Mikrometervorrichtung ist
daher rückwärts angebracht. Hinter der letzten Docke schiebt sich noch
ein messingener Bügel auf, mit dem eine Mikrometerschraube ver-
knüpft ist, die sich in die Mutter der letzten Docke hineinschraubt.
Alle Docken, sowie auch dieser Bügel, lassen sich durch unten ange-
brachte Klemmschrauben fest an das Prisma anklemmen. Beim Ein-
stellen lüftet man die Klemmschrauben des Bügels und der letzten
Docke, und sucht den Ort des Bildes vorläufig mit freier Hand, dann
macht man den Bügel fest und vollendet die Einstellung vermittelst
der Mikrometerschraube. Man muss sich jedoch hier keine Schraube
denken, wie bei einem Theodolithen oder einem Nivellir-Instrumente,
sondern eine starke und steile Schraube mit doppeltem Gewinde, die
bei jedem Umgange die Docke um zwei Linien verschiebt. Die Länge
von 5 Fuss ist dem Prisma desshalb gegeben worden, um mittelst des
Apparates auch nähere Gegenstände gross bis zu gleichen Dimen-
sionen copiren zu können. Hiezu braucht man eine Länge der Dun-
kelkammer gleich der doppelten Brennweite, gleich 52 Zoll. Der Rest
von 8 Zoll ist für den messingenen Bügel, der die Mikrometer-Vor-
richtung trägt.
Es ist noch übrig, den Zweck des doppelten Rahmens hervor-
zuheben, der sich an der hinteren Seite des grossen Blasebalges
befindet. Er dient im Wesentlichen dazu, um die Fläche des matten
Glases und auch diejenige, auf welche das Bild gemacht wird, belie-
big gegen die Axe dos Instrumentes zu neigen. Bei den bisherigen
Bericht über dioptrische Untersuchungen. ßQ
Dunkelkammern kam eine solche Einrichtung nie vor und man konnte
sie auch wegen der geringeren Brennweiten und des kleinen Gesichts-
feldes füglich entbehren. Bei dem neuen Objective jedoch ist sie not-
wendig und es muss diese Notwendigkeit auch ihrem Masse nach
klar dargethan werden.
Es kommt oft genug vor, ja es ist sogar gewöhnlich, dass die
abzubildenden Gegenstande in verschiedenen Entfernungen von der
Camera stehen. Hier ist es eine fortlaufende Häuserflucht, die man
abzubilden wünscht. Der nächste der Punkte, die auf das Bild kom-
men sollen, steht in geringer Entfernung von einigen und zwanzig
Schritten, der fernste hingegen ist sehr weit ab. Nach einem unver-
meidlichen optischen Gesetze, welches in der unabänderlich richtigen
Formel liegt:
11 1
a p X
gegen die kein Protestiren hilft, sind die Vereinigungsweiten der
von diesen Punkten ausgehenden Strahlen um so namhafter von
einander verschieden, als die Brennweite eine grössere ist, z. B. fin-
den sehr weit entfernten Punkt hat man « = oo, folglich a=p.
Befindet sich der nähere im Abstände 27 p, also etwa 27 massige
Schritte, was sehr leicht vorkommen mag, so ist a=27 p und es wird
27 1 . , i
y. = — p = p -f- — />; mithin um — -p grösser, als die frühere
Vereinigungsweite. Dies beträgt, weil p gleich 26 Zoll ist, einen
ganzen Zoll Abstand, genug, um das Bild des einen Gegenstandes
ganz verwaschen zu machen, wenn das des anderen vollkommen
scharf ist. Da man nun oft Gegenstände im Gesichtsfelde haben wird,
die noch viel näher am Apparate liegen, etwa auf nur 15 Schritte
Entfernung, so wird dieser Abstand auch oft gegen 2 Zoll betragen.
Hiedurch erwächst aber für den Apparat eine Empfindlichkeit von
eigener Art gegen ungleiche Entfernungen, die mit den Dimensionen
desselben ausserordentlich rasch zunimmt und uns zwingt, alles in
Anwendung zu setzen, was als Gegenmittel zu dienen vermag.
Bei schicklich gewählter Aufstellung fallen die nahen Gegen-
stände entweder an eine Seite, z. B. an die rechte des Apparates,
und werden dann links abgebildet in einer grösseren Entfernung vom
Objective, als die weit entfernten. Man muss daher die linke Seite
des matten Glases vom Objective entfernen können, während die
70 P o t z v a I.
Mitte an ihrer Stelle bleibt, wenn man eine scharfe Abbildung erzie-
len will, und dies zwar um den namhaften Betrag von 1 Zoll und
darüber; oder die näheren Gegenstände befinden sich, wie dies
gewöhnlich ist, im Vordergründe, und werden abgebildet am oberen
Rande des Gesichtsfeldes auch wieder in grösserer Entfernung. Daher
muss man den oberen Rand des matten Glases weiter vom Objective
abstellen können, als die Mitte, wenn man ein durchaus scharfes Bild
erzielen will. Das matte Glas braucht daher eine doppelte Bewegung :
einmal um eine verticale und ein andermal um eine horizontale Axe,
welche bei Objectiven mit kleinerer Brennweite unbedeutend und
desshalb entbehrlich ist, bei grossen Brennweiten hingegen unum-
gänglich nothwendig wird. Diese doppelte Bewegung erhält das
matte Glas durch den doppelten Rahmen. Der erste dem Objective
zugekehrte Bestandteil nämlich ist um einen in der Docke einge-
führten Stift als verticale Axe beweglich und kann in der Lage, die
man ihm gegeben hat, durch zwei unten befindliche Klemm-
schrauben festgestellt werden. Durch diesen geht der Blasebalg
durch bis zu dem rückwärtigen Bestandteile, an welchem er fest-
gemacht ist. Auch ist dieser letzte Rahmenbestandtheil an seinem
unteren Rande mit dem ersten durch Scharniere verbunden, um
welche, wie um eine horizontale Axe, er eine drehende Bewegung
annehmen kann bis zum Belaufe von 2 Zoll und etwas darüber. Oben
hängen die beiden Bahmen durch einen Messingstreifen zusammen
und können vermittelst einer Klemmschraube, die auf diesen Streifen
wirkt, in feste Verbindung gebracht werden. Auch zu einer Neigung
nach vorne ist ein kleiner Spielraum gelassen; man wird aber weit
seltener davon Gebrauch machen, z. B. bei Aufnahme im Innern
grosser Gebäude, wenn man die Kuppel oder Wölbung oder den Pla-
fond abzubilden beabsichtigt.
In diesen letzteren Bahmen vermögen nun zwei andere hinein-
gefügt zu werden, der eine, welcher die matte Glastafel trägt, auf
welche man das Bild behufs der Einstellung des Apparates fallen
lässt, und eine zweite, in welchem sich die jodirte Glasplatte befindet.
Der erstere besitzt eine durch ein Messingplättchen schliessbare
Öffnung, um in den dicht verschlossenen Kasten die Luft beim Ein-
stellen ungehindert ein- und auszulassen. Der letztere ist bei den
gewöhnlichen Apparaten mittelst eines hölzernen Schubers geschlos-
sen. Bei den bedeutenden Dimensionen, die hier vorkommen, hat ein
Bericht über dioptrische Untersuchungen. 7 1
Schulter nie die gewünschte leichte Bewegung, die nothwendig wäre,
um die Bildfliiche dem Lichteindrucke bloßzustellen , ohne an dem
Apparate wesentlich zu rütteln und dadurch vielleicht zu einer
grösseren Abweichung Veranlassung zu gehen, als all' die verschie-
denen, sphärischen , chromatischen u. s. w. sind, die das Objectiv
annoch besitzt. Darum ist hier eine andere Anordnung getroffen. Ein
aus dünnen, auf Leinwand geleimten Holzstäben bestehender Vorhang
lässt sich über einer Rolle vor das Bild oder hinter dasselbe bringen.
Es ist dies, so wie überhaupt die ganze Einrichtung der Camera
obscura nur einstweilen eine vorgeschlagene Neuerung die die Er-
fahrung noch nicht genügend erprobt hat und die Jedermann immer-
hin durch etwas Zweckmässigeres ersetzen mag, wenn ihm dies gelingt,
die vorliegendeEinrichtnng möge einstweilen nur dazu dienen, um zu
zeigen, was bei einer so grossen Camera obscura vorzugsweise noth-
thut. Die Hauptzwecke sind: Verminderung der Masse im Ganzen,
Zerlegung derselben in mehrere Bestandtheile , die leicht zu hand-
haben sind, Vermeidung des falschen Lichtes, Neigung der Bildfläche
gegen die Axe des Instrumentes innerhalb gewisser Grenzen und
eine Einrichtung der Casette, durch die das Rütteln am Apparate im
entscheidenden Momente der Exposition möglichst vermieden wird.
Dass trotz aller dieser Vorkehrungen, die zum Zwecke haben, die
guten Eigenschaften des Objectives alle nutzbringend zu machen, ein
findiger Photograph dennoch Mittel genug hat, um mit einem scharfen
Apparate ein unscharfes Bild zu erzielen, die Lichtstärke unnütz zu
machen, die perspectivische Richtigkeit über Bord zu werfen u. s.w.,
das versteht sich von selbst. Für diejenigen, die sich über die Art
und Weise vielleicht doch den Kopf zerbrechen müssten, möge hier in
einigen Beispielen stehen, wie man dies allenfalls anzustellen hätte.
Will man ein unscharfes Bild haben, so stelle man sich nahe
genug bei der Aufnahme einer Landschaft hinter einen dicken Baum,
so dass dieser in die Mitte des Gesichtsfeldes zu stehen kommt, so
wird man einen verwaschenen Baum in einer scharfen Landschaft
bekommen, wenn man es nicht etwa vorzieht, einen scharfen Baum in
einer verwaschenen Landschaft zu besitzen.
Will man die perspectivische Richtigkeit los werden, so suche
man sich ein Gebäude mit zwei parallelen himmelhoch anstrebenden
Thürmen z. B. die Karlskirche in Wien, und sehe sie mit dem nach
aufwärts gerichteten Objective an in so nahe als möglich gewählter
72 P e t z v a 1.
Aufstellung. Dann wird man zu seinem Vergnügen gewahr werden,
wie sich die schlanken Säulen zierlich gegen einander neigen. Wären
sie unendlich hoch, so würden sie sich gar umarmen. Beim Porträ-
tiren lässt sich in dieser Beziehung Unglaubliches leisten und es hat
gar keine Schwierigkeit , eine ganz wohlgebildete Person vermöge
schicklicher Aufstellung in ein wahres Scheusal umzuwandeln. Die
Aufnahme von Personengruppen bietet dem schöpferischen Talente
gar ein weites und fruchtbares Feld und man kann z. B. einen wohl-
bekannten kleinen Mann unter gross gewachsenen Leuten die Rolle
eines entsetzlichen Riesen spielen lassen, was sich sehr hübsch aus-
nimmt.
Wer endlich die Lichtstärke eines Apparates ohne alles Dia-
phragmiren unnütz zu machen wünscht bei Aufnahme des Porträtes,
der verfahre, wie folgt: Er setze seinen Patienten hin, richte ihm
die Glieder und corrigire die Stellung mit Sorgfalt und Bedacht, dann
stelle er den Apparat ein, ebenfalls mit Sorgfalt und Bedacht und
ermahne den Unglücklichen nun unverändert so sitzen zu bleiben.
Dann gehe er in sein Kämmerlein, jodire die Platte, lege sie ins Sil-
berbad, nehme sie heraus und untersuche nochmals sorgfältig, ob der
Patient die Stellung nicht verwechselt hat. Diesem werden mittler-
weile schon die Thränen aus den Augen getreten sein. Dann lege er
ein, exponire 10 Secunden und schliesse zu, so wird er ein Porträt
haben, wie man es auch in den ersten Zeiten der Daguerreotypie auf
die jodirten Silberplatten brachte. Kurz, mit einem Worte, es lassen
sich alle möglichen Untugenden dem allervortrefflichsten Apparate
entringen und sogar getrennte Brennpunkte erzielt man durch Holz-
rahmen, die sich geworfen haben.
Es wäre vielleicht verdienstlich, all* diejenigen Kunststücke auf-
zuzählen in systematischer Ordnung, wie dies Swift gethan in seiner
Kunst, in der Poesie zu sinken, deren Unkenntniss und Gedanken-
losigkeit fähig sind. Dies gäbe aber bereits einen massigen Band und
würde sohin die Grenzen dieser Abhandlung überschreiten. Ich will
daher nur noch eines einzigen, aber besonders genialen Stückleins
Erwähnung thun, durch das man ohne alle Anstrengung, allen Bemü-
hungen des Optikers, Mechanikers, Chemikers und seinen eigenen
Trotz bieten und anstatt Bilder nur Schmutzflecken erhalten kann in
denen der tonlose Schatten eines Bildes schwimmt. Man lege nämlich
hinter die Glasfläche, die das Bild aufzunehmen bestimmt ist, bei der
Bericht über dioptrische Untersuchungen. 7 3
Exposition ein weisses Stück Papier. Dies ist das geistreichste Mittel,
sich falsches Licht zu verschaffen und ist durch ein Loch im Blase-
balge oder eine klaffende Spalte in der Camera nur unvollkommen
zu ersetzen. Eine schwarze und glänzende Fläche thut's wohl auch,
wiewohl im minderen Masse. Der intelligente Photograph wird das
Gegentheil von all" diesen und ähnliche Vorschriften thun, wird sich
hingegen andere von positiver Wirksamkeit stets gegenwärtig halten,
die hier in Kürze zur Sprache kommen sollen :
Man hat in derTactik eine bestimmte vorgeschriebene Schlacht-
ordnung der verschiedenen Truppenkörper, z. B. der Brigade und
Division im Gefechte, aber nicht um in allen Fällen starr daran zu
halten, sondern um alle Vortheile die im Allgemeinen und durch-
schnittlich in einer Stellung liegen können , in ein Gesammtbild zu
vereinigen und so die schnelle Orientirung zu erleichtern. Ein jeder
photographische Apparat hat auch seine normale Aufstellung. Es ist
diejenige der abzubildenden Gegenstände, der ein durchweg gleich
scharfes Bild entspricht auf einer Ebene, die auf der Axe des Appa-
rates senkrecht steht. Es ist gut diese Aufstellung zu kennen.
Wenn bei Aufnahme einer Landschaft die in der Mitte des
Gesichtsfeldes befindlichen Gegenstände sehr weit entfernt, zur Seite
oder aber im Vordergrunde etwas näher gelegene Gegenstände befind-
lich sind, fallend in der Entfernung von 80 oder 100 Schritten, so
erhält man ein durchaus gleich scharfes und ebenes Bild.
Bei der Aufnahme von Personengruppen ist die normale Auf-
stellung die in der Peripherie eines Kreises, der mit 7 Fuss Halb-
messer aus einem beliebigen Punkt der Axe des Instrumentes beschrie-
ben wird. Je mehr man sich davon entfernt, desto mehr hat man mit
den unscharfen Partieen im Bilde zu kämpfen und desto nöthiger
kann eine Neigung der Bildebene gegen die Axe des Instrumentes
werden.
Hiemit soll aber nicht gesagt sein, dass man nur in dieser nor-
malen Stellung der abzubildenden Gegenstände ein Bild aufzunehmen
im Stande sei, ebenso wenig, als man nur in der vorgeschriebenen
normalen Schlachtordnung ein Gefecht annehmen darf; sondern es
dient dies nur zur Orientirung beiläufig so: Der Photograph sieht sich
beim Aufnehmen einer Landschaft um, ob er nicht einen Standpunkt
entdecken kann, von welchem aus die Gegenstände gerade in der
obangedeuteten normalen Art um den Apparat gruppirt sind. Hat er
74 Petz v i> I.
einen solchen gefunden, so bildet er ab in einer Ebene, die auf der
Axe des Apparates senkrecht steht und kann auch das Diaphragmiren
ganz und gar entbehren. Lässt sich kein solcher Aufstellungspunkt
finden, dann untersucht er, ob nicht eben diese Anordnung der Gegen-
stände dennoch stattfinde, aber mit einer gewissen Neigung gegen die
Axe des Apparates, so zwar, dass es dennoch einen Punkt gibt, in
welchem man aber keinen Apparat aufstellen kann, in Bezug auf den
die normale Gruppirung vorhanden ist und von dem man sich mehr
oder weniger seitwärts postiren muss. Dann lässt sich durch Neigung
der Bildflächen gegen die Axe des Instrumentes dennoch ein scharfes
Bild ohne Diaphragmirung erzielen. Ähnliches gilt von Aufnahmen
naher Gegenstände, die man um den Apparat selber gruppirt in der
obangeführten Weise oder auch in scheinbarer Unregelmässigkeit um
den Apparat herum. Kann man es aber nicht vermeiden, Gegenstände
in ungünstiger, der normalen schnurstraks entgegengesetzter Gruppi-
rung auf die Platte zu bringen, nahe und weit entfernte an einer und
derselben Stelle im Bilde oder wenigstens in geringem Abstände von
einander erscheinen zu lassen , so hilft nur ein mehr oder weniger
enges Diaphragmiren, mit längerer Exposition und es ist hier sehr
wohl zu merken, dass eine Dunkelkammer mit grosser Brennweite
gegen ungleiche Entfernungen im quadratischen Verhältnisse dieser
Brennweite empfindlich sei, dass also das Objectiv mit 26 Zoll Brenn-
weite im Vergleiche mit einem 11 zölligen bei gleicher Lichtstärke
eine derartige fehlerhafte Aufstellung fünfmal so sehr übel nehme. Das
menschliche Auge ist auch eine Camera obscura, aber eine sehr kleine.
Die Grenzen seiner Wirksamkeit sind daher von der deutlichen Seh-
weite gleich 8 Zoll bis zu einer unendlichen Entfernung. Ein 1 1 zöl-
liger Apparat reicht in dieser Weise von etwa 20 Schritt bis ins
Unendliche. Der mit 26 Zoll Brennweile kann von 120 Schritt bis
Unendlich gebraucht werden und verschaffte man sich Apparate von
noch grösseren Dimensionen, etwa von 52 Zoll Brennweite, so würde
man mit ihnen ohne Diaphragmirung und an einer und derselben Stelle
des Bildes schicklicher Weise nur Gegenstände aufnehmen können,
deren Entfernung vom Apparate zwischen 500 Schritt und Unendlich
liegt. Dies sind die photographischen Leiden , welche mit grossen
Bildern unzertrennlich verknüpft sind.
Ich will hier noch eine Verwendungsweise des Apparates zur
Sprache bringen, auf welche bei der Berechnung des Objectives
Bericht über dioptrische Untersuchungen. 75
sowohl, wie auch bei dem Baue iler Dunkelkammer Rücksicht genom-
men wurde, nämlich zum Copiren von Karten, Kupferstichen, Urkun-
den u. s.w. und zwar sowohl im gleichen Massstabe, wie auch ins
Kleinere und ins Grössere. Um Ersteres möglich zu machen, vermag
die Camera bis auf die doppelte Brennweite des Objectives verlängert
zu werden. Um das Copiren ins Kleinere z. B. >/4 oder y5 des Mass-
stabes zu bewerkstelligen, jedoch so, dass an den Details nichts
verloren geht, und dass man immer das Bild einer fünfmaligen oder
stärkeren Vergrösserung durch eine Loupe unterwerfen kann, hat
man in der Rechnung einen hohen Grad von Schärfe verlangt, der bei
allen übrigen Verwendungen des Apparates überflüssig gewesen wäre.
Das Bild gut gelungener und mit besonderer Sorgfalt ausgeführter
Objective nämlich soll zehnmalige Vergrösserung vertragen, oder
präciser gesprochen, es soll sich ansehen lassen mit einem Oculare
von 1 Zoll Brennweite. Dieser hohe Grad von Schärfe in Verbindung
mit einem grossen Gesichtsfelde und sehr bedeutender Öffnung setzt
das optische Erzeugniss mit den edleren astronomischen Instrumenten
in gleiche Linie, erhöht zwar natürlicher Weise seinen Preis, macht
es aber geeignet, der reisenden, besonders fussreisenden Welt einen
Dienst zu erweisen, den ich hoch anzuschlagen geneigt bin. Jeder
Gebirgsreisende weiss nämlich sehr gut, wie angenehm für densel-
ben Specialkarten sind, die möglichst viel Detail enthalten, wenn nicht
das Mitführen von solchen wegen ihres bedeutendenUmfanges wieder
mit bedeutenden Unannehmlichkeiten verknüpft wäre. Hätte man
aber verkleinerte Karten im fünften Theile des Massstabes, die gleich-
wohl alles Detail enthielten, was in der grossen Karte erscheint, so
könnte man anstatt eines einzigen Blattes 25 verschiedene Blätter mit-
nehmen und so die Specialkarten von einem oder ein paar grossen
Ländern ohne sonderliche Beschwerde in einem massigen Taschen-
buche mit sich führen und vermittelst einer guten Loupe davon
Gebrauch machen. Allein dieses Copiren der grossen Karte ins
Kleine ist eine der delicatesten Aufgaben der Photographie und die
erforderliche gleiche Schärfe von der Mitte bis zum Rande vermag
nur durch eine sehr zweckmässige und sorgfältige Handhabung des
Apparates erzielt werden, während bei den meisten anderen
Zwecken oft eine übrig bleibende grosse Abweichung von y10 Linie
des Abweichungskreises noch gar nicht sehr störend auftritt, ver-
löscht hier eine viel kleinere von */50 Linie im Durchmesser bereits
76
P e t z v ii I.
die feinsten Striche der Schriften und Zeichnungen, und nöthigt so,
den abzubildenden Gegenstand möglichst günstig, d. h. gleichförmig
erleuchtet und in der normalen Lage aufzustellen, weil das aller-
geringste Abgehen davon das Bild seinem Zwecke ganz und gar zu
entfremden im Stande ist.
Das sonst sehr nützliche Diaphragmiren hilft in einem solchen
Falle gar nichts, weil es, energisch angewendet, eine neue Abwei-
chungssorte, die nämlich wegen der Beugung des Lichtes erzeugt,
gross genug, um hier die Wirkung zu vereiteln, wie ich schon oben
auseinandergesetzt habe.
Da nun aber das Bild des Objectives von einem ebenen Gegen-
stande eine leichte natürliche Krümmung von 80 Zoll Radius am
Scheitel besitzt, die sich gleich bleibt, das Bild mag gross oder klein
und nahe am Objective, oder weit entfernt davon sein, so wird das
Objectiv hinwiederum von einem so gekrümmten Gegenstande ein
vollkommen ebenes Bild auf der Platte liefern. Wenn man daher die
grösste mögliche Schärfe der Abbildung erzielen will, so muss man
die abzubildende Karte oder den Kupferstich in die innere Fläche
eines Rotationsparaboloides bringen, das diesen Krümmungshalb-
messer am Scheitel hat. Da aber solche Papiertlächen immer eben
sind, sich daher ohne Falten nicht legen lassen in eine andere, als
developable Fläche ; und da ein Rotationsparaboloid keine solche ist,
da es endlich hier auf die äusserste Genauigkeit nicht ankommt, so
6 / d
9
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K
c
Bericht über dioptrische Untersuchungen. 77
handelt es sich darum, eine developable Fläche zu finden, die sich
in all1 ihren Punkten möglichst wenig entfernt von jenem Stücke des
Rotationsparaboloides, welches den abzubildenden Gegenstand auf-
zunehmen hätte.
Man denke sich beispielsweise die Karte im Formate grosser
Messtischblätter in den Dimensionen von 24 und IG Zoll. Ein dünnes
und desshalb elastisches hölzernes Brett aus starken Fournieren so
zusammengeleimt, dass sich die Holzfasern derselben kreuzen, ver-
mag in der Richtung der längeren Abmessung von 24 Zoll die Krüm-
mung von 80 Zoll anzunehmen, die vorderhand eine cylindrische
sein soll, und es werden hiebei die kürzeren Seiten ab und cd
sich von einer Ebene, die das nunmehr cylindrische Brett in der
Mittellinie ef berührt, um eine Grösse <xy entfernen, welche nach der
Formel:
y2
berechnet werden muss, allwo der Pfeil <xy = x, ae = y = 12" und
r der Krümmungshalbmesser hier gleich 80 Zoll ist. Nach derselben
ergibt sich:
x = «y — 0-9 Zoll.
Diese cylindrische Fläche nun, in welche man nun ebenso gut, wie
auf eine Ebene, die abzubildende Karte spannen kann, kommt dem
Rotationsparaboloide viel näher, als eine Ebene, und es wird wieder
die vorliegende Formel dazu dienen, um den grössten Abstand der
einen und auch der anderen vomParaboloide zu rechnen. Die erstere,
die Ebene nämlich, welche die Rotationsfläche am Scheitel berührt,
also im Punkte o, steht in den vier Eckpunkten a, b, c, d von der-
selben am meisten ab, und man hat für den Abstand x des Punktes
a demnach y = oa = V il* -f 82 = 1/208 also : x = i-3 Zoll.
Jetzt wollen wir auch die cylindrische Fläche mit dem Paraboloide in
Berührung bringen. Diese wird erfolgen nicht mehr in einem einzigen
Punkte, sondern in einer Linie lom und es werden die beiden län-
geren Seiten ac und bd jetzt am allermeisten und in allen Punkten
gleichweit von der Rotationsfläche abstehen. Der gemeinsame Abstand
wird also der dem Punkte e angehörige sein, für welchen man hat:
y = 8", folglich x = 6V,60 = 0-4 Zoll, folglich zwischen drei- bis
viermal so klein, als der Altstand der berührenden Ebene. Man kann
78 P e t z v » 1.
hiezu noch bemerken, dass diese grösste Entfernung der cylindrischen
Fläche sowohl , wie jene der Ebene von dem Rotationsparaboloide
redncirt werden könne auf die Hälfte ihres Werthes dadurch, dass
man diese geometrischen Gebilde sich nicht berühren, sondern
schneiden lässt. Ebene und Paraboloid werden dann einen Kreis
gemeinschaftlich haben, in welchem der Abstand Null ist und der mit
einem Halbmesser gleich 5/7 oa aus dem Mittelpunkte o beschrieben
wird. Den Punkten a, b, c, d und o werden dann gleiche Abstände
angehören, die zugleich die grössten sind, alle im Werthe von 0"6
Zoll. Lässt man dagegen die cyündrische Fläche das Paraboloid
schneiden, so findet der Schnitt Statt im Bereicbe zweier parallelen
Linien g h und i k, deren Abstand vom Punkte o gleich5/7 oe ist. Am
meisten entfernen sich nun diese beiden Flächen von einander im
Bereiche der Linien ac, Im und bd, allwo der Abstand 02 = */5 Zoll
beträgt. Bei einer solchen Aufstellung würde man nur eine Abbil-
dung erzielen, die, wenn das Objectiv frei wäre von jeglicher Ab-
weichung, folgende Eigenschaften besässe: Eingetheilt in derselben
Weise, wie die abzubildende Zeichnung, würde in der Nähe der
Linien gh und ik absolute Schärfe stattfinden. Diese würde dann
gegen die Mitte sowohl, d. h. gegen die Linie Im, als auch gegen die
Ränder ac und bd stetig abnehmen. Da jedoch volle Abweichungs-
freiheit nicht erzielt werden kann und da selbst für den Punkt o in
der Mitte eine gewisse Grösse der Abweichung übrig bleibt, die auch
allen übrigen Punkten des Gesichtsfeldes bis an den Rand zukommt,
ja durch andere hinzutretende Abweicliungssorten noch vermehrt
wird, und zwar in desto reichlicherem Masse, je näher man an den
Rand und in die Ecken des Gesichtsfeldes rückt, so ergibt sich nach
all1 diesen Wirkungen eine ziemlich gleichförmige Vertheilung aller
Abweichungssorten, somit ein Bild von leidlich gleichmässiger Schärfe,
die äussersten Ecken a, b, c. d allein ausgenommen, in welchen sich
alle Abweichungen die der Mitte zukommenden, die dem Rande eigene
und zwar im Maximo des Werthes und die aus dem Abstände des
Cylinders vom Rotationsparaboloid abgeleitete über einander häufen,
alldort das Bild in merklicher Weise, verglichen mit der Mitte des
Gesichtsfeldes verschlechternd.
Diesem Übelstande lässt sich abhelfen und die gleichförmige
Schärfe wieder herstellen auf folgende WTeise : Man denke sich
zuvörderst die cylindrische Fläche mit 80 Zoll Radius dadurch her-
Bericht über dioptrische Untersuchungen. 79
gestellt, dass man das biegsame Brett auf eine andere stärkere und
ebene Platte in den Punkten e, o, /'festschraubt, so dass diese jetzt
in einer geraden Linie liegen. Dann schiebt man in den Punkt / und
in Klötzlein von 09 Zoll Höhe unter; so hat man einstweilen genau
genug die cylindrische Fläche. Nun lassen sich aber noch die vier
Ecken a, b, c, d gegen das Rotationsparaboloid heraufbiegen und
zwar um 0*2 Zoll, so dass ihr Abstand von demselben gleich Null
-' wird, wodurch eine der Abweichungssorten, nämlich eben die diesem
Abstände entsprechende verschwindet. Dies kann man sich abermals
durch untergeschobene Klötzlein von 1-1 Zoll Höhe bewerkstelligt
denken. Alan erzielt es aber zweckmässiger noch durch zwei in die
Platte längs den Linien ab und cd eingelassene Leisten, in welche
die Krümmung, die das biegsame Brett bei einer solchen Behand-
lung annimmt, eingeschnitten wird. Man erhält auf diese Weise
eine, wenn auch nicht in aller Strenge, doch mindestens nahe zu
developable Fläche, in die sich ein Papierbogen ohne einer Spur
von Falten legt.
Die Dicke des aus Fournieren zusammengeleimten biegsamen
Brettes kann gegen 3 Linien betragen , und schraubt man die
dickere Platte an eine Docke fest, die sich über einem ähnlichen
dreieckigen Prisma, wie das der Camera obscura schiebt, so hat man
eine zum Copiren von Karten bequeme Vorrichtung. Es ist eine solche
nothwendig, weil es seine Schwierigkeiten hat, die Ebene der
abzubildenden Zeichnungen möglichst genau senkrecht auf die
Axe des Apparates zu stellen. Das Detail einer solchen Einrichtung
passt Jedermann gerne seinem Locale und seiner Bequemlichkeit
an, es scheint daher nicht nothwendig, näher darauf einzu-
gehen. Zu bemerken kömmt noch, dass die auf solche Weise
erzeugte, von Rotationsparaboloide nur höchstens y5 Zoll abste-
hende Fläche in aller Strenge nicht developabel sei, dass sie sich
aber einer developablen Fläche desto mehr nähere , je weniger
Zwang dem dünnen Brette durch hin- und herbiegen angethan wird.
Mao kann daher annehmen, dass nur die Punkte a, b, c, d, l, m, e,
o, f unterstützt und mit Schrauben befestigt zu werden brauchen ;
in den übrigen bleibt die krumme Fläche am allerzweckmässigsten
frei.
Um über die Grösse der Abweichung Aufschluss zu gewinnen,
welche dem Abstände von >/5 Zoll der beiden in Rede stehenden
80 P e t z v a I.
Flächen angehört, nehmen wir an, es sei eine Karte auf y5 des
Massstahes zu verkleinern. Die Entfernung, in welcher dieselbe zu
diesem Zwecke vomObjective aufgestellt werden muss, heisse a, die
Entfernung des Bildes hingegen a, die Brennweite p, gerade, wie in
der Formel (5), so muss, um wirklich ein Bild in Fünftel der Grösse
zu erzielen: a = Sa sein. Man hat sohin aus der (5):
11 1 .,,. 6
— = — mithin : a = — p
a. p 5 a 5
also bei dem besprochenen neuen Objective von 26 Zoll Brennweite:
1
a = 31 -M- Zoll und a = 156 Zoll = 13 Fuss. Dies vorausgesetzt
lässt sich die kleine Änderung in der Vereinigungsweite a, welcher
einer Änderung von 1/5 Zoll im Abstände a angehört, auf folgende
Weise berechnen: Man differenzire die (ß) nach den Grössen a und
ol, so erhält man :
a2 .
da = — — - da
a a
a
oder da im gegenwärtigen Falle — =1 ist, da aber gleich 1/5 Zoll, so
1
wird da = -iom Zoll beiläufig gleich J/10 Linie Längenabweichung.
Ist zudem die wirksame Öffnung des Objectives 2 p, so entspricht
2p
derselben ein Abweichungskreis vonyöy — Durchmesser in Zollen,
oder-^ — in Linien. Wird gar kein Diaphragma gebraucht, sondern die
volle wirksame Öffnung des Objectives von 2i/s Zoll in Anwendung
gesetzt, so beträgt dieser Durchmesser y138Linien,was viel ist, wenn
man in Erwägung zieht, dass das Bild Smalige Vergrösserung aus-
halten soll, und wenn man zudem noch in Betracht zieht, dass zu
der in Rede stehenden Abweichung annoch die sphärische, die
chromatische des seeundären Spectrums und die aus der Beugung
des Lichtes entspringende hinzutreten. Es entsteht daher hier die
Frage, in wie ferne sich durch Diaphragmirung der Gesammtbetrag
dieser verschiedenen Abweichungen verringere und dadurch der beab-
sichtigte Zweck erreichen lasse.
Bericht über dioptrische Untersuchungen. $ 1
Da es sich hier offenbar darum handelt, dem Apparate die
höchste Leistung, deren er fähig ist, zu entringen, so wird es
nothwendig sein, die verschiedenen Sorten von Abweichungen ihrer
Natur und ihrem Einflüsse nach auf die Beschaffenheit des Bildes
etwas genauer kennen zu lernen und gründlich mit einander zu ver-
gleichen. Hiezu dienen die folgenden Daten:
Ein Objectiv, welches nur sphärische Abweichungen hat, oder
vielmehr welches man sich nur vorzugsweise mit einer solchen be-
haftet denkt, bildet, wenn es theoretisch richtig ausgeführt ist, einen
leuchtenden Punkt nicht ab, als untheilbaren Punkt, sondern als runden
Fleck von einem gewissen Durchmesser, der aber scharf begrenzt
ist und keineswegs gegen den Band zu eine Abnahme der Lichtstärke
zeigt, sondern vielmehr alldort ein Maximum bietet. Copirt man
mittelst eines solchen Objectives eine aus Linien bestehende Zeich-
nung, so werden diese Linien im Bilde um den Betrag des Durch-
messers des sphärischen Abweichungskreises schmäler gemacht,
erscheinen aber dennoch scharf, nur werden die Linien und Schriften
schlanker. Ist daher diese Abweichung nur in einem geringen Grade
vorhanden, wie bei dem gegenwärtigen Objective, so schadet sie so
eigentlich dem Bilde nicht, wenn sie nicht etwa die feinsten Linien
ganz verwischt. Sie hat zudem eine constante Grösse und vermag
auf dem Wege des Diaphragmirens nicht verringert zu werden,
wenigstens wenn dieses ein nur massiges ist.
Ähnliche Beschaffenheit hat auch diejenige Abweichungssorte,
die wir so eben auf J/138 Linien im Durchmesser des Abweichungs-
kreises festgestellt haben unter Voraussetzung der vollen Öffnung des
Objectives, compacte Beschaffenheit nämlich, bis auf den Rand.
Anders verhält es sich mit der Abweichung, die der Beugung
des Lichtes angehört. Ein Objectiv, welches nur an dieser leidet,
d. h. eines mit geringer Öffnung bildet einen leuchtenden Punkt zwar
auch ab als kreisrunden Fleck von gewisser Grösse, die Lichtstärke
nimmt aber von der Mitte gegen den Rand rasch genug ab und es
befindet sich in dem mittleren Kern vom halben Durchmesser viel
mehr Licht, als in dem ihm umgebenden Ringe. Wenn man daher
mittelst eines solchen Objectives eine aus dunklen Linien bestehende
Zeichnung copirt, so können im Bilde die Abweichungskreise der
angrenzenden lichten Punkte selbst theilweise über die schwarze
Linie hinüberreichen und sie doch nicht gänzlich verwischen, sondern
Sitzb. d. mathera.-naturw. Cl. XXVI. Bd. I. Hft. 6
82 P e t z v a 1.
sie benehmen ihnen nur die Schwärze und machen aus einer feinen
schwarzen eine feine graue Zeichnung. Diese Abweichungssorte
kann daher grösser sein, als die chromatische und doch minder
schädlich auftreten, in gewissen Fällen wenigstens, z.B. in der photo-
graphischen Praxis und man kann annehmen , dass der der Beugung
entsprechende Abweichungskreis erscheinen dürfte unter einem Ge-
sichtswinkel von 2 Minuten, wenn jener der sphärischen Abweichung
nur unter einem Gesichtswinkel von 1 Minute erscheinen darf, oder
mit anderen Worten , man kann annehmen, dass der erstere nur mit
seinem minderen Kerne, in dem eine vorwiegende Lichtmasse con-
centrirt ist, das Bild verschlechternd einwirkt.
Mit der chromatischen Abweichung des secundären Spectrums
hat es dieselbe Bewandtniss, nur in einem noch höheren Grade.
Hier nimmt man an, dass der Durchmesser des chromatischen Ab-
weichungskreises unter einem Winkel von 6 Minuten erscheinen
dürfe , ohne der Schärfe wesentlich Eintrag zu thun, oder was bei-
läufig dasselbe ist, man nimmt an, dass nur y6 des solaren Spectrums
mit seiner überwiegenden Lichtstärke wesentlich verschlechternd
auf das Bild einzuwirken vermöge, und dass der übrige breite Band
des Abweichungskreises nur durch ein unbedeutendes Graufärben
schwarzer Linien sich kund zu geben vermöge. Die Zahlen also, die
so zu sagen das Gewicht dieser drei Abweichungssorten ausdrücken,
sind: 1, x/z, %.
Der Ausdruck den die erste und compacteste dieser Abwei-
2p
chungen gibt, heisst wie oben: ,„ü-. Die von der Beugung herrüh-
rende hat vermöge der Formel (1) den absoluten Werth: — und
das Gewicht l/a, daher sie mit dem Betrage ~ — in Rechnung tritt.
c p
Die totale chromatische Längenabweichung des secundären Spec-
trums kann zu */10 Linien, gleich J/30 Zoll veranschlagt werden.
Hievon nimmt aber das intensivste Licht nur i/6, d. h. i/ls0 Zoll ein.
In der Mitte dieser Ausdehnung, d. h. in einer Entfernung von yse0 Zoll
von jedem Ende fällt die grösste chromatische Seitenabweichung
im Betrage ö^tj — . Alle so gewürdigten Sorten der Abweichung
geben den Totalbetrag von :
Bericht über dioptrische Untersuchungen. §3
2
D ==
2p
i aX ,
2p
97 p a ).
125 a
+ 27 +
2p
360 a
4500 a ' 2 p
Differenziren wir nun, um zu den Bedingungen des kleinsten D
zu gelangen, diesen Ausdruck nach p und setzen den Differential-
quotienten der Nulle gleich, so ergibt sich:
-■-v
4500 X
' 194
Also für rothes Licht, dem X= Vso-ooo angehört und für violetes,
wo man X = Vioo-ooo hat, beziehlich :
p = 0-65 Zoll, p = 0-46 Zoll.
d.h. das Diaphragmiren unter beiläufig \% und bis zu 1 Zoll wirk-
samer Öffnung kann nicht mehr viel frommen, und es dürfte als Regel
festzustellen sein, dass ein am passendsten an der zweiten Linse
postirtes Diaphragma zu dem angedeuteten Zwecke schicklicher
Weise 1 Zoll Öffnung oder etwas mehr erhalten dürfe. Hiebei ist
die übrig bleibende Gesammtabweichung beiläufig i/xwo Zoll gleich
J/100 Linien, nimmt also allen jenen Linien im Bilde, die weniger
als Vjoo Linie an Breite besitzen sollten, also allen denjenigen, die
im Originale unter */8ü Linie breit sind, den schwarzen Kern und
verwandelt sie in graue Schatten, daher man denn diese Leistung
als die höchste ansehen kann, die dem Objective überhaupt zuge-
muthet werden darf, und sieht, wie wesentlich es ist, die Karte min-
destens in die developable Fläche hineinzuspannen, weil selbst bei
dieser Massregel der vorgesetzte Zweck nur nothdiirftig erreicht
werden kann.
Mit dem Krümmen des Objectes ist aber noch eine andere Wir-
kung verknüpft, die hier hervorgehoben werden muss, nämlich gerade
Linien in demselben und namentlich die geradlinige Einfassung der
Karte werden, wenn auch nur sehr wenig, gekrümmt abgebildet. Das
Objectiv musste nämlich so berechnet werden, dass es von einem
unendlich weit entfernten Gegenstände, mithin auch von einem in eine
Ebene fallenden ein naturgetreues Bild gibt und es liegt zudem in seiner
Wesenheit, dass es nähere Gegenstände mehr als die entfernten ver-
grössert. Nun werden aber die Seiten ab und cd gegen die Mitte
tf/'dem Objective beiläufig um einen Zoll genähert, also um \/i56 der
Entfernung, die, wie oben bewiesen, 156 Zoll beträgt. Dies bewirkt
84 P e t z v a 1.
eine Verlängerung des Bildes der Linie ab gegen ef um y156 der
Länge der letzteren. Da nun aber diese im Bilde 8/5 Zoll lang
ist, so beträgt die in Rede stehende Differenz nahezu */97 Zoll oder
i/8 Linie, was nunmehr durch ein angelegtes Lineal wahrgenommen
werden kann.
Weit bequemer und weit netter arbeitet man, wenn man für
die abzubildenden Zeichnungen ein kleineres Format wählt, z. B. 12 und
16 Zoll Seite. Die dem Originale zu ertheilende Krümmung wird
dann nur halb so gross, die Entfernung der developablen Fläche von
dem Rotationsparaboloide beträgt ebenfalls nur die Hälfte von früher,
d. h. y10 Zoll , man kann arbeiten mit grösserer Öffnung und erzielt
doch ein bei weitem schärferes Bild, an welchem eine Krümmung
der geraden Linien des Objectes schon nicht mehr wahrgenommen
werden kann. Genau dasselbe aber gilt von dem im grösseren Mass-
stabe construirten Objective. Hätte man nämlich eines von den dop-
pelten Dimensionen, d. h. von 52 Zoll Brennweite und verwendete es
zumCopiren der obigen Zeichnung von 24 und 16 Zoll Seite, so ginge
die Krümmung des Bildes über in 160 Zoll. Die nach der angeführten
Vorschrift construirte developable Fläche würde sich nur i/i0 Zoll
von der Rotationsfläche und die Punkte a, b, c, d nur in der Entfer-
nung gleich */a Zoll von der Platte befinden. Der Abstand a hin-
gegen der Zeichnung vom Objective, die in y5 der Grösse abge-
bildet werden soll, wäre hier doppelt so gross, nämlich 312 Zoll
gleich 26 Fuss; mithin die Krümmung, der Linie bd gleich y33
Linien, was man selbst mit dem angelegten Lineale nicht mehr wahr-
nehmen kann. Wer somit mit dem Copiren von Karten ins Kleine viel
zu thun hat, der hat sich vorzugsweise eines grossen Apparates
zu bedienen, weil der kleinere im umgekehrten Verhältnisse seiner
Dimensionen ein schlechteres Bild und gar im umgekehrten quadra-
tischen Verhältnisse dieser seiner Dimensionen gekrümmte Linien
gibt, wenn er zur Abbildung eines und desselben Gegenstandes
verwendet wird.
Alles was bisher gesagt worden ist vom Copiren ins Kleinere gilt
auch vom Abbilden in einem grösseren , z. B. dem fünffachen Mass-
stabe. Auch dieses wird man mit Vortheil mit Hilfe des neuen Appa-
rates veranstalten können wegen seiner Schärfe, der Abwesenheit dop-
pelter Brennpunkte und der geringen Krümmung seines Bildes, nur
ist zu merken, dass das neueObjectiv vorzugsweise für Gegenstände in
Bericht über dioplrische Untersuchungen. $J)
sehr grosser Entfernung berechnet, für etwas näher liegende bereits
einen nicht unerheblichen Zuwachs von sphärischer Abweichung
erhalte und beim Copiren in gleichen Dimensionen im Grunde
gebraucht werde in einer seiner Bestimmung fremden Weise. Will
man weiter gehen und Abbildungen erzielen, die grösser sind als das
Object, dann haben naturgemäss Bild und Object ihre Stellung zu
verwechseln. Das Object tritt an die Stelle des Bildes, d. h. an die
Seite der kleineren Linse, das Bild kommt aber an der Seite der
grösseren Linse zu Stande und man kann z. B. Photographien, es
versteht sich von selbst nur in scharfer Zeichnung vollkommen gut
gelungene, auf diese Weise ins Grosse copiren, wenn man den Apparat
an einer Öffnung im Fenster eines verfinsterten Gemaches so aufstellt,
dass das zu copirende negative Glasbild nach aussen sieht, während
das Objectiv nach dem Inneren des finsteren Zimmers gerichtet ist.
Man könnte so allenfalls auch sehr schöne Porträte gewinnen in
Lebensgrösse, wenn man die Krümmung des Bildes nicht vernach-
lässigt und den Papierbogen der das grosse Bild aufnehmen soll in die
Fläche spannt, die früher beschrieben worden ist. Man muss aber
hiebei nicht vergessen, dass das grosse Bild in dem Masse geringere
Lichtstärke hat, als sein Flächeninhalt ein grösserer ist. Wenn man
daher eine Zeichnung im Fünftel der Grösse abbilden kann bei 30
Secunden Exposition, so lässt sich bei derselben Beleuchtung ein Bild
in fünfmal grösserem Massstabe und mit denselben Stoffen vielleicht
in 10 Minuten erst erzielen, weil man beiläuög fünf und zwanzig Mal
die geringere Lichtstärke hat. Genauere Daten über diese Manipu-
lation hat uns erst dieErfahrung zu bringen und es wäre wirklich von
nicht geringem wissenschaftlichen Interesse, die Maximen solcher
Abbildungen im Grossen zu erforschen. Ich muss mich damit be-
gnügen , den zu einer solchen Manipulation tauglichen Apparat
zu liefern , der zu diesem Zwecke viel bessere Dienste leisten
wird, als seine Vorgänger und überlasse das Übrige denjenigen,
die sich speciell mit Photographie beschäftigen, füge nur noch hinzu,
dass bei geringen Vergrösserungen und für den Lichteindruck
sehr empfindlichen Stoffen, z. B. dem Talbofschen Kalotyp -Papier
es vollkommen genügen dürfte, wenn man zur Beleuchtung eine
vis ä vis sich befindende weisse Wand oder den blauen Himmel hat.
Bei minder empfindlichen Stoffen hingegen braucht man bereits
einen regelrechten mit einem Heliostaten verknüpften Beleuchtungs-
86 P e t z v a 1.
apparat, bei dem Chlorpapiere z. B. auf dem man die Glasbilder
abzuklatschen pflegt.
Diese Auseinandersetzung der Eigenschaften des neuen Objec-
tives wird denjenigen, die davon Gebrauch zu machen wünschen, hoffent-
lich manche Mühe ersparen und das unerlässliche Studium des neuen
Werkzeuges wesentlich erleichtern. Ich beabsichtige aber mit dieser
Abhandlung noch etwas mehr, nämlich die photographischen Vor-
urtheile, welche sich eingeschlichen haben, durch die Thatsache der
neuen Camera obscura auszurotten und denjenigen, die von dieser
tiefsinnigen Vorrichtung Gebrauch machen, eine neue erspriesslichere
Kennerschaft anzubilden, als die bisher allgemein bestandene, eine
Kennerschaft, die erstens in dem Gegenstande nicht sucht, was darin
nicht vorhanden sein kann, und zweitens die guten Eigenschaften, die
er besitzen soll , in ihrer präeisen Grösse sucht an der gehörigen
Stelle und mit den gehörigen Mitteln. Dies fand bisher in der Regel
nicht Statt und es ging in der grossen Mehrzahl der Fälle derjenige,
der sich mit Photographiren zu beschäftigen beabsichtigte, auf die
folgende Weise vor. Er suchte sich vor allem anderen einen Apparat
und verlangte als Beweis von der Güte desselben, dass damit ein Bild
gemacht werde. Da man aber mit einem ziemlich schlechten Objec-
tive unter günstigen Verhältnissen und bei gehöriger Geschicklichkeit
auch ein gutes Bild zu Wege bringen kann , so verlangte und erhielt
er im Grunde etwas ganz anderes, als das Erheischte, nämlich einen
Beweis der Geschicklichkeit des Photographen. Hierauf fing er selbst
an, sich mit dem Gebrauche des erworbenen Werkzeuges zu befreun-
den, beging Missgriffe in grosser Zahl und Mannigfaltigkeit, schob
alles Misslingen auf den Apparat und dies zwar oft ungeachtet der
augenscheinlich tadellosen Beschaffenheit des Bildes auf dem matten
Glase, bekam endlich nach vielen misslungenen Versuchen gute Proben
und kehrte sein Urtheil um, Eigenschaften seinem Apparate zuschrei-
bend, die er 'gar nicht besitzen kann, oft so wiedersinnige dass sie
einer boshaften Ironie, die heillose Neckereien zu treiben beabsichtigt,
entsprossen scheinen. Das Hervorheben einiger dieser optischen
Irrthümer kann von Nutzen sein. Es lebt noch in unserer Erinne-
rung eine Brochure von einem anonymen Verfasser, die von den wun-
derbaren Entdeckungen HerscheTs im Monde, gemacht am Cap der
guten Hoffnung, spricht. Sie konnten nicht gemacht werden ohne
starker Vergrösserungen, dies sieht jedes Kind ein, aber mit starken
Bericht über dioptrische Untersuchungen. $7
Vergrösserungen vermindert sich die Lichtstärke. Dies ist schon etwas
minder leicht einzusehen, aber ein einfaches Mittel ist bald gefunden.
Man beleuchtet das Bild des Objectives mit einem Strom künstlichen
Lichtes und alle optischen Schwierigkeiten sind überwunden und man
sieht schon mit kleinen Fernröhren geflügelte Menschen, blühende
Bäume u. s. w. Ob es wohl schon einem Photographen eingefallen
ist, die Lichtstärke seines Bildes durch eine in den Kasten gestellte
Kerzenflamme zu erhöhen, wie man dies bereits factisch durch innere
weisse und blaue Wände versucht hat. Das Experiment ist jedem
anzuempfehlen, weil ihn der Erfolg veranlassen wird, den Kopf von
Zeit zu Zeit in den Apparat hineinzustecken, um nachzusehen, ob
nicht irgendwo durch eine feine Spalte unbefugtes Licht eindringe.
Dieses nicht vom Objective kommende sogenannte falsche Licht ist
des Bildes bitterster Feind, und verdirbt mehr als alle hier sorglich
vermiedenen Abweichungen, deren Gesammtwirkung es besitzt. Wie
dies geschieht, kann viel leichter durch das oben empfohlene
Experiment erprobt, als theoretisch nachgewiesen werden, daher es
denn auch kam , dass durch ein optisches Paradoxon ein ganz unge-
lehrtes und der überwiegend zahlreichere Theil des gelehrten Publi-
cums mystificirt werden konnte , darum sei hier zur Warnung selbst
wissenschaftlich hochgebildeter Photographen (denn auch solche den-
ken nicht immer an Alles) als Begel festgestellt: Wer in seiner
Camera eine klaffende Spalte, oder im Innern des Kas-
tens einen ungeschwärzten oder glänzenden Fleck vor
oder hinter dem Bilde duldet, der leistet factisch auf
die guten Eigenschaften desObjectives Verzicht.
Es ist allerdings eine etwas unbequeme Thatsache, dass nahe
und ferne Gegenstände auch an verschiedenen Orten abgebildet
werden. Ein scharfsinniger Photograph untersucht, ob sich diesem
Übelstande nicht abhelfen Hesse durch Zusammensetzung des Objec-
tives aus zwei oder vier verschiedenen Stücken, von welchen man
einem nur die entfernten, dem andern nur die nahe liegenden Gegen-
stände abzubilden den gemessenen Auftrag ertheilt. Ein anderer hat
schon ein Objectiv, welches ohne alle Zusammensetzung durch die
blosse Macht der Phantasie nahe und entfernte Gegenstände gleich
scharf abbildet und sucht auch diese schätzbare Eigenschaft in allen
optischen Erzeugnissen. Für ihn hat dann natürlich das Diaphrag-
miren keinen Sinn, die Neigung der Bildfläche gegen die Axe des
88 Petzval.
Objectives keinen Grund und er ist so lange unfähig, den hier beschrie-
benen Apparat zu verstehen, als er sich nicht mit der eisernen Not-
wendigkeit befreundet hat, die in der Formel (5) liegt.
Wieder ein anderer hebt dieselbe Eigenschaft des Objectives,
die der Vorige zu vermeiden wünscht, lobend hervor und behauptet,
sein Apparat arbeite plastisch. Dies ist nun wohl insofern richtig,
als verschieden entfernte Gegenstände auch in verschiedenen Ent-
fernungen abgebildet werden, und käme das Bild in der Luft zu
Stande, so wäre es von rückwärts betrachtet ein Hautrelief zu nennen;
aber auf einer Ebene vermag kein plastisches Bild zu Stande zu
kommen. Es kann auch auf dem matten Glase nicht plastisch gesehen
werden, weil das plastische Sehen, wie bei Stereoskopen, auf ganz
anderen Gründen beruht. Diesen und ähnlichen Phantomen soll man
nicht nachjagen, weil man bei einer solchen Jagd gewöhnlich die
reellen Eigenschaften des optischen Werkzeuges aus den Augen ver-
liert. Diese aber sind:
Erstens: Lichtstärke. Um sie zu erproben braucht mau aber
kein Bild zu machen, sondern man erkunde die wirksame Öffnung des
Objectives und die Brennweite. Die Lichtstärken verhalten sich dann
direct, wie die Quadrate der Öffnungen und umgekehrt, wie die Qua-
drate der Brennweite. Dieser Satz setzt Jeden in den Stand, ein neues
Objectiv mit einem alten bereits bekannten der Lichtstärke nach
zu vergleichen.
Zweitens: Schärfe des Bildes. Diese misst man mit einem guten
Oculare ohne alles Photographiren, und es ist hieboi das beste Object
eine feine Schrift, oder Zeichnung auf einer ebenen Fläche. Eine
aufmerksame Prüfung mit vollem Objective zeigt dann noch, ob die
Schärfe eine gleichförmige sei , welches Gesichtsfeld und welche
Krümmung das Bild besitze.
Drittens: Selbst die Untersuchung, ob getrennte Brennpunkte
vorhanden seien, erfordert noch wesentlich kein Photographiren, denn
eine namhafte Trennung, die störend auf die Manipulation einwirken
kann, findet nur dann Statt, wenn das Objectiv schlecht achromatisch
ist, und dies sucht man an den feinen Farbensäumen hell beleuchteter
Objecte, besonders am Rande des Gesichtsfeldes. Sind also solche
vorhanden, so ist das Objectiv eo ipso eines doppelten Focus ver-
dächtig und man kann die nähere Untersuchung durch Abbilden einer
gegen die Axe des Apparates schief gestellten Zeichnung, die man ins
Bericht über dioptrische Untersuchungen. 89
Grosse, oder in gleiche Dimensionen copirt mit der gehörigen Vor-
sicht einleiten, hat sich aber sehr zu hüten, einen geschwundenen
Rahmen, oder sein eigenes abnormes Auge für einen chemischen
Focus zu nehmen.
Ein Hauptaugenmerk ist aber jedenfalls auf diesen Punkt zu rich-
ten, denn namhaft getrennte Brennpunkte, in einer Entfernung von
i/a Linie und darüber gehört zu den schrecklichsten der photographi-
schen Schrecken und ich kenne nichts Miserableres, als wenn der
photographische Künstler genöthigt ist, ein Zeitungsblatt 1 % Zoll
vor der Nase halten zu lassen, um darauf einzustellen, des Umstandes
zu geschweigen, dass solche Objective als entschieden unachromatisch
auch nie die Schärfe besitzen können, die sie zu feineren photographi-
schen Zwecken befähigt.
Ich habe daher eine besondere Sorgfalt darauf verwendet, sowohl
das zum Porträtiren bestimmte ältere, wie auch das neue Land-
schaftsobjectiv von dieser störendsten aller Unvollkommenheiten
frei zu halten und erkläre hiermit auf das Entschiedenste, dass kein
mit einem sogenannten chemischen Focus versehene Ohjectiv wirk-
lich nach meiner Berechnung ausgeführt sei.
Dies sind die Bemerkungen, welche demjenigen zu gute kom-
men können, der ein Cameraobscura-Objectiv überhaupt und auch
insbesondere eines derjenigen zu erwerben wünscht, deren Einrich-
tung an diesem Orte angegeben wird.
Ich habe die drei ersten Exemplare nach den Ergebnissen der
Theorie mit der entsprechenden Sorgfalt selbst ausgeführt in meiner
kleinen Werkstätte; da ich aber hier zwar Proben erzeugen kann,
mit derjenigen Vorsicht und Genauigkeit, die die Theorie anspricht,
eine Fabrication hingegen im grösseren Massstabe einzuleiten, die
hinreichenden Mittel nicht besitze, so habe ich Herrn C. Dietzler,
Optiker und Mechaniker, mit der Ausführung unter meiner Oberauf-
sicht betraut und das Erzeugniss ist sowohl in optischer, wie auch in
mechanischer Beziehung zu meiner vollen Befriedigung ausgefallen.
Es ist nämlich dasjenige, welches ich gegenwärtig vorlege und auch
die Abbildungen, welche ich als Proben anfüge, sind mit solchen
Objectiven aus der Di etzl einsehen Werkstätte erzielt.
Die zwei Originalobjective von meiner Hand , denn das dritte
Exemplar ist mir verunglückt, bewahre ich in meinem Cabinete
als Muster.
90
Petzval. Bericht über dioptrische Untersuchungen.
Um die Liebhaber der Photographie an entfernten Orten in den
Stand zu setzen, eine ähnliche Camera obscura, wie die vorgezeigte,
sich verfertigen zu lassen, folgt hier noch eine Abbildung dieses Instru-
mentes, ausgeführt nach einer Photographie.
Lorenz. Vergleichende orographiseh - hydrogr. Untersuchung etc. 91
SITZUNG VOM 15. OCTOBER 1857.
Eingesendete Abhandlung.
Vergleichende orographiseh - hydrographische Untersuchung
der Versumpfungen in den oberen Flussthälern der Sahach,
der Enns und der Mur, oder im Pinzgau, Pongau und Lungau.
Von Prof. Dr. Jos. R. Lorenz.
(Mit 3 Karten.)
(Vorgelegt in der Sitzung vom 26. März 1857.)
Motto: Tales sunt aquae, qualis terra per quam (luunt.
Plinitis, histor. nat. libr. XXI, cap. 29.
Die Hauptthäler der drei bekannten Gebirgsgaue des Salzburger
Landes (Pinzgau, Pongau und Lungau) sind, wie gewöhnlich die
Oberlauf-Rinnen der alpigenen Flüsse, theils plötzlichen Überschwem-
mungen, theils chronischen Versumpfungen ausgesetzt, welche Land
und Leute mit mannigfachen Gefahren umgeben. Diese sind jedoch
nicht überall von gleicher Ausdehnung und von gleich drängender Nähe;
und so waren auch die von Seiten der Anwohner und der Regierung den
Wasserfluthen entgegengesetzten Arbeiten von ungleicher Rührigkeit
und Bedeutung. Während in dem von hereinstürzenden Schlammfluthen
wiederholt heimgesuchten und grösstentheils in Sumpf verwandelten
Oberpinzgauer Thale seit einigen Decennien, zumeist auf Kosten des
Staatsschatzes, Fluss-Correctionen, Aufsandungen der Ufer, Entwäs-
serungs-Gräben, Regulirung von Seitenbächen u. s. w. eingeleitet
wurden, sind im Pongauer uud Lungauer Hauptthale nur wenige Ar-
beiten von untergeordneter Bedeutung ausgeführt und den drohenden
Versumpfungen ist keine wesentliche Abwehr entgegengestellt.
92 Lorenz. Vergleichende orographisch-hydrographische Untersuchung
Bei wiederholten Durchwanderungen dieser Gebiete schien es
mir immer einleuchtender, dass im Pinzgaue vermöge seiner orogra-
phisch-hydrographischen Verhältnisse nicht nur die gründliche und
dauernde Entsumpfnng, sondern auch die Sicherung der gegenwär-
tigen Palliativbauten zu den Unmöglichkeiten gehöre; ja dass vielmehr
die Steigerung der Versumpfung und die Zerstörung der dortigen Was-
serbauten nur von dem Eintreten solcher Elementar-Ereignisse abhänge,
welche nach der Natur jenes Gebietes früher oder später unvermeid-
lich eintreten müssen; dass hingegen in denHauptthälern desPongaues
undLungauesmit weit geringerem Aufwandean Kräften und Zeit nicht
blos eine palliative, sondern gründliche Hebung der Versumpfungen
bewirkt, und die dadurch hergestellten Bau-Objecte und gewonnenen
Cultursgründe zugleich für alle Zukunft geschützt werden könnten.
Um über diese ebenso in naturwissenschaftlicher als in national-
ökonomischer Hinsicht interessanten Verhältnisse ein sicheres Urtheil
zu gewinnen, unternahm ich im Herbste 1853 und 1854Excursionen
ins Oberpinzgau, im Frühjahre 1854 und im Herbste 1855 ins Pon-
gau und im selben Spätherbste noch ins Lungau. Überdies gewann
ich zur Erlangung sicherer Angaben über einige Local- Verhältnisse
und historische Daten die Mitwirkung schätzenswerther und verläss-
licher Hilfskräfte *)• Diese und die hier einschlägigen Werke : Von
Kürsinger (Oberpinzgau, Salzburg 1841), ferner von den Herren
Lipoid, Peters und Stur (Jahrbücher der k. k. geolog. Reichs-
anstalt, V. Jahrg., Nr. 3 und 4), endlich die von der k. k. geologischen
Reichsanstalt ausgegebene geologisch-colorirte Karte von Salzburg
müssen als wesentliche Unterstützung meiner eigenen Untersuchungen
dankbar erwähnt werden.
*) Für Pongau Herr A. Lungenschmid, Pharmaceut in Radstadt, welcher von
mir sowohl durch mündliche Instructionen, als durch Tabellen mit vorgezeichneten
Rubriken, deren Ausfüllung ihm nach gepflogenen Erhebungen oblag, in den Stand
gesetzt war, dienöthigen speciellen Auskünfte zu geben, welche noch überdies durch
den rühmlich bekannten k. k. Eisenwerks - Verwalter von Flachau im Pongau, Herrn
M osaner, controlirt und vervollständigt wurden.
Für Lungau unterstützte die Arbeit mit grösster Zuvorkommenheit Herr
Bezirks-Vorstand Strna d t, indem er meine bestimmten, in der Form auszufüllender
Tabellen gestellten Fragen an die ortskundigen Herren Forstbeamten seines Bezirkes
schickte, mit der Aufforderung zur genauen und gewissenhaften Eintragung ihrer
einschlägigen Erfahrungen. Die daraus hervorgegangenen Berichte der Herren
Forstbeamlen tragen sämmtlich den Stempel des Diensteifers und der Intelligenz.
der Versumpfungen in den oberen Flusstliälern der Salzach etc. J)3
Imschreibang des zu betrachtenden Terrains.
Der Centralzugder nordöstlichen Alpen hat innerhalb der Grenze
des Salzburg'schen Gebietes, oder zwischen den Quellen der Salzach,
der Enns und der Mur, folgende Gestaltung:
i. Von der Wasserscheide zwischen dem Tirol'schen Zillerflusse
und der Salzach am Krimmler Tauern an, streicht die Centralkette als
Massen-System des Gross-Venedigers und dann des Gross-Glockners
zuerst gerade in östlicher, dann, — vom östlichen Ende der Glockner
Masse an, — als Rauriser Tauern in ost- südöstlicher Richtung und
entsendet nach Norden zahlreiche parallele Gebirgs-Äste von bei-
nahe gleicher Länge, welchen von der anderen (nördlichen) Seite
her die kürzeren Vorlagen eines mit der Centralkette parallelen Zuges
von weit geringeren Massen -Dimensionen entgegentreten. Zwischen
diesen beiderseitigen Gehänge-Systemen bleibt das oberste Salzach-
Thal, welches sammt jenen Gehängen bis zur Thalenge bei Brück
als Ober-Pin zgau bekannt ist. (Karte 1 z. Th.)
2. Vom östlichen Ende des Rauriser Tauern an ist die Richtung
des Centralzuges wieder nahezu östlich. In diesem Gebirgsabschnitte
und zwar in der Gegend zwischen dem Zwölfer-Kogel und dem Haf-
ner-Eck ändert sich der Typus der von den Centralmassen abge-
henden Fortsätze dahin, dass ein mächtiger Ast, statt parallel mit
seinen westlichen Pinzgau'schen Nachbarn nach Norden zu verlaufen,
sich in einem weiten Bogen über Nord nach Osten krümmt und so
einen Haken bildet, welcher — nur im kleineren Massstabe — wieder
nach dem Typus der Haupt-Centralkette, sowohl von der convexen als
von der coneaven Seite lange Äste aussendet, sich mithin als relati-
ver Centralzug verhält. Dieser Haken ist der Radstädter Tauern.
Seine nach Norden abgehenden Äste endigen wie jene des
Pinzgaues in beinahe gleichen Abständen von ihrer relativen Cen-
tralkette und begegnen den kleineren Vorlagen eines minder mächti-
gen Parallelzuges, welcher die letzten südlichen Abstufungen des
Dachsteingebirges bildet. Das zwischen diesen beiden Gehänge-
Systemen liegende Thal ist das Hauptthal desPongaues und enthält
den Oberlauf des Enns-Flusses. (Karte II.)
3. Die an der südlichen (coneaven) Seite des Radstädter Taueru
beginnenden Gebirgs-Äste convergiren, ungleich den nördlich gerich-
teten Tauern-Ästen des Pinzgaues und Pongaues, gegen einen etwas
94r Lorenz. Vergleichende orographisch- hydrographische Untersuchung
östlich vom Centrum des Bogens gelegenen Punkt (Tamsweg); ihre
Endigungen liegen daher in verhältnissmässig kurzen Abständen
nach einander und bilden die nördlichen Gehänge eines kurzen, wei-
ten Thaies, dessen entgegengesetzte Wände von den hier nur sehr kur-
zen Vorlagen der dahinter aufsteigenden Centralkette gebildet werden.
Das hiemit charakterisirte Thal sammt seinen Gehängen bis zu den
Wasserscheiden hinaufist das Lungau, dessen Thalsohle vom M ur-
Flusse durchzogen wird. (Karte III.)
Da es sich hier um eine genetische Vergleichung der Versum-
pfungen der drei Hauptthäler handelt, sind die Thalwege und Inunda-
tions-Gebiete der drei Flüsse Salzach, Enns und Mur die Hauptob-
jecte; hieran schliessen sich, vermöge ihres Einflusses auf das Schick-
sal der Hauptthäler, die Rinnsale ihrer zahlreichen Zuflüsse, also die
Nebenthäler der verschiedenen Ordnungen bis zu den Quellen der
einzelnen Wasseradern hinauf. Die Gebirgsmassen (das plastisch
erhobene, tcc avoi) kommen demnach hier nicht als solche oder
von anogr aphischem Standpunkte, sondern als Umgebung der
Thäler (roc xarw), mithin als Thalwände, als Sammelgebiete der
atmosphärischen Niederschläge, als Quellpunkte der Bäche u. s. w.
oder kurz: vom catogr aphischen Standpunkte aus, zur Betrach-
tung. In diesem Sinne müssen nun die fraglichen Thalsysteme noch
näher charakterisirt werden.
Der Typus der Thäler, welche innerhalb der im vorhergehen-
den skizzirten Gebirgszüge und Aste gelegen sind, ergibt sich aus
der Natur der zusammentretenden und einschliessenden Gebirgs-
massen; er ist übereinstimmend in allen drei Gauen folgender:
Das Hauptthal erhält beiderseits zahlreiche Zuflüsse aus den
einmündenden Nebenthälern, welche sich auf der einen Seite vom
(orographischen) Centralzuge — Tauern — herabsenken und
selbst nach allen Dimensionen bedeutend entwickelt, auch mächtige
Gebirgsbäche führen; auf der entgegengesetzten Seite aber nur
Querspalten geringerer, mit den Tauern parallel laufender Höhen-
züge und von minder bedeutenden Bächen durchzogen sind. Da
auf diese Unterscheidung der Nebenthäler öfter zurückzukommen ist,
mögen der Kürze wegen die ersteren als Tauern thäler, die letz-
teren als P arallelzugs-Q uerthäler bezeichnet werden.
Jedes der drei Hauptthäler beginnt am Centralkörper aus zwei
oder mehreren hochgelegenen und sich steil herabsenkenden, halb-
der Versumpfungen in den oberen Flussthälern der Salzach etc. 95
trichterförmig oder amphitheatralisch gebildeten Thalwurzeln, in
deren Rinnen sich die ersten Wasseradern des Flusses sammeln, wel-
cher das Hauptthal durchzieht. Denselben Typus haben die Neben-
thäler der verschiedenen Ordnungen — auf der Tauern -Seite in
grösserem, auf der Parallelzugs-Seite in kleinerem Massstabe, und
bei letzteren mit geringerer Beständigkeit der Halbtrichter-Form des
Anfanges, welche hier oft durch eine steile Spalte ersetzt ist.
Das Hauptthal des Pinzgaues hat als Thalwurzeln erster Ord-
nung : vom Süden her das Achen-Thal , vom Norden das Salzach-
Thal, aus welchem die grössere Krimmler Ache und die kleinere
Salzache (Nadernach) einander entgegen kommen und am Boden des
Hauptthaies sich zu dem Flusse vereinigen, der fortan den Namen des
kleineren Baches führt und dessen Oberlauf dem Ober-Pinzgau ange-
hört. Die mächtigen Tauernthäler münden hier am rechten Ufer des
Flusses ins Hauptthal heraus, die kleineren Parallelzugs- Querthäler
am linken. Die Tauernbäche beginnen als Gletscherwässer an den
vorgeschobenen Eismassen des Gross-Venedigers und Gross-Glock-
ners ; die Parallelzugs-Bäche sammeln sich aus kleinen Quellen und
den atmosphärischen Niederschlägen im Hintergrunde der meist dach-
förmigen oder sachte abgestuften Höhen, welche von den Anwohnern
wegen ihrer südlichen Abdachung als „Sonnberge" bezeichnet werden.
Das ebenfalls von Westen nach Osten gerichtete Hauptthal des
Pongaues hat als südliche Wurzel erster Ordnung das oberste
Enns-Thal, welches selbst wieder aus convergirenden Wurzeln ent-
fernterer Ordnungen (zunächst dem Enns- Ursprungs- und dem.Rohr-
bach-Thale) entspringt und an dessen rechtwinkeliger Biegung bei
Altenmarkt das eigentliche breitere Hauptthal des Pongaues beginnt.
Die andere Wurzel dieses Thaies ist ein kurzes , wenig geneigtes
Gesenke, welches nördlich von Altenmarkt mit einer kleinen Hoch-
ebene („auf der Eb'n" genannt) beginnt und sich südöstlich zum
Hauptthale hereinzieht.
Die Tauernthäler liegen auch hier an der Südseite oder am
rechten Ufer des Flusses und gehen parallel mit der südlichen
Thalwurzel des Hauptthaies selbst, eingeschlossen von den nordwärts
gerichteten Ästen des Radstädter Tauern. Die entgegengesetzten
Thalgehänge werden in vorderster Linie von einem langen dachför-
migen Rücken — dem Schwemmberge — gebildet, dessen Kamm-
gegend der Rossbrand heisst, und welcher nur unbedeutendere,
96 Lorenz. Vergleichende orographiseh-hydrographische Untersuchung
wenngleich sehr zahlreiche Furchen als nördliche Seitenthäler des
Ennsthales enthält. Erst am östlichen Ende des Schwemmberges,
beim Pass Man düng, also schon an der Grenze unseres Gebietes,
reicht ein grösseres Nebenthal von den Vorlagen des dahinter anstei-
genden Dachsteingebirges bis ins Ennsthal herein und bringt den
Mandling-Bach als grössten Zufluss von dieser Seite.
Das Thalsystem des Lungaues kann man, vermöge der oben
angedeuteten Gestaltung der südlichen Äste des Radstädter Tauern,
ebensowohl einen Thal st er n (wo dann die Tauernthäler als Strahlen-
thäler gelten), als auch ein Hauptthal mit convergirenden Neben-
thälern nennen (wobei dann das Mur-Thal, von seinen ersten Wur-
zeln am Mur-Eck und Wacht-Eck an, als Hauptthal, die anderen
Tauernthäler als die linkseitigen Nebenthäler erscheinen). Der Ver-
gleichung mit den beiden vorigen Hauptthälern wegen möge hier die
letztere Auffassung gelten. Demnach finden wir auch hier wieder ein
Hauptthal von bedeutenden Dimensionen, in welches einerseits grosse
Tauernthäler, andererseits grosse Parallelzugs-Thäler münden.
Ungeachtet dieser beim ersten Überblicke sich herausstellenden
Übereinstimmung der allgemeinsten orographischen Verhältnisse sind
jedoch die Versumpfungen der dreiHauptthäler sehr verschieden an Art
und Grad, und müssen es auch für immer bleiben, da ihre speciel-
len Ursachen in verschiedenen persi stiren den Modificatio-
ne n der allgemeinen V e r s u m p f u n g s - U r s a c h e n bestehen.
Ursachen der Hanptthals-Versuinpfongen im Allgemeinen.
Was man unter Versumpfung eines Thaies versteht, ist ein
Product von zwei — oft nur vereinzelt auftretenden , meistens aber
combinirten und sich gegenseitig steigernden — Factoren. Der eine
ist die Über Wässerung der Ufer, der andere die Bedeckung der-
selben mit dem vorn Wasser getragenen Detritus , oder, um einen
kurzen, allgemeinen Ausdruck zu gebrauchen, die Ver schuttu ng.
Die erstere Form tritt bisweilen ohne der zweiten auf, so z. B.
imGosau-Thale, imMattig-Thale (Oberösterreich) u. s. w.,
wo einfache Überrieselung und Durchtränkung der Thal-Ebene statt-
findet. Der zweite Fall kann ursprünglich ohne den ersten nicht
eintreten, da Wasserfluthen als Vehikel des Detritus vorausgesetzt
Averden; es kann aber geschehen, dass nach der Verschuttung die
Überwässerung nicht allein für einmal aufhört, sondern in Zukunft
der Versumpfungen in den oberen Flussthälern der Salzach etc. 97
für immer eine ganz andere Richtung nimmt , so dass nur noch die
Verschuttung allein als das Product einer Wirkung übrig bleibt,
deren Ursache fortan nicht mehr aufscheint.
Sind beide Factoren, wie gewöhnlich, combinirt, so wird einer-
seits die Menge des herbeigeführten Detritus von der bewegenden
Kraft und Ausbreitung des Wassers, mithin von den Modalitäten der
Überwässerung abhängen, andererseits wird wieder die Überwässe-
rung durch die Verschuttung gesteigert und ausgebreitet, indem die
Detritusmassen den FIuss anstauen und ihn zu Umwegen und Gabe-
lungen zwingen, wodurch innerhalb des Überschwemmungsgebietes
der dem Wasser zufallende Antheil des Bodens vergrössert wird.
Um die Verwüstungen, welche ein Fluss im Hauptfhale ver-
ursacht, genetisch zu beurtheilen, wird es also nöthig sein, die
Verwässerung einerseits und die Verschuttung andererseits
getrennt zu betrachten.
I. Die Verwässerung eines Hauptthaies wird zunächst durch
folgende imHauptthale selbst gelegene Ursachen befördert:
1. durch die Grösse der abzuführenden Wassermasse;
2. durch die Erhöhung des Flussgrundes;
3. durch die Breite des Inundationsgebietes, innerhalb dessen dem
Flusse zu Einrissen, Unterwaschungen, Umgehungen und Überwässe-
rungen Raum geboten ist;
4. durch das geringe Gefälle des Thalweges,-
5. durch die Resistenz des Flussgrundes, welche dem tieferen
Einschneiden des Wassers grosse Hindernisse entgegensetzt und
daher die Gewässer zur horizontalen Ausbreitung nöthigt.
II. Die Verschuttung, in soweit auch ihre Ursachen zu-
nächst innerhalb des Hauptthaies selbst liegen, wird befördert:
1. durch die Menge des abzuführenden Detritus;
2. durch die Schwerbeweglichkeit1) desselben;
3. durch alle soeben unter I angeführten Bedingungen, indem,
unter übrigens gleichen Umständen, stets die Verschuttung
!) Dies gilt natürlich nur von jenem Detritus, welcher sich factisch schon im Hauntthnl
befindet, indem er aus demselben desto schwerer weggeführt wird, je schwerer
beweglich er ist. Gerade umgekehrt verhält es sich, wenn man um die Bedingungen
der Verschuttung des Hauptthaies von den Nebenthälern aus fragt; hier wird näm-
lich die leichte Beweglichkeit des Detritus eine wesentliche Vermehrung der zum
Hatiptthal gelangenden Menge desselben bewirken.
Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. XXVI. Bd. I. Hft. 7
9$ Lorenz. Vergleichende orographisch-hydrographische Untersuchung
desto bedeutender sein wird, je mehr einer der obigen Factoren
im Sinne der Verwässerung, d. h. im Sinne eines umfangreichen
aber zugleich trägen Vehikels wirkt.
Da jedoch sowohl die Wasser menge als der Detritus des
Hauptthaies — die wichtigsten der oben aufgezählten Factoren —
von der Natur der Nebenthäler aller Ordnungen bis zu den obersten
Sammelpunkten der Wasseradern abhängt, müssen wir selbstverständ-
lich zur Erklärung der Erscheinungen des Hauptthaies in die Neben-
thäler, und, da diese selbst wieder zum Theile von der Natur der
einschliessenden Gehänge abhängen, zu diesen selbst hinaufsteigen
und vorerst die Frage vornehmen: Welche Verhältnisse der Neben-
thäler stehen im geraden ursächlichen Verhältnisse I. zur Menge
und Abfuhr der in ihnen laufenden Gewässer, II. zur Menge
und Abfuhr des in ihnen vorkommenden Detritus?
Um nicht weiter auszugreifen, als es unser Hauptzweck — die
vergleichende Betrachtung der Versumpfungen in den oben skizzirten
Gebirgsgauen — erfordert, wollen wir uns, von anders gestalteten
Ouellengebieten ganz absehend, nur stets an die gegen die Wasserrinne
eines Nebenthaies abfallenden Gebirgsgehänge, also an den Sammel-
bezirk eines Gebirgsbaches, versetzen, und den dort sich sammelnden
Gewässern und Schuttmassen bis zu ihrem Austritte ins Hauptthal folgen.
I. Was nun zuerst die Menge des in den Nebenthälern sich
sammelnden Wassers anbelangt, so hängt dieselbe wieder von zwei
Factoren ab: erstens von der Ergiebigkeit der w asser bil-
den den Ursachen; zweitens von der Natur des die Gewässer
aufnehmenden, sammelnden und abführenden Terrains.
1. Der Ursprung der Gewässer ist in der Regel in den unmit-
telbaren atmosphärischen Niederschlägen (Regen, Thau, Schnee),
ausnahmsweise auch in mittelbaren Consequenzen derselben
(Schmelzen des Firnes, des Winterschnees und Eises) zu suchen.
Bei Gebirgsgruppen, wie die hier in Rede stehenden Alpen-
gegenden, welche nahezu die gleiche geographische Breite und
Länge und die gleiche Lage zu Continent und Meer nahen, wo daher
die klimatische n Factoren wenig Unterschiede bieten, kann eine
bedeutendere Verschiedenheit in der Menge der atmosphärischen
Niederschläge nur durch zwei Umstände bewirkt werden:
a) durch die Anwesenheit oder Abwesenheit von Gletscher-
massen;
der Versumpfungen in den oberen Flusslhülern der Salzaeh etc. 99
b) durch die Exposition gegen feucht warme Winde
(Sirocco).
Treffen insbesondere diese beiden Bedingungen zusammen , so
resultirt eine grosse Disposition zu reichlichen Regengüssen und
daraus folgenden Hochfluthen. Nicht minder wichtig sind die Glet-
scher als aufgespeicherte Massen starren Wassers, von welchem bei
Siroccostürmen , Gewittern und Wolkenbrüchen oft nicht geahnte
Quantitäten plötzlich aufgelöst und mit unaufhaltsamer Gewalt dem
Hauptthale zugeführt werden.
Als mehr accessorische — jedoch oft nicht minder verhäng-
nissvolle — Wirkungen der Gletscher im Sinne der Vermehrung der
Wassermenge können noch die partiellen Einstürze und Abbruche
von Gletscherrändern und die Lawinen erwähnt werden.
Die Gletschergebirge besitzen also in ihren Eis- und Firnmassen
um eine sehr ausgiebige wasserbildende Ursache mehr als die glet-
scherfreien , und drohen — wenn auch die Drohung nicht jeden
Augenblick in Erfüllung geht — ihrer Natur nach mit verwüstenden
Wasserfluthen, welche in gletscherfreien Thalsystemen nie eine
solche Macht erlangen können.
2. Hinsichtlich des Terrains, welches die Gewässer aufnimmt
und weiter leitet, kommen in Betracht:
a) die Grösse desselben in horizontaler Ausdehnung. Der Ge-
birgsbach leitet sein Wasser in der Regel von den auf eine
gewisse Gruppe synklinirender Berggehänge fallenden meteo-
rischen Niederschlägen her. Je weiter also dieses sammelnde
Terrain — in den Alpen fast immer als ein amphitheatralisch
gestaltetes „Kahr" beginnend und in ein geneigtes Thal mit
stark durchfurchten und gefalteten Wänden bis zum Austritte
ins Hauptthal fortsetzend — desto grösser bei übrigens gleichen
Umständen die zum Giessbache gesammelte und ins Hauptthal
entsendete Wassermenge;
b) die Entwickelung des sammelnden Terrains. Zwei gleich
grosse Aufnahmsgebiete verhalten sich dennoch oft ungleich
hinsichtlich der in das Bachbett gesammelten Wassermenge,
wenn die Oberfläche des einen mehr oder weniger als jene
des andern entwickelt, d. h. durch Falten, Furchen, Gräben,
Nebenthäler entfernterer Grade, Klippen und Höcker u. s. w.
in plastische Abschnitte verschiedener Ordnungen getheilt ist.
7*
j 00 Lorenz. Vergleichende orograpliisch-hydrographische Untersuchung
Wird nämlich das ganze Aufnahmsgebiet nur von wenigen
sammelnden Rinnsalen durchzogen, so muss umgekehrt die Aus-
dehnung der zwischen denselben liegenden Höhen verhältniss-
mässig gross, und daher auch die auf jede einzelne Rinne entfal-
lende Wassermenge ebenfalls bedeutender sein. In der Natur
solcher mächtigerer Wasseradern liegt es aber, dass sie mit
grösserer Kraft, und ohne unterwegs viele Verluste durch Ver-
dampfung oder Versickerung zu erleiden, ihren Weg zum Rache
fortsetzen, mithin demselben ein verhältnissmässig grosses Con-
tingent an Wasser liefern *)• Auf einem stark gefalteten und
gefurchten Terrain hingegen wird das auf jede einzelne Furche
entfallende Wasserquantum geringer sein, daher auch eine
geringere bewegende Kraft; ferner, vermöge der mit der reich-
lichen Faltung verbundenen zahlreichen Hindernisse, auch
geringere Geschwindigkeit haben; endlich unterwegs sowohl
durch Verdampfung als durch Versickern viel an Masse verlie-
ren. Die unter solchen Verhältnissen zusammenfliessenden Was-
seradern werden daher auch bei gleich grosser Menge des
fallenden atmosphärischen Niederschlages nur eine geringere
Menge Wasser zum Rache bringen. Die Entwicklung des
Terrains steht also im umgekehrten Verhältnisse zur Wasser-
menge des Raches.
c) Die Vegetationsdecke des sammelnden Gebietes. Obgleich
bewaldete und übergrünte Gebirge unter übrigens gleichen
Umständen die Menge der atmosphärischen Niederschläge beför-
dern, wird doch in diesem Falle auch durch das Auffangen
und Zurückhalten der Niederschläge mittelst der Blätter und zwi-
schen den Wurzeln der Vegetationsdecke dem Zusammenrinnen
von Wasseradern ein ausgiebiges Hinderniss geboten , welches
1) Durch die geringe Entwicklung der Oberfläche wird jedoch nur innerhalb gewisser
Grenzen die Abfuhr der Wasseradern zur Thalrinne befördert. Der gänzliche
Mangel aller sammelnden Furchen würde bewirken, dass die abrinnenden Wässer
nirgends einige Tiefe hätten, sondern als sehr seichte oberflächliche Schichten
über die Abhänge gleiten würden , wobei sie viel mehr durch Verdunstung ver-
lieren müssten, als wenn sie in Adern von einiger Tiefe gesammelt wären. Am
günstigsten für die Wassersammluug wird also das Verhältniss sein, wenn die
Gehänge von wenigen, sämmtlich thalwärts geneigten sammelnden Rinnen durch-
furcht sind.
der Versumpfungen in den oberen Flnssthiilern der Salzach etc. [ 0 f
dem Bache weit mehr Wasser entzieht, als durch den wasser-
bildenden EinflussderVegetationsdecke h er beiges ch äfft wird.
d) Neigung und Gestalt des Nebenthaies. Diese Verhältnisse
haben insbesondere auf die Abfuhr der schon gesammelten
Wassermenge aus dem Nebenthaie zum Hauptthale grossen
Einfluss. Einfache Gestalt und stetiges steiles Gefälle befördern
den raschen Abfluss, verwickelte Gestalt und unterbrochenes
Gefälle geben Anlass zu Anstauungen, welche nach kurzer Zeit
zu um so verderblicheren Katastrophen führen.
IL
Betrachten wir die Gehänge der Nebenthäler als Erzeugungs-
stätten von Detritus, so kommen auch hier wieder, analog der
Gliederung des vorigen Abschnittes, zwei Hauptgesichtspunkte zur
Betrachtung :
1. Die Entstellung des Detritus; 2. die Sammlung und
Abfuhr desselben bis zum Hauptthale.
1. Es handelt sich hier um die theils mechanische, theils chemische
Zersetzung durch Verwitterung, Zerwaschung und Abrollung.
Die Detritusbildung in diesem allgemeinen Sinne wird befördert :
cc. Innere Verhältnisse des Gesteines.
a) Durch die Heterogeneität des Gesteines , da nicht nur
die Adhäsion verschiedenartiger Gemengtheile häufig
geringer ist als die Cohäsion der Theilchen eines homo-
genen Gesteines , sondern auch unter verschiedenen
Gemengtheilen stets einer mehr als der andere der Zer-
setzung unterliegt , und durch den Eintritt derselben auch
das Zerfallen der übrigen veranlasst.
b) Durch die Abweichung von der dichten Structur, und zwar
desto mehr, je mehr Structurs-Richtungen vorhanden sind.
Körnige, schiefrige, blättrige, stänglige Gesteine, noch mehr
aber körnig-schiefrige (viele Gneisse), stänglig-schiefrige
(viele Hornblendegesteine), blättrig -schiefrige (Glimmer-
schiefer, Thonglimmerschiefer, Chloritschiefer u. s. w.)
unterliegen auch aus diesem Grunde in hohem Grade sowohl
der Verwitterung als dem Zerfallen und der Zerwaschung.
cj Durch die Absonderung derGebirgsmassenstücke. Die Abson-
derungs-Spalten, Klüfte und Risse sind stets die ersten
Angriffspunkte der ins Innere des Gesteines dringenden
102 Lorenz. Vergleichende orographiseh-hydiographische Untersuchung
Verwitterung. Ist insbesondere die Richtung der Absonde-
rungsspalten quer über den Weg des darüber rieselnden
Wassers, so wird das Gestein desto leichter angegriffen.
Fallen die durch Zerklüftung abgetrennten Gesteinsmassen
dem Bachbette zu, so verursachen sie bald stetige, bald
momentane Murrgänge, oft auch Anstauungen des Wassers
und darauffolgende Durchbrechung des Schuttdammes mit
oft unberechenbarer Gefährdung des Hauptthaies.
dj Durch eine solche Richtung der Plattenkanten und
Schichtenköpfe, vermöge welcher sie vom Wasser
leicht angegriffen und zerbröckelt werden.
e) Durch geringe Cohäsion und Härte des Gesteines
(Talk, Chlorit, Mergel, Tegel).
f) Durch die unmittelbare oder mittelbare (erst nach voraus-
gegangener Anamorphose eintretende) Löslichkeit eines
der Gemengtheile im Wasser (Salzthone, feldspathreiche
und viele eisenreiche Gesteine).
ß. Äussere Verhältnisse der Gesteine.
g) Durch die Nacktheit des Gesteines, vermöge welcher das-
selbe unmittelbar den Angriffen der Atmosphärilien, insbe-
sondere dem zerklüftenden Froste und den zerwaschenden
Regengüssen ausgesetzt ist.
h) Durch die Lage des Gesteines in einem solchen Klima,
welches häufigen Wechsel von Frost und Thauen mit sich
bringt, da der erstere in bekannter Weise die Gesteine zer-
sprengt, das letztere die zersprengten Trümmer, welche
früher noch vom Eise aneinander gekittet waren, loslöset,
durchweicht, und zugleich den Boden durch das Eindringen
der Feuchtigkeit für abermalige Frostvvirkungen zugäng-
licher macht.
Nach den Modificationen obiger Factoren von a bis g lassen sich
verschiedene Grade der Leichtigkeit und Häufigkeit der Detritus-
Bildung unterscheiden. Thurman hat bekanntlich von einem andern
Gesichtspunkte aus — nämlich der Bildung productiver Boden-
arten aus den Gesteinen — eugeogene und dysgeogene Gesteinsarten
unterschieden. Da wir es aber hier nicht mit Bodenarten oder Erde
(•yvj) sondern mit Detritus überhaupt (jptp.fxoi) zu thun haben, und
da die in unserem Gebiete vorkommenden Felsarten deutlich eine
der Versumpfungen in den oberen l'lu ili.ilei n dei Salzoch etc. | {(^J
drei fache Abstufung der Zerstörbarkeif zeigen', mögen hier die
drei Grade der plio tri mmogenen, miotri mmogenen und
dys tr im mögen e n Gesteine unterschieden werden.
Ausser der Leichtigkeit und Häufigkeit der Bildung hängt auch
die Form des Detritus — sowohl seine erste, unmittelbar beim
Zerfallen eintretende, als die spätere, in welcher er zum Hauptthale
gelangt — ab. In dieser Beziehung genügt es hier, die Formen des
Platte nsch utt es (aus festen Schiefern), des Trünime r s chuttes
(aus festen nicht geschieferten oder sehr dickschiefrigen Gesteinen),
des Kugelschuttes (aus weiterer Abrollung der vorigen hervor-
gehend), des Gruses und Sands chuttes (aus loseren mittelkör-
nigen Felsarten oder aus weiterer Detrition der vorigen), endlich des
Lettenschuttes (aus weichen und aus sehr leicht verwitterbaren
feldspathreichen oder glimmerigen und cliloritischen Gesteinen) —
zu betrachten.
Der Plattenschutt deutet auf ein miutrimmogenes oder
dystrinimogenes Ursprungsgestein zurück, da ein bedeutender Grad
von Consistenz erforderlich ist , damit aus einem schiefrigen Gesteine
noch deutliche Platten bis zum Hauptthale gelangen können. Dieser
Schutt wird vermöge seiner Form leichter vom Hochwasser getragen,
als der Trümmer- und Kugelschutt; er lässf. wenn er als Schuttbank
irgendwo angetragen ist, bei nachfolgenden Überwässerungen das
Wasser leicht zwischen seinen Platten hindurch communiciren, so
dass er Anstauungen bis zu einem gewissen Grade verhindert; von
stärkeren Flutheu wird er leicht wieder weggeführt, und setzt auch
der künstlichen Wegräumung keine grossen Schwierigkeiten ent-
gegen. Obgleich er, wenn in übergrossen Massen herbeigeführt, arge
Verwüstungen anrichten kann , ist er doch bei übrigens gleichen
Umständen minder gefährlich als die folgende Form.
Der Trümmer- und Kugelschutt wird weit schwerer vom
Wasser getragen, daher weniger weit, als der Plattenschutt, abwärts
geführt; seine grössten Massen lagern sich am Austritte des Baches
ins Hauptthal, so wie an der Mündung des Baches in den FIuss, ab.
In den Nebenthälern angehäuft, bildet er weit gefährlichere — weil
länger widerstehende und daher das Wasser höher aufstauende —
Wälle, so wie dergleichen Schuttbänke, wenn sie im Hauptthale vor-
kommen, schwerer beweglich und daher gefährlicher sind als jene
der vorigen Form.
104 Lorenz. Vergleichende orographisch-hydrographische Untersuchung
Der Grus- und Sandschutt wird leicht vom Wasser ge-
tragen, und eben so leicht, wenn er irgendwo angehäuft ist, vom
Wasser durchbrochen und weiter geführt. Bedeutende Anstauungen
sind daher von dieser Schuttform, wenn sie rein auftritt, nicht zu
besorgen; jedoch macht sie ihre leichte Tragbarkeit andererseits
wieder nachtheiliger, indem solcher Schutt auch schon von den
seichteren und minder mächtigen Überwässern über die Grenze des
Flussbettes mitgeführt wird und daher auch solche Stellen ver-
schüttet, an welche weder Platten- noch Trümmerschutt gelangen
könnte.
Der Lettenschutt wird nicht nur leicht vom Wasser getragen
und selbst in grossen Massen fortgewälzt, sondern bildet mit dem-
selben leicht eine mehr oder minder dickflüssige Masse, welche dann
noch leichter als der Sandschutt allen Ausbreitungen des Wassers
folgt, und überdies, wenn irgendwo angehäuft und daher compacter
geworden , vermöge seiner Retentivität und Plasticität den späteren
Fluthen ein sehr zähes Hinderniss entgegensetzt. Sind etwa 30 Pro-
cent davon oder mehr irgend einer anderen Schuttform beigesellt,
so verwandelt sie das Ganze in eine zähe, schwer bewegliche , nur
an der Oberfläche vom Wasser angreifbare Masse, veranlasst sowohl
in Neben- als Hauptthälern die gefährlichsten Anstauungen und, nach
deren endlichem Durchbruche, riesige Schlammfluthen. Diese Form
dürfte sowohl bei chronischen als bei vehementen Versumpfungen
als die verderblichste angesehen werden, möge sie nun allein, oder
als plastisches Cement irgend einer anderen Schuttform auftreten.
Nur in den wenigen Fällen, in denen der Letten — gewöhnlich
einen schweren kalten Boden liefernd — ausnahmsweise solche Ge-
mengtheile führt, welche ihn zu einem fruchtbaren Boden qualificiren,
könnten seichtere Ausbreitungen desselben das Erträgniss des von
ihm bedeckten Areales wieder ersetzen.
2. Die Abfuhr des Schuttes hängt von der bewegenden Kraft
des Wassers ab, zunächst desjenigen, welches den Detritus von den
Gehängen in das Bett des Baches führt, dann des Baches selbst bis
zu seiner Mündung in den Fluss. Da nun Masse und Geschwindigkeit
die beiden Factoren der bewegenden Kraft sind, werden vorerst alle
Umstände, welche früher unter I. 1. als Bedingungen der vermehrten
Wasser menge angeführt wurden, auch hier als Bedingungen der
Abfuhr des Detritus gelten müssen. Bezüglich des zweiten
der Versumpfungen in den oberen Flussthfilern der Salz.;ich etc. J ()£}
Factors, der G eschwindigkeit nämlich, kommen hauptsächlich in
Betrachtung:
a) der Steigungs- oder Gefällswinkel des Bachbettes;
bj die gerade Richtung der Wasserbahn , da jede Krümmung eine
locale Verminderung der Geschwindigkeit und damit eine theil-
weise Ablagerung des Detritus im Nebenthaie zur Folge hat.
c) die Enge und Festigkeit der Wände des Bachbettes. In einem
weiten oder wenigstens mit vielen ansehnlichen Weitungen
versehenen Betteist Raum zur Ausbreitung der Überwässer
und folglich zur theilweisen Deponirung des Detritus, während
er durch ein enges und zugleich von festen Wänden einge-
schlossenes Thal (Klause, Klamm) wie durch einen Trichter-
hals hindurch geführt wird und mit unverminderter Menge zum
Hauptthale gelangt.
d) Nicht ohne Einfluss auf die Modalitäten der Abfuhr zum Flusse
ist der Mündungswin kel. Je mehr er sich einem rechten
nähert, desto plötzlicher die Verminderung der Geschwindig-
keit bei der Einmündung, desto reichlicher daher die an der
Mündung sich aufwerfende Schutthalde (Staurücken) , welche
bei ausserordentlichen Hochfluthen auch weit in das Flussbett
hinein gerissen wird und die Detritusmenge desselben noch um
ein Bedeutendes vermehrt.
Die Versumpfungen des Ober-Pinzgaues.
(Hiezu Karte I.)
I. Factoren der Iberwässernng.
A. Auf der Seite der Tauemthiiler.
1. Die Bedingungen des Auftretens reichlicher Wasser-
menge erscheinen hier vollzählig und mit der grössten Wirksam-
keit, welche überhaupt am Nordabhange unserer Alpen möglich ist.
aj Die Sammelgebiete der Tauernbäche beginnen fast alle
unmittelbar am Rande der Gletscher, welche als Fortsätze
der Firnmassen desGross-Venedigers und des Gross-Glockners
in den Hintergrund der Tauernthäler herabreichen und deren
Schmelzwässer zumeist die ersten Anfänge der Tauernbäche
bilden. (Die Anwesenheit von Gletschern, als ein wichtiges
106 Lorenz. Vergleichende orographisch-hydrographische Untersuchung
Moment der hydrographischen Verhältnisse, ist auf den bei-
gegebenen drei Kärtchen durch Anlage mit hellgrüner Farbe
angedeutet). Sind die im Hintergrunde über mehrere Quadrat-
meilen ausgedehnten Gletscher schon an und für sich der Bil-
dung reichlicher Hydrometeore günstig, so werden sie es hier
noch mehr durch den Umstand, dass sie zugleich die höchsten
Plateaux, Plateaux-Mulden und zum Theile auch die Gipfel des
ganzen Centralzuges einnehmen, und daher unmittelbar und ohne
alle Abwehr dem Contacte mit den feuchtwarmen Winden aus
dem Mittelmeer-Becken ausgesetzt sind. Unter dem Einflüsse
dieser Winde entstehen nun hier auch erfahrungsgemäss die
heftigsten Begengüsse, Gewitter und plötzliches Schmelzen
der Gletscher, durch dessen gleichzeitiges Eintreten hier jedes
Gewitter doppelt und dreifach so viel Wasser zum Thale führt,
als es in von Gletschern unabhängigen Binnsalen der Fall ist.
2. Hinsichtlich der Aufnahme und Abfuhr der Gewässer
zum Hauptthale zeigen sich folgende Verhältnisse:
a) Die Grösse des sammelnden Terrains der einzelnen Tauern-
bäche ist vermöge der weiten Halblrichterform der Thalanfänge
und des bedeutenden Äbstandes der beiderseitigen Kammhöhen
sehr bedeutend; verglichen mit der Grösse der Aufnahms-
gebiete in den anderen beiden Gebirgsgauen, stellen sich
jene des Pinzgaues im Ganzen als beinahe gleich gross mit
den übrigen heraus, da die Weite der Tauernthäler ersetzt,
was an Länge fehlt.
b) Die En t wickelung der Oberfläche ist im Pinzgau ziemlich
bedeutend, da die später noch zu detaillirenden Verhältnisse
der Zerklüftung und Absonderung hier zahlreiche und viel-
gestaltige Höcker, Klippen, kreuz- und querlaufende Binnen,
Bippen und Grathe an der Oberfläche der Gehänge hervor-
bringen. Nach den aufgestellten allgemeinen Grundsätzen wirkt
die grössere Entwickelung der Oberfläche auf Zurückhaltung
und Verdampfung des Wassers, mithin gegen die Bereicherung
des Gebirgsbach.es. Da aber dieser Factor der mindest ein-
flussreiche hinsichtlich der Wassersammlung ist, kann die
geringe Wirkung desselben hier, wo die übrigen Factoren
so mächtig im Sinne des Wasserreichthumes wirken, nicht in
erheblicher Weise den Einfluss dieser letzteren paralysiren.
der Versumpfungen in den oberen Flussthälern der Saizach etc. 1 OT
c) Die Nacktheit der Oberfläche erreicht auf den mittleren und
oberen Höhen der Gehänge eine leider nur zu sehr auffallende
Ausdehnung und Vollständigkeit, so dass der von der Vege-
tationsdecke zu erwartende Schutz gerade dort oben, wo er
noch ausgiebig wirken könnte, gänzlich fehlt. In den unteren
Regionen, wo die zum Bache herabeilenden Wasseradern
schon eine bedeutende bewegende Kraft erlangt haben, können
sie durch die Pflanzendecke, welche dort allerdings meistens
vorhanden ist, nicht mehr wirksam aufgehalten werden, son-
dern reissen im Gegentheile bei jeder Gelegenheit auf grosse
Strecken die Bodenart sammt Weide und Wald mit sich fort.
d) Die Gestalt der Bachbetten ist der Abfuhr des Wassers zum
Hauptthale so günstig als möglich, indem dieTauernbäche fast
ganz gerade und mit einem zwar nicht gleichmässigen, jedoch
durchschnittlich sehr raschen Gefälle, und selbst wiederholte
Cascaden bildend, der Salzach zueilen, — worüber eiu Näheres
bei der Schilderung der einzelnen Bäche.
Fassen wir die abgehandelten Factoren der Wassermenge und
Wasserzufuhr zusammen, so ergibt sich, dass gerade die wichtigsten
derselben, nämlich: „eine grosse Menge atmosphärischer
Niederschläge, deren P r o d u c t noch vermehrt w i r d d u r c h
Gl et sc her wässer; ferner eine nackte Oberfläche der
sammelnden Gehänge; einfache Gestalt und steiles
Gefälle der Bach betten" — in den Hinterthälern des Pinzgaues
in ausserordentlich hohem Grade wirksam sind , so dass man schon
a priori schliessen muss, das Hauptthal sei der Gefahr sowohl chro-
nischer als noch mehr plötzlicher Überwässerungen im höchsten
Masse ausgesetzt.
B. Auf der Seite der P a r a 1 1 e I z u g s - T li ii I e r.
Hier fehlen den Thalwurzeln gänzlich die Gletscher; die Dimen-
sionen des sammelnden Gebietes betragen kaum den vierten Theil
derjenigen, welche die Tauernthäler besitzen; die Abhänge sind
grösstentheils bewaldet und überdies häutig terrassenförmig abgestuft;
es fehlen also hier gerade die wichtigsten jener Ursachen, aus
welchen am entgegengesetzten Ufer die massenhafte Wasserzufuhr
hervorgeht.
1Q8 Lorenz. Vergleichende orographisch-hydrographisehe Untersuchung
II. Factoren der Verschuttung.
A. Auf der Seite der Tauernthäler.
I. Bildung des Detritus.
a) Durch die petrographischen Verhältnisse wird die Schuttbil-
dung, und zwar die gefährlichste Form derselben, in hohem Grade
begünstigt. Nach den von den Herren Reichsgeologen und Hilfsgeo-
logen Lipoid, Peters und Stur übereinstimmend gemachten Ein-
theilungen *), denen ich, so weit mir meine eigenen Begehungen ein
begründetes Urtheil ermöglichen, beitreten zu können glaube, werden
innerhalb der hier zu untersuchenden Aufnahmsgebiete folgende Ge-
steinssysteme unterschieden, wobei, um Wiederholungen zu vermei-
den, zugleich auch jene wenigen mit aufgenommen sind, welche nicht
im Pinzgau, sondern in einem der anderen Gaue allein auftreten.
1. Der C entral gn eiss, den Kern der Central- Alpen bildend,
wenngleich nicht überall die höchsten Gipfel und Kämme zu-
sammensetzend;
2. die Schief er hülle, aus schiefrigem Gneiss , grünen Schie-
fern, Glimmer-, Talk- und Chloritschiefern, Thonschiefern,
Thonglimmerschiefern und Kalkglimmerschiefern bestehend ;
3. die zur Grauwackenformation gerechneten , den vorigen autla-
gernden „grauen Schiefer", petrographisch einigen Formen
der früheren gleich;
4. die wahrscheinlich metamorphischen Radstädter Tauer n-
gebilde (Radstädter Schiefer und Radstädter Kalk),
über 3 gelagert;
5. die der Trias angehörenden Werfener Schichten, welche jedoch
nur zu einem höchst unbedeutenden Antheile (am Fusse des
Dachsteingebirges gegen das Pongau herab) im Gebiete einer
der drei Karten liegen ;
6. zerstreute tertiäre Conglomerate, Sandsteine und Schotter.
Der Centralgneiss, von Dr. Peters auch Granitgneiss ge-
nannt, ist ein inniges Gemenge aus feinkörnigem Quarze und Ortho-
klas mit schuppigem Glimmer, welcher bald zerstreut, bald zu Ne-
stern gesammelt, jedoch nicht in aushaltenden Lagen auftritt. In Folge
der fehlenden Schieferung und des geringen Antheiles von Glimmer
ist dieses Gestein miotr im mögen, und liefert vorwiegend Trüm-
merschutt und Grus mit sehr wenig Letten.
«) Jahrbuch d. k. k. geol. Reichsanstalt, V. Jahrg., 1854, Nr. 4.
der Versumpftingen in den oberen Flussthälern der Salznch etc. 109
Die G n e i s s h ü 1 1 e — schiefriger und flasriger Glimmer - oder
Amphibolgneiss — welche den Centralgneiss umgibt, ist durch ihre
Struetur und den grossen Antheil, welchen der meist lügenweise aus-
geschiedene Glimmer, stängelige Amphibol und oft auch Chlorit an
ihrer Zusammensetzung haben, ein p liotrim mögen es Gestein-
system, und liefert als Schutt lettenreichen Grus, oft auch
blossen sandigen L et ten.
Der Glimmerschiefer, mit reichlicher Entwickelung zweier
Glimmervarietäten, und von einer wiederholt keilig blättrigen Strue-
tur, ist pliotr im mögen und liefert sandigen Lettenschutt.
Talkschiefer und Chi o ritschief er, in unserem Gebiete
nicht wesentlich von den überall bekannten abweichend, sind in hohem
Grade pliotrimmogen und liefern Lettenschutt oder feinen Schlich.
Die „grünen Schiefer" Studer's und unserer Reichsgeologen
können, wenn man ihre mannigfachen Varietäten zusammenfassen will,
als mehr oder minder harte, jedoch immer vollkommen schiefrige
oder geplattete Gesteine aus vorwiegendem Amphibol oder Chlo-
rit mit zurücktretendem Antheil von Fei dspath betrachtet werden.
Einzelne Keile und Stöcke dieses Gesteinsystems sind zwar sehr
fest und aphanitartig, stets aber sind auch diese wieder von weichen,
chloritreichen und durch fein verth eilten Feldspath der Verwitterung
sehr zugänglichen Massen durchzogen und umgeben, so dass das
System der grünen Schiefer im Ganzen als pliotrimmogen betrachtet
werden muss. Sie liefern bald Platten-, bald Trümmerschutt,
immer jedoch mit reichlich beigemengtem Letten.
Die T h o n s c h i e f e r und T h o n g 1 i m m e r s c h i e f e r , wozu
hier auch die grauen Schiefer gerechnet werden können, sind,
wie überall, so auch hier, sehr ausgezeichnet wiederholt schiefrig,
pliotrimmogen, und zerfallen in Lettenschutt und Schlich.
Der Kalkglimmerschiefer unseres Gebietes ist, vermöge
des vorwiegenden Antheiles an krystallinischem Kalk und Quarz mit
nur untergeordnetem Glimmer, meist nur mechanisch zerstörbar;
er erweiset sich als miotrimm ogen, und liefert vorwiegend Plat-
tenschutt. Oft aber ist dieser Schiefer von Chlorit- und Kalkschie-
fer durchzogen, so dass örtlich auch ein pliotr immogenes, in
Letten zerfallendes Gestein vorherrscht.
Die Rad städter Schiefer sind schwarze, feste, mit Quarz-
adern durchzogene und Eisenkies führende Plattenschiefer , deren
110 Lorenz. Vergleichende orographisch-hydrographische Untersuchung
Gemengtheile, vorwiegend quarzig und thonig, dem Auge versehwin-
den. Vermöge ihrer Glätte und Festigkeit liefern sie, ungeachtet ihrer
ausgezeichnetschiefrigenStructur, doch weit weniger Detritus als die
grünen Schiefer und müssen hier den Kalkglimmerschiefern als mio-
trimmogen an dieSeite gestellt werden. DieForm des Detritus ist
vorwiegend jene von Platten und Plättchen, welche selbst nach
wiederholter Detrilion und längerm Einflüsse zerstörender Agentiennur
sehr wenig in Letten und mehr in Plättchen- Grus übergehen.
Radstädter Kalke. Dolomitisch, bisweilen körnig, öfter ge-
schwärzt und dickschiefrig, — im Ganzen das einzige dystrim-
mogene Gestein unserer Gebiete, dessen Detritus vorwiegend Trüm-
mer- und Kugel seh utt ist.
Jene Gesteinsart, welche — nur in sehr geringer Ausdehnung
im Bereiche der Karte II — die Werfener Schichten repräsen-
tirt, ist ein ziemlich fester schiefriger Sandstein , mi otrimmogen,
und bildet bald Trümmer- bald Sandschutt.
Die tertiären Conglomerate und Schotter treten nur
sehr untergeordnet an einigen Stellen des Gebietes in geringer Erhe-
bung über die Sohle des Hauptthaies (im Pongau und Lungau) auf,
und sind im Allgemeinen gar nicht in eine der drei Kategorien
der pliotrimmogenen , miotrimmogenen und dystrimmogenen einzu-
reihen, da sie bald der einen, bald der anderen angehören.
Die in den drei Karten I, II, III angewendeten Farben sollen
nicht, wie bei geognostischen Karten, zunächst die petrogra-
p bis che Bescb;iffenheit oder das Alter der Gesteinsarten, son-
dern blos ihre Einreibung in die Kategorien „pliotrimmogen miotrim-
mogen und dystrimmogen" andeuten. Dadurch waren zunächst nur drei
Farben nöthig geworden; dunkelgrün wurde für die pliotrimmo-
genen, blau für die miotrimmogenen, lila für die dystrimmogenen
Gesteine genommen. Da aber der Gneiss, je nachdem er geschiefert
oder ungeschiefert — Central- oder Hülle-Gestein — ist, bald plio-,
bald miotrimmogen wird, und bisher keine scharfen Grenzen zwischen
beiden gezogen werden konnten, wurde für dieses zwischen dem
ersten und zweiten Grade der Detritionsfähigkeit schwankende Ge-
stein eine eigene Farbe — braun — gewählt. Endlich mussten die
tertiären Ablagerungen, da sie, wie oben erwähnt, im Ganzen zu
keiner der drei Kategorien gerechnet werden können, mit einer eige-
nen Farbe bezeichnet werden, wozu Indianroth gewählt wurde.
der Versumpfungen in den oberen Flussthälern der Salzaeh etc.
Die drei Karten sind nach den entsprechenden Abschnitten der
geognostisch colorirten Generalstabs-Karte des Herzogthums Salz-
burg in gleichem Massstabe copirt, und meine Aufgabe war es nur,
die geologischeColorirung in die gegenwärtige „trimmognostische"
zu übersetzen.
Karte I stellt den am meisten charakteristischen Theil des Ober-
pinzgaues dar und zeigt, zunächst in Bezug auf die Detritus-Frage,
fast das ganze Terrain in den Farben der pliotrimmogenen Gesteine;
es sind dies die Gneisse der Kammgegend der Central-Alpen, dann
die grünen Schiefer, Talk-, Chlorit- und Gl immerschiefer,
am linken Ufer auch T honschiefer, welche den centralen Granit-
Gneiss umhüllen.
Erst an der östlichen Grenze, gegen Pongau hin, beginnen die
miotrimmogenen Kalkglimmerschiefer sich zwischen die pliotrimmo-
genen einzuschieben und nehmen erst ausserhalb den Grenzen Pinz-
gau's einen grösseren Autheil an der Zusammensetzung des Gebirges.
Die dystrimmogenen Kalke sind hier in ganz irrelevanten kleinen
Partien eingestreut. Im Ganzen herrschen somit hier weitaus jene
Gesteine vor, welche den höchsten Grad der Detribilität besitzen.
In Bezug auf die Versumpfungs-Frage ergibt sich hieraus, dass schon
die Natur der Gesteine der reichlichen Versehuttung des Hauptthales
sehr förderlich sei.
Ausser diesen inneren Verhältnissen der Gesteine sind auch
die äusseren (p. 102, g und h) sehr günstig für die Schuttbildung,
indem die schon früher erwähnte Nacktheit der Sammel-Gebiete,
sowie deren Lage in der Region der im Frühlinge und Herbste stets
wechselnden eisigen Fröste und kurzdauernden Thauens in hohem
Grade auf rasche und reichliche Zerstörung der Gesteine wirkt.
2. Abfuhr des Detritus.
Nicht minder als die inneren und äusseren Verhältnisse der
constituirenden Gesteinsarten auf Vermehrung des Schuttes, wirkt
die Natur der Bäche und die Gestalt und Neigung ihrer Rinnsale auf
reichliche Abfuhr des Detritus aus den Nebenthälernin das Hauptthal.
Insoferne hiezu die ins Bachbett gesammelte Masse des Was-
sers coefficirt, wurde dieser Factor bereits im vorigen Abschnitte I,
1 und 2 gewürdigt und als sehr ausgiebig im Sinne der Abfuhr
befunden.
112 Lorenz. Vergleichende orographisch-hydrographische Untersuchung
Es erübriget nur noch, in Kürze die Bedingungen der Ge-
schwindigkeit zu betrachten, welche den schon als beträchtlich
anerkannten Massen des Wassers die grosse bewegende Kraft
verleiht.
Der Neigungswinkel der Tauernthäler ist sehr wechselnd,
indem gewöhnlich auf eine Strecke steilen Gefälles eine Thalweitung
(Thalboden) mit geringer Inclination folgt, was sich bei jedem Thale
mehrmals wiederholt. Obgleich nun das Gefälle der Tauernbäche auf
ihrem Wege durch die Thalböden geringer ist als bei gewöhnlichen
Gebirgsbächen, rauschen sie dagegen auf den die Thalböden verbin-
denden schiefen Ebenen um so gewaltiger herab , und da diese letz-
teren Strecken bei weitem den längeren Theil des Laufes einnehmen
und auch die sanfter geneigten Thalböden durchschnittlich noch einen
Gefällswinkel von 1 ° haben, ist die bewegende Kraft der Pinzgauer
Tauernbäche im Ganzen eine grosse, und zwar sowohl absolut, als
im Vergleiche mit den Tauernbächen der beiden anderen Gauen.
Insbesondere ist im Pinzgau das Gefälle des letzten Theiles
jedes Tauernbaches bis unmittelbar am Austritte zum Hauptthale so
bedeutend, dass diese Bäche bei einigermassen gehobenem Wasser-
stande den Detritus im eigentlichen Sinne des Wortes ins Hauptthal
heraus schütten.
Die Gestalt der Bachbetten setzt der Geschwindigkeit keine
Hindernisse entgegen, da die Tauernthäler beinahe in senkrechter Rich-
tung und ohne alle Krümmungen gegen die Salzach herabkommen.
Die Enge des grössten Theiles der Bachbetten lässt ebenfalls
kein Zurückhalten des Detritus zu. Das Gestein der Thalwände,
— soweit es vom Wasser bespült wird — ist nicht besonders wider-
standsfähig, da es, wie schon bekannt, vorwiegend pliotrimmogen ist;
es contribuirt daher noch zur Schuttmenge, ohne jedoch zur
Auswaschung von grösseren Becken geeignet zu sein, in
denen der Detritus unterwegs abgesetzt werden könnte; auch bewirkt
dieser vom unmittelbaren Ufer gelieferte Schutt keinesAvegs in merk-
lichem Grade eine Erhöhung des Bachgrundes, da das Gefälle immer
noch stark genug ist, um selbst noch ein vielfaches der bisher vor-
gekommenen Schuttmengen abzuführen.
Die Mündungswinkel endlich sind, wenigstens ursprünglich,
sämmtlich nahezu rechte, so dass der Abfuhr des Detritus bis
unmittelbar zur Mündung selbst kein Hinderniss entgegen-
der Versumpfungen in den oberen Flussthälern der Salzach etc. 1 1 Q
steht. In den wenigen Fällen, wo der Bach kurz vor der Mün-
dung eine Wendung stromabwärts macht, ist dies nur die Folge der
vom Bache selbst vorgeschobenen Schuttdämme, welche jedoch
weder durch die Natur noch durch Kunst vor einem abermaligen
Durchbruche des Baches bewahrt sind (Mühlbach bei Niedernsill,
Türkesbach).
Es sind somit auch die Factoren der Schutt ab fuhr aus den
Nebenthälern ins Hauptthal sämmtlich im Sinne der Verschuttung des
Hauptthaies wirksam.
B. Auf der Seite der Par allelzugs-Thäler.
Die Natur des Gesteines, grösstentheilsThonschiefer, begünstiget
hier nicht minder als in den Tauernthälern die Bildung reichlicher
Schuttmengen; die etwas dichtere Vegetationsdecke, häufig aus Wald
bestehend, sowie die geringere Wirksamkeit der Fröste paralysiren
zum Theile jene Disposition zum Zerfallen der Gesteinsarten.
Die Abfuhr ist hier noch mehr als in den Tauernthälern gesi-
chert, da die „Thalböden" fehlen und die Thäler selbst noch weit
enger, steiler und schroffer, oft als wahre Schluchten, gestaltet
sind. Der Factor „Geschwindigkeit« wirkt daher jedenfalls im
Sinne der Abfuhr. Da jedoch die „ Masse « der Wässer hier eine
geringere ist, wird die bewegende Kraft nur bei Gewittergüssen und
beim Schneeschmelzen so bedeutend, dass sie ansehnliche Schutt-
massen ins Hauptthal herauswirft.
Skizzirung der einzelnen Nebenthäler.
Ein näheres Eingehen in die einzelnen Nebenthäler beider
Seiten zeigt uns eine Reihe von Erscheinungen, durch welche aufs
Gewichtigste bestätigt wird, was wir bisher aus allgemeinen Gründen
geschlossen haben, indem wir thatsächlich überall die Spuren der
vergangenen und die Werkstätten künftiger Überfluthungen und
Verschuttungen in riesigen Dimensionen erblicken.
In den eingangs citirten Werken von Kürsinger, Schau-
bach und Peters sind hinlänglich genaue, auf eigene Wahrnehmun-
gen und verlässliche Angaben gegründete Schilderungen der Pinz-
gauer Tauernthäler enthalten, und es wäre überflüssig, nochmals auf
eine Beschreibung derselben zurückzukommen, wenn nicht hier eine
kurze Darstellung dessen, was zunächst zum hydrographischen
Bilde des Gebietes gehört, notwendig wäre, um dasselbe mit den
Sitzt», d. mathein. -naturw. Cl. XXVI. Bd. I. Hft. 8
114 Lorenz. Vergleichende orographisch-hydrograi>hische Untersuchung.
entsprechenden Daten aus den beiden anderen Gauen zu vergleichen;
und da über diese letzteren bisher keine so eingehenden Schilde-
rungen bekannt sind, so dass ich zur Belegung der allgemein erschlos-
senen Sätze mit speciellen Daten für das Pongau und Lungau auf
meine eigenen und meiner Mitarbeiter Wahrnehmungen angewiesen
bin, kann ich, ohne den Vorwurf unnöthiger Wiederholung des schon
Bekannten befürchten zu müssen, auch aus dem Pinzgau wenigstens
die hier zunächst einschlägigen Skizzen vorführen, und so meine
Aufgabe: „aus den bekannten Ursachen die bevorstehenden Wirkun-
gennichtnur zu erschliessen, sondern die verschiedenen Ent-
wicklungsstufen dieser Wirkungen auch thatsächlich
in der Natur aufzuweisen," nach Massgabe des vorhandenen
Materiales zur Lösung bringen.
Es folgt also, ehe wir auf die Versumpfungen des Haupt-
thal es übergehen, eine kurze Übersicht jener Daten, welche in den
Nebenthälern zur Bestätigung dessen dienen, was bisher über ihre
Disposition zu Überwässerungen und Verschuttungen im Allgemeinen
angegeben wurde; wobei vom oberen Ende des Hauptthaies, also
vom Krimmler Thale, welches ebensowohl die obere Wurzel des
Hauptthaies, als das erste Tauernthai genannt werden kann, begon-
nen werden möge.
Jeder aufmerksame Besucher des Krimmler Wasserfalles wird
das vom Getöse des Wassers verschiedene Poltern bemerken, welches
durch die fast jede Minute mit dem Wasserfalle herabstürzenden Fel-
sentrürnmer hervorgebracht wird und welche, nebst dem feineren
Detritus, der selbst noch mit dem wegspritzenden Wasserstaube fort-
getragen, benachbarte Bäume und Felsen überzieht, den ersten Bei-
trag zur Verschuttung des Hauptthaies liefern. Auch schon in die
oberen Werkstätten der Schuttbildung ist von Krimml aus der Ein-
blick gestattet, indem von den benachbarten Abhängen, insbeson-
dere vom Babenkopfe, häufig neue Bergbrüche und Steinriesen
abgehen, deren eine, nach Dr. Peters Beobachtung, innerhalb zwölf
Stunden wenigstens 3000 Kubikklafter Schutt zum Thale förderte.
Das nächstfolgende Tauernthai (Obersulzbach), in dessen
oberen Anfang der Sulzbacher Gletscher hereinhängt und den gleich-
namigen Bach entsendet, ist vorwiegend von sehr genäherten riesigen
Steinwänden begrenzt, von denen häufig Bergstürze und Lawinen
herabkommen. Die vom Sulzbache herbeigetragenen Fragmente von
der Versumpfungen in den oberen Flussthiilern der Salzach etc. 115
Glimmerschiefer, Chlorit und Thonschiefer verwüsten die Umgebung
seiner Mündung, verschütteten namentlich 1834 viele anliegende
Güter und Gründe und erhoben auf einmal das Bachbett um 6 Fuss
über den Thalboden.
Der benachbarte Unter sulzbach, ebenfalls ein Gletscher-
wasser, braust zwischen den wildesten, häufig überhängenden,
nach unten mit einem „Trümmer-Chaos" besäeten Wänden herab
und stürzt in 300 Fuss hohem Sprunge (Sulzbachfall) zum Haupt-
thale heraus.
Vom Parallelzuge (den „Sonnbergen") her münden in dieser
Gegend, nahezu den Sulzbächen gegenüber, der Trattenbach, aus
einer engen, zerrissenen Schlucht, und der Dürrenba eh. Der letz-
tere läuft auf einem hoch erhobenen Schuttkegel (Dürrenbaeh-Au),
auf welchem er sich in mehrere, zusammen eine Achtelmeile umfas-
sende Arme theilt, und von wo er häufig die Umgegend überfluthet.
Die grössten bekannten Verwüstungen sind jene von 1572, wo er
Neunkirchen zerstörte, und von 1826.
Der dritte Tauernbach, der Nachbar des Untersulzbaches, der
Hab ach, dem grössten Gletscher Pinzgaifs (Habach-Kees) entstam-
mend, wühlt sich zuerst durch Glimmergneiss und Amphibolgneiss,
deren leichte Zersetzbarkeit einem Theile des oberen Thalabschnittes
den Namen der „Kothgasse" einbrachte. Seine Thalgehänge
gehören zu jenen , welche besonders häutige und grossartige Abrut-
schungen (Plaiken) entsenden, deren eine um 1593 die damaligen
Grubenbauten, eine spätere die dazu gehörigen Schmelzhütten am
Fusse des Gamskogels verschüttete. Übrigens sieht man noch zahl-
lose grössere und kleinere Schutthalden aus alter und neuer Zeit, bis
unmittelbar zum Bette des Baches reichen.
Ihm gegenüber ergiesst sich der bei Sommerregen als wissen-
der Giessbach gefürchtete Mühlbach in die Salzache.
Der vierte Tauernbach, der letzte noch zum Stocke des G;*oss-
Venedigers gehörige, ist der Holl ersbach. Er kommt zunächst aus
einem unter dem Bande des Gletschers gelegenen kleinen See, dieser
selbst aber empfängt sein Wasser unmittelbar vom Gletscher. Die
Gneisse und grünen Schiefer der Gehänge liefern reichliche Schutt-
halden zu beiden Bachufern, an denen überall die Spuren verwüsten-
der Hochfluthen sichtbar sind. Der Schuttkegel dieses Baches bei
seinem Austritte ins Hauptthal ist einer der grössten; von ihm herab
8«
116 Lorenz. Vergleichende Geographisch-hydrographische Untersuchung
drohen häufig Überfluthungen und Durchbrüche. Die Jahre 1798 und
1816 sahen die denkwürdigsten Wirkungen dieses wilden Giess-
baches.
Das Velberthal, die fünfte Tauernrinne, die erste, welche
vom Stocke des Glockners herabgelangt, entspringt aus zwei
Zweigbächen , dem östlicheren Amerthaler (Öd-) Bache und dem
westlichen eigentlichen Velber-Bache. Ersterer ist ein Gletscher-
bach, vom Taberer Kees genährt. Sowohl der Gletscher selbst als
der obere Theil der Ufergehänge sind von stark verwitternden Gneiss-
massen umstellt, welche theils in ungeheure Blöcke, theils in Platten
zerfallen. Ahnliche Schuttbildner umgeben den oberen Theil des
eigentlichen Velberbaches, welcher an einem gletscherfreien Gehänge
aus vielen kleinen Wasseradern zusammenrinnt, bald in Begleitung
der zu ihm convergirenden Käsau-Bäche über eine hohe Wand herab-
stürzt, und am Fusse derselben durch einen hohen Wall von Schutt
und Blöcken zu einem See (Hintersee) aufgestaut wird. Ihm sagt die
Chronik weniger böses nach als den meisten Nachbarn; die Hydro-
graphie aber kann ihm einen desto grösseren seculären Einfluss auf
die Vermehrung des Lettenschuttes im Hauptthale nachweisen , und
muss jeden Augenblick auch von ihm Verwüstungen befürchten,
welche der Zufall ebensowohl bringen kann, als er sie bisher abge-
halten hat; wenigstens liegt in der Natur dieses Thaies nicht die
geringste Garantie für die Abhaltung solcher Katastrophen.
Am entgegengesetzten Ufer der Salzache kommt in dieser
Gegend der Stuhlfeldern-Bach an der gleichnamigen Ortschaft vor-
über, welche von ihm schon wiederholt hart bedrängt und auch theil-
weise zerstört wurde.
Der sechste Abkömmling der Pinzgauer Tauerngletscher, der
St üb ach, entspringt ebenfalls zweiarmig, aus dem Dorfner
Ödbach und der eigentlichen Stubach, welche beide durch hohe
Schuttgehänge laufen. Obgleich durch Lawinen, Bergschlipfe und
den Einsturz überhängender Wände reichlich mit den gefährlichsten
Formen des Detritus erfüllt, und durch die zu ihm hereinstürzenden
Wässer des Sturmbaches und Brustkendlbaches verstärkt, bringt
dieser Bach dennoch weniger mächtige Schuttmassen zum Hauptthale,
als alle bisher genannten, da er in mehreren Seebecken seines mitt-
leren und unteren Laufes geklärt wird. Vom Austritte ins Hauptthal
bis zur Salzache selbst geht daher sein Unterlauf vorwiegend nur
der Versumpfungen in den oberen FIussthHIern der Salzach etc. \ 7
durch horizontal ausgebreiteten Sehlamm und Schlich, welcher im
Jahre 1798 plötzlich bedeutend erhöht wurde.
Auf der Seite des Parallelzuges kommen in dieser Gegend der
häufig überfluthende Manlitzbach, dann der Utten dorfer,
Tobers- und Pölsenbach.
Auf der Tauernseite folgen nun drei kleinere Thäler. Das öst-
lichste derselben ist das bedeutendste; es ist das Mühlthal, welches
zwar nicht aus der unmittelbaren Nachbarschaft des Tauernkammes
entspringt, jedoch den Typus der grösseren Tauernthäler wiederholt,
indem es an einem ungewöhnlich weit vorgeschobenen Schneefelde
beginnt. Die reichliche Schuttbildung im mittleren pliotrimmogenen
Thalabschnitte lieferte bei dem Wolkenbruche am 5. August 1798
die Schuttmasse, welche von Augenzeugen als ein ungeheurer, sich
überstürzender „Schlammberg" geschildert wurde, der sich im Haupt-
thale ausbreitete und das Bett der Salzach derart mit Lettenbänken
erfüllte, dass seit jener Zeit die schon früher bestandenen Versum-
pfungen ihre gegenwärtige trostlose Gestalt annahmen.
Das siebente der grossen Tauernthäler und das letzte in dem
hier zu betrachtenden Gebiete, das „Kapruner Thal", steigt vom
Gletscherstocke des „Kapruner Thörls" und der „Glockerin" herab,
welcher mit seinen beiderseits vorgreifenden Armen (Schmiedinger
Winterkees und Gletscher des Wiesbachhornes) den obersten Thal-
anfang halbkreisförmig umfasst, so dass mehrere convergirende
Gletscherwässer den Kapruner Bach bilden. Dieser fliesst nur im
obersten Abschnitte des Thaies durch Glimmerschiefer, später vor-
wiegend durch dystrimmogenen körnigen Kalk und miotrimmogenen
Kalkschiefer; er durchzieht ferner einige weniger geneigte breite
Thalstufen und bildet mehrere Wasserfälle, in deren Auffangebecken
ein Theil des Detritus zurückgehalten wird. Er ist daher weit weniger
gefährlich als alle vorhergehenden, namentlich sind die V e r s c h u 1 1 u n-
gen geringe; die Über Wässerungen hingegen sind nicht unbedeu-
tend, und helfen an seinem Unterlaufe das Kapruner Moos bilden, wel-
ches sich zwischen derSalzache und derMündung des Kapruner Thaies
ausbreitet. Diesem gegenüber mündet der Wale herb ach in das
Salzachthal und führt häufig grossen Trümmerschutt herbei.
Hier ist das untere Ende des Oberpinzgauer Hauptthaies, dessen
Nebenthäler wir bisher betrachtet haben, und welches wir, als unser
Hauptobject, nun schliesslich selbst in Betrachtung ziehen müssen.
118 Lorenz. Vergleichende orographisch-hydrographische Untersuchung'
Verhältnisse des Hauptthaies.
Auch im Hauptthale selbst wirken sämmtliche Faetoren
sowohl der Überwässerung als der Verschuttung (pag. 97)
im Sinne d e r V e r s u m p f u n g.
1. Überwässerung des Hauptthaies.
1. Die Grösse der abzuführenden Wassermenge ist nach Mass-
gabe der contribuirenden Zuflüsse, insbesondere der Tauernbäche,
sehr wechselnd; doch bleibt es im Ganzen für jedes Jahr giltig, dass
die Zeit der Siroccal-Stürme, der Gewitter und Wolkenbrüche, sowie
des Schneeschmelzens, jederzeit sehr grosse, oftmals wahrhaft rie-
sige Wasserfluthen zum Hauptthale bringt, wie es auch vermöge der
früher angeführten, der Menge und Abfuhr des Wassers in den Neben-
thälern äusserst günstigen Verhältnisse nicht anders sein kann.
Solche Hochfluthen pflegen nicht gleichzeitig aus allen Tauern-
thälern des oberen Pinzgaues hervorzubrechen, da die wassererzeu-
genden meteorischen Vorgänge nicht gleichmässig über die ganze
PinzgauerCentralkette vertheilt sind; dergleichen locale Hochfluthen
sind jedoch nicht minder günstig für die Überwässerung des Haupt-
thales, da in solchen Fällen die ganze oberhalb der Mündung
des am höchsten angeschwollenen Baches gelegene
Thal strecke durch das angestaute Wasser der Salzach über-
schwemmt werden muss.
2. Die hohe Lage des Flnssbettes gegen die Sohle des Hauptthaies
ist so auffallend, dass man schon im obersten Abschnitte des Pinzgaues
die Salzache das „Hochwasser" nennt; und in der That ist diese
Bezeichnung ganz gerechtfertigt, da man schon in der Gegend der
Sulzbach-Thäler mittels Leitern auf der einen Seite zur Salzache hinauf,
und jenseits wieder herunter zur Thalsohle steigt. Wenn auch nicht
durchgehends so augenfällig, ist doch die Erhöhung des Flussgrundes
im ganzen Oberpinzgau so bedeutend, dass schon mittelmässige
Herbstregen die Überwässerung weiter Thalstrecken herbeiführen.
3. Die Breite des Inundationsgebietes ist, zum Theile
auch in Folge des hochgelegenen Flussbettes, sehr bedeutend; die
Thalsohle ist der Quere nach meistens horizontal, nur sehr wenig
concav; daher erstrecken sich die Überschwemmungen leicht über
die ganze Breite des Hauptthaies und gar oft erreichen sie in der
der Versumpfungen in den oberen Flussthälern der Salzach etc. 119
Gegend von Mitlersill selbst den Rand der Hauptstrasse, welche sich
doch am Fusse der nördlichen Thalwände, über die höchsten Punkte
der Thalsohle hinzieht.
4. Das Gefälle des Hauptthaies ist bis zum unteren Ende des
Oberpinzgaues ein sehr geringes; der Gefällswinkel beträgt nach
Lipoid („das Gefälle der Flüsse im Kronlande Salzburg",. Jahrbuch
der k. k. geolog. Reichsanstalt, V. Jahrgang, S. 616) vom Zusam-
menflusse der Salzach und der Krimmler Ache am oberen Ende des
Hauptthaies bis zum Bergwerksorte Mühlbach 0° 20', von hier bis
Mittersill 0° 19', und von hier bis Brück am Ende der Sümpfe 0°4'.
Eine so geringe Neigung könnte allenfalls zur anstandslosen Abfuhr
ruhiger gleichmässiger Gewässer genügen, ist aber in den hier häu-
figen Fällen der Hochfluthen ganz unzureichend, sowohl zur Abfuhr
des Wassers, als noch mehr zur Abfuhr des Schuttes.
5. Die Resistenz des unmittelbaren Flussgrundes, in so weit der-
selbe zunächst aus Detritus besteht, ist zwar nicht bedeutend ; diese
auskleidende Schichte ist jedoch, wenngleich local zu Haufen und
Bänken aufgeworfen , im Ganzen nicht so mächtig, dass sich selbst
im günstigsten Falle die Salzach durch dieselbe hindurch ein hin-
reichend tiefes Bett auswühlen könnte; es würde für diesen Zweck
schon in viel zu geringer Tiefe das feste Grundgestein erreicht,
welches, wenngleich der Verwitterung leicht unterliegend, doch
meistens viel zu fest ist , um durch ein so träges Wasser genügend
ausgefurcht zu werden. Inwiefern dies auch ein wesentliches Hin-
derniss künstlicher Abhilfe sei, wird später erörtert werden.
2. Versehutluwj des Hanpptthales.
1. Die Menge des im Hauptthale abzuführenden Detritus ent-
spricht der Leichtigkeit seiner Bildung und Abfuhr in den Nebenthä-
lern, und es wurde bereits bei der Beschreibung der einzelnen Bäche
ausgeführt, welch' massenhafte Schuttausbreitungen der Reihe nach
an den Mündungen der zahlreichen Bäche aufgespeichert liegen und
alljährlich theils stetig, theils in plötzlichen Katastrophen, noch wei-
ter aufgehäuft werden.
2. Die Form des Detritus ist im Pinzgaue von solcher Art, dass
sich nicht leicht eine noch misslichere Combination von Eigenschaften
denken lässt. Die Verbindung von zähem Letten mit den verschiede-
nen anderen Schuttformen ist vorwiegend; der Lettenschutt hat aber
120 Lorenz. Vergleichende orographisch-hydrographisehe Untersuchung
die Eigenschaft, dass er im fein vertheilten Zustande, wie er von
den Gehängen in kleineren Partien zum Bache gefördert wird, sich
sehr leicht in grosser Menge vom Wasser forttragen lässt; insbeson-
dere können reissende Gewässer, wie die Tauernbäche, ungeheure
Quantitäten desselben, die sich mit dem Wasser zu einem fliessenden
Brei verbinden, mit sich führen. In Folge dieses Verhaltens ist der
Lettenschutt i n d e n N e b e n t h ä 1 e r n leicht beweglich und wird
somit überaus reichlich insHauptthal heraus gefördert. Hier aber än-
dert sich sein Verhalten wesentlich. Ist er nämlich in Gestalt von Bänken
und Hügeln deponirt, so macht sich, nachdem er nicht mehr von gewal-
tiger Wasserkraft zerwühlt und umgewirbelt wird, seine plastische
Natur geltend, vermöge welcher er zu zähen, impermeablen Massen
zusammensitzt, und nur an der Oberfläche in geringem Masse abgespült
wird. Die von dieser Abspülung herrührenden feinvertheillen Schlamm-
partikeln werden dann wieder, selbst mit seichterem und trägem
Wasser, überall hin verbreitet und wiederholen im Kleinen die Wir-
kung der grossen Lettenbänke. Daraus geht hervor, dass bei dieser
Schuttform die Zufuhr des Detritus insHauptthal leicht und reichlich,
die Abfuhr aus demselben aber nur sehr schwer und in geringem
Masse vor sich gehe, d. h. dass die Verschuttungen des Hauptthaies
nicht nur sehr beträchtlich, sondern auch dauernd sein müssen.
3. Da die Bedingungen der Verwässerung des Hauptthals sehr wirk-
sam sind, ist damit, nach den bekannten Grundsätzen, zugleich auch
eine der wesentlichsten Bedingungen der Verschuttungen entwickelt.
Wir haben demnach sämmtliche wesentliche Factoren der Übe r-
wässerung und der Vers chuttung, sowohl jene, welche ihre
Wirksamkeit in den Nebenthälern ausüben, als jene welche
unmittelbar im Hauptthale selbst gelegen sind — in einem
unheilvollen Grade entwickelt gefunden.
Dies ist die Erklärung der traurigen Thatsachen, welche schon
wiederholt mehr oder weniger poetisch geschildert und von Tausen-
den der Besucher des Pinzgaues herzlich bedauert, jedoch unseres Wis-
sens bisher noch nicht gründlich untersucht waren und die sich ohne
Ausschmückung kurz so darstellen lassen: Das zehn Wegstunden oder
fünf österreichische Postmeilen lange Thal von Neukirchen unweit
Krimnil bis gegen Brück durchzieht die Salzache trägen Laufes mit
graulich trübem Wasser, durch zahllose Schuttinseln, Lettenbänke
und Haufen aufgehalten, abgelenkt und ohne feste Ufer nach allen
der Versumpfungen in <len oberen Flusstliä lern der Salzach etc. 121
Seiten sich ausbreitend >)• Von den Mündungen der Nebenthälerbis zur
Salzache ziehen sich mehr oder minder ausgedehnte über die Thalsohle
erhobene Schuttdämme, deren einer oder der andere von dem dar-
über rinnenden Giessbacbe seitlich durchbrochen ist, so dass sein
Materiale weiter im Thale und dem Flussbette ausgebreitet wird.
Dieser wandernde Sumpf hat insbesondere zwei grosse Moräste — hier
Lacken genannt — : die Stuhlfeldner Lacke von Mittersill bis Stuhl-
felden, und die Lengdorfer Lacke von letzterer Ortschaft bis Niedern-
sill , so dass zwischen Mittersill und Niedernsill hauptsächlich die
Überwässerung, theilweise über die ganze Breite des Thaies
reichend; oberhalb und unterhalb dieser Sumpfe hingegen mehr die
Verschuttung ins Auge fällt, — in Wirklichkeit aber überall
beide in ausgiebiger Wechselwirkung die Thalsohle unter sich thei-
len. Einige Striche grünen Landes, — in der Nähe betrachtet mei-
stens saure Wiesen, für einige Jahre dem Sumpfe entrissen oder noch
von ihm verschont, doch kein Jahr vor Verwüstung sicher, — unter-
brechen hie und da die nackten grauen Alluvial-Bänke oder die zahl-
reichen Rohrdickichte („Streulachen"); im Ganzen aber ist die Thal-
sohle bis nahe an die Gehänge dominirt von wanderndem Sumpf und
wanderndem Schutte, und was das schlimmste ist, für immer an
diese Herrschaft gebunden.
Diese letztere Behauptung wird, wie der Verfasser recht wohl
voraussieht, in den Sympathien gar Vieler, denen das Schicksal der
biederen Pinzgauer am Herzen liegt, harten Widerstand linden: der
weitläufigere Beweis kann daher um so weniger umgangen werden.
Wie die Wissenschaft in ihrer consequenten Anwendung auf
gegebene Verhältnisse bisweilen auch traurige Wahrheiten enthüllen
und Hoffnungen zerstören muss, so ist es auch hier der Fall; sie hat
dabei gegen die Vorwürfe der in ihren Hoffnungen gestörten Interes-
senten doch wenigstens die Anerkennung zu erwarten , dass sie die
nutzlose Verausgabung von Millionen für ein einziges unrettbares
Gebiet verhütet, und zum Ersätze dafür die Rettung solcher bisher
weniger beachteter Terrains, wo d au er n de Abhilfe noch möglich
ist, angeregt haben wird.
Zur richtigen Beurtheilung der gegenwärtigen Versumpfun-
gen des Oberpinzgaues wurde in den vorhergehenden Abschnitten der
*) In wieferne diese Ausbreitungen zum Tbeile künstlich, zum Behufe der Verlandung
eingeleitet sind, — davon später ein Näheres.
122 Lorenz. Vergleichende orographisch-hydrographische Untersuchung
Schlüssel gegeben. Es bedarf zur Beurtheilung der Z u k u n f t nur noch
der consequenten Anwendung des Satzes: dass gleiche Ursachen unter
gleichen Umständen zusammenwirkend, gleichen Erfolg geben müssen.
Die wirksamsten der angeführten Ursachen, nämlich: das grosse
Sammelgebiet der Gewässer; die mächtigen Gletscher im Hinter-
grunde; der directe Lauf der Giessbäche zum Hauptthal; die vorwie-
gend pliotrimmogene Natur der begrenzenden Felsmassen ; die Nackt-
heit der oberen Thalwände; die Abwesenheit natürlicher Klärungs-
becken vor dem Austritte der Bäche ins Hauptthal — unterliegen
nicht der Abänderung oder Paralysirung durch menschliche Kunst-
griffe. Wer nicht die Riesenmassen der wassersammelnden Gehänge,
den Firn und die Gletscher, die Gestalt und Neigung der Tauernthäler,
die Natur der Gesteine ändern kann, vermag auch nicht die Haupt-
ursachen der combinirten Verwässerungund Verschuttung zu beheben.
Aber vielleicht wären die Aufforstung der nackten Gehänge
und die Anlegung von Abklärungsbecken geeignete Mittel
zur gründlichen Behebung des Unheiles? oder lassen die soge-
nannten E ntsump f ungsarbeiten im Hauptthale, welche nach
den vorstehenden Betrachtungen wohl Niemand mehr als eine gründ-
liche Abhilfe betrachten wird, vielleicht als Palliativmittel gute
Erfolge erwarten? Wir wollen diese drei Vorschläge, deren jeder
wenigstens einen theoretischen Satz, ja selbst Beispiele aus ande-
ren Gegenden für sich zu haben scheint, mit steter Rücksichtnahme
auf die hier gegebenen Local Verhältnisse prüfen.
1. Die Aufforstung könnte sich in der Regel nur auf die
unteren zwei Drittheile jedes Tauernthales beziehen, da das obere
Drittheil, vom Gletscherrande angefangen , nicht nur vermöge der
absoluten Höhe (5500' bis 7000' und selbst 8000') über der Grenze
der möglichen geschlossenen Waldhestände liegt, sondern überdies
meistens durch die unzähligen Risse, Kanten und Zacken des Bodens
einer geschlossenen Beholzung selbst mit Zwergkiefern nicht zugäng-
lich wäre. Sehr häufig erstreckt sich aber die Unmöglichkeit der Auf-
forstung auch noch über das zweite Drittel herab, da durch die Nähe
der Gletscher die häufigen, selbst im Sommer nicht seltenen Schnee-
stürme der oberen Thalmulden, endlich durch die Exposition nach
Norden, die mittlere Temperatur weiter herabgedrückt wird, als sie
in anderen Gebirgen bei gleicher absoluter Höhe gefunden wird,
wozu noch kommt, dass die Zerrissenheit des Bodens und die Häufig-
der Versumpfungen in den oberen Flusslhälcrn der Salzach etc. 123
keit der Lawinen an vielen Stellen selbst bei günstigeren Tempera-
turs-Verhältnissen keine Bewaldung aufkommen lässt.
Zwar findet man an günstigen Plätzen noch immer Fichten,
Lärchen und zum Theile auchZirben in grösseren und kleineren Be-
ständen sich weit gegen den Hintergrund der Tauernthäler hinauf
erstrecken; allein das sind seltenere und auf einen kleinen Theil des
fraglichen Areales beschränkte Fälle, welche nicht zur Annah-
me berechtigen, d a s s die Bewaldung überall wieder bis
zur gleichen Höhe vordringen könne, bis zu welcher sie
an einzelnen Punkten reicht oder in früherer Zeit wirk-
lich gereicht hat. Es ist eine oft wiederholte Wahrheit, dass die
unzweckmässige Abholzung häufig Folgen nach sich ziehe, welche
für alle Zukunft die aberm alige Aufforst un g uumöglic h
machen *); und dies bestätiget sich leider im Allgemeinen auch an
den Gehängen der Pinzgauer Tauernthäler.
Die Lawinen, welche vordem durch die höher hinaufreichen-
den Wälder wirksam abgehalten wurden, lassen an den meisten Stel-
len der jungen, wenn auch günstig vegetirenden und hoffnungsrei-
chen Pflanzung nicht die Zeit, sich zu mächtigen Beständen zu erhe-
ben; auch der abrollende Schutt bedeckt oftmals die aufkeimende
Baumsaat; die nun einmal gründlich eingeleiteten Bergschlipfe fahren
sammt dem jungen Walde ab; die von oben herabeilenden Wasser-
adern, welche erst nach kräftig aufgeschossenem Maiss durch das
Wurzelnetz und die Vegetation des Waldbodens zurückgehalten wer-
den könnten, waschen zu frühzeitig Samen und Pflanzen sammt der Erde
weg; die eisigen Schneestürme, welche ebenfalls erst nach geschlos-
senem Walde von den unteren Gehängen abgehalten würden, gestat-
ten nicht, dass sich ihnen wieder eine kräftige Holzvegetation ent-
gegenstelle. Wer alle diese Feinde der Aufforstung, deren einer dort
eintritt wo der andere ausbleibt, und welche sich dadurch zu einer
geschlossenen Reihe von Angreifern ergänzen, aus eigener An-
schauung kennt, wird ihnen noch mehr verderblichen Einfluss ein-
räumen, als diejenigen aus den Lesern, für welche das obige nur eine
theoretische Betrachtung ist, sich vorstellen können.
Ich nehme keinen Anstand zu behaupten, dass im Allgemei-
nen die entholzten höher gelegenen Gehänge der Pinzgauer Tauern-
l)Man sehe u. a. in Sendtner's „Vegetations Verhältnisse Südbaierns" pag. 177 u. it.
124 Lorenz. Vergleichende orographisch-hydrographische Untersuchung
thäler ungeachtet ihrer sehr günstigen Bodenart bezüglich der Mög-
lichkeit einer Aufforstung noch weit hinter dem grössten Theile des
croatischen Karstgehirges stehen. Bei diesem beginnt die Nacktheit
fast überall erst jenseits der Wasserscheide am südlichen Abhänge,
so dass die Kammhöhen und viele Pass-Mulden noch gut bewaldet
sind. Unter dem Schutze dieser Waldfronten lässt sich trotz der Bora
und Sommergluth streifenweise von oben herab mit der Bewaldung
vorrücken, da jederzeit der hinter der jungen Pflanzung stehende
Wald sowohl den Nordsturm als die Verwaschung abhält, da ferner
Lawinen, Plaiken u. dgl. ohnedies gar nicht vorkommen, da endlich
der Boden, welcher allerdings bei flüchtigem Anschauen trostlos kahl
und erdlos erscheint, durch die den Kalk überreich durchziehenden
und nur oberflächlich abgewaschenen Adern, Nester und Kluftausfül-
lungen von fetter ockeriger Thonerde noch hinreichend Stoff zu all-
mählicher Vererdung darbietet.
In den Tauernthälern des Pinzgaues ist aber gerade alles umge-
kehrt. Die Aufforstung müssfe hier von unten nach oben vorrücken
(denn von oben her lässt sich nach dem bereits Geschilderten schon
gar nicht beginnen) ; dabei fehlt aber jeglicher Schutz gegen die
sämmtlich von oben herab wüthenden Forstfeinde, so dass an den
meisten Stellen an kein Aufkommen von geschlossenem Walde oder
an längeren Bestand eines solchen zu denken wäre. Mit Erfolg könn-
ten nur verhältnissmässig wenige sanftere Terrains-Abschnitte, ins-
besondere in geschützteren secundären Nebenthälern auf-
geforstet werden; solche Stellen liegen aber schon weiter nach unten
und bilden kein geschlossenes System. Dergleichen Aufforstungen,
wie sie auch schon mehrfach eingeleitet wurden, sind unzweifelhaft sehr
wünschenswerth, jedoch nur des Holz es wegen, nicht als Schutz
gegen die Verwüstungen der Gewässer, da sie gerade dort, wo sie
noch ausgiebig zur Zurückhaltung des Wassers und Schuttes dienen
könnten, — an den oberen Gehängen nämlich, wo die zusammen-
strömenden Wasseradern, die Lawinen und die Schuttriesen noch
wenig Masse und bewegende Kraft besitzen — nicht möglich sind,
sondern sich auf die mittleren und unteren Regionen beschränken
müssen, wo selbst schon ein geschlossener Hochwald den zu gigan-
tischen Massen angewachsenen Wässern, Lawinen und Erdstürzen
unterliegen muss.
der Versumpfungen in den oberen Flussthälern der Salzach etc. 121)
Obgleich daher die Aufforstung den menschlichen Kräften nicht
so ferne liegt wie die Abtragung der Gletscher, die Härtung der Ge-
birgsgesteine, die Ablenkung der Tauerthäler, — kann doch unter
den hier gegebenen Verhältnissen von ihr keine wesentliche Vermin-
derung der Versumpfungen und Verschuttungen erwartet werden.
2. Dass die Zurückhaltung des Detritus und die Vertheilung
plötzlich sich ergiessender Wassermassen durch Abklärungsbecken
am Austritte der Bäche ins Hauptthal hier das einzige erfolgreiche
Mittel sein könnte, erhellt aus der Zusammenfassung der geschilder-
ten orographischen Verhältnisse; auch wurde dieses Mittel für
ähnliche Fälle schon häufig empfohlen, neuerlich von V. S treffleu r
in seiner sehr schätzenswertheil Abhandlung: „Über die Natur und
Wirkungen der Wildbäche" (Sitzungsberichte der mathematisch-
naturwissenschaftlichen Classe der kaiserlichen Akademie der Wissen-
schaften, 1852, Februarheft, pag. 248 und folg.).
Aber auch dieses Mittel kann hier aus dem Grunde nicht empfoh-
len werden, da der hiezu nothwendige Aufwand an Mitteln mit dem
Werthe des zu erreichenden Zweckes in gar keinem Verhältnisse
stände. Durch die Entsumpfung des Pinzgaues könnten bei dem alier-
günstigsten Erfolge etwa 7000 Joch Gründe für eine immer nur sehr
mittelmässige Cultur gewonnen werden. Um aber diesen Erfolg zu
erzielen, müssten , abgesehen von den übrigen Arbeiten, vor allem
zehn bis zwölf Seebecken von solchen Dimensionen angelegt werden,
dass jedes derselben durch die wiederholte plötzliche Einführung
einer Schuttmenge von mehr als zweihundert Millionen Kubikfuss1)
keine merkliche Störung seines Niveau's erleiden und überdies eine
successive Erhöhung seines Bodens durch die ebenfalls bedeutenden
chronischen Deposita durch Jahrhunderte lang vertragen würde.
Bedenkt man die Schwierigkeit, im harten Felsboden eine
Reihe von zehn bis zwölf solcher Becken auszutiefen,
im Stande zu erhalten, und, was unerlässlich wäre, mindestens nach
ungewöhnlich grossen Murrgängen auszubaggern , so wird man die
damit verbundenen Kosten so übermässig hoch finden, dass sie den
durch die zu erzielende Cultur repräsentirten Kapitalswerth gewiss
um das Mehrhundertfache überschreiten.
*) Soviel beiläufig- betrug- die im Jahre 1798 vom Mühlbach, welcher einer der
kleinsten Tauernbäehe ist, in wenig Stunden ins Hauptthal getragene Schuttmassc
126 Lorenz. Vergleichende orographisch-hydrographische Untersuchung
3. Das System der jetzt seit etwa 20 Jahren im Gange befind-
lichen Entsumpfungsarbeiten, welchen übrigens schon seit Jahrhun-
derten mehrere ähnliche Versuche vorausgingen , wurde auf aller-
höchste Anordnung Seiner Majestät des hochseligen Kaisers Franz
des Ersten in Angriff genommen, welcher bei einem Besuche des
Oberpinzgaues, bewegt durch den Anblick der um sich greifenden
weiten Sümpfe, den umstehenden Pinzgauern das Trostwort sprach :
„Kinder, da muss Euch geholfen werden!"1)- Es kann nicht unsere
Absicht sein, die verdienstvollen Leiter dieser Entsumpfungs-Arbeiten,
und noch weniger die hochherzige kaiserliche Gnade anzutasten,
deren Machtspruch die Quellen eröffnete, aus welchen seither die
Mittel zur gehofften Entsumpfung flössen. Allein es handelt sich hier
um eine unbefangene wissenschaftliche Beleuchtung, welche in ihrer
redlichen und loyalen Tendenz nicht durch die Besorgniss aufgehal-
ten werden darf, dass eine missgünstige befangene Auffassung den
Standpunkt verrücken könnte. Es kann also nicht vermieden werden,
die Entsumpfungs-Arbeiten, deren Unternehmung vom Standpunkte
der Humanität nur dankbar und rühmend anerkannt werden muss,
auch vom naturwissenschaftlichen Standpunkte zu beleuchten, und
ihre Bedeutung und Haltbarkeit gegen die uns bekannten Kräfte der
Natur ins rechte Licht zu setzen.
Die bisher in Angriff genommenen Arbeiten, bezüglich deren
wir auf den Jahresbericht der löblichen Salzburger Handelskammer
für 1852 und 1853, Seite 22 ff. verweisen, betreffen hauptsächlich
folgende Objecte :
1. Austiefung des Salzach-Bettes von Gries (am unteren Ende der
Sümpfe) stromaufwärts fortschreitend, um das Gefälle zu ver-
grössern, und zugleich die Sümpfe um Brück und Zell trocken
zu legen. Durch diese Arbeit sind in jener Gegend an beiden
Ufern der Salzach gegen 2000 Joch für die Cultur gewonnen
worden.
2. Aufsandung der zwei grössten Sümpfe (Lacken) bei Stuhlfelden
und Lengdorf. Der leitende Gedanke ist: durch schief gegen die
Stromrichtung geführte Faschinenbauten an beiden Ufern die
Ablagerung des mit den Überwässern vagirenden feineren De-
tritus zu veranlassen, zu welchem Zwecke die Salzach künstlich
i) Kürsing er, pag. 72.
der Versumpfungen in den oberen Flussthälern der Salzaeh etc. 127
ausgebreitet und über ihre Ufer geleitet wurde, so dass ihre
Überwässer zwischen den Faschinen langsam circuliren und
dabei durch ihre Sedimente den Boden erhöhen.
Später, wenn die Ufer hoch genug aufgesandet sein werden,
soll der Fluss wieder auf das mittlere schmale Bett beschränkt wer-
den und sich dann in demselben bei verstärktem Gefälle von selbst
um so tiefer eingraben, so dass zugleich durch die erhöhten Ufer und
durch das vertiefte Bett das normale Verhältniss zwischen Fluss und
Ufer hergestellt würde. Dieses Verfahren beruht offenbar auf richti-
gen Grundsätzen, und müsste an anderen Orten dauernde günstige
Erfolge herbeiführen. Im Pinzgaue zeigt sich allerdings auch ein
deutlich nachweisbarer Erfolg, indem die Ufer stellenweise beider-
seits fünf bis sechs Fuss, durchschnittlich wenigstens um zwei Fuss
gegen ihren früheren Stand gehoben sind, so dass hie und da schon
wieder der Anbau solcher neu gewonnener Alluvionen beginnt. Dieses
Resultat genügt' vielen zur Begründung der schönsten Hoffnungen auf
gänzliche Entsumpfung und Entschuttung des Hauptthaies. Solche
Hoffnungen wären auf Grundlage der bisherigen Arbeiten vielleicht
gerechtfertigt, wenn die Natur des Sammelgebietes der oberen Salz-
ach Garantien böte, dass niemals wieder eine Schuttmasse von meh-
reren Millionen Kubikfuss in einer einzigen Stunde zum Hauptthale
herausgeschleudert würde. Nun gibt aber im Gegentheile die Natur
jenes Gebietes die Zusicherung, dass dergleichen Schuttfluthen unab-
weislich in kürzeren oder längeren Zwischenräumen eintreten müssen.
Stellt man sich aber einen einzigen solchen Fall, — und es können
deren viele in einem einzigen Jahre eintreten, — mit seinen unaus-
bleiblichen Folgen vor, so verschwinden jene Uferbauten als gänzlich
machtlos gegen die Wirkungen der Elemente, wie sie hier auf-
treten.
Was liegt daran, wenn das volubile Ufer eines trägen Flusses
(zu einem raschen Flusse wird die Salzach durch die gegenwärti-
gen Arbeiten nie werden) um einige Fuss erhöht und etwa mit Wie-
sen umsäumt ist, wo früher Röhricht stand? Eine einzige Stunde
gleicht die widerstandslosen Ufer mit dem Flussgrunde aus, legt
riesige Schuttmassen quer vor den Stromstrich und versumpft aber-
mals die Umgegend.
Riesenkräfte können nur durch ihresgleichen bewältiget werden.
Wollte man schon, statt das Übel in den Nebenthälern zurückzu-
128 Lorenz. Vergleichende orogranhisch-hydrographische Untersuchung
halten, im Hauptthale selbst eine entsprechende Abhilfe treffen,
so wäre der Grundfehler des Hauptthaies, das geringe Gefälle und
die geringe Austiefung des Flussbettes in grossartigem Massstabe zu
beheben. Allein diesen Arbeiten stellen sich dieselben Berechnungen
entgegen wie der Anlegung von Abklärungsbecken. Der Untergrund
des Flussbettes besteht nämlich aus festem Gestein; zur Erzielung
eines raschen Gefällesund eines Bettes von hinreichender Capacität
müsste man daher nach Wegräumung des volubilen Flussgrundes
auf mehrere Meilen in festem Gestein arbeiten und in
demselben eine nach allen Dimensionen sehr bedeutende Binne aus-
tiefen, was, selbst wenn man das neue Guggenberger'sche System
befolgte, mit Auslagen verbunden wäre, aus deren Hälfte man ohne
Zweifel alle von den Gewässern bedrohten Pinzgauer Familien mit
reichen Stamm capitalien zur Aufnahme anderer Erwerbszweige in
anderen Gegenden betheilen könnte.
Mit solchen geringeren Auslagen aber, welche denWerth des im
günstigsten Falle zu erzielenden ßesultates nicht weit überschreiten
würden, lässt sich hier nur ein mittelmässiges Gefälle, eine immernoch
seichte Flussrinne, auf volubilem Grunde und mit Schuttufern, wie es
die bisherigen Arbeiten in Aussicht stellen, zu Stande bringen. Solche
Werke aber sind nicht die adäquaten Mittel, um auch nur die Prove-
nienzen eines einzigen Tauernbaches im Falle einer Hochfluth in
sichere Grenzen zu bannen; noch weniger, um für die Dauer die
Summe aller Wirkungen der zahlreichen Wildbäche auf das Haupt-
thal zu paralysiren. Eben darum aber sind die auf solche Bauten,
welche hier nicht einmal als Palliativmittel gelten können, verwende-
ten Millionen nutzlos ausgegeben, da sie nur den Schein eines
Erfolges hervorrufen, in Wirklichkeit aber keine einzige der
wesentlichen Ursachen gründlich beheben, und daher
nicht im Stande sind, die aus den Ursachen unvermeidlich hervor-
gehenden Folgen hindanzuhalten.
Diese motivirte Ansicht wird auch bestätiget durch einen Bück-
blick in die Vergangenheit. Die Entsumpfung des Oberpinzgaues ist
ja schon mehrmals dagewesen. Um das Jahr 1574 wurde die Salzach
auf eigene Kosten der Anwohner einige Meilen unter- und ober-
halb Mittersill mit solchem Erfolge regulirt, dass sie bald zwischen
schönen bebauten Gründen dahinfloss. Mehr als dieses versprechen
doch auch gewiss die jetzigen Arbeiten nicht! Aber bald machte sich
der Versumpfungen in den oberen Flussthäleru der Salzach etc. 129
die Unzulänglichkeit solcher Arbeiten bemerklich, indem nach aber-
mals wenigen Jahren die ungehindert fortdauernden Grundursachen
der Versumpfung ihre theils stetige, theils plötzliche Wirkung fort-
setzten und nach zahllosen Metamorphosen einzelner Thalabschnitte,
die bald neu bebaut, bald versumpft oder verschüttet, bald abermals
cultivirt wurden, der Thalsohle die jetzige Gestalt gaben. Ferner
wurde um 1596 die Salzach bei Bramberg überworfen, ebenfalls
ohne dauernden Erfolg. An der Mündung des Dürrenbaches wird seit
Menschengedenken an der Abtragung und Sicherung des Schuttbettes
gearbeitet, aber immer zerstört das nächste Jahr die Arbeit des frü-
heren; und so an zahlreichen Punkten des Thaies, deren localen
Gebrechen freilich auch nur durch ganz locale, meistens sehr man-
gelhafte Bauten von Seite der Adjacenten entgegen gearbeitet wird.
Was aber in früheren Jahrhunderten langsam und selten geschah,
muss jetzt rascher und häufiger eintreten, da sich seither durch die
nun nicht mehr zu paralysir enden Folgen der Entwaldung die
Factoren der Verschuttung bedeutend gesteigert haben, und überhaupt
auch die Zeit mit in Rechnung kommt, welche gute und schlimme
Wirkungen unmerklich summirt und daher in späteren Jahrhunderten
die Resultate der Verschuttungen und Versumpfungen ebenso augen-
fälliger machen wird, wie sie die Lava eines Vulcanes anhäuft, den
Niagara-Fall tiefer gegen den Erie-See zurückschiebt, das Nil-Delta
verbreitert.
Wir leugnen nicht den Grundsatz, dass der Mensch dort, wo
Abhilfe möglich, seinen Boden trotz Natur uud Zeit vertheidigen
müsse, zuerst durch Hebung der Grundursachen, und, wenn dies
nicht möglich, wenigstens durch Palliativmittel, welche den Verlust
hinausschieben und die einzelnen Schläge minder fühlbar machen. Es
muss aber noch hinzugesetzt werden, dass dort, wo weder das eine
noch das andere mit verhältnissmässigen Mitteln ausführbar ist, für den
Menschen die neue Aufgabe hervortrete: in klarer und unbefangener
Unterscheidung des möglichen und unmöglichen auf Wünsche zu
resigniren, zu deren Erreichung nur solche Mittel führen könnten,
welche mit dem Werthe des zu Erreichenden in gar keinem Verhältnisse
stehen; dafür aber Kraft und Geld auf andere Unternehmungen zu ver-
wenden, welche reelle Production versprechen. Auf Pinzgau angewen-
det, bedeutet dies nicht, dass das ganze Thal verlassen und verödet
Averden solle ; denn die gute Hälfte seiner Bewohner wird trotz der
Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. XXVI. Bd. 1. Hft. 9
\ 30 Lorenz. Vergleichende orographisch-hydrographische Untersuchung
Versumpfung der Thalsohle durch Alpenwirthschaft und Pferdezucht
an den sanfteren Gehängen und auf den Thalstufen der Tauernthäler
wie bisher in Wohlhabenheit bestehen können, wenn nur die
Pinzgauer Strasse fahrbar und den Bewohnern der beiderseitigen
Nebenthäler zugänglich bleibt, was bei der Lage dieser Strasse mit
geringen Mitteln zu erreichen sein wird; nur jener Theil der Bewohner,
welcher seine Existenz ausschliesslich oder doch vorwiegend auf den
Boden der Thalsohle gründet, müsste, statt aus ihrem eigenen und
der Begierung Säckel noch Millionen in den Sumpf zu werfen, mit
einer Staats-Unterstützung, welche nur einen kleinen Theil der frucht-
los aufgewendeten Entsumpfungs- Kosten betragen würde, sich
anderswo ansiedeln. Hiezu wäre, um nur ein Beispiel aus vielen
anzuführen, durch Bearbeitung der beinahe noch ganz unangetasteten
Torfmoore des nordsalzburgischen Hügellandes, welche zusam-
men nach meinen in ministeriellem Auftrage ausgeführten Unter-
suchungen 5000 Joch betragen, ein nahe liegendes Mittel gege-
ben, indem sowohl der Abbau des Torfes als die Cullivirung der
in Colonien zu theilenden Oberfläche oder auch des blossgelegten
Untergrundes einen nachhaltigen Erwerb darbietet. Würde die hohe
Staatsverwaltung diese Moore, welche gegenwärtig noch sehr niedrig
im Preise stehen , ankaufen , unter den von der Nationalökonomie
gebotenen Vorsichten unter die ausgewanderten Pinzgauer vertheilen,
und sie zur Ausbeutung der zahlreichen, aus den Torflagern zu zie-
henden Vortheile anleiten lassen , so wäre mit einer verhältnissmässig
unbedeutenden Auslage unendlich mehr gewonnen, als durch die für
die Dauer unhaltbaren Entsumpfungs-Arbeiten. Die wenigen Märktler
und Dörfler aber, welche sich weder zur Alpenwirthschaft in der alten
Heimath, noch zur Urproduction oder Industrie in der Nachbarschaft
herbeilassen, sondern, ohne den Umständen Bechnung zu tragen, an
der versumpften Thalsohle verbleiben wollen , verdienen es gewiss
nicht, dass man zu ihrem Tröste allein den kostspieligen Schein
einer Bettung fort erhalte.
Wenn es hart ist, einem Theile der Bevölkerung seine geliebte
Heimath für verloren erklären zu müssen, und noch härter für die
davon betroffenen, den ererbten Boden der Väter zu verlassen, so
mag diesen Schritt wenigstens die Überzeugung rechtfertigen, dass
hier die zwingenden Ereignissenach menschlicher Voraussicht wirklich
unabwendbar seien; ja , man möge sogar aus der Notwendigkeit eine
der Versumpfungen in den oberen Flussthälern der Salzach etc. 131
Tugend machen, indem man hervorhebt, dass die Aufopferung eines
Theiles der Thalsohle von Oberpinzgau das einzige Mittel sei,
um die Ufer des durch Schifffahrt und Agricultur
unstreitig noch wichtigeren Mittellaufes der Salzach
vor der Unmöglichkeit ihrer Regulirung zu bewahren.
Da nämlich die Wasser- und Schuttmassen einmal durch die Natur des
sammelnden Terrains gegeben sind, müssen sie nach Naturgesetzen
auch aus diesem Terrain weggeführt, und, da sie unmöglich durch die
geringe .Geschwindigkeit des Unterlaufes bis zum Meere getragen
werden können, irgendwo unterwegs deponirt werden. Lassen sich die
Geschiebe nicht schon in den Nebenthälern zurückhalten — was
im Pinzgau, nach unseren früheren Erörterungen, zwar durch Abklä-
rungsbecken möglich, aber zu kostspielig wäre — so ist das natür-
liche Depositorium der Oberlauf des Flusses, und zwar nicht allein
nach Naturgesetzen, sondern auch in nationalökonomischer und tech-
nischer Rücksicht, weil die Geschiebe desto vielseitiger schaden, je
weiter sie in grosser Menge zu den Gebieten der Schifffahrt vor-
dringen; dies letztere muss aber unausweichlich erfolgen, wenn sie
unaufgehalten durch das Gebiet des Oberlaufes hindurchgelassen
werden. Es gesellt sich also zur Naturnotwendigkeit auch noch die
Zukunft der Salzach-Schifffahrt und der die Oberpinzgauer
Thalbewohner an Anzahl noch weit übertreffenden Anwohner des
Mittel- und Unter lau fes derSalzach, um unsern Vorschlag
zu begründen.
Gegen unsere Ansicht und deren Consequenzen dürften sich,
wenn auch unsere Argumente nicht mehr direct angestritten werden,
noch jene Andersdenkenden erheben, welche ihre Hoffnungen bezüg-
lich der Entsumpfuug Oberpinzgau's nicht auf die Natur der Dinge,
sondern auf historische Reminiscenzen gründen, „indem das, was
einmal schon da war, wieder werden könne", nämlich ein wohlha-
bendes Pinzgau, von dessen Vergangenheit die Chronik viel Günsti-
ges berichtet. Selbst viele Sprichwörter und Namen, wie: „Stuhl-
felden ist sich selber gleich, Mittersill ist gar ein Königreich^, oder:
„die drei Könige des Pinzgaues" u. s. w. erwecken noch heute nicht
nur die Erinnerung an ehemalige Rlüthe, sondern, auf Grund dersel-
ben, auch die Hoffnung einer Wiederkehr der alten Zeit.
Um aber die Vergangenheit richtig zu beurtheilen , muss man
die Redingungen des darna ligen Wohlstandes genauer würdigen.
132 L o r e nz. Vergleichende orographisch-hydrographische Untersuchung
Die Elemente und Bedingungen desselben waren: für die Älpler die
Viehzucht, für die speciflschen Märktler der Bergbau zum
Theile, ferner der Handel über den Tau er n, endlich die von den
Landesherren gewährten besonderen Privilegien.
Nur die Viehzucht kann auch heutzutage noch dauernden
Wohlstand begründen. Der Bergbau (auf Kupfer und in alter Zeit
auch auf edle Metalle) hat sich vermöge des eigentümlichen Vor-
kommens der Erze, welches häufig kostspielige Hoffnungsbauten erfor-
dert, als wenig productiv erwiesen; auch sind mehrere derselben
durch Lawinen und Gletscher zerstört und bedeckt worden, was zur
Aufnahme solcher Arbeiten nicht ermuntert; endlich fehlt das Holz
zur unerlässlichen Zimmerung.
Dem Handel kann unter den gegenwärtigen Verkehrsverhält-
nissen nie mehr zugemuthet werden, den Tauernweg zu nehmen. Die
Privilegien endlich haben durch die allgemeine Entfaltung der Indu-
strie und des Handels längst ihre Wirksamkeit verloren.
Gerade jene Bedingungen also, denen nicht die Alpler, sondern
die Bewohner der Thalsohle ihren Wohlstand verdankten, haben für
immer aufgehört, und auch ohne die Versumpfungen würde
derselbe nicht wiederkehren, da seine specifischen Ursachen
nicht mehr vorhanden sind.
Es ist also ein arger MissgrifF, von der Entsumpfung Folgen zu
erwarten , welche mit ihr in keinem Causalnexus stehen , und die
Geschichte selbst lehrt dasselbe, was durch die Naturwissenschaft
begründet wird: dass nur den Älplern und den für deren Bedarf an
Industrieproducten nöthigen Handwerkern in der Heimath eine gün-
stige Zukunft blühen könne, nicht aber denjenigen, welche aus-
schliesslich oder vorwiegend auf die Thalsohle speculiren.
Da die beiden folgenden Gebiete sich vorzüglich nur durch die
Abwesenheit derjenigen Eigenschaften, welche im Ober-Pinzgau
so verderblich wirken, von diesem letzteren unterscheiden, soll, um
ein gar zu trockenes Schema aus blossen Verneinungen zu vermeiden,
in den beiden nachstehenden Abhandlungen zwar dieselbe Ordnung
derObjecte wie in der vorigen, jedoch ohne die fortlaufende Numer i-
rung der untersten Glieder des Schema's, eingehalten
werden.
der Versumpfungen in den oberen Flussthälern der Salzach etc. 133
Die Versumpfungen des Hauptthaies im Pongau.
(Hiezu Karte II.)
I, Factoren der Iberwässemng.
A. Auf der Seite der Tauernthäler.
i. Was zunächst die Factoren der Wasser menge anbelangt,
so fehlen hier gänzlich die Gletscher und mit ihnen die sich gegen-
seitig steigenden Bedingungen der häufigen und massenhaften atmo-
sphärischen Niederschläge einerseits, und der Schmelzung des Glet-
schereises andererseits. Da diese Factoren der Wasserlieferung eben
die wirksamsten und in ihren Folgen gefährlichsten sind, liegt schon
hierin allein eine sehr wesentliche Verschiedenheit der hydrogra-
phischen Verhältnisse des obersten Ennsthales im Vergleiche mit jenen
des oberen Salzachthaies.
Das sammelnde Terrain jedes einzelnen Baches ist hier,
wie die Karte zeigt, im Ganzen etwas grösser als im Pinzgau, und
die secundären Nebenthäler sind zahlreicher, dabei ist die Ent-
wickelung der einzelnen Gehänge-Abschnitte mehr grossgliederig,
einfach und abgerundet. Diese Terrainsverhältnisse bedingen bekannt-
lich eine reichliche Sammlung der meteorischen Niederschläge zu
den Hauptbächen.
Die Wirkung dieser Factoren wird aber zum grössten Theile
wieder paralysirt durch die Vegetationsdecke des sammelnden
Terrains, indem hier nicht nur die unteren Thalstufen und Gehänge
theils bewaldet, theilsmit dichten Alpenmatten belegt erscheinen, son-
dern selbst die von ferne kahl aussehenden Tauernhöhen mindestens
mit Gesträuch, kurzem Grase und Moosen überkleidet sind, so dass nur
die höchsten Zinnen und die hie und da aus den Gehängen hervor-
ragenden schrofferen Zacken ganz nackt bleiben. Die Gestalt der
Nebenthäler befördert weit weniger als im Pinzgau den unheil-
bringenden Sturz grosserWassermassen ins Hauptthal. Die Bachbetten
sind nämlich hier nicht gerade Steilrinnen, sondern ziehen sich in
Krümmungen, und schon 4000 bis 6000 Klafter vor dem Austritte ins
Hauptthal mit einem GefäHswinkel von durchschnittlich blos 1° 30'
herab , während im Pinzgau selbst die letzten Abschnitte des Laufes
3°, 5° auch 8° Gefällswinkel haben. Dieses Herabsinken des Gefälles
schon in so bedeutender Entfernung vom Hauptthale, beseitigt ganz
{34 Lorenz. Vergleichende orographisch-hydrographische Untersuchung
die grossen Gefahren , welche mit dem plötzlichen Hervorstürzen
riesiger Wassermasssen, wie es im Pinzgau der Fall, verbunden sind.
B. In den Parallelzugs-Thälern.
Hier wiederholen sich, nur in noch kleinerem Massstabe, die
Verhältnisse der Tauernseite; eine Ausnahme macht nur der durch-
schnittliche Gefällswinkel der Nebenbäche, indem dieselben hier bis zum
Hauptthale eine sehr beträchtliche Senkung haben, so dass sie wenige
Schritte vor dem Austritte noch kleine Mühlen treiben. Die hieraus
drohenden Gefahren werden aber fast gänzlich durch die Zersplitte-
rung der Niederschläge und des Schmelzwassers in äusserst zahl-
reiche Rinnen aufgehoben, weil dadurch auf keinen einzigen dieser
Bäche eine bedeutendere Wassermenge kommt. So fliessen zwischen
Radstadt und Mandling nicht weniger als 45 solche kleine Bäche
über die Gehänge des Schwemmberges herab, sämmtlich mit Ge-
sträuch und Unterholz gesäumt, zum Zeichen ihrer geringen Gewalt-
tätigkeit. Der einzige grössere Bach der Parallelzugs-Seite ist die
Mandling, welche, zum Theile aus vorgeschobenem Gletscher-Eise
des Dachstein-Stockes entspringend , eine bedeutendere Menge von
kleineren Wasseradern sammelt und oft mit mächtigen Fluthen zur
Enns hinabstürzt. Allein auch hier werden durch einen besonders
günstigen Umstand grössere Gefahren verhindert; die Mandling er-
giesst sich nämlich in dieEnns gerade an jener Stelle, wo die letztere
mit einem beinahe Wasserfall-ähnlichen Gefälle durch den Engpass
von Mandling eilt, so dass selbst die Hochwässer des Baches leicht
und rasch abgeführt werden.
Die Gefahren der Überwässerung sind demnach auf dieser Seite
des Hauptthaies noch weit geringer als an der entgegengesetzten.
II. Factoren der Verschattung.
A. Auf der Seite der Tauernthäler.
Insoweit die Bildung des Detritus von der Gesteins-
beschaffenheit abhängt, sind die Bedingungen derselben hier in
weit geringerem Masse vorhanden als im Pinzgau. Die Gehänge
des sammelnden Terrains bestehen in den hinteren (oberen) Regionen
der Tauernthäler fast durchgehends aus dem dystrimmogenen Rad-
städter Kalke, nur zu einem geringen Theile aus miotrimmogenen
Radstädter Schiefer; die unteren Thalabschnitte gegen das
der Versumpfungen in den oberen Flusslhiilern der Salzach etc. 135
Hauptthal hin sind zwar grösstenteils aus pliotrimmogenen Glim-
mer-Talk- und Grauwackenschiefern gebildet, welche Lettenschutt
liefern; da aber die folgenden Factoren wieder der Erzeugung des
Schuttes entgegenwirken, erreicht sie hier selbst im Bereiche der
Schiefer nur einen verhältnissmässig geringen Grad von Bedeutung.
Die dichte Vegetationsdecke nämlich , von welcher gerade jene ge-
fährlicheren Schuttbildner verhüllt und gebunden werden, übt sehr
auffallend ihren wirksamen Schutz gegen den Zerfall des Gesteines;
auch ist durch die Abwesenheit der im Pinzgau so häufigen Wechsel
von Frost und Thauen abermals eine wichtige Bedingung der raschen
und reichlichen Verwitterung beseitigt.
Die Abfuhr grösserer Detritus-Mengen zum Hauptthale wird
durch sämmtliche einschlägige Factoren in günstiger Weise aufge-
halten. Die oben erwähnten kleinen Gefällswinkel , unter welchen
die Tauernbäche dem Hauptthale sich annähern , machen die Fort-
schaffung schwerer Schuttmassen zur Unmöglichkeit, indem sämmt-
liche grössere Trümmer und dichtere Lettenmassen an den Punkten
der Gefällsverminderung abgesetzt werden und nur feiner Schlich
und leichter Plattenschutt zum Hauptthale gelangt. Die Krümmun-
gen der Bäche geben eben so viele Anlässe zur Deponirung des
Schuttes innerhalb der Nebenthäler; insbesondere ist der Umstand
wichtig, dass alle Tauernbäche, mit Ausnahme des Treinl-Baches,
vor ihrem Austritte ins Ennsthal eine fast rechtwinkelige Krümmung
machen und bei der dadurch veranlassten örtlichen Verminderung
der Geschwindigkeit noch viel Detritus fallen lassen. Endlich betragen
die Mündungswinkel durchschnittlich 45°, wodurch die anstandslose
Weiterschaffung des Detritus mittelst der Enns selbst wesentlich
erleichtert wird.
B. Auf der Seite der Parallelzugs-Thiiler.
Die Bedingungen der Schuttbildung stehen hier so wie
auf der Tauernseite, nur fehlen die dystrimmogenen Gesteine und
herrschen fast ganz allein die grauen pliotrimmogenen Schiefer.
Die Abfuhr des Schuttes ist hier vermöge der starken Nei-
gung der Thalrinnen sehr rasch und vollständig, und würde das
Hauptthal sehr bedrohen, wenn nicht, — was schon früher er-
wähnt — die Verkeilung des abzuführenden Detritus auf eine
ganz ungewöhnlich grosse Anzahl von Bachrinnen ein natürliches
Hinderniss der Vereinigung bedeutenderer Schuttmassen wäre.
136 Lorenz. Vergleichende orographisch-hydrographische Untersuchung
Nach dieser Skizzirung der orographisch- hydrographischen
Verhältnisse des sammelnden Terrains werden die Leser schon im
vorhinein erwarten, dass eine kurze Schilderung der einzelnenNeben-
thäler hier die ominösen Spuren vergangener und die drohenden
Gefahren künftiger Verwüstungen nicht in solcher Zahl und Furcht-
barkeit weisen werde, wie wir sie in den Pinzgauer Tauernthälern
fanden.
Skizzirung der einzelnen Nebenthäler.
DasUrsprungs-ThalderEnns gehört, so wie jenes derSalz-
ache, selbst zu den Tauernthälern, und ist also hier als das erste in
der Reihe zu betrachten.
Zwischen dem Kraxenkopf und der Brettwand, zweien nach Nor-
den hervortretenden Tauernbergen, bleibt ein mit miotrimmogenem
und dystrimmogenem Gehängeschutt ausgekleidetes kesseiförmiges
Thal, dessen hintere Partien mit immerwährendem Lawinen-Schnee
(nicht Gletscher) bedeckt sind. Dort, wo am vorderen (unteren) Ende
dieses Thaies, welches durch zwei mächtige Felsblöcke beinahe ganz
abgesperrt wird, der Gehänge-Schutt aufhört, kommen theils aus dem
Gerolle, theils aus Felsenspalten, die klaren Quellen derEnns hervor,
welche sich in geringen Abständen vereinigen und dann zwischen
Felswänden dem nächst unteren Thale , die unteren Enns-Alpen
genannt, zustürzen.
Die Filtration, welcher die von den Gehängen des obersten
Ursprungs-Thaies kommenden Gewässer theils auf ihrem Wege
durch das Gerolle, theils zwischen den Felsenspalten unterworfen
werden, bewirkt, dass die Quellen der Enns weit reiner bleiben als
jene der meisten anderen aus offen rinnenden Adern zusammen-
fliessenden Tauernbäche.
Das Thal der unteren Enns-Alpen, in welches der Bach mit
steilem Gefälle eintritt, hat nur geringe Neigung, und die Enns
durchmesst dasselbe ruhig in einem breiten Rinnsale, welches von
keiner Seite her wesentlich bedroht ist, indem das am linken Ufer
ansteigende Berggerölle grösstenteils schon zur Viehweide über-
wachsen ist, und am rechten Ufer sanft geneigte Weidegründe, von
Gebüschen und Gehölzen unterbrochen, sich hinziehen. Erst am
Ausgange verengt sich das Thal bedeutend und bietet durch die hier
steilen und näher zusammentretenden pliotrimmogenen und mio-
der Versumpfungen in den oberen Flussthälern der Salzach etc. 137
trimmogenen Gehänge, über welche sich oftRegenbäche herabstürzen,
einige Gefahren, die sich jedoch seit Menschengedenken nie verwirk-
licht haben.
Nachdem die Enns das Thal der unteren Alpen verlassen,
schneidet ihr Rinnsal immer tiefer in die Grauwackenschiefer ein,
welche am rechten Ufer hohe, steile Gehänge bilden, und nicht
selten bedeutendere Schuttmengen, besonders vom „Penzek" her,
herabsenden, wodurch dieserTheil des Thaies der am meisten gefähr-
dete wird. Weniger bedrohlich gestaltet sich das linke Ufer dieses
Thalabschnittes; es ist minder steil, bewaldet, und liefert, ausser
dem entholzten und dadurch verwilderten Grünbichl-Graben , keine
reissenden Zuflüsse. Durch diese Schluchten -Region eilt die Enns
sehr rasch, oft mit gähem Falle, und tritt dann mit dem Anfange des
Flachauer Thaies in eine sandige und steinige Ebene, welche sie
ruhig und unter Absetzung der von oben mitgeführten Schuttmassen,
Wurzeln und Stämme, durchfliesst. Am unteren Ende dieser Aue tritt
der Pleisslingbach zur Enns, welcher, nach anfangs steilem Falle,
in einem ebenern Thalabschnitte seinen Detritus grösstenteils abge-
setzt hat und daher nur wenig beladene Wässer zuführt.
Mit der Pleissling vereinigt, eilt die Enns, zwischen grossen in
ihrem Bette zerstreuten Felsblöcken dahinbrausend , dem unteren
weiten Abschnitte des Flachauer Thaies zu, und nimmt am linken
Ufer den Kessel- oder Walchaubach, den Rohrbach und denGriesbach;
am rechten Ufer das Wasser des Wrindbichlgrabens auf. Von diesen
Zuflüssen hat stets nur der Griesbach bedeutendere Verwüstungen
angerichtet; zuletzt in den Jahren 1829 und 1832.
Bei Flachau selbst ist die Enns regulirt; der grösste Theil ihres
Wassers läuft in einem anfangs gemauerten, dann hölzernen Gerinne
zu den Flachauer Eisenwerken; der Rest fliesst in dem tiefer lie-
genden ursprünglichen Bette ab, vereiniget sich bald wieder mit
dem Werkwasser, und nimmt seinen Lauf in gerader Richtung nörd-
lich bis ausser Reitdorf.
Dort mündet der von Westen kommende Litzlingbach ein, und
die Enns krümmt sich, stets raschen Laufes und zwischen hohen
Dämmen eingeengt, nach Osten ab, womit ihre Rolle im Hauptthale
beginnt.
Der zweite Tauernbach ist der Zaucbbach, welcher aus dem kleinen
von Alpentriften umgebenen Zauchen-See am Fusse des Bärenstaffels
138 Lorenz. Vergleichende orographisch-hydrographische Untersuchung
kommt, das enge, sehr stark bewaldete Zauchthal mit steilem Ge-
fälle durehfliesst und viele kleine aber reissende Giessbäche auf-
nimmt, die ihm von steilen Seitengräben zugeführt werden und oft
bedeutende Mengen von Sand und Gerolle, jedoch keinen peli-
schen Detritus, mitbringen. Der rasche gerade Lauf und das enge
Beit des Zauchbaches gestatten keine Ablagerungen seines Schuttes
innerhalb des Tauernthaies; es treten daher nicht selten grössere
Massen desselben, freilich nicht zu vergleichen mit jenen der
Pinzgauer Bäche, bis zur Mündung ins Hauptthal heraus, wo sie
die Ortschaft Altenmarkt wiederholt gefährdet haben. Gegen solche
Gefahren wurde an der Ausmündung des Zauchthales ein Sediment-
Kasten gebaut, welcher, im Vereine mit einem 2 bis 3 Klafter über
dem Boden laufenden hinlänglich weiten Bett-Damme, bisher genügt,
um das Hauptthal zu schützen; ja, es sind Häuser nicht nur in der
Nähe und längs des Dammes, sondern unmittelbar an den Damm selbst
angebaut und nie in Gefahr gekommen.
Der dritte Tauernbach ist die Tau räch. Sie entspringt am
Seekahr-Spitz hauptsächlich aus zwei Bächen, welche sich unterhalb
des Tauernfriedhofes (am Pass der Tauernstrasse) vereinigen; sie
werden „Grünwald-Taurach" und „Hundsfeld-Taurach" genannt.
Die erstere kommt aus dem gerade unter dem Seekahr-Spitz
gelegenen Krummschnabel-See, fliesst in den grösseren Grünwald-
See und dann zwischen klippigen Felswänden in gähem Falle zur
Hundsfeld-Taurach. Diese letztere entspringt theils aus Quellen, theils
aus einem kleinen See im „Seekahr" und fliesst als ein schon ziem-
lich bedeutender Bach ins Hundsfeld und den gleichnamigen See,
welcher früher bis nahe an die Tauernstrasse reichte, nun aber durch
einen Damm auf einen kleineren Baum im hinteren Theile des Tha-
ies zurückgedrängt ist. Solche Bauten in den oberen Begionen der
Tauernthäler dieses Gebietes müssen selbst den Touristen auf einen
grossen Unterschied zwischen Art und Grad der Wasserwirkungen,
welche hier eintreten, und jenen welche im Oberpinzgau herrschen,
aufmerksam machen.
Durch den nun trocken gelegten Theil des ehemaligen Seebettes
fliesst der Bach ruhig bis zu jener Felsenenge, welche einst den See
abgeschlossen haben mochte, und durch welche das Wasser sich wie
durch eine Klamm abwärts wälzt zur Vereinigung mit der Grünwald-
Taurach. Dystrimmogene Kalke und miotrimmogene harte Schiefer
der Versumpfungen in den oberen Flussthäleru der Salzaeh etc. 139
bilden das anstehende Gestein an den Ufern beider Bäche bis nahe
vor ihrem Zusammentritte; nur minder bedeutende Mengen von Plat-
ten- und Trümmerschutt gelangen in den Bereich jener Wässer.
Die Ta urach geht nun abwechselnd bald langsam, bald rascher
fliessend bis zu der plötzlich abstürzenden Thalspalte, in welche der
eng zusammengedrängte Bach als „Johannesfall" hinunter toset,
womit er in das Gebiet der „Gnadenalpe" eintritt. Hier rinnt er
anfangs schneller, dann allmählich langsamer, stets beiderseits von
Alpenmatten begleitet und ohne Spuren weder von Hochfluthen noch
von Schuttgängen, bis zum Beginne jener Schluchtenregion, welche
das weite und fast ebene Hochgesenke der Gnadenalpen mit dem
Thale von Untertauern verbindet. In diese Region stürzt der Bach
mit dem sogenannten „Gnadenfall" (an der Gnadenbrücke), und
durcheilt sie, beiderseits von steilen dystrimmogenen Kalkwänden
eingeengt, und allmählich seine Geschwindigkeit verringernd, je mehr
er sich der Thalvveitung von Untertauern nähert.
Sämmtliche Zuflüsse, welche die Taurach von ihrem Ursprünge
bis zu ihrem Unterlaufe (Untertauern) aufnimmt, sind theils vermöge
des herrschenden dystrimmogenen Gesteinscharakters ihrer Sammel-
gebiete, theils vermöge der durchschnittlich vorwiegenden Pflanzen-
decke fast ganz ungefährlich.
Solche Zuflüsse sind: In der Nähe des Johannesfalles am linken
Ufer ein Gewässer aus dem Wildensee, wenig mächtig und nur wenig
Trümmerschutt führend; ferner bei Hinter-Gnaden ein aus der Gegend
von Oberpleisling zusammenfassender Bach, welcher zwar bisweilen
grosse Schuttmassen führt, dieselben aber vor seiner Vereinigung mit
der Taurach auf dem sanft geneigten, beinahe horizontalen Terrain
der Hinter-Gnadenalpen absetzt; ausserdem noch mehrere unbenannte,
aus schmalen Seitengräben kommende Giessbäche.
Der Unterlauf der Taurach bis zurEnns hat ein rasches Gefälle
und keine bedeutenden Zuflüsse. Zwar sind am rechten Ufer einige
Gräben in dem pliotrimmogenen Schiefer, welcher hier unter dem
Radstädter Kalke hervortritt, eingeschnitten; die herabgeführten
Scliuttmassen lagern sich jedoch schon auf der ziemlich breiten
Stufe ab, welche sich zwischen diesen Schiefergehängen und dem
tief unten liegenden Tbalwege der Taurach der Länge nach hinzieht.
So tritt dieses Wasser, wenngleich zuweilen hoch angeschwollen,
doch nie schuttbeladen, ins Hauptthal heraus, wo es, etwa eine halbe
|40 Lorenz. Vergleichende orographisch-hydrographische Untersuchung
Stunde von Radstadt in ein gezimmertes Rinnsal gefasst, höher als
der Thalboden hinläuft.
Am Mühlberge, dem vordersten rechtseitigen Grenzposten des
Tauernthaies, wendet sich die Taurach östlich, fortwährend gedämmt
(zuletzt nur linkseitig), und ergiesst sich, nachdem sie eine Strecke
parallel mit der Enns gelaufen, unter einem sehr spitzen Winkel in
dieselbe. Bei Hochwässern tritt die Taurach nicht selten über ihr
gezimmertes und gedämmtes Rinnsal und verursacht Verwässerungen,
nie aber Verschuttungen der anliegenden Gründe, welche übrigens
auch noch durch Quellen und die Überwässer der Enns selbst sowie
des später noch zu erwähnenden Loh-Baches versumpft sind.
Den nun skizzirten drei Tauernthälern entsprechen auf der
Parallelzugsseite nur sehr unbedeutende, jedoch zahlreiche Gräben,
welche in dem pliotrimmogenen Schiefer (Grauwacke) des lang-
gedehnten Schwemmberges eingeschnitten sind. Vom Beginne des
Hauptthaies bis Mandling zählte ich 52 solcher Bächlein, welche mit
auffallender Gleichförmigkeit den Abhang durchfurchen, meistens mit
Sandkästen versehen sind, bisweilen kleine Mühlen (natürlich ober-
schlächtig) treiben, unter der Strasse durchgehen und auf schmalen
Schuttdämmen von vorwiegend pelischem Charakter quer über die
nassen Wiesen des Hauptthaies in die Enns fliessen. Der grösste aus
ihnen ist der Lerchenbach.
Erst am Abschlüsse des Radstädter Hauptthaies, am Passe Mand-
ling, welcher die Enns ins obersteirische Gebiet hindurchlässt, kommt
ein grösseres Gewässer mit dem Charakter der Tauernbäche von der
Parallelzugsseite her; es ist die oben erwähnte Mandling, welche
ihren Ursprung auf den südlichen Abstufungen des Dachstein-
Gebirgsstockes hat, und desshalb nicht eigentlich dem Parallel zuge
angehört, sondern nur denselben von rückwärts quer durchschneidet.
Die beiden erst an dem nördlichen Fusse des Parallelzuges sich
vereinigenden Zweigbäche, die westlichere „warme Mandling" und
die östliche „kalte Mandling" laufen anfangs über steile, hie und da
abgestufte, tief eingeschnittene Rinnsale oft zwischen hoch aufge-
schichteten Geröllmassen, welche durch Einsaugen selbst grösserer
Wassermengen mehr Schutz als Gefahr bieten. Die warme Mandling
besitzt überdies noch vor ihrer Vereinigung mit der kalten eine sehr
massive Schleuse, welche mit Erfolg jede hier zu gewärtigende
Schuttmenge aufzuhalten vermag. Die vereinigte Mandling durch-
der Versumpfungen in den oberen Fiussthälern der Salzach etc. 141
schneidet den pliotrimmogenen, ziemlich reich bewaldeten Parallel-
zugs-Rücken (Schwemmberg) in einem stets engen Bette mit hohen
Ufern, welches mehr durch seine steilen, jedoch nicht überhängenden
und wenig von secundären Rinnsalen durchfurchten Abhänge als
durch die Natur des Gesteines vor übergrossen Verschuttungen be-
wahrt wird.
Verhältnisse des Hanptthales.
Die Enns besitzt auf ihrem Wege durch das Radstädter Thal,
bei einem Gefällswinkel von 0° 19' bis 0° 20' (während die Salzach
zwischen Mittersill und Brück nur 0 <> 4' hat), eine hinlängliche bewe-
gende Kraft, um ihre eigenen Gewässer und den ohnedies leicht
beweglichen kleinen und nicht häufigen Schutt, aus losem glimme-
rigen Sande, Plättchen und Gerolle bestehend, abzuführen. Nur
die ziemlich hohe Lage des Flussbettes, dessen Grund zwar noch
nicht über der umgebenden Thalsohle liegt, jedoch so weit gehoben
ist, dass das Niveau des gewöhnlichen Wasserstandes in gleicher
Ebene mit der Thalsohle liegt, setzt die umliegenden Gründe der
Überwässerung aus. Diese werden durch die Beiträge der mit der
Enns eine Strecke lang parallel laufenden und zum Theile mehr als
der Fluss selbst gehobenen Bäche (Zauch und Taurach) , besonders
im Frühjahre, bedeutend vermehrt.
Wir finden also hier im Hauptthale vorwiegend reineÜber-
wässerungen ohne bedeutendere Verschuttung; aber auch die
Überwässerungen sind nicht rapid und grossartig wie im Pinzgau»
sondern verlaufen ruhig, allmählich, und lassen den Boden zwar durch-
feuchtet und häufig stark versumpft, jedoch nicht durchwühlt und
verschüttet zur ück ; es sind also rein c h r o n i s c h e Ü b e r w ä s s e r u n-
gen, welche nur durch die lange Dauer ihrer ungehinderten Herr-
schaft, nicht durch die Wucht ihres Andranges, die Thalsohle in
Besitz erhalten haben.
Der Anblick derselben zeigt uns bald die halbe, bald die ganze
Breite des Thalbodens in Moor umgewandelt; die Rasenstöcke hoher
Riedgräser, Schilf und Röhricht ragen aus dem ockerrothen thonigen
Schlich und glimmerigen Thone hervor, welcher, abwechselnd mit
Tümpeln und Lachen, die Oberfläche einnimmt; ein unentwirrbares
Netz von mehr oder minder langsam fliessenden Gewässern, welche
theils natürlich , theils künstlich aus der Enns und dem Zauchbache
142 Lorenz. Vergleichende orographiseh-hydrographische Untersuchung
abgezapft sind, durchfurcht den Boden, so dass oberhalb Radstadt
das Thal nur auf einem über seine ganze Breite reichenden Bretter-
stege überschritten werden kann, welcher bald auf klafterhohen
Pflöcken wippt, bald, durch ein einziges Brett repräsentirt, zum
Boden selbst sich herablässt. Diese Versumpfung reicht aber weder
weit noch tief. Nur zwischen Altenmarkt und Radstadt ist das
Inundationsgebiet, bei horizontaler Thalsohle, breit; von Radstadt
gegen Mandling nimmt der Querschnitt der Thalsohle mehr eine con-
cave Gestalt an, so dass die Überwässerung sich nicht viel in die
Breite erstrecken kann, und schiefe Rieselwiesen, insbesondere am
linken Ufer, sich weit über die Grenzen der Hochwässer erheben.
Die Versumpfung greift aber auch nicht tief, da sie nicht durch
plötzliche, den Boden durchwühlende Hochfluthen entstand, sondern
ganz allmählich um sich griff, so dass es möglich war, durch wenige
leichte Arbeiten den Hauptstrom der Enns in einem regelmässigen
Bette zu halten, in welchem er auch gegenwärtig ohne Überbreiten,
wenngleich in vielen Krümmungen, mit einem Gefälle von O03 Fuss
auf 1 Klafter, inmitten der ihn umgebenden stagnirenden Gewässer
dahineilt.
Es ist demnach einleuchtend , dass hier die Versumpfung des
Hauptthaies mitLeichtigkeit, und, was ebenso wichtig ist, ohne
Gefahr plötzlicher Rückfälle gehoben werden könne.
Da das Gefälle der Enns ohnedies hinlänglich stark zur Abfuhr
der Gewässer und des wenig bedeutenden Schuttes ist, wird nur zur
Vermeidung der Überwässer eine Austiefung des Bettes und
zugleich eine entsprechende Erhöhung der Ufer, endlich eine Cor-
rection der Krümmungen erfordert.
Die Austiefung kann hier um so leichter vor sich gehen, da von
Mandling an das Gefälle plötzlich zu einer Stromschnelle wird ; von
dort an lässt sich also leicht nach aufwärts austiefen , ohne einer
unteren Strecke das Gefälle zu gefährden. Zur Erzielung einer hin-
länglich tiefen Rinne ohnegrosseKosten wäre hier ohne Zweifel
das Guggenberger'sche1) System sehr zu empfehlen.
Die dauernde Sicherung einer Ennsthal-Entsumpfung ist schon
durch die Natur des ganzen Gebietes garantirt, woferne nur die
*) Studien nach der Natur I. Am Wasser. Von J. M. Guggenberger. Wien 1836.
der Versumpfungen in deu oberen Flussthälerii der Salzach etc. 143
nöthigen jährlichen Nachhilfen, deren consequente mehrhundertjäh-
rige Vernachlässigung allein zur gegenwärtigen Versumpfung geführt
hat, nicht versäumt werden. Diese Nachhilfen beschränken sich auf
die Räumung der zahlreichen Bächlein am linken Ufer der Enns und
der etwaigen Schuttbarren an den Mündungen der Tauernbäche;
wozu noch einige hier nicht vorauszubestimmende, doch jedenfalls
nur unbedeutende locale Arbeiten bei besonderen Gelegenheiten kom-
men dürften.
Der natürliche Schutz des Hauptthaies aber besteht in den
schon betrachteten günstigen orographisch- hydrographischen Ver-
hältnissen, vermöge welcher hier keine Gletscher die Wassermenge
steigern, ferner die aus den Niederschlägen zusammenrinnenden
Wasseradern zum Theile schon in den oberen und mittleren Höhen
durch die Vegetationsdecke zurückgehalten, dieSchuttbildung auf ein
geringes Mass beschränkt, und das plötzliche Hervorbrechen der
Tauernbäche wegen ihres geringen Gefälles und Mündungswinkels
verhindert wird, so dass hier gerade alle jene Bedingungen fehlen,
von welchen im Ober-Pinzgau das nicht zu bewältigende Übermass
sowohl der chronischen als der rapiden Versumpfungen herrührt.
Die Versumpfungen des Hauptthales im Lungau.
(Hiezu Karte III.)
1. Factoren der Iberwässerang.
A. Auf der Seite der Tauernthäler.
Die Bedingungen der Wasser menge gestalten sich im Lungau
ähnlich wie im Pongau. Die Gletscherdecke beschränkt sich hier auf
den einzigen , an dem Ursprünge des Radstädter Tauern aus der
Centralkette vom Hafner -Eck zum Sammelgebiete der Mur herab-
reichenden „Schneeleit'n-Kees", während der Radstädter Tauern
selbst, zwischen dessen südlich gerichteten Ästen die grössten
Zuflüsse der Mur herabkommen, auch auf der Lungauer Seite glet-
scherfrei ist. Wenngleich also hier, wie überall in der Nähe der
Hochgebirge, die Regenmenge ziemlich gross ist, erreicht sie doch
auch weder den hohen Betrag wie im Pinzgau, noch steigert sich die
Wassermenge durch aufgelöstes Gletschereis.
14-4 Lorenz. Vergleichende orographisch-hydrographische Untersuchung
Die Grösse des sammelnden Gebietes ist bei den einzelnen
Tauernthälern dieser Gegend durchschnittlich noch bedeutender als
im Pongau, sowie auch die grossmassige Entwickelung der
Gehänge-Abschnitte hier noch mehr ausgeprägt ist. Wenngleich ver-
möge dieser beiden Verhältnisse schon die einzelnen secundären
Nebenbächlein eine grössere Wasserfülle besitzen, wird doch auch
hier durch die bis gegen die Gipfel reichende Vegetationsdecke der
Wassersammlung Abbruch gethan und dieselbe auf ein geringes
Mass beschränkt.
Gestalt und Gefälle der Nebenthäler erster Ordnung beför-
dern zwar vermöge ihrer wenig complicirten und gleichmässigen Ver-
hältnisse die Abfuhr des Wassers zum Hauptthale, verhindern aber,
wie im Pongau, durch das schon von der Mitte ihres Laufes begin-
nende, hier noch viel sanftere Gefälle (durchschnittlich 0° 30') die
gewaltsamen Wasserstürze gegen das Hauptthal. Eine eigenthümliche
Modification der Wasserabfuhr liegt hier in dem Umstände, dass die
vier letzten Tauernbäche (Weissbriach, Lignitz, Göriach, Lessach)
nicht direct in die Mur, sondern in den, durch die halbe Länge des
Hauptthaies mit der Mur parallel laufenden Taurachbach münden. Es
kommen daher zwei Aufnahmsrinnen der sämmtlichen zum Lungauer
Hauptthale synklinirenden Gewässer zur Betrachtung: die kürzere
Tau räch mit obigen vier grossen Zuflüssen bis zu ihrer Mündung
in die Mur bei Tamsweg, und die längere Mur mit einem einzigen
grösseren Zuflüsse von der Tauernseite (Zederhausbach) und zahl-
reichen kleinen Nebenbächen von der Parallelzugsseite. Beide Thal-
wege (der Taurach und der Mur) sind durch einen Höhenrücken
geschieden, welcher vom Speier-Eck an mitten durch das Hauptthal
zieht und dessen östlicher Theil den bezeichnenden Namen „Mitter-
berg" führt. Durch diesen sind daher beide Parallelhälften des Thaies
völlig geschieden und eine Verstärkung der Wässer des einen durch
diejenigen des andern ist unmöglich. Da demnach die Wasser-
menge des ganzen sammelnden Gebietes in zwei Theile getheilt
wird, liegt schon hierin allein ein natürlicher Schutz gegen grosse
Überwässerungen, wie sie aus dem Zusammendrängen der Wasser-
massen eines grossen Sammelgebietes in einen einzige nThal weg
hervorgehen.
Im Ganzen also liegen zwar in den oberen Begionen dieses
Terrains die Bedingungen einer reichlichen Bewässerung; die
der Versumpfungen in den oberen Flussthälern der Salzacli etc. 145
Üb er Wässerung aber wird durch die günstige Gestaltung des
Unter lauf es der Nebenbäche und des Haupttha 1 es selbst
hindangeh altem
B. Auf der Seite der Parallelzugs-Querthäler.
Die Nebenthäler dieser Seite kommen, obgleich auf derselben
die eigentliche Centralreilie der Alpen liegt, doch nicht direct von
derselben, sondern von einer mit ihr parallel streichenden Vorstufe
herab, welche durch das Malta-Thal von der Centralreilie getrennt
ist; die Querthäler dieser Vorstufe können also hier mit Recht Paral-
lelzugs-Querthäler genannt werden. Im Ursprungsgebiete dieser
kurzen und steilen Thäler sind keine Gletscher; die kleinen Dimen-
sionen lassen auch nur verhältnissmässige Wassermassen zusammen -
rinnen, welche überdies durch die auch hier ziemlich allgemeine und
dichte Vegetationsdecke beschränkt werden. DieFactoren der Wasser-
Menge sind also hier wenig entwickelt. Dagegen wird eine rasche
und zum Theile auch stürmische Abfuhr der Gewässer bis zum
Hauptthale durch das steile Gefälle und den geraden Verlauf der
Thäler bis zu ihrer Ausmündung befördert, so dass vermöge der
dadurch erlangten grossen bewegenden Kraft selbst durch die nicht
besonders reichlichen Wassermassen locale Verwüstungen ange-
richtet werden.
Wegen der Trennung des Hauptthaies in zwei Parallelhälften
kommt hier auch noch der Inbegriff jener Gewässer, welche an den
beiden Abhängen des Hollerbe rges und Mitterberges herab-
laufen, zur Betrachtung.
Diese sind wegen der geringen Ausdehnung des Gebietes auch
nur unbedeutend, und tragen ungeachtet ihres durchschnittlich sehr
steilen Gefälles nur wenig zur Veränderung des Hauptthaies bei.
11. Factoren der Verschattung.
A. Auf der Seite derTauernthiiler.
Die Bedingungen der Detritus-Bildung sind hier im Allgemeinen
sehr ungleichförmig, indem die dystrimmogenen Kalke mit miotrim-
mogenen Radstädter Schiefern und pliotrimmogenen Gneissen , Glim-
merschiefern u. s. w. wechseln, wobei wir, um Wiederholungen zu
vermeiden , auf die Karte III verweisen. Es ergibt sich aus dieser
Sitzb. d. mathein.-natuiw. Cl. XXVI. Bd. I. Hft. 10
\ 4 () Lorenz. Vergleichende orographisch-hydrographische Untersuchung
wechselnden Natur des Gesteines der Mangel eines allgemeinen
Charakters und das Vorwalten rein localer Verhältnisse bezüglich
der Schuttmengen, indem bald grosse, bald unbedeutende, bald mehr,
bald minder gefährliche Schuttformen zu ziemlich gleichen Antheilen
auftreten, was bei der Schilderung der einzelnen Thäler näher ange-
deutet werden wird.
Der Schutz und die Bindung des Gesteines durch die Vegeta-
tionsdecke wirkt gegen die Schuttbildung ebenso wie nach der frü-
heren Andeutung gegen die Wasserabfuhr. Auch die Witterungs-
verhältnisse üben wenigstens keine hervorragende Wirkung im Sinne
der Verwitterung.
Was endlich die Abfuhr des Detritus zum Hauptthale anbe-
langt, so wird ein gefährliches Übermass derselben durch die Weite
der meisten Thäler, ferner durch die Stufenbildung ihrer
Wände, endlich durch das sanfte Gefälle der Bäche verhütet.
Die Weite der Thäler, hier auffallend beträchtlicher als in den
beiden anderen Gauen, bewirkt, dass eine grosse Menge des Gehänge-
schuttes gar nicht bis zum Bache gelangt, sondern schon an den
beiden Thalränderu liegen bleibt. Durch die Stufenbildung der
Wände wird ebenfalls viel Schutt zurückgehalten und das an den
schroffen, oft überhängenden Thalwänden der Pinzgauer Tauernthälcr
so oft eintretende directe Abstürzen der Felsmassen in den Bach
verhindert.
Das Gefälle der Tauernbäche wirkt aus demselben Grunde, aus
welchem es die plötzliche Überfluthung des Hauptthaies verhindert,
zugleich auch auf Zurückhaltung des Detritus innerhalb der Neben-
thäler.
Das sammelnde Terrain enthält also hier die Bedingung bald
spärlicher bald reichlicher Schuttbildung, im letzteren Falle aber
zugleich die natürlichen Bedingungen der Zurückhal-
tung des Detritus vor der Ausmündung ins Hauptthal.
B. Auf der Seite der Parallelzugs-Querthäler.
Diese sind grösstentheils in den abwechselnd pliotrimmogenen
und miotrimmogenen Gneiss eingeschnitten, welcher Trümmer- und
Lettenschutt liefert. Die enge, schluchtenartige Form und das steile
Gefälle dieser Thäler befördert mit der Abfuhr der Gewässer zugleich
der Versumpfungen in den oberen Flussthiilern der Salzach etc. \ 47
jene des Schuttes in hohem Grade. Von dieser Seite kommen daher
weit häufiger als von der entgegengesetzten Marrgänge zum Haupt-
thale, und nur den unhedeutenden Dimensionen des Gebietes ist es
zuzuschreiben, dass die von Hochtluthen herbeigeführten Sehutt-
niassen nicht mehr Einfluss auf die Thalsohle Lungau's ausüben.
Die ebenfalls steilen, jedoch noch weit unbedeutenderen Gehänge-
rinnen des Hollerberges und Mitterberges sind, ungeachtet sie in
pliotrimmogenen Gesteinen verlaufen, doch weder durch die Masse,
noch durch die Beschaffenheit des von ihnen geführten Detritus
gefährlich.
Skizzirung der einzelnen Nebenthäler.
Das oberste Murthal, so weit es sich noch nicht zum Hauptthale
erweitert, sondern die Natur der übrigen Tauernthäler theilt, also
von seinem Ursprünge an der sogenannten „Schmalzgrube" bis in
die Gegend von Unterweissenburg, ist zuerst in rascher Folo-e
abgestuft; dann rücken die Stufen weiter auseinander, wechseln mit
Felsenengen und Tümpeln, und hören endlich in der Gegend des
Dorfes „Mur" ganz auf, so dass der Fluss mit gleichmässigem sanftem
Gefälle ins Hauptthal heraustritt. Die Wände des Thaies sind grössten-
theils fest, lassen weder Einsturz noch Unterwaschung befürchten,
und liefern vorwiegend groben Grus und Letten, wovon aber nur
geringe Quantitäten zum Hauptthale gelangen, so dass selbst die
grösste bisherige Überschwemmung, jene vom Jahre 1851, nicht
mehr als eine Beschlämmung der Ufergegenden herbeiführte,
deren befruchtende Wirkung sogar hie und da von den Anwohnern
gerühmt wird.
Der Zederhaus- Bach ist der erste Zufiuss der Mur von der
Tauernseite. Er fliesst von seinem Ursprünge, beim „Wasserfall",
bis zur Mündung in einer stetigen schiefen Ebene und hat weder
Uberbreiten noch Stromschnellen. Es gelangen zwar auch grosse
Trümmer von mehreren Centnern aus den Seitengräben zu seinem
Ufer; im Mittel- und Unterlaufe aber führt er vorwiegend nur feinen
Schlich. Auch seine Wirkungen zur Zeit der Herbstregen im Jahre
1851 werden als wenig bedeutend geschildert.
Der zweite Tauernbach ist die Tau räch, welche nahe an der
Wasserscheide des Badstädter Tauern, nur wenig entfernt von der
10*
|48 Lorenz. Vergleichende orographisch-hydrographische Untersuchung
Pougauer Taurach, entspringt, und bald darauf den gleich grossen
Lantschfeld-Bach aufnimmt. Bis zur Vereinigung haben beide Bäche
unregelmässige, oft abgestufte Betten ; von dort an laufen ihre
Gewässer im gemeinschaftlichen Bette, auch als Tweng-Bach bekannt,
mit massigem, gleichförmigem Gefälle dahin. Der von beiden Bächen
selbst in ihren obersten Abschnitten geführte Schutt ist in der Begel
fest und klein, von der Grösse des Strassenschotters und als solcher
auch häufig verwendet. Wenn ausnahmsweise grössere Quantitäten
desselben von der Taurach forlgetragen werden, setzen sie sich doch
immer noch innerhalb des Tweng-Thales ab.
Von dem Austritte ins Lungauer Hauptthal an gilt die Taurach
als Parallel-Hauptthiss und nimmt die nächstfolgenden vier Tauern-
bäche auf.
Der erste derselben ist der Weissbr ia ch- Bach. Auch er
besitzt zuerst ein oftmals abgestuftes Bett, welches allmählich in eine
sanft geneigte Ebene, zuletzt mit fast unmerklichem Gefälle, über-
geht. Murrgänge, Versandungen u. dgl. sind von diesem Bache gar
nicht bekannt; zur Zeit des Schneeschmelzens tritt höchstens hie und
da eine leichte Beschlämmung der anliegenden Gründe ein.
Der nun folgende Lignitz-Bach, aus einem kleinen See ent-
springend, hat schon von seinen obersten Abschnitten angefangen das
gleichmässige ruhige Gefälle, welches er bis zur Vereinigung mit
dem Göriach-Bache behält. Da er in seinem Oberlaufe häufig unmit-
telbar die zu engen Schluchten zusammenrückenden pliotrimmogenen
Thalwände berührt, treten bisweilen Unterwaschungen und Ab-
rutschungen ein , deren Schutt aber sogleich in den folgenden Thal-
weitungen abgesetzt wird.
Der Göria c h -Bach, ebenfalls aus einein Alpensee hervor-
gehend, hat einen sehr raschen Oberlauf, mit einem durchschnittlichen
Gefälle von 1 — 2 Zoll auf eine Klafter; von der Hillebrand-Alpe an
erweitert sich das bis dahin enge Thal, und der Bach fliesst ruhig
zwischen Wiesen und Weiden, hie und da Tümpel bildend. Im vor-
deren Göriach-Thale, etwa zu Anfang des letzten Drittheiles seines
Laufes, beginnt auf eine Strecke von etwa einer halben Meile wieder
ein rascheres Gefälle; der letzte Theil des Unterlaufes ist ruhig
und gleichmässig.
Der Oberlauf durchschneidet einige Male plaickige Stellen und
nimmt daraus wechselnde Schuttmengen fort, setzt sie jedoch noch
der Versumpfungen in den oberen Flussthälern der Salzach etc. J 49
vordem Mittellaufe ab. Der Lessach -Bach, aus fünf Gebirgs-
bächlein zusammcnfliessend, besitzt ein Gefälle, welches nur zwischen
mehr und minder ruhig wechselt, nie aber sehr rasch wird. Seine
Ufer bieten weder Abrutschungen , noch Unterwaschungen , noch
schuttreiche Nebenbäche, so dass er als einer der ruhigsten und
gefahrlosesten Tauernbäche bekannt ist. Wie geringe selbst im Falle
von Hochwässern seine Verwüstungen seien, ergibt sich unter ande-
ren aus dem Umstände, dass selbst von seinen Wirkungen im Jahre
1847 oder 1848, wo dem Vernehmen nach eine der grössten Über-
schwemmungen stattgefunden haben soll, weder wahrnehmbare
Spuren mehr bestehen, noch auch bestimmte Details erhoben werden
konnten.
Von den P a r a 1 1 e 1 z u g s - Q u e r t h ä 1 e r n ist nur das L e i s n i t z-
Thal einer besonderen Erwähnung werth, dessen Bach, zu Zeiten
ganz ausgetrocknet, bisweilen Zeugniss ablegt, wie gefährlich die
Gewässer dieser Seite wären, wenn sie grössere Sammel-Gebiete
hätten. DerGneiss der zu Abrutschungen sehr geneigten Thalgehänge
liefert Detritus in allen Dimensionen, welcher von Hochwässern bis
zum Hauptthale herausgeschüttet wird und dort dem Bache ein über
die Thalsohle hoch erhobenes Schuttbett bereitet hat. Dieser an die
Wirkungen der Pinzgauer Tauernbäche erinnernde Wildbach ist auch
der einzige, von welchem grössere Verwüstungen der Umgegend
von St. Margarethen aus dem Jahre 1851 bekannt sind.
Verhältnisse des Hanptthales.
Die beiden Parallel-Hälften des Hanptthales bieten, ganz im
Gegensatze zu jenen der Salzach und der Enns, einen sehr freund-
lichen und heiteren Anblick, und nirgends beirren Spuren von Ver-
wüstungen das dem Beobachter sich aufdrängende günstige Urtheil
über die natürliche Sicherheit dieser friedlichen Thäler.
Das Taurach-Thal wird seiner ganzen Länge nach von der
mit einem Gefällswinkel von durchschnittlich 0°29' fliessenden Tau-
rach zwar in vielen Krümmungen, jedoch ohne erhebliche Versum-
pfungen durchzogen. Unterwaschungen einiger Wiesenränder und
Bildung kleiner Scbotterbänke im Bette des Flusses sind alle wahr-
nehmbaren Nachtheile, die dieses Gewässer bringt; ja nicht einmal
die Sumpfwiesen, welche hier kein Röhricht sondern gewöhnlich
saures Heu liefern , reichen auf grössere Distanz von den beider-
| £)0 L <» r e n z. Vergl. orogr.-hydrogr. Untersuchung der Versumpfungen etc.
seitigen Ufern. Altersgraue Heu-Städel von mindestens vierzigjährigem
ungefährdeten Bestände sind dicht am Flusse vertheilt und Erlen mit
unversehrten Wurzeln besäumen häufig die unmittelbaren Fluss-
Ufer; lauter Zeugen des ruhigen Verlaufes der alljährlichen Hoch-
wasser. Die Mülidungs- Stellen der Seitenbäche sind frei von allen
bedeutenden Verschuttungen; ja, ganz nahe an der Mündung des
Lignitz-Baches steht eine Mühle, in unbeirrtem Vertrauen auf die
Gefahrlosigkeit dieses Gewässers.
Das eigentliche Mur-Thal, mit einem Neigungswinkel von
0° 16' bis 0° 24', besitzt nur wenige ganz local beschränkte Ver-
schuttungen von geringer Ausdehnung. Die Mündung des Zederhaus-
Baches in die Mur umgibt eine der lieblichsten Terrains Formen,
bekleidet mit grünen, zwar etwas wasserreichen, aber schuttfreien
Matten — und bildet den grössten Gegensatz zu den durchwühlten
und verschütteten Mündungen der Pinzgauer Tauernbäche. Von den
übrigen, weiter Mur abwärts aus den kleineren Nebenthälern hervor-
kommenden Bächen hat nur der schon oben als schuttreich charak-
terisirte Leisnitz-Bach eine bedeutendere Schutthalde ins Hauptthal
vorgeschoben. Die beiden Torfmoore unweit „Mooshain" gehören
nicht zu den Wirkungen der Mur, sondern verdanken ihre Entstehung
den kleinen vom Mitterberg abtraufenden und sich in der Ebene ver-
ästelnden Wasseradern, welche gegenwärtig theils durch dieStrasse
überbaut, theils im Moore versickert sind.
In beiden Hälften des Hauptthaies beschränken sich demnach
die Wassergefahren darauf, dass hie und da ein Zipfel Wiese oder
Weideland unterwaschen und weggerissen, und dass die am fern
gelegenen Gründe, welche, bei völliger Unabhängigkeit von den
Überwässerungen der Flüsse, wahrscheinlich süsse Wiesen oder
Felder tragen würden, nun vermöge der häufigeren Durchtränkung
saure Wiesen mit jährlich wechselndem Ertrage bleiben. Erst in
weiter Entfernung steht die Gefahr, dass beide Flussbetten durch
ihre Gerolle so hoch gehoben werden könnten, dass sich reichlichere
Überwässer über die Thalsohle ausbreiten müssten.
Um alle diese Gefahren, welche, wenngleich verschwindend
klein gegen dieWirklichkeit imPinzgau, doch schon jetzt manchen
einzelnen Thalbewohner in seinem bescheidenen Wohlstande bedro-
hen, für immer hindan zu halten, bedarf es nur der consequenten An-
wendung der bekannten jährlichen Nachhilfen und einiger Fluss-
Zeif/fe/i-FrA/f/ru/ig für alle elrei Kurien..
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Oeltzen. Argplander's Zonen-Beobachtungen etc. IUI
correctionen von geringer Kostspieligkeit. Von solchen Arbeiten ist
aber hier in Lungau eben so wenig zu sehen, als in Pongau; und
der Gedanke, dass die gutartigen orographisch -hydrographischen
Verhältnisse der beiden letzteren Thäler gleichsam die stumme Bitte
an die nachhelfende Hand des Menschen richten: „Mit einem Hundert-
theil der im Pinzgau erfolglos verwendeten Geldmittel hier für
immer den Wohlstand der Thalbewohner zu sichern," muss sich
desto entschiedener aufdrängen, je eingehender man die drei Fluss-
gebiete betrachtet. Dass dieser Gedanke am geeigneten Orte zur
Geltung kommen möge, war die Absicht des Verfassers beim Beginne
dieser Abhandlung und ist sein Wunsch am Schlüsse derselben.
Vorträge.
Ar gelander s Zonen- Beobachtungen vom IS. bis 31. Grade
südlicher Declination in mittleren Positionen für 1850'0.
(Erste Abtheilung von 0h bis 4h.)
Von W. Oeltzen,
Assistent der Wiener Sternwarte.
Die Durchmusterung des südlichen Himmels zwischen dem
15. und 31. Grade der Abweichung, welche Argelander in den Jahren
1849 bis 1852 in Bonn ausgeführt" ist die zweite grosse von dem-
selben Beobachter zur Bestimmung der Orter kleiner Fixsterne mit
so günstigem Erfolge unternommene Arbeit. Die erste schliesst sich
an die nördliche Grenze der BesseTschen Zonen und ist bis
zum 80. Grade der Declination fortgesetzt, über welchen parallel
hinaus die Art der Beobachtung aufhörte, die Vortheile zu gewähren,
dererwegen sie gewählt war. An die südliche Grenze der Königs-
herger Beobachtungen schliesst sich die hier zu betrachtende
Fortsetzung, deren Grenze von Argelander so weit nach Süden
gerückt ist, als die störenden Einwirkungen der Atmosphäre nur
immer gestatten.
Die Beobachtungen erhalten durch diesen Umstand einen besou-
dern Werth, da die geringe Höhe der culminii enden Sterne eine
sorgfältige Auswahl der Beobachtungstage bedingt, also eine Ver-
|52 0 e 1 t z e n.
zögerung in dem Fortschritte der Unternehmung herheiführen
musste , die von anderer Seite her leicht als Hinderniss für deren
Ausführung überhaupt geltend gemacht werden konnte. Sie sind um
so schätzenswerther, als wir aus dieser Gegend bei weitem nicht die
den jetzigen Bedürfnissen der Astronomie entsprechende Kenntniss
des Fixsternhimmels besassen, weder in Betreff der Anzahl noch der
Genauigkeit der Sternörter, und die Beobachter daher bei den Orts-
bestimmungen der kleinen Planeten nicht selten wegen geeigneter
Anhaltspunkte in Verlegenheit waren. Sie befördern ferner die mehr-
fachen Unternehmungen der letzten Jahre zur Herstellung genauer
Ekliptikalcharten, da sie die südlichsten Theile der Ekliptik in sich
begreifen.
Die Beobachtungen sind in der ganzen Ausführlichkeit des
Originales mitgetheilt und mit allen Hilfsmitteln versehen, die den
Rechner in den Stand setzen, aus den unmittelbar erhaltenen Zahlen
die abgeleiteten Werthe selbst wieder herzustellen oder zu ver-
bessern, sowie die Örter der beohachteten Punkte auf ein festes
Coordinatensystem zu beziehen. So wichtig es aber ist, in jedem ein-
zelnen Falle auf die Originalaufzeichnungen und auf die näheren
Umstände zurück gehen zu können, unter denen eine Beobachtung
angestellt ist, um den Ursprung entstellter Sternpositionen nach-
weisen und diese selbst verbessern zu können, oder um mit Leich-
tigkeit den Einfluss in Rechnung zu bringen , den eine geänderte
Annahme der Reductionselemente verursacht, so wenig sind doch
Beobachtungen in dieser ihrer ursprünglichen Form geeignet, den
Zwecken zu entsprechen , die ihre Wahl veranlasst haben. Nur die
Reduction sämmtlicher Beobachtungen auf mittlere Orter für eine
bestimmte Epoche und Anordnung derselben nach der Rectascension
macht ihre Benützung leicht und gibt Gelegenheit zu neuen Unter-
suchungen. Diese Betrachtungen veranlassten mich schon früher, den
ersten Theil der Bonner Zonen, die Durchmusterung des nörd-
lichen Himmels enthaltend, zu reduciren; und da ich aus schriftlichen
und mündlichen Äusserungen verschiedener Astronomen die Überzeu-
gung gewonnen hatte, dass diese Arbeit als eine willkommene
Erleichterung bei der Benützung der Originalbeobachtungen betrach-
tet wurde, so glaubte ich auch von einer Reduction der südlichen
Zonen die gleiche Aufnahme erwarten zu dürfen. Ein Umstand , der
mich noch insbesondere dazu aufmunterte, war, dass ich durch eine
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■11/ l,„,r/ Uarti».
'/'in Fntnf.
/ I1' l'ntcr It'rüwriitiiiii/
Sllr.un.jsli dk.Akltd il V matli
l.xxriDd i lieft. 1857.
Argelaitder's Zonen-Beobachtungen etc. 153
vielfache Benutzung des nördlichen Katalogs mir die Überzeugung
verschafft hatte, dass meine Bemühungen, die Resultate von anderen
Fehlern als denen der Beobachtungen seihst frei zu halten, insoweit
von Erfolg gewesen sind, als billige Anforderungen, wie ich glaube,
nur erwarten lassen. Ich führe in dieser Beziehung nur an, dass sich
unter den nahe 400 Bemerkungen, die ich nachträglich zum Kataloge
geliefert, etwa 15 Anzeigen befinden von durch Druckfehler oder
grössere Fehler der Rechnung entstellte Positionen. Die hier vor-
liegende erste Abtheilung des südlichen Katalogs enthält die ersten
5 Stunden der Rectascension mit 3659 Numern. Die übrigen Stunden
sind soweit hergestellt, dass ich sie in nächster Zeit werde mittheilen
können.
Obgleich der Übergang von den in den Zonen angegebenen
Daten auf mutiere Örter 1850-0 durch die beigegebenen Reductions-
tafeln auf eine leichte und den Astronomen allgemein bekannte Art
geschieht, so glaube ich doch einiges über die äussere Form anfüh-
ren zu müssen , deren ich mich bei der Rechnung bedient, welche
Form bei dem Mangel jedweder Controle dem Zwecke der Vermei-
dung von Rechnungsfehlern und sonstigen Irrthümern entsprechend
eingerichtet werden musste.
Um die Werthe von -TIa-, vou deren Richtigkeit bei der Decli-
nation sehr viel abhängt, fehlerfrei herzustellen, habe ich sie nicht
unmittelbar aus o gebildet, sondern zunächst die Differenzen von je
zwei aufeinander folgenden Declinationen genommen und die
aus diesen gebildet, wobei einige direct angesetzte Werthe stets
als Ausgangspunkte und Controle dienten und das Anhäufen eines
Fehlers um mehrere Zehntelminuten verhinderten. Aus den Vorzei-
chen dieser Werthe wurden die Zeichen der beiden Glieder bestimmt,
die in der Reduction auf den mittlem Ort von der Declination abhän-
gen , welche beide Zeichen, unter sich verglichen, gleich oder ent-
gegengesetzt sein mussten, je nachdem k' positiv oder negativ war,
da d' hier immer positiv ist. Die Werthe von -jätj-ä' smü" bei dem
geringen Betrage, den k' wegen der nicht grossen Declination und
des nicht erheblichen Zeitraumes zwischen der Zeit der Beobachtung
und der Epoche der Reductionstafeln erreicht, entweder 0 oder nur
wenige Hundertelsecunden und werden daher ohne Mühe erhalten.
Eine grössere Vorsicht erforderte die Bildung desselben Gliedes in der
154 O e I t z e n
Reduction der Declination. Da der Betrag von d! wegen der raschen
Änderung der Refraction in so geringen Höhen beträchtlich ausfällt,
da aber ausserdem der Einfluss der Refraction nicht mehr der Decli-
nationsänderung iproportional anzunehmen war, so bestand das von
der Declination abhängige Glied aus zwei Theilen ' ~ d' \- R. Für
den Werth R hat Argel ander auf p. XV eine Tafel gegeben.
Die getrennte Bildung dieser beiden Theile und ihre Vereinigung in
eine Summe wird durch die von Ar gelander selbst den Zonen in
einem besondern Hefte beigegebenen Hilfstafeln überflüssig gemacht,
indem in denselben für alle Werthe von d' und fast alle vorkommenden
<S TT)
Werthe von d — D der ganze Betrag d! -\-R zu finden ist, wor-
aus dem Rechner eine wesentliche Erleichterung erwächst. Die
äussere Form in der Einrichtung dieser Hilfstafeln machte es zur
Vermeidung von Fehlern aber nothwendig, die positiven und negativen
o — D, sowie die Werthe von 0' bis 40' und die über 40' getrennt zu
behandeln, indem sonst unfehlbar bei dem beständigen Übergange
von einem Zeichen zum andern eine häufige Verwechselung der
beiden mit -J- und — überschriebenen Columnen desselben d' statt-
gefunden hätte, und das Überspringen von einer Seite des auf-
geschlagenen Heftes auf die andere eine Verwechselung der ver-
schiedenen Columnen für d' zur Folge gehabt haben würde. Für die
wenigen Fälle, welche die Grenzen der Hilfstafeln überschreiten,
musste natürlich die erwähnte Tafel für R zu Hilfe genommen werden.
Die so gebildeten Werthe von -r^r- d' -f- R wurden, um etwaige
gröbere Fehler zu entdecken, mit oberflächlich verglichen,
da diese beiden Zahlen nahe das Verhältniss </' zeigen mussten, wobei
nur ein paar vereinzelte Fälle fehlerhafter Zahlen aufgefunden wurden.
Die Bildung der beiden von der beobachteten Durchgangszeit allein
abhängigen Glieder k und rflässt bei dem regelmässigen Fortschreiten
in ein und derselben Zone und bei der Kleinheit in den Änderungen
dieser Grössen eigentlich keinen Fehler zu.
Die algebraische Summe von k und -tttz- k', sowie von d und
» 7) 1UU
d' -|- R ergab jetzt den ganzen Betrag der Reduction von der
100
Zonenbeobachtung auf den mittleren Ort 18500. Dieser Betrag ist für
die Rectascension wegen der geringen Verschiedenheit', die derselbe
für auf einander folgende Sterne einer Zone zeigt , nicht weiter
Argelander'8 Zonen-Beobachtungen etc. 15!)
geprüft; für die Declinationen habe ieh ihn aber dadurch geprüft,
dass ich mir denselben vorlesen liess, während ich die Summirung
noch einmal im Kopfe vornahm , wobei mehrfache Irrthümer in den
Zeichen und andere berichtigt wurden. Auf gleiche Weise habe ich
die reducirten Örter geprüft, indem ich mir diese vorlesen liess. Da
bei der letzten Prüfung auf die Richtigkeit der Secunden und deren
Theile wohl etwas mehr Aufmerksamkeit gerichtet wurde, als auf die
Grade und Minuten, so würde ich für wahrscheinlicher halten, dass
dabei grössere Fehler von 10' oder dgl. unentdeckt geblieben, als
dass die Secunden fehlerhaft sind.
Die Einrichtung des Katalogs selbst bedarf nur weniger Worte
zur Erläuterung. Die erste Columne enthält die fortlaufende Numer,
wobei die einzelnen Beobachtungen, und nicht etwa nur die vorkom-
menden verschiedenen Sterne, besonders gezählt sind. Die zweite
Columne enthält die Grösse des Sternes, wie sie Ar gel and er angibt.
Die dritte und vierte geben den mittleren Ort für die Epoche 1850-0,
wie derselbe auf die oben angezeigte Art erhalten ist. Die folgende
gibt in zwei Zahlen die Numer der Zone und die Numer des Sterns
in dieser Zone. Durch diese Angabe wird der Katalog in innigem
Zusammenhange mit seinem werthvollen Originale erhalten und der
Übergang von der einen Form der Beobachtungen auf die andere
wesentlich erleichtert. Am Schlüsse werden die Bemerkungen folgen,
die Argelan der einzelnen Beobachtungen beigefügt, und die sich
aus etwaigen nachträglichen Untersuchungen noch ergeben sollten.
Die in den Fixsternkatalogen gewöhnlichen Angaben der Prä-
cession fehlen in dem gegenwärtigen, da mir die auf ihre Bestimmung
verwendete Zeit und Mühe in keinem Verhältnisse zu ihrem Nutzen
zu stehen schien. Die Örter des Katalogs sind aus einer genauen
Reduction sorgfältig angestellter Messungen hervorgegangen, die
anzusehen sind als nur noch mit den unvermeidlichen Beobachtungs-
fehlern behaftet, und haben daher in nächster Beihe den Zweck, mit
ähnlichen Beobachtungen der Vergangenheit oder Zukunft verglichen
zu werden, oder als Anhaltspunkte für die genaue Ortsbestimmung
der Wandelsterne zu dienen. Zur Erreichung dieses Zweckes würde
aber nicht nur eine genaue Angabe der einfachen Präcession, sondern
auch deren Säcularänderung erforderlich sein. In einzelnen Fällen
kommen diese Zahlen im Laufe der Rechnung oder bei Untersuchun-
gen, die mit der Bildung des Katalogs verknüpft sind, zum Vorschein,
\ 56 O e I t z e n.
so dass ihre Hinzufügung keinen weiteren Schwierigkeiten unterliegt.
Wo dies aber, wie im gegenwärtigen Falle, nicht eintritt, können nur
Tafeln mit doppeltem Eingange (mit Ausnahme der Präcession in
Declination) aushelfen, die für die Präcession in Rectascension bis
auf die 4. Decimale der Zeitsecunde im Falle einer bequemen Inter-
polation noch immer einen überraschenden Umfang entfalten würden.
Liessen sich aber auch die letztern Werthe durch irgend welche Art
einer abkürzenden Rechnung mit der erforderlichen Genauigkeit her-
stellen, so würden sie bei dem Mangel einer leichten und sichern
Prüfung ihrer Richtigkeit, ebenso wie die aus Tafeln genommenen
Werthe der Säcularänderung, von einem vorsichtigen Rechner nicht
gerne benutzt werden. Er wird es vorziehen, nach einer bekannten
Methode den beiläufigen Ort des Sterns für die zwischen der Epoche
des Katalogs und den Anfang eines bestimmten Jahres in die Mitte
fallende Zeit zu suchen und die für diesen Punkt des Himmels und
diese Zeit gütige Präcession als mittlere des ganzen Zeitraumes
betrachten. Dazu genügt aber für die erstere Rechnung eine genä-
herte Kenntniss der Präcession, wie sie leicht kleinen Tafeln ent-
nommen werden kann. Dieselben Tafeln leisten ihre Dienste, wenn
der Katalog als ein Register beobachteter Sternörter behandelt wird,
deren genäherte Positionen für einen andern Zeitpunkt verlangt
werden. Die Tafeln selbst, die hier folgen, bedürfen keiner weitern
Erläuterung, das Intervall von 8 Zeitminuten in der Tafel der Prä-
cession für Rectascension rührt daher, dass die Werthe einer Tafel
entnommen sind, die ursprünglich von Grad zu Grad berechnet war.
Argelander's Zonen-Deoliaclitung-en etc.
157
Tafel der einjährigen Präcession in Deciination.
0" +
lh +
2" +
3" +
4" +
5" +
12" —
13" —
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18
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158
O e I t z e n.
Tafel der einjährigen
-14°
-15°
-16°
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-18°
-19°
-20°
-21°
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-19°
-20°
-21°
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Argelander's Zonen-Beobachtungen etc.
Präcession in Rectascension.
159
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-25°
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—27°
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O e 1 t z e n.
Tafel der einjährigen
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-31°
SiUb. d. malhem.-naturw. LI. XXVI. ßd. I. Hft.
1!
162
O e lt. z e ii.
Katalog.
Nr.
Grösse
Rectascension 185U-0
Decliuatioii
1830-0
Zone
Nr.
1
9
0h 0"
9?99
^i?
56'
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100
7
101
9
102
8-9
103
8
104
8
Argelander's Zonen-Beobachtungen etc. 163
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164
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Nr.
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DeelinahoD 1830-0
Zone
Nr.
105
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324
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Argelander's Zonen-Beobachtungen efe.
165
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Nr.
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z e n.
Nr.
Grösse
Rectaseension iSöO'O
Decliu
ition
S30-0
Zone
Kr.
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9
0h 21-
3 '52
—17°
2'
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2(58
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::i9
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15
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7
321
8-9
322
8-9
323
8-9
32 '<
9
Argelander's Zonen-Beobachtungen etc. 167
Reetascension 18S0-0 Ueclination 1S30-0 Zone Mr.
0h 20" 34?88 —31° 9' 0?6 314 46
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28 33-80 17 28 85 268 107
28 36-52 21 35 7-6 269 65
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31 20-43 17 34 166 321 3
168 Oeltzen.
325
8-9
326
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9
328
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9
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9
375
8-9
376
9-0
377
8-9
378
2
379
3
Rectascension 1830-0 Deelination 18S0-0 Zone Nr.
0h 31„, 24?29 _26° 25' 34 vl 315 70
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31 32-97 22 6 11 -9 269 70
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31 52-38 28 58 27-6 326 49
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32 15-29 17 9 3-2 268 111
32 16-13 25 0 35-7 324 15
32 16-85 15 7 23-0 261 37
32 17-08 25 0 33-2 338 2
32 43-72 26 52 27-7 271 64
32 43-84 26 52 28-3 315 72
32 54-15 14 53 3-1 261 38
32 56-67 17 20 21 5 268 112
32 57- 03 17 20 22-7 321 4
32 59- 17 24 36 54-9 338 3
32 59-27 24 36 54-9 324 16
33 1-39 17 29 33-5 268 113
33 7 73 28 5 37-5 271 65
33 8 26 30 41 35-7 314 51
33 10-59 30 14 39-8 326 50
33 11 30 14 40-2 314 52
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33 36-84 23 58 21-8 324 17
33 42-34 30 20 47 0 326 51
33 48-42 20 41 13-1 319 44
34 1-05 21 7 23-7 269 71
34 110 21 7 23-7 319 43
34 9-31 26 1 8-3 315 73
34 10-21 17 11 58-7 261 39
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34 45-72 23 48 59-4 324 18
34 55-54 24 6 226 324 19
34 56-29 24 6 24-8 338 4
35 5-30 17 31 35-0 321 6
35 5-39 17 31 35-6 268 114
35 10-30 21 10 330 319 45
35 12-43 21 0 580 319 46
35 16-84 16 57 1-3 261 40
35 20-19 25 4 33-2 315 75
35 23- 14 22 28 50-8 269 73
35 2647 16 52 25-4 261 41
35 33-39 27 27 5-2 271 67
35 40-23 22 31 43-3 269 74
35 42-77 16 52 49-8 261 42
36 2-51 23 27 32 1 324 20
36 3-28 18 48 37-5 268 115
36 3-59 18 48 38-5 321 7
Arcrelander's Zonen- Beobachtungen etc.
169
380
9
381
9-0
382
9
383
9
384
9
385
8-9
386
8-9
387
9
388
7-8
389
9
390
5-6
391
6
392
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Argelander's Zoneii-Beoliaclituiigen etc.
17<>
Nr.
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Reetaseensio» ISäO'Ü
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1850-0
Zone
Nr.
710
9
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28'
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Oel l
/. e n.
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~~~
-—-^ —
, — — — — S-
^s~~,
^■~s—
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40
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24'
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Deeliu.
tion 1850-0
Zone
Nr.
17'"
27 '17
—29»
32'
46 ? 2
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21
58
59-6
317
55
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9
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9
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L204
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Oe
1 tz en.
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Nr
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~^ —
- — — - — >
- — «— - — %
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. — -—
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i2t;:;
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191
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1 042
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1044
4
>cension 1850-0
Decli
Kiliou
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Zone
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Oe
tzen.
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^V ,
^^ —
—
31,n
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78 ä
33
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4
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47
4-9
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11
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11
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14
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316
6
35
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30
57
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335
4
35
12-70
30
42
121
336
121
Sitzb. d. mathem.-natunv. CI. XXVI. Bd. 1. Hft. 13
194
Oe
1 tz e n.
Nr.
Grösse
Rectascension 1850-0
Decl
Ml.ll M,l
i 1850-0
Zone
Nr.
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7
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5
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50
28-5
316
15
Arg-elander*s Zonen-Beobachtungen etc. 195
Nr.
Grösse
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Declic
a t lou
18500
Zone
Nr.
1810
7
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4?86
-160
0'
31 ' 4
339
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322
13 !
1819
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1859
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44
34-4«)
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17
52
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343
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1862
9
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23
1863
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1916
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1917
9
1918
7-8
1919
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23
47
43
•5
313
50
45
23
01
25
38
51
•9
316
24
45
46
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17
14
12
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49
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29
10
49
3
335
23
Argelander's Zonen-Beobachtungen etc. 197
Nr.
Grösse
Rectascension 1850-0
Decli
nation
18500
/.Hill'
Nr.
1920
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3M
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29
1921
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192G
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2028
9
2029
9
Oelt
•l en.
scension 1830-0
Declination
1850-0
Zone
Nr.
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2?17
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56'
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77
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1
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15
35
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339
139
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9-0
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8-9
2082
8
2083
9
2084
8-9
Argelander"s Zonen-Beobachtungen etc. \ () {)
Rectaseension 1850-0 Declination 1830-0 Zone Nr.
21' 59'" 28591 —16° 47' 2"'i 258 86
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200
2085
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2137
9-0
2138
8-9
2139
8-9
Oelt
zen.
cension ISSO'0
lief linaliull
1850-0
Zone
Nr.
3m
46 '67
—22o
19'
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27
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21
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21
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18 07
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23
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5
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11
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7
;;
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10
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50
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76
(i
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20
35
39-8
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90
li
22 • 06
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i;
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<;
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16
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320
7
i;
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6
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i;
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35
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78
i;
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49
?
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34-2
343
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8
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22
18
32-9
346
10
Argelander's Zonen-Beobachtungen etc. cOl
Grösse
2140
9-0
2141
9
•21 Vi
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2143
6
2144
9-0
2145
7-8
214«
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2147
8-9
2148
9
214?
8
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7
2191
8
2192
8-9
2193
8-9
2194
!)
eension 1850-0
Deelii
lation
1850-0
Zone
Nr.
g,„
9'60
—21°
4'
43?1
346
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8
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0
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19
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9'
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II
10
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11
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12
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34
12
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3
54-2
335
52
2(VZ
Oe
Itze n.
Nr.
Grösse
Rectasccns
ion 18500
Decl
oation
1850-0
Zone
Nr.
2195
9-0
3h 12"'
43*05
— 220
55'
16M
313
83
2196
9
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2579
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Oe
1 1 z e n.
scension 1850-0
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320
57
Argelander'a Zonen-ßeoltarhhingen elc. 209
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2581)
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2634
9
47 54-83
16
38 40-0
134
57
SiUb. d. mathem.-uaturw. Cl. XXVI. Bd. I. Hft. 14
210
Oel t ze n.
Nr.
Grösse
Rectascension 1850-0
Decl
nalroii
1850-0
Zone
Nr.
2635
8
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58'21
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54'
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332
42
Argelaniler's Zonen-Beobachtungen etc. 211
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Decl
nation
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3
571
322
113
Argelander's Zonen-Beobachtungen etc.
213
Nr.
Grösse
Rcctascension 1850-0
Decl
II. ll Hill
1850-0
Zone
Nr.
2800
9
3h 59"'
30
77
-23°
51'
37?6
232
56
2801
8-9
59
40
54
27
4
0
9
322
114
2802
9
59
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33
14
48
40
1
355
14
2803
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59
46
14
23
41
19
9
332
58
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9
59
47
47
23
38
50
4
332
59
2805
7-8
59
47
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23
53
19
5
332
57
2806
9
59
49
71
22
15
29
5
346
91
2807
9
59
51
94
30
5
10
4
335
111
2808
8-9
59
52
02
30
5
9
•5
351
1
2809
8-9
59
52
30
5
13
•0
348
17
2810
6
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53
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18
27
26
•7
329
39
2811
9
4h 0
0
52
21
13
44
5
346
90
2812
9-0
0
0
80
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13
34
•4
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0
4
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5
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325
99
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0
11
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346
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2815
9
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12
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20
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320
82
2816
8
0
13
•35
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10
•1
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0
14
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19
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9
320
84
2818
9
0
16
•09
27
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32
5
350
3
2819
9-0
0
26
■86
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57
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329
40
2820
7
0
28
34
22
23
55
•1
346
C3
2821
8
0
50
32
27
32
20
1
350
4
2822
8
0
50
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23
4
322
115
2823
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1
0
•08
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12
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6
348
18
2824
8-9
1
0
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12
59
•5
351
2
2825
8-9
1
0
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29
12
58
•4
335
112
2826
9-0
1
1
•41
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17
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355
15
2827
8-9
1
8
•10
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1
325
100
2828
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1
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27
49
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•7
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2829
8
1
12
•26
27
49
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3
322
116
2830
9
1
14
26
29
5
38
•6
335
113
2831
9
1
14
29
29
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9
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1
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30
1
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4
329
42
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29
17
39
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329
41
2835
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24
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325
101
2836
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1
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49
19
48
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8
320
85
2837
8-9
1
43
14
27
57
58
5
350
6
2838
8-9
1
43
29
27
58
1
3
322
117
2839
9
1
55
73
22
17
47
4
346
94
2840
7
2
12
63
16
17
26
6
355
16
2841
8-9
2
15
47
21
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346
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16
20
19
3i
53
5
320
87
2843
8-9
2
17
59
19
40
59
2
320
86
2844
8-9
2
19
07
16
48
21
8
355
17
2845
9-0
2
19
70
17
11
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9
329
43
2846
8-9
2
24
34
22
14
5
4
346
95
2847
6
2
29
32
16
47
4
4
355
18
2848
8
2
42
04
25
24
57
6
325
102
2849
9-0
2
46
30
24
0
34
6
332
61
2850
9
2
50
72
24
23
11
3
332
62
2851
9
2
52
14
17
17
3
4
355
20
2852
8-9
2
52
39
17
17
6
5
329
44
2853
8
2
54
36
29
18
22
6
348
19
2854
8
2
54
63
29
18
22
1
335
114
214
Oel t z e n.
^Nr^ Grösse Rectascension 1S50-0 Declination 1850-0 Zone Nr.
2855 8 4" 2'" 54*41 -29» 18' 24*9 'S? 1*18~
llt* 8 ft 2 54-66 29 18 26-2 351 4
2858 8-9 3 12-28 28 12 25-7 350 7
2839 «'S 3 13 29 dl 13'° 351 s
2860 8-9 3 13-71 29 11 11-0 348 20
If* l J 13-99 19 40 59-4 320 88
2862 8 3 14-14 29 11 11-2 322 119
Uli l'l 3 14-23 29 11 8-6 335 115
iSÜ* 8'9 3 27-12 19 29 26-8 320 90
346 97
332 63
325 103
350 8
325 10£
2903 7 6 26-23 24 12 30-8
2903 8-9 6 27-97 29 29 17-3
2904 9 6 28-19 25 10 59-5
2905 9 6 28-23 25 11 4-9
2906 9 6 30-88 17 11 28-9
2865 9 3 30-17 21 53 47„
2866 9-0 3 32-37 25 9 9-1
2867 7 3 40-69 25 26 15-6
2868 9 3 52-36 28 2 5-7
2869 9 3 55-18 25 23 4-3
2870 8-9 3 57-30 17 32 15-3 329 45
2871 9 3 57-82 16 19 18-0 355 22
28/2 8 4 7-00 19 29 14-9 320 91
28?3 J. * 10-27 16 35 13-2 355 21
2874 9-0 4 10-81 19 49 0-0 320 89
Uli « o ? ll'11 23 29 6S 325 104
222 n"n ? 28"83 20 2f? 40'3 346 98
28/7 9-0 4 32-10 17 14 301 329 46
28'8 %'l f 35-97 16 21 360 355 23
2879 8-9 4 51-19 29 26 45-7 348 21
2880 9 4 51-40 29 26 47-0 335 116
2881 8-9 4 51-49 29 26 50-7 351 6
9-0 f 54-32 29 22 47-3 335 117
7
OQQK 7 3*6 99
l n 5 1-H 20 44 56-9 346 100
325 106
325 107
332 64
320 92
346 101
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2884 8-9 4 59-20 20 44 2-0
2885 7 5 1-H 20 44 56-9
2886 8-9 5 13-80 25 31 27-2
2887 9 5 21-20 25 3 19-7
2888 9 5 21-46 25 3 27-1
2889 9 5 29 58 19 49 27-1
2890 9-0 5 29-73 20 52 24-5
2891 9-0 5 29-83 25 6 49-9 332 65
2892 9 5 51-18 27 56 34-0 350 9
2893 8-9 5 5630 17 2 49-9 329 47
2894 90 6 6-79 17 9 11 0 329 48
Itlr «Q p Ä'ü 27 26 48,1 3S0 10
2896 8-9 6 10-68 20 18 18-7 320 93
2897 8-9 6 10 92 14 42 34-3 355 24
332 67
346 102
2898 8-9 6 13-13 24 17 1-2
2899 8-9 6 21-14 21 45 21-9
2900 8-9 6 23-68 20 14 29-3 320 Ti
2901 9 6 24-30 27 19 0-2 350 11
332 68
351 8
325 108
332 66
329 49
290J 8 6 50-49 26 49 26-5 350 12
?J°S 9 J S2'05 19 43 6-8 320 95
2909 7'8 6 56-07 28 55 40-5 351 9
Arg-el ander 's Zonen-Beobachtungen etc.
215
Nr.
Grosse
Rectascension lSäO-0
Declinatioi
1850-U
Zone
Nr.
2910
8
4" 6m
58
31
— 17°
51'
33r9
329
50
2911
9
7
5
•93
22
6
3
9
346
103
2912
9
7
26
■34
15
1
40
•7
355
25
2913
9
7
29
61
17
53
9
■0
329
51
2914
9
7
37
46
24
15
10
3
332
70
2915
9
7
45
•20
15
13
56
4
355
26
2916
7
7
51
50
24
35
18
•6
332
69
2917
9
7
56
12
22
20
31
•5
346
104
2918
9
7
59
89
15
32
47
5
355
27
2919
9
8
1
•56
29
27
28
•8
351
10
2920
9
8
3
97
19
15
5
7
320
96
2921
9-0
8
5
23
22
20
3
8
346
105
2922
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8
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30
29
42
0
351
11
2923
9-0
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46
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5
5
0
329
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2924
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53
25
23
19
4
325
109
2925
9
8
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93
22
21
55
4
346
106
2926
9
8
53
00
25
55
19
7
325
HO
2927
9
8
54
48
18
25
51
9
329
53
2928
90
9
0
08
23
44
51
8
332
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2929
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19
1
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2
0
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12
2931
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9
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52
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0
346
108
2932
8
9
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30
15
18
18
9
355
29
2933
8
9
11
39
15
18
17
8
347
1
2934
8-9
9
12
55
15
28
12
6
347
2
2935
9
9
12
80
15
28
13
1
355
28
2936
8-9
9
13
96
18
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11
9
320
98
2937
9
9
19
69
23
47
47
5
332
73
2938
7
9
22
36
23
36
57
3
332
71
2939
7
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24
44
22
31
34
0
346
107
2940
7
9
36
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18
15
4
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329
54
2941
8-9
9
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22
56
16
5
346
109
2942
9
9
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40
30
55
55
5
351
13
2943
9
9
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350
13
2944
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9
52
44
15
14
2
7
347
3
2945
8-9
9
52-
75
15
14
3
9
355
30
2946
8-9
9
55
93
25
29
58-
5
325
111
2947
9
9
57
38
19
58
53
7
320
99
2948
9
10
5
81
14
46
58
5
355
31
2949
7-8
10
6
78
23
54
34
1
332
74
2950
9
10
18
99
31
14
21
0
351
14
2951
8-9
10
25
40
17
49
19
3
329
55
2952
9
10
27
22
28
47
18
4
350
15
2953
9
10
31
99
23
15
42
4
332
75
2954
8-9
10
38
26
19
50
15
1
320
101
2955
9
10
41
01
22
41
38
2
346
110
2956
8
10
44
40
19
53
51-
0
320
100
2957
9
10
49
70
27
58
17-
0
350
14
2958
8-9
10
50
65
16
8
46-
2
355
32
2959
9-0
10
51-
52
19
52
25
9
320
102
2960
9
11
7-
34
25
41
27
7
325
112
2961
9
11
8
57
17
20
21
1
329
57
2962
7-8
11
16
68
17
26
2-
0
329
56
2963
7
11
20
69
15
0
30
4
347
4
2964
8-9
11
21
22
16
45
23-
0
355
33
216 Oeltzen.
2965
9
2966
9
2967
9
2968
8
2969
9
2970
9
2971
9
2972
8
2973
9
2974
9
2975
9-0
2976
9-0
2977
6
2978
8-9
2979
8-9
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9
2981
9-0
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9
2983
9
2984
7-8
2985
9-0
2986
8-9
2987
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9
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7
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7
2992
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7-8
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2995
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2996
8-9
2997
8
2998
9
2999
7
3000
7-8
3001
9
3002
9
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9
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8-9
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8-9
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9
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9-0
3010
9
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9
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9
3013
8
3014
9
3015
8-9
3016
8-9
3017
8-9
3018
8-9
3019
8-9
Rectascension 1850-0 Deeliaation 1S50-0 Zone Nr.
4" 11- 22 '12 —22» 54' 35? 9 346 112
11 24-44 30 49 33-0 351 15
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11 41-59 19 36 10-8 320 104*
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12 3-81 21 29 32-4 346 113
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12 12-92 23 20 23-3 332 76
12 21-49 24 50 31 -6 325 114
12 26-77 16 42 44-6 355 34
12 45-98 24 49 20-3 325 115
12 54-25 16 33 59-2 355 35
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12 59-59 14 57 21-8 ?47 7
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13 9-08 27 38 12-8 350 17
13 15-89 15 7 45-8 347 8
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13 25-07 23 10 34-2 332 79
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14 51-78 24 53 59- 1 332 83
14 55-48 21 16 48-7 346 118
15 10-08 15 55 110 347 11
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15 13-70 24 39 12-3 332 84
15 14-03 24 39 11-9 332 82
Argrelander's Zonen-Beobachtungen etc. 217
Nr.
3020
6-7
3021
7
3022
8
3023
9-0
3024
9
3023
7-8
3026
7-8
3027
9
3028
9
3029
9
3030
9-0
3031
9
3032
9-0
3033
9-0
3034
9
3033
9
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9
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8
3038
8-9
3039
9
3040
8
3041
8-9
3042
7-8
3043
8
3044
8-9
3043
9
3046
8
3047
8
3048
8-9
3049
9
3030
9-0
3031
8-9
3032
9
3033
8
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3033
9
3036
9
3037
8-9
3038
8-9
3039
89
3060
7-8
3061
7-8
3062
8-9
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8
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9-0
3063
9
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9
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3070
8-9
3071
8
3072
9
3073
8
3074
9
censiou 1850-0
Decliu;
Uion 1850-0
Zone
Nr.
13'"
17*87
—26«
5'
5-1
325
118
13
18-27
22
7
40-2
346
119
IS
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4
26-3
323
119
15
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329
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16
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330
21
15
31-79
19
58
571
320
109
15
37
19
46
33-7
320
HO
15
46-90
30
33
54-7
351
17
15
49-52
18
19
2-5
329
65
16
10-99
26
15
47-2
325
120
16
11-36
13
8
57-4
355
43 *
16
14-68
13
5
47- 1
355
42
16
17-80
15
49
10
347
12
16
18 • 12
15
49
2-2
355
41
16
24-69
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57
7-1
346
120
16
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58
3-6
346
121
16
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28
13
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350
22
16
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54
3-9
329
67
16
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30
6
32-4
351
18
17
319
19
23
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320
112
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320
111
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19
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332
86
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22 17
16
23
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17
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0
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23
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5
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18
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15
2
8-4
347
15
18
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23
27
2-4
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18
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13
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18
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54-7
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13-3
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45
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351
20
18
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49-7
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25
18
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26
48
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325
122
18
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18
52
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320
113
18
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17
31
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19
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0
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0
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47
19
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14
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21
19
15-23
21
39
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19
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25
14
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123
19
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17
34
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329
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19
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16
18
2-7
355
48
19
32 • 22
23
0
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332
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19
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49
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351
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19
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0
45-5
346
124
19
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49
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330
27
19
37-97
19
59
57-4
320
114
218
0 e 1 t z e n.
Nr.
Grösse
Reetaseension 1850-0
Decl
liaation 1850-0
Zone
Nr.
3075
9
4h 19"
' 43*65
—23«
1 27'
31r4
332
90
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9
19
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20
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59
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3084
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0
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0
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29
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351
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3103
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5
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3119
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3124
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23
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23
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3125
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23
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325
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3126
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23
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329
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3127
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23
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25
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55
3128
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23
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16
13
17-3
355
56
3129
8-9
23
55-53
16
46
47-3
347
21
Arffelantler's Zonen-ßeobaclitunfiren etc.
219
Nr.
Grösse
Reetascension 1830-0
Deelination
1850-0
Zone
Nr.
3130
9-0
4" 23'"
56 '92
—16"
47'
31v9
347
22
3131
9
24
2-82
26
13
20-2
346
133
3132
9
24
6-36
16
15
31-2
355
57
3133
8-9
24
6-52
23
27
12-0
332
98
3134
6-7
24
11-45
23
21
11-5
332
97
3135
9
24
12-67
30
17
29-7
351
29
3136
9
24
15-71
17
13
2-6
347
23
3137
8
24
17-87
18
16
57-8
329
76
3138
7
24
19-42
21
42
7-7
337
3
3139
7-8
24
19-45
21
42
8-3
346
132
3140
9
24
20-17
25
57
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325
130
3141
7-8
24
21-14
21
9
26-9
346
134
3142
7
24
30-41
30
46
22-8
351
30
3143
9
24
37-03
23
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332
100
3144
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24
37.51
19
48
7-5
320
119
3 145
9
24
40-98
27
46
48-2
350
33
3146
8
24
43-81
26
4
50-0
325
131
3147
9
24
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15
57
47-2
355
59
3148
8-9
24
54-24
26
19
51-0
325
129
3149
9
25
7-65
23
22
35-0
332
99
3150
8-9
25
11-28
28
10
141
350
34
3151
9
25
13-08
21
19
52-8
346
135
3152
8-9
25
14-12
16
17
0-8
355
58
3153
9-0
25
14-35
16
17
5-6
347
24
3154
7
25
22
29
12
22-9
350
35
3155
9
25
24- 32
19
58
29-1
320
120
3156
8-9
25
25-43
17
52
24 9
329
77
3157
8
25
25-95
21
33
8-6
337
4
3158
8-9
25
27-24
21
43
59-8
337
5
3159
7
25
29-27
21
1
19-5
346
136
3160
7
25
30-65
24
26
4-2
332
101
3161
8
25
34
30
6
4-2
351
32
3162
7
25
43-81
17
35
23-5
329
79
3163
9
25
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20
10
511
320
121
3164
7
25
47-53
18
3
44-8
329
78
3165
9
26
0-86
21
38
27-8
337
6
3166
7-8
26
6-24
29
7
26-3
350
36
3167
8-9
26
9-93
16
5
218
347
25
3168
8
26
9-95
16
5
20-5
355
60
3169
8-9
26
18-33
19
55
33-9
320
122
3170
9
26
25-54
30
25
45-2
351
31
3171
9
26
35-69
21
28
1-2
346
137
3172
9
26
47-35
21
26
45-9
346
138
3173
8-9
26
47-62
24
19
50-1
332
103
3174
9
26
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20
4
512
320
123
3175
9
26
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21
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42-3
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8
3176
8-9
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51-71
21
41
37-6
337
7
3177
8
26
53-68
26
33
2-5
325
132
3178
89
26
56-57
24
20
38-8
332
102
3179
8-9
26
59-65
17
47
22-7
329
80
3180
8
27
6-36
24
15
251
332
104
3181
9
27
19-37
16
14
8-5
355
61
3182
9
27
29-46
20
8
33-4
320
124
3183
5
27
37-68
30
4
23-9
351
33
3184
8-9
27
38-01
26
35
36-6
325
133
220
3185
8-9
3186
8
3187
8-9
3188
9
3189
9
3190
9
3191
9
3192
9-0
3193
8-9
3194
90
3195
9-0
3196
6-7
3197
6-7
3198
8-9
3199
8-9
3200
7-8
3201
8-9
3202
8
3203
6-7
3204
8-9
3205
8-9
3206
9
3207
90
3208
8
3209
9-0
3210
9
3211
7
3212
8-9
3213
9
3214
8-9
3215
5
3216
8-9
3217
8-9
3218
9
3219
8-9
3220
8
3221
7-8
3222
8-9
3223
9-0
3224
9
3225
9
3226
9-0
3227
8-9
3228
8
3229
9
3230
8-9
3231
8-9
3232
9
3233
8-9
3234
8
3235
7-8
3236
7
3237
9-0
3238
8
3239
9
Oe
Itzen.
seensiou 1850-0
Declination
1850
0
Zone
Nr.
27"'
45
57
-17»
13'
4
6
347
26
27
45
76
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13
3
6
355
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47
91
21
57
57
4
337
9
27
48
05
21
57
55
6
346
139
28
0
62
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7
28
1
347
27
28
1
05
17
7
27
2
355
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2
87
28
45
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350
37
28
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2
24
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10
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43
7
329
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28
20
26
24
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21
3
332
105
28
26
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320
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29
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28
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350
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0
5
325
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20
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22
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26
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2
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325
135
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1
42
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332
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20
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127
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2
346
140
29
20
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5
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320
128
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329
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332
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14
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28
29
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8
351
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337
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0
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332
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27
54
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0
350
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2
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15
14
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1
347
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14
2
8
355
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3
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329
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4
37
15
11
20
0
355
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15
11
17
0
347
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30
8
05
17
51
20
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329
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11
25
15
19
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9
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16
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346
142
30
25
02
20
24
28
7
320
129
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22
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50
8
337
14
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22
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2
346
143
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34
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31
8
26
9
351
37
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48
68
25
28
42
1
325
137
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50
21
22
55
13
4
337
15
30
50
33
22
55
10
7
346
144
30
55
23
21
17
2
332
110
30
55
59
24
0
44
3
332
109
30
58
23
25
51
42
3
325
136
31
1
15
20
30
5
0
320
130
Argelander's Zonen-Beobachtungen etc. Ü21
Nr. Grösse Rectascension 1830-0 Declination 1S50-0 Zone Nr.
4h 31" 1'88 —31° 1' 20? 9 351 38
31 602 17 43 26-2 329 87
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31 29-39 20 59 31-9 320 131
31 35-28 28 29 15-8 350 42
31 39-18 23 13 28-5 332 111
31 39-31 23 13 27-9 337 16
31 41-99 21 8 41-0 320 132
31 44-05 16 48 42-5 329 89
32 1-65 24 57 37-0 325 138
32 5-61 17 1 41-8 329 88
32 11 44 15 14 47-3 347 32
32 11-44 15 14 47-7 355 68
32 15-09 15 30 49-4 347 33
32 15-31 15 30 49 1 355 69
32 18-81 21 42 52-2 346 145
32 18-86 21 42 55 1 337 18
32 34-37 22 27 11 -6 337 17
32 43-23 24 4 5-2 332 113 =
32 43-56 20 24 17-5 320 133
32 45-43 15 48 49 0 347 34
32 45-52 15 48 50-2 355 70
32 46-62 16 0 24-5 355 71
32 53-60 16 51 57-2 329 90
32 55-01 28 12 36-7 350 43
33 6-81 21 32 18-0 337 19
33 7 17 21 32 18-1 346 146
33 9-00 21 32 44-6 337 20
33 9-38 21 32 46-7 346 147
33 14-72 20 11 22-2 320 135
33 17-46 20 21 45-7 320 134
33 18-63 16 52 30-9 329 91
33 20-49 24 38 48-6 325 139
33 25-35 30 53 36-8 351 41
33 32-12 30 45 18-2 351 40
33 41-31 22 54 39-6 332 112
33 41-62 24 26 28-6 332 114
33 41-91 21 24 15-6 337 21
33 45-15 17 58 43-7 329 92
33 46-42 16 0 23-7 347 35
33 48-66 16 21 31-8 355 73
33 49-16 27 57 42-9 350 44
33 49-90 20 47 26-6 272 2
33 52-32 24 46 41-4 325 140
33 52-49 24 46 43-3 332 115
33 52-88 19 57 47-3 320 136
33 53-01 19 57 43-0 272 1
33 54-21 15 54 37-5 355 72
33 54-30 15 54 36-1 347 36
34 1-75 25 2 30-1 325 141
34 6-44 30 6 11-9 351 42
34 1308 28 1 45-1 350 45
34 15-77 20 0 51-6 320 137
34 19-02 24 41 30 332 116°
3240
7
3241
7
3242
7
3243
4
3244
7
3'245
8-9
3246
9
3247
9
3248
9
3249
9
3250
8
3251
7
3252
8
3253
8-9
3254
8-9
3255
8-9
3256
9
3257
9
3258
9
3259
8-9
3260
9-0
3261
9
3262
9
3263
9
3264
7-8
3265
8
3266
9
3267
8
3268
7-8
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t z e n.
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55
5-02
22
36
18-1
337
55
3583
9
55
6-83
27
19
57-5
357
1
3584
9
55
9-35
15
27
350
347
69
3585
8-9
55
15-93
26
58
55-7
350
75
3586
8
55
22-45
19
53
0-2
272
29
3587
8
55
22-71
19
52
57-2
272
31
3588
8-9
55
25-74
26
10
19-5
323
22
3589
9
55
2715
30
4
9-2
351
69
3590
9
55
37-66
16
23
16-5
276
1
3591
8
55
40-10
30
27
19-8
351
70
3592
8-9
55
45-22
15
55
35-8
347
71
3593
9
55
54-17
18
41
29 1
329
127
3594
9
55
54-57
15
42
12-2
347
70
3595
8-9
55
56-49
24
15
8-3
332
151
3596
8-9
55
58-22
24
22
10-5
332
152
3597
5
56
3-75
26
29
25-3
323
23
3598
9
56
5-57
14
41
24-4
355
111
3599
9
56
11-74
24
0
7-3
274
3
3600
6
56
24-81
23
0
47-8
337
57
3601
6-7
56
25-22
23
0
48-1
274
2
3602
8
56
38-93
26
50
57-6
350
76
3603
8-9
56
39 02
26
50
57-9
357
2
3604
8-9
56
39 04
26
50
58-6
323
24
3605
9
56
40-23
24
22
14-3
332
153
3606
9
56
45-48
22
17
34-2
337
59
3607
9
56
48-52
30
21
47-9
351
71
3608
8
56
50-29
19
42
55-4
272
32
3609
8-9
56
52-95
14
50
58-5
355
112
3610
8-9
56
57-49
15
55
161
347
72
3611
9
56
59-22
22
33
6-8
337
58
3612
8-9
56
59-78
25
12
21
332
155
3613
6
57
0-94
14
35
3-1
355
115
3614
9
57
4-22
26
57
26-0
357
3
3615
9
57
4-49
26
57
24-3
323
25
3616
9
57
5-28
14
45
2-4
355
114
3617
7
57
5-74
14
46
12 1
355
113
3618
9
57
28-12
29
8
9-4
350
78
3619
9
57
37-83
29
7
26-8
350
79
3620
6
57
40-27
24
35
59-4
332
154
3621
6
57
40-49
24
35
57-9
274
4
3622
9-0
57
43-94
22
25
45-5
337
60
3623
7
57
47-36
15
9
32-0
355
117
3624
7-8
57
47-60
15
9
32-4
347
73
15
228
O e 1 t z e n. Argelander's Zonen-Beobachtungen etc.
3625
7-8
3626
9-0
3627
9-0
3628
9
3629
8
3630
8
3631
9
3632
7-8
3633
9-0
3634
8-9
363S
8-9
3636
8
3637
8-9
3638
7
3639
9
3640
7
3641
8-9
3642
7-8
3643
8-9
3644
8
3045
6
3646
8
3647
9
3648
8-9
3649
9
3650
90
3651
9
3652
7-8
3653
7-8
3654
9
3655
9
3656
9
3657
9
3658
9-0
3659
9
tcens
iou 1850-0
Decl
nation
1S500
Zone
Nr.
57m
47 '89
—26°
6'
19*1
323
26
57
48
57
22
0
8
8
337
61
57
55
40
19
4
59
0
329
128
57
56
59
28
42
24
4
350
77
57
56
83
27
52
18
3
350
80
57
57
•14
27
52
19
7
357
4
57
58
43
19
50
21
8
272
33
57
59
30
18
5
48
9
329
130
58
0
58
14
43
11
7
355
116
58
3
02
18
9
8
5
329
129
58
3
14
18
9
13
6
276
2
58
4
94
20
32
1
7
272
34
58
8
75
30
1
31
2
351
72
58
17
21
25
50
6
337
62
58
19
14
26
15
2
0
323
27
58
20
36
20
27
34
2
272
35
58
48
47
23
39
23
9
274
5
58
53
21
21
27
59
0
337
63
58
58
18
14
59
30
6
355
118
58
58
37
14
59
29
3
347
74
59
10
82
26
21
30
0
323
28
59
11
07
21
37
41
1
337
64
59
16
78
24
41
14
3
332
156
59
16
90
23
30
14
2
274
6
59
22
27
26
19
47
6
323
29
59
23
79
15
38
41
2
355
120
59
25
63
17
38
41
8
329
130
59
32
32
14
54
10
0
355
119
59
32
37
14
54
9
2
347
75
59
46
49
24
42
10
2
332
157
59
48
84
20
20
9
2
272
36
59
50
49
27
43
38
4
350
81
59
50
63
27
43
47
4
357
5
59
50
91
15
59
8
3
355
121
59
59
87
27
46
55
4
350
82
Über den Gebrauch des Thermo-Hypsometers zu ehem. u. phys. Unters. 2^9
Über den Gebrauch des Thermo-Hypsometers zu chemischen
und physicalischen Untersuchungen.
Von Dr. J. J. Pohl.
(Mit 1 Tafel.)
Sowohl bei physicalischen als auch bei chemischen Unter-
suchungen tritt häufig der Fall ein, dass man den herrschenden Baro-
meterstand nicht nur mit grösster Genauigkeit kennen, sondern auch
über die Variationen desselben innerhalb einer bestimmten Zeit unter-
richtet sein muss. Es handelt sich im letzteren Falle um eigentliche
Differenz -Beobachtungen, bei denen also auch das Barometer strenge
genommen als Differential-Barometer dient. Derartige Untersuchungen
wären z. B. die Bestimmungen von Gas- und Dampfdichten, die
Ermittelung von Siedepunkten der Flüssigkeiten, gewisse optische
Arbeiten, bei denen man derKenntniss der Refraction bedarf; Wägun-
gen zur höchst genauen Dichten- und Gewichtsbestimmung der Körper,
bei welchen eine Reduction auf den leeren Raum nöthig, ebenso
Prüfung und Vergleichung, dann Construction von Normal-Maassen
und Gewichten etc.
Steinheil1) bat bereits gezeigt, dass gerade bei letztgenannten
Untersuchungen, also der Vergleichung von Gewichten und der da-
bei unumgänglich nöthigen Reduction der gemachten Wägungen auf
den leeren Raum, die höchst genaue Kenntniss des Barometerstandes
erforderlich sei. So kann unter gewissen Umständen bei Vergleichun-
gen von Kilogramm-Gewichten, eineÄnderung von blos 0-008 Millim.
im Barometerstande einen Fehler von + 0*01 Milligramm im Gewichte
herbeiführen. Wer sich aber je mit derartigen Arbeiten befasst
hat, weiss auch, welche Schwierigkeiten dabei der Gebrauch des
Barometers darbietet. Unberücksichtigt der Misslichkeit, ein Normal-
l) Abhandlungen der königl. bayrischen Akademie der Wissenschaften. Math. - phys.
Classe, 4. Bd., S. 163.
230 Pohl. Über den Gebrauch des
Barometer zu bedürfen, das selbst bei zweckentsprechender Com-
bination der Ablesungen, letztere bis zu 0-008 Millim. sicher zulässt,
ist das in kurzen Intervallen vorzunehmende Ablesen des Barometers,
bei welchem mindestens je 3 Einstellungen erst eine Beobachtung
liefern, höchst lästig und zeitraubend.
Ich benutze seit längerer Zeit zu ähnlichen Zwecken das
sonst, meines Wissens nach, nur zu Höhenmessungen benutzte Thermo-
Hypsometer mit dem besten Erfolge, und kann daher den Gebrauch
dieses Instrumentes statt eines viel schwieriger beizuschaffenden
Normal -Barometers oder statt eines Differential -Barometers em-
pfehlen. Die Vorzüge, welche dieses Instrument gegenüber dem
Barometer bei physicalischen und chemischen Arbeiten darbietet,
sind hauptsächlich:
1. Verhältnissmässig geringe Anschaffskosten im Vergleich zu
denen für ein Normalbarometer.
2. Compendiosität des Apparates, der auf jedem Tische oder
Stative in nächster Nähe des Experimentators aufgestellt wer-
den kann.
3. Grosse Bequemlichkeit in der Ablesung, zu der oft nur ein
Blick genügt.
4. Grosse Empfindlichkeit bezüglich der Angaben für kleine Ände-
rungen im Luftdrucke.
5. Bedeutende Schärfe und Sicherheit der Ablesungen, wobei man
das sonst beim Barometer so lästige Combiniren der Einzel-
Ablesungen erspart.
6. Unabhängigkeit von Temperatur -Einflüssen.
7. Baschere Beduction der erhaltenen Ablesungen.
Sollen aber die genannten Vortheile in der That erzielt werden,
so erscheint die Erfüllung gewisser Bedingungen unumgänglich not-
wendig, welche theils das Princip, theils die Einrichtung des Thermo-
Hypsometer betreffen.
Bezüglich des ersten Punktes mag hier blos erwähnt sein, dass
die Spannkraft des Wasserdampfes aufs genaueste bekannt sein muss,
um darnach das Instrument theilen, oder bei sonst willkürlicher
Scala, dessen Angaben entsprechend reduciren zu können.
In neuerer Zeit werden ziemlich allgemein die Besultate, welche
Regnault bei seinen ausgedehnten Arbeiten über dieSpannkraft des
Thermo-Hypsomelers zu chemischen und physicalisehen Untersuchungen. 231
Wasserdampfes fand1), bei physicalisehen und chemischen Untersu-
chungen zu Grunde gelegt. Diese Angaben erfordern jedoch, nament-
lich für vorliegenden Zweck, kleine Abänderungen.
R egn au lt 's Spannkräfte des Wasser dainpfes für bestimmte
Temperaturen sollen nämlich nach der Formel:
log e = a ~f- o a/ -J- c ßtl
berechnet sein, worin:
log a, = 0006863036 log b = 8' 1340339
log ßi = 9-9967249 log c = 0-6116485 negativ
a = + 4-7384380
ist. Regnault's Tafel, S. 624 des grossen Werkes und Seite 335
des 11. Bandes der citirten Zeitschrift, gibt aber für die Temperatur
t = 100° C. einen Sprung, da statt dem daselbst angegebenen
und folgen sollenden Werthe von e = 760-000 Millim., aus der
obigen Formel e = 760-123 Millim. resultirt.
Moritz hat bereits gezeigt3), dass der Grund dieses Sprunges
ein blosser Rechenfehler sei, welcher aber eben Regnault's Tafel
für die Werthe der Spannkräfte um die Temperatur 100° C. unbrauch-
bar macht. Moritz zeigt ferner, dass die zur Berechnung von a-\-ß
und aß dienenden Formeln Regnault's im 11. Bande, Seite 327 der
Annales de Chimie et de Physique, Serie III. in Folge eines Druck-
fehlers falsch sind. Ich finde denselben Fehler auch in P o g g e n d o r ff 's
Annalen3) übergegangen. Ebenso mag zur Vermeidung von Irrungen
bemerkt sein, dass im citirten grossen Werke Regnault's zur
Berechnung der Summe a-\- ß sowie des Productes aß Ausdrücke ge-
geben sind4), welche sich von den in den Annales de Chimie et de
Physique befindlichen der Form nach unterscheiden. Mit Benützung
zehnstelliger Logarithmen zur Zifferrechnung statt siebenstelligen wie
*) Relation des Experiences entreprises pour determiner les principales lois et les
donnees numeriques qui entrent dans le caleul des machines ä vapeur. pag\ 624 und
Annales de Chimie et de Physique, Werne Serie, tome XI, pag. 335.
2) Bulletin de la ("lasse Physico-Matliematique de l' Academie imperiale des sciences de
St. Petershourg, tome XIII, pag. 41.
3) Ergänzungsband 2, S. 170.
4) Relation des Experiences etc. pag. 596.
232 Pohl. Über den Gebrauch des
sie Regnault gebraucht und welche im vorliegenden Falle nicht
genügen, mit Ausnahme zur Bestimmung des a, erhält man für
log «j = 0-006864937152
log j3j = 9-996725536856
log b = 8- 1319907112
log c = 0-6117407675 negat.
a = 4-7393707.
mit den Differenzen gegen Regnault's Zahlen für
log «j = —0-000000098848
log ßx = +0-000000636856
log b = —0-0000431888
log c = —0-0000077325
a = 0-0009327.
Ausser der oben erwähnten Tafel hat Regnault noch eine zweite
Tafel der Spannkräfte geliefert1) die Werthe von t zwischen 85° bis
101° umfassend, welche von 0*1 zu 0-1° C. fortschreitend, blos
für 2 Decimalen interpolirt ist. Diese Tafel blieb von Moritz gänz-
lich unberücksichtigt, sie fand ebenfalls in den Annales de Chimie
et de Physiquez), sowie in Poggend orff's Annalen 3) Aufnahme.
Beide Tafeln Regnault's zeigen aber, was die höheren Tem-
peraturen anbelangt, nicht unwesentliche Differenzen. Für t = 8S°
bis inclusive t — 97° stimmen die gegebenen Werthe nach vorgenom-
mener Ausgleichung bezüglich der dritten Decimale vollkommen,
dann aber wird
in der 1. Tafel Regnault's
in der 11.
Tafel llegn ault's
t Spannkraft
t
Spannkraft
Differenz
98° 707m-28
98
707^26
+ 0-02
99 733-31
99
733-21
+ 0-10
100 760-00
100
760-00
0-00
101 787-59
101
787-63
— 004
Bildet man von t = 93° an die Differenzreihen für diese
beiden Spannkrafts-Tafeln, so wird für die 2. Tafel auf Seite 632
des grossen Werkes befindlich:
i) Relation des ExpeYiences etc. pag. 632.
2) Illeme Se'rie, tome XIV, pag. 206.
3) 83. Band, S. 579.
Thermo-Hypsometers zu chemischen und physiealischen Untersuchungen. 233
A' A"
93° 588-41
22-33 0.71
94 610-74 23.04 07i +0-01
95 633-78 9Q »R + 0-01
96 657-54 24.4g u ,a + 001
97 682-03 9K 9o °'?4 — 0-02
98 707-26 25.93 v " + 012
99 733-21 26.79 °'84 + 000
100 760-00
101 787-63
0-84
27-63
Für die 1. Tafel Regnault's, Seite 624 des grossen Werkes
dasselbe gethan, wird:
A' A"
93° 588-41
22-33 ft> «,.
94 61074 23.04 0 71 +0.01
95 633-78 OQ 7ß + 001
0 n-73
96 657-54 9,.,q u i6 + 003
n-7ß
97 68203 „,>«>,. ° + 0-02
0-7&
98 707-28 0ß nQ — 0-12
99 733-31 9ß.ßQ u 0D + 0-24
100 760-00
101 787-59
26-69
27-59
0-90
Es zeigt somit zwischen 95° und 101° C. die I. Tafel von
Regnault viel grössere Unregelmässigkeiten als die zweitgegebene.
Aber auch Moritz hat eine verbesserte Spannkraftstafel der
Wasserdämpfe nach Regnault's Angaben mit 3 Decimalen publicirt.
Rerücksichtiget man in selber blos zwei Decimalen, so hat man nach
Bildung der Differenz -Reihen
A' A" A'"
22-33
23-03
23-75
24-49
25-24
26-02
26-81
27-62
93°
588-33
94
610-66
95
633-69
96
657-44
97
681-93
98
707-17
99
733-19
100
760 00
101
787-62
0-70
+ 0-02
0-72
+ 0-02
0-74
+ 001
0-75
+ 0-03
0-78
+ 001
0-79
+ 0-02
0-81
23 4- Pohl. Über den Gebrauch des
Diese Tafel geht also sehr gleichförmig, da die kleinen Sprünge
in den dritten Differenzen ihren Grund lediglich in den Ausgleichun-
gen der letzten Decimale haben. Die folgende Zusammenstellung
mag endlich dazu dienen, die Unterschiede zu zeigen , welche die
1. und 2. Tafel Regnaulfs gegen die neue Tafel von Moritz
darbieten.
Reg-n. Werthe derTaf. I Reg-n. Wertheder Taf. II
t sind gegen Mo ritz sind gegen Moritz
93
+ 0-08
+ 0-08
94
+ 0-08
+ 0-08
95
+ 0-09
+ 0-09
96
+ 0-10
+ 0-10
97
+ 010
+ 0-10
98
+ 0-11
-r- 0-09
99
+ 0-12
+ 0-02
100
0-00
000
101
— 0-03
+ 0-01
Ich habe daher mit Benutzung der Angaben von Moritz eine
neue Tafel der Spannkräfte des Wasserdampfes von 93° bis 101° C.
construirt, welche keine grössern Intervalle als 0°I enthält und wie
ich glaube, für die Anwendung des Thermo-Hypsometers zu physica-
lischen und chemischen Untersuchungen ausreicht. Es bedarf wohl
kaum der Erwähnung, dass die Werthe dieser Tafel auch bei
Höhenmessungen mittelst des genannten Instrumentes den Angaben
Regnaulfs vorzuziehen seien.
Thermo-Hypsometers zu chemischen und physicalischen Untersuchungen. 231)
Tafel der Spannkräfte des Wasserdanipfes.
Temperatur,
Grade
Celsius
Spannkraft
Erste
Zweite
Temperatur,
Grade
Celsius
Spannkraft
Erste
Zweite
Millimetern
Differenz
Millimetern
Differenz
939
588-333
2*202
979
681-931
2-490
1
590 335
2-209
2-216
2-223
0-007
•1
684 421
2-498
2-506
2-513
0-008
•2
•3
592-744
594-959
7
•2
•3
686-919
689-425
8
7
•4
•5
597- 182
599-411
2-229
2-236
2-244
9.950
6
7
•4
•5
691 • 938
694-458
2-520
2-528
2-536
2*543
8
•6
•7
601-647
603-891
8
6
•6
•7
696-986
699-522
8
7
•8
•9
606-141
608-398
2-257
2-263
7
6
•8
•9
702-065
704-616
2-551
2-558
8
7
94-
•1
610-661
612-932
2-271
2-279
2-286
8
8
98-
•1
707-174
709-741
2-567
2-575
9
S
•2
613-211
7
•2
712-316
2-582
7
•3
617-497
2-292
6
•3
714-898
2-590
8
•4
619-789
2-299
2-307
2-314
2-321
2-327
7
•4
717-488
2-598
8
•5
622-088
8
•5
720 086
2*606
S
•6
624-395
7
•6
722-692
2*613
7
•7
•8
•9
626-709
629 030
631-357
7
6
8
•7
•8
•9
725-305
727-926
730-555
2-621
2-629
8
8
7
2*335
2*636
95-
633-692
2-343
2-350
2-357
2-364
2-371
2-379
2-386
2-393
2-400
8
99-
733 191
2-645
9
•1
•2
636-035
638-385
7
7
•1
•2
735-836
738-489
2-653
2*661
8
8
•3
•4
640-742
643-106
7
7
•3
■4
741 150
743-819
2*669
2*677
8
8
•5
645-477
8
•5
746-496
2*685
8
•6
647-856
7
•6
749-181
2*693
8
•7
650-242
7
•7
751-874
2-701
2-708
8
•8
652-635
7
■8
754-575
7
•9
655 035
8
•9
757-283
9
2-408
2-717
96-
•1
•2
657-443
659-859
662-282
2-416
2-423
2-430
2-438
2-445
2-452
2-460
2-467
8
7
7
100-
•1
•2
760-000
762-725
765-459
2-725
2-734
2-742
8
8
8
•3
•4
•5
•6
664-712
667-150
669-595
672-047
8
7
7
8
•3
•4
•5
•6
768-201
770-951
773-709
776-475
2-750
2-758
2-766
2*774
2-782
2-791
2-799
S
8
8
S
•7
674-507
7
•7
779-249
8
•8
676-974
8
•8
782-031
9
•9
679-449
2-475
2-482
7
•9
784-822
8
97-
681-931
101-
787-621
236 Pohl. Über den Gebrauch des
Was die Einrichtung des Thermo - Hypsometers anbelangt, so
dürfte sich wenigstens für den vorliegenden Zweck, die von Wol-
laston, dann von Morstadt und Gintl gebrauchte Form1) am
wenigsten empfehlen. Besonders unvortheilhaft stellt sich die gewählte
Anbringungsweise der Scala, sowie die birnförmige Form des Queck-
silbergefässes am Thermometer heraus. Die Erfahrung zeigt nämlich,
dass ein derartiges Thermo-Hypsometer in Folge von Volumsände-
rungen des Quecksilbergefässes selbst bei Beobachtungen im Zimmer,
beständigen Schwankungen unterworfen ist, welche unmöglich auf
Kosten der Änderungen im Luftdrucke geschrieben werden können.
Die grosse Masse Quecksilber, in einem dünn ausgeblasenen Glas-
gefässe befindlich, muss nothwendig zur Formänderung des letzteren
beitragen.
Bereits vor mehreren Jahren Hess ich daher ein Thermometer mit
cylindrischem Gefässe von Kappeller in Wien anfertigen, welches
sich seit dieser Zeit bei vielfachem Gebrauche vollkommen bewährte.
Der Cylinder des Hypsometers hat ungefähr 11 Millim. Durchmesser
bei 60 Millim. Länge. Bekanntlich ändern Thermometer-Gefässe beim
längeren Liegen ihr Volum und liefern in Folge dessen unter sonst
gleichen Umständen geänderte Angaben. Dieser Übelstand trifft auch
das Thermo-Hypsometer, ich habe jedoch denselben auf eine sehr
einfache Weise eliminirt. Vor der Bestimmung des Werthes eines
Theilstriches der Therinometer-Scala, welche übrigens am besten
eine willkürliche, und bei meinem Instrumente eineMillimeter-Scala
ist, wird das Instrument mehrere Tage hindurch in den Dämpfen von
kochendem Wasser erhalten. Das Volum des Quecksilbergefässes
nimmt dabei für längere Zeit ein Volum an, das bei öfterem Gebrauche
des Instrumentes constant bleibt. Nur wenn das Thermometer zu
geraume Zeit, etwa ein halbes Jahr, nicht in Verwendung stand, ist
es sicherheitshalber gut, vor der weiteren Benützung dasselbe aber-
mals, wie angeführt, zu erhitzen, wornach es wieder die ursprüng-
lichen Angaben zeigt.
Die Schärfe sowie Sicherheit der Ablesung und Angaben des
Instrumentes hängt aber auch von der Construction der Scala und
vom Baum-Verhältniss des Quecksilbergefässes zur Höhlung des
1) Philosophical Transaetions, volume 107, pag\ 183.
2) Gintl, Das Höhenmessen mit dem Thermometer, gr. 8°-, Wien 1835, S. 16.
Thermo-Ilypsonieters su chemischen und physicalisehen Untersuchungen. 1237
Thermometer -Rohres ab. Cmfasst die Hypsometerscala das Intervall
von 93° bis 101° Celsius und jeden Grad ungefähr durch 20 Milli-
meter repräsentirt, so hat man, sonst leicht ablesbare Theilung
vorausgesetzt, ein Instrument, das sich bezüglich der Genauigkeit
der Angaben mit dem besten Normalbarometer messen kann. Denn
dann entspricht 1 Millimeter = 005 Graden und da zehntel Milli-
meter noch leicht und genau schätzbar sind, erscheint es leicht, noch
0005 Grade Celsius sicher abzuschätzen. 0*005 Grade entsprechen
aber in der Mitte der Scala ungefähr 0-0013 Millimeter Barometer-
stand. Zur leichteren Ablesbarkeit der Scala trägt deren Theilung
auf versilbertem Messing bei, sowie das Ausziehen der Theilstriche
unter dem Thermometerrohre und die bandförmige Gestalt der Queck-
silbersäule.
Die Werthbestimmung der Scalatheile fand ich am zweck-
mässigsten direct nach Barometerständen vorzunehmen, die an Tagen
mit möglichst constantem Luftdrucke von einem Normalbarometer
abgelesen , und wovon je vier Ablesungen zu Einer Beobachtung
combinirt werden •). Man erhält so weit sicherere Resultate als bei
Werthbestimmung der Scalatheile nach einem Thermometer.
Steht das Thermometer des Hypsometers frei aus dem Koch-
gefässe heraus, so reicht die geringste Bewegung und die dadurch
bedingte Abkühlung des Scalarohres hin, eine Änderung in den An-
gaben des Instrumentes herbeizuführen. Schon Begnault hat, um
diesen Obelstand zu vermeiden2), das Thermometer mit Messing-
röhren umgeben, welche mit dem Kochgefässe in Verbindung stehen
und bei etwaigem Transporte sich wie bei einem Auszugfernrohre in
einander schieben lassen.
Ich habe bei meinem Instrumente diese Röhren durch ein 15 Mil-
limeter weites Glasrohr ersetzt, welches centrisch das Thermometer-
rohr umgibt und am oberen und unteren Ende luft- und wasserdicht
durch eine Metallfassung geschlossen ist. Der untere Theil der Fas-
sung bildet zugleich den Stöpsel womit man das Thermometer in das
Kochgefäss einsetzt. Um beim Gebrauch im Freien das Thermometer
*) Diese Bestimmung- geschah bei meinem Hypsometer mittelst eines nach Professor
Schrotte r's Angaben construirten Normalbarometers, bei welchem direct 0-02
Millim. ablesbar sind.
2) Annales de Chimie et de Physique ; serie III, tome XIV, pag. 196.
238 Pohl. Über den Gebrauch des
noch besser vor Luftzug zu schützen, ist die Scala desselben bis auf
die Vorderseite mit einer Holzrinne als schlechtem Wärmeleiter
umgeben. Es wird dann das Thermometerrohr bei der Ablesung so
gedreht, dass die Holzhülse gegen den Wind zu stehen kommt.
Die Art des Kochgefässes bleibt gleichfalls bei thermo-hypso-
metrischen Bestimmungen von grossem Belang. Das Kochgefäss des
von mir benutzten Instrumentes ist meines Wissens vom Herrn
L. Kapp eller in Wien mit Benutzung der von Morstadt, Baum-
gartner, Gintletc. gemachten Angaben und Erfahrungen con-
struirt. Bei einer Höhe von 160 Millimeter und cylindrischer Form
hat es 55 Millimeter Durchmesser. Es besteht aus starkem innen ver-
zinntem Messingblech. Der aufzusteckende Deckel des Gefässes
trägt in der Mitte eine Hülse zur Aufnahme des eingeschliflfenen
Thermometers, und das Quecksilbergefass desselben ragt nicht frei
in das Kochgefäss, sondern ist mit einer am Deckel befestigten 105
Millimeter langen und 34 Millimeter im Durchmesser haltenden unten
offenen Messinghülse umgeben. Diese Hülse soll das Quecksilber-
gefass und die dasselbe zunächst umgebenden Dämpfe vor plötzlicher
Abkühlung von aussen schützen. Bei geschlossenem Gefässe können
die Wasserdämpfe ungehindert sowohl durch ein am Deckel ange-
brachtes Hahnventil entweichen, das nach Belieben verschliessbar,
als auch besonders bei der Beobachtung selbst, durch eine Öffnung
am Boden des Kochgefässes, indem die Dämpfe in ein fast bis an den
Deckel reichendes Abzugsrohr eintreten, das allein mit erwähnter
Öffnung communicirt.
Die beigegebene Figuren - Tafel zeigt das zum Theil schon
beschriebene Instrument, sowohl vollkommen für den Gebrauch
zusammengestellt in J/3 natürlicher Grösse, als auch das eigentliche
Thermo-Hypsometer blos zur Hälfte verkleinert.
Fig. 1 a ist das Kochgefäss von Messing,
„ b das Thermo-Hypsometer im engeren Sinne des Wortes,
„ c die am Deckel befestigte Hülse von Metall für das Queck-
silbergefass des Thermometers,
„ d das Hahnventil zur Dampfausströmung am Deckel,
„ e die Mündung des punktirt angezeigten Dampf-Ausströmungs-
rohres im Innern des Kochgefässes,
„ f der Mantel für die Spirituslampe und zugleich das Stativ
des Apparates, ebenfalls von Messing,
Thermo-Hypsoiuetcrs zu chemischen und physiealischen Untersuchungen. i^39
Fig. 1 g ein HolzgrifT zum bequemen Abheben des Hypsometers von
der Lampe. Dieser Griff ist nur angesteckt, kann also durch
einen Zug vom Instrumente entfernt werden,
„ 2i ist eine kleine Ausbauchung im Thermometerrohr , über
welcher sich noch eine zweite ähnliche befindet, damit die
beim Umkehren, Transportiren des Instrumentes etc. etwa
getrennte Quecksilbersäule dort Gelegenheit findet, sich
wieder zu vereinen.
„ k endlich sind die von vorne sichtbaren Ränder der Hulzrinne,
welche die Thermometerscala zum Theil vor Luftzug
schützen soll.
Alle übrigen Bestandtheile des Instrumentes sind wohl aus der
Zeichnung selbst verständlich.
Das eben beschriebene Instrument wurde übrigens nicht speciell
als Ersatzmittel des Barometers bei physicalischen und chemischen
Untersuchungen construirt, sondern sollte zu Höhemessungen dienen.
Seit mehreren Jahren damit vorgenommene Messungen zeigten , dass
das Instrument sonst zweckmässig aufgestellt, selbst im Winde auf
Bergen, noch immer sehr brauchbare Resultate liefere.
Bei dieser Verwendung wird das Thermo-Hypsometer mit seinen
drei vorstehenden Füssen in die Vertiefungen eines Holzbrettchens
eingesetzt und durch eine Art Bajonet-Verschraubung daran festge-
halten. Die beistehende Figur
versinnlicht diese Befestigungs-
Vorrichtung in */6 natür-
licher Grösse ; a a a sind
die Halter für die Instruments-
füsse; b zeigt eine Vertiefung,
in welche eine grosse Schraube
passt , durch deren Kopf das
Bretfchen mit dem Instrumente fest an ein zusammenlegbares
Stativ befestiget werden kann, c, c, c, c sind kleine IMetallspangen
mit Ösen. In letztere können Drathstifte gesteckt werden um
welche, von drei Seiten das Instrument umgebend, ein Schirm von
Leinwand gespannt, um so den Luftzug abzuhalten, weicher das
Brennen der Lampe stören würde. Den von H u g i zu glei-
chem Zwecke angegebenen Leinwandsack über das Hypsometer
240 Pohl. Über den Gebrauch des Thermo-Hypsometers etc.
selbst i) fand ich ziemlich unpraktisch, obschon mir auch der Lein-
wandschirm oft ungenügende Dienste leistete. In neuerer Zeit um-
gebe ich jedoch das Instrument blos mit einem Mantel von Metallblech
der 190 Millimeter hoch, 105 Millimeter Durchmesser hat, vomHypso-
meter, überall 25 Millimeter absteht, und welcher, da er oben offen
ist, der Luft genügenden Zutritt zur Lampe gestattet um das Ver-
brennen derselben zu unterhalten. Die Befestigung des Mantels am
Instrumentbrettchen geschieht gerade so wie jene des Hypsometers.
Die Erfahrung zeigt, dass nach Anbringung dieser einfachen Vorrich-
tung, welche übrigens beim Transporte über das Futteral des
Hypsometers geschoben wird, die Spirituslampe selbst bei Sturm ruhig
fortbrennt und das Wasser im Hypsometer rasch zum Sieden bringt.
l) Hugi, Naturhistorische Alpenreisen. Solothurn 1830, Seite 9.
Pohl, (irl.nuuli den TImtiiiii - tty|iH«nirl«TH.
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Wedl. Anatomische Beobachtungen über Trematoden 241
Anatomische Beobachtungen über Trematoden.
Von dem c. M. Prof. Dr. f. Wedl.
(Mit 4 Tafeln.)
(Vorgelegt in der Sitzung vom 23. Juli 1857.)
1. Distoma ovatum (Rud.).
Dieser kleine, in frischem Zustande gclbröthliche Saug-
wurm wurde von mir in der Bursa Fabricii bei Scolopax Galli-
nula, Grus cinerea und Fulica atra angetroffen. In dem benannten
Organe wurde er auch von den meisten Beobachtern gesehen, und es
scheint derselbe nur zuweilen in die Bauchhöhle oder in den Eileiter
der Vögel zu gelangen. Das Verhältniss der einzelnen Organe ist
aus Fig. 1 ersichtlich (von der Bauchseite bei durchgehendem Lichte).
Der ziemlich stark gewulstete Mundnapf (a) schliesst eine trichter-
förmige Mundhöhle ein, welche mit dem schlitzförmigen Gange des
Bulbus oesophageus (b) J) in unmittelbarem Zusammenbange steht.
Der Darmcanal bifurcirt sich gleich hinter dem Bulbus, verläuft
beiderseits in wellenförmigen Excursionen nach rückwärts (cc), um
blind zu endigen; in seinem ganzen Verlaufe habe ich ihn stets mit
einem dunkelkörnigen Inhalte vollgepfropft gefunden, so zwar, dass
der Darm bei dem kleinen Thiere in Form eines gabelig getheilten
Streifens schon für das blosse Auge sichtbar wurde. Der Bauchsaug-
napf besitzt beinahe den doppelten Durchmesser des Mundnapfes (d),
wie dies auch Dujardin in seiner Histoire naturelle des helminthes
S. 305 angibt. In erschlafftem Zustande erweitert sich die Eingangs-
öffnung des Bauchnapfes so beträchtlich , dass sie das Vierfache des
Diameters von der Eingangsöffnung des erschlafften Mundnapfes
nahezu erreicht. Die Hoden liegen, wie dies v. Siebold (vergl.Anat.
der wirbellosen Thiere S. 143) schon bemerkte, nebeneinander hinter
l) Der Bulbus oesophageus (Schlundkopf) der Trematoden kann, wie ich dies in meinem
Aufsätze über die Mundwerkzeuge der Nematoden in Bezug auf deren Speiseröhre
gezeigt habe, als ein Triturations-Apparat bezeielinet werden.
Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. XXVI. Cd. I. Hft. 16
242 w e «1 I.
dem Acetabulum (<?, e); inzwischen schiebt sich jedoch noch das
Agglomerat von Samenhläschen (f) (Yesicula semin. interior) mit
den undulirenden Samenfäden. Das vas deferens schlingt sich in
wellenförmigen Linien schräge nach links und vorwärts und endigt
neben dem Mundnapfe, an welcher Stelle an manchen Exemplaren
der hervorgestülpte, mit seinem abgerundeten Ende nach rückwärts
gekehrte glatte Penis (g) wahrgenommen wird. An seiner Austritts-
stelle befindet sich eine papillöse Hervorragung. Die traubenförmigen
Dotterstöcke erstrecken sich zu beiden Seitentheilen des Thieres
{h, li) von vor- nach rückwärts, sind nach vorne zu bis zu einer
Linie zu verfolgen , welche man sich von der Theilungsstelle des
Darmcanals querüber gezogen denkt und endigen rückwärts un-
gefähr in der Mitte der Aussenseite der beiden Hoden. Die knäuel-
artig gewundenen Uterinalschläuche (i, i) nehmen den hintersten
Abschnitt des Thierleibes ein, zwei derselben erblickt man gegen
die Samenbläschen hin verlaufen, während der solitäre Gang des
Uterus (Je) mit dem vas deferens bis zu seiner Ausmündnng knapp
neben der Austrittsstelle des Penis nach vorne zieht. Die sehr zahl-
reichen kleinen Eier sind oval, 0*024 Millim. lang, 0'014 Millim.
breit, nehmen in ihrer Reife eine dunkelgelbe Färbung an und
erscheinen im gewundenen Uterus mehrreihig neben einander, wäh-
rend sie die schmale Vagina nur mehr einreihig passiren können. Die
Hautoberfläche ist mit symmetrischen Reihen von etwas gekrümmten,
mit ihrer scharfen Spitze schräg nach rückwärts gekehrten, vor-
und zurückziehbaren Stacheln bedeckt, die an dem vordersten Thier-
abschnitte in dichterer Menge beisammen stehen.! Durch diesen Bohr-
apparat wird es dem Wurme möglich, sich theils an dem lockeren
Parenchym der Bursa festzuhalten und anderentheils die Blutgefässe
selbst anzustechen und das Blut als Nahrungsstotf aufzunehmen. Ich
habe zuweilen noch unverkennbares Blut im Darme vorgefunden. Es
ist desshalb der gleich eingangs erwähnte Inhalt des Darmes, aus
braunschwarzen eckigen beinahe krystallinischen Körnern bestehend,
als Blutschlacke zu erklären. Die Wassergefässe sind schmal , mit
Flimmerläppchen versehen.
2. Distoma auricolatum (n. sp.).
Im Darme von Acipenser Ruthenus kommt zuweilen ein sehr
zartes, transparentes, 2 — 3 Millim. langes. y8 — 2/3 Millim. breites
Anatomische Beobachtungen über Trematoden. 243
Distom (Fig. 2) vor. Der Mundnapf («) nähert sich der herzför-
migen Gestalt, ist zu beiden Seiten nach aussen mit zwei warzen-
artigen Erhabenheiten (uurieulae) besetzt (b, b). Die trichterför-
mige Mundöffnung führt zu dem nmsculösen Schlundkopf (in c),
hinter welchem bald die Theilung der beiden Darmstüeke erfolgt.
Der Verlauf derselben (d . d) ist leicht kenntlich. Der Bauchnapf
(#) hat eine kleinere Circumferenz als der Mundnapf. Die Dotter-
stöcke (/, f) an den beiden Seiten, in den beiden hinteren Drittheilen
des Körpers gelegen, sind durch ihren körnigen Inhalt scharf
markirt, so dass selbst ihr querer Ausführungsgang (/, I) leicht
kenntlich wird. Der Uterus hat eine geringe Längenausdehnung,
die reifen Eier in demselben sind bräunlichgelb, oval, OO06 Millim.
lang, 0*036 Millim. breit. Die beiden Hoden (Ii) liegen ziemlich
weit rückwärts hinter einander, die innere Samenblase (&) befindet
sich hinter dem Acetabnlum, etwas seitlich geschoben, der S förmig
gekrümmte Penis (i) vor dem letzteren. Die hintere LeibesötTnung(w)
führt zu einem nur eine kurze Strecke zu verfolgenden blinden
Gang, dessen Wände contractile Längs- und Ringsfasern besitzen.
Die äussere Decke ist nur gegen vorne zu mit sehr kleinen dichten
Wärzchen besetzt, nach rückwärts glatt.
3. Distoma campanula (Dujard.).
In dem Darmschleim von Esox Lucius habe ich sehr kleine
Distomen gesehen von einer Länge von 1 Millim. bei einer Breite
von kaum % Millim., die Dujardin (1. c. Seite 435) als Distoma
Campanula zu seinem Subgenus Crossodera gehörig bezeichnete,
ohne jedoch eine Diagnose des Wurmes selbst zu geben, wess-
wegen er diesem Distom ein Fragezeichen vorsetzte. Der vor-
dere Saugnapf besitzt ähnlich dem zuletzt beschriebenen Distom
zwei seitlich stehende stumpfe, konische, derbe Hervorragungen
(Fig. 3 a, a) und eine mächtige Lage von Muskelfaserbündeln,
welche aus concentrischen gegen die Bauchseite des Thieres
gekehrten, und longitudinalen gegen die Rückenseite gelagerten
Schichten besteht. Das Acetabulum beträgt ungefähr den Dritt-
theil des Mundnapfes , liegt in der hinteren Hälfte des Thieres
(b) und hat einen Diameter von 006 Millim. Die Dotterstöcke in
dem vorderen Thierabschnitte haben eine geringe Ausdehnung; sie
sind in der Zeichnung nicht gegeben. Der Uterus hingegen hat eine
16*
244 W e d I.
verhältnissmässige grosse Circumferenz, so zwar, dass der grössere
Theil der Körperhöhle mit Eiern vollgepfropft erscheint, die einen
Längendiameter von 0-028 Millim. hahen und im reifen Zustande den
keulenförmigen Embryo einschliessen (e). Hinsichtlich der männlichen
Geschlechtsorgane und der Geschlechtsöffnungen konnte ich zu keinem
sicheren Resultate gelangen; ich kann nur so viel angeben, dass
ganz nach rückwärts ein oblonges Organ (c) (ob Hode?) sich vor-
findet, und die Eier bis etwas vor das Acetab. (d) in dem plötzlich
endenden Schlauche verfolgt werden konnten. Die äussere Haut ist
mit Längsreihen von feinen Stacheln durchgehends besetzt, welche
letztere an dem Vordertheile des Wurmes am stärksten sind und
nach rückwärts an Dicke abnehmen.
4. Di stoiim crassiasculnm (Rud.).
Diesen, wie es scheint, nur selten beobachteten Wurm habe
ich in einigen Exemplaren in der Gallenblase eines jugendlichen Indi-
viduums von Büteo vulg. gefunden. Der Körper des Thieres zeigt
einen bräunlichen Fleck von der Färbung der reifen Eier herrührend,
ist 3—4 Millim. lang, 1—1 ya Millim. breit. Der Mundnapf (Fig. 4 a)
ist von gleicher Grösse mit dem Bauehnapfe (k) , wie dies auch
Rudolphi (Entoz.hist. nal. II. 1, S. 408) schon angegeben hat. Die
Theilung des dicken Darmes (b, b) erfolgt sogleich hinter dem Bulbus
oesophageus. Die beiden hintereinander gelegenen Hoden (c, c) sind
voluminös und stehen mit der seitlich gelegenen inneren Samenblase
(d) in Verbindung, von welcher ein breites zwischen den Uteri nal-
gängen sich windendes vas deferens nach vorne zieht. Die Dotter-
stöcke (<?,<?) haben an den Seitentheilen die bezeichnete Ausdehnung,
auch sieht man von dem Ende des Dotterstockes der einen Seite
(bei m) einen quer nach einwärts laufenden Ausfiihrungsgang,
der sich mit dem der anderen Seite vereinigt. Der Eierkeimstock
()i) hat wie gewöhnlich seineLage in derLängenaxe des Körpers; der
mannigfach geschlungene Uterus ist mit ovalen Eiern vollgepfropft,
die im reifen Zustande 0-021 Millim. lang, 0-014 Millim. breit sind.
Die Geschlechtsöffnungen befinden sich in der Mitte zwischen den
beiden Näpfen (bei /). Ringsum den Mund sitzen einige Reihen von
viereckigen Zähnen (/) , welche wahrscheinlich auch am Acetabulum
sieh vorfinden, während an der äusseren Haut allenthalben Stacheln
eingefügt sind, welche in vorgestecktem Zustande, wenn sich die
Anatomische Beobachtungen über Tiematoden. 245
netzförmigen Hautmuskeln relaxirt haben, mit ihrer etwas gekrümm-
ten , nach rückwärts gerichteten Spitze über die Hautoberfläche her-
vorragen (/"), während sie, wenn die Hautmuskeln sich contrahirt
haben , unterhalb des Niveau der Hautoberfläche zu stehen kommen
und ihre Spitze sich in eine Hauttasche einsenkt, die sich nach Art
einer Falte erhebt (</). Das schon erwähnte netzförmige Gerüste der
Hautmuskeln (h) ist an dem Hintertheile des träge sich bewegenden
Thieres leichter zu beobachten.
5. Distoma echiuatum (Zeder).
Dujardin(l. c. 427) hat ein im Haliaeus carbo des Cor-
moran vorkommendes Distom von Distoma echinatum (Zeder)
getrennt, jedoch zu vage Unterschiede angegeben, so zwar, dass Die-
sing (Systema heim. 1.138) die von Dujardin aufgestellte Species
mit einem Fragezeichen noch dem D. echinatum beizählt. Da mir das
Distom aus dem Darm von Anas jetzt nicht zugänglich ist, bin ich
nicht in der Lage, darüber ein Urtheil zu fällen, will jedoch eine
genauereBeschreibung der von mir im unteren Theile des Dünndarmes
vom Cormoran gefundenen Distoms folgen lassen , welche mit jener
von D. echinatum wesentlich übereinstimmt. Der Vordertheil des
Thieres , das 4 Millim. lang, »/> Millim. breit ist, endigt mit einer
nierenförmig gestalteten musculösen Platte, deren Rand mit 27 Stacheln
besetzt ist (Fig. 5 a,a). Dieselben sind gross, 0-096—0-12 Millim.
lang, stecken in einer Scheide, die sich baldachinartig gegen die
Spitze des Stachels hin anspannt und hervorgezogen als wellenförmig
gekräuseltes Band erscheint. Der Basaltheil der Stacheln ist gegen
die MundölTnung gekehrt, die mit ihrem grösseren quergelagerten
Durchmesser bei Thieren von obbenannter Grösse in relaxirtem Zu-
stande 0-084 Millim. misst. Die Ösophagusschwellung befindet sich
gleich hinterhalb des Stachelkranzes. Der sich hinter ihr bifurcirende
Darmistbis zum zweiten Drittheile des Thieres leicht zu verfolgen (b,b),
in seinem weiteren Verlaufe aber durch die Dotterstöcke verdeckt.
Das Acetabulum (a) springt an der Bauchfläche stark vor, die Lich-
tung und Eingangsöflhung in die schlüsseiförmige Vertiefung ist
mindestens viermal grösser als die MundölTnung. Die beiden, ziemlich
grossen gelappten Hoden (c, c) liegen hintereinander in dem Vorder-
abschnitte der hintern Leibeshälfte. Die innere Samenblase (</) ist
gegen die Seite gerückt. Der voluminöse Cirrusbeutel (e) vor dem
246 W e d I.
Acetabulum schliesst den in f herausgetretenen Penis mit seinem
kolbenförmig geschwellten Ende ein. Seine Länge habe ich in einem
Falle zu 0-24Millim., seine Breite zu 0-048 — 006 Millim. bestimmt.
Die äussere Hülle des Penis schwillt gegen d;is freie Ende zu einer
resistenten glockenförmig gespannten, mit feinen Stacheln an der Aus-
senseite besetzten Haut an, welche noch einen solchen Grad von Trans-
parenz besitzt, dass der Körper des Penis daselbst durchscheint und
nur mit seiner abgerundeten Spitze aus der Glocke hervorragt (Fig. 6).
Dieselbe ist offenbar nach Art eines Praeputium gebaut und wird
ebenso wie dieses nach aussen umgeschlagen. Die Dotterstöcke (g,g)
an den Seiten der hintern zwei Drittheile beugen sich jederseits an
dem Hinterrande des Leibes schlingenförmig um und verlaufen zu
beiden Seiten der Mittellinie des Körpers eine kurze Strecke nach
vorwärts. Die gelben ovalen Eier in dem Uterus (Ji) sind gross,
0-086 — 0-096 Millim. lang , 0-065 — 0-072 Millim. breit. Die
sogenannten Wassergefässe sind mit Flimmerläppchen in bestimm-
ten Distanzen versehen, welche Läppchen aus 6 — 8 sieb fein
zuspitzenden, auf einer gemeinschaftlichen Basis aufsitzenden Cilien
bestehen und in der Hinsicht besser Flimmerbüschel genannt zu
werden verdienten. Dieses Gefässsystem konnte ich durch den
Leib bis eine Strecke weit hinter die Testikel verfolgen , und sah
ausser diesem mit Flimmerbüschel besetzten Systeme ein zweites
dünneres ohne derartige Büschel. Die äussere Haut des Wurmes
ist nur gegen vorne hin mit dichten Stacheln versehen.
6. Distoma bilobum (ßud.).
Diesen Wurm habe ich im dünnon Darme von Ibis falcinellus,
Fidica atra und Platalea leucorodia und zwar in letzterer auch in
geschlechtlich ganz unentwickeltem Zustande angetroffen, wo er um
mehr als die Hälfte in der Grösse hinter dem ausgebildeten Indi-
viduum zurückgeblieben ist. Die fleischigen consistenten glatten
Lappen (Fig. 7 a, d), welche zu beiden Seiten des Mundnapfes (6)
liegen, besitzen an ihrem Rande eine Reihe von konischen starken
Stacheln , welche im zurückgezogenen Zustande von einer trans-
parenten Membran überdacht sind. An dem hinteren Abschnitte
jedes Lappens kommen innerhalb der Randstacheln noch drei eng
•aneinander gerückte accessorische Stacheln hinzu, welche ohne
Zweifel zur stärkeren Fixirung bei den Saugbewegungen des Mund-
Anatomische Beobachtungen über Trematoden. 247
napfes dienen. Von der Ösophagus -Schwellung (b1) gehen die
heiden Darmstücke unmittelbar (d, d) ab und sind ihrem Verlaufe
grösstenteils von dem ausgedehnten Dotterstocke bedeckt, so dass
D ujardin (1. c. 431) den Dann übersah und den Dotterstock als
problematischen Darm hinstellte. Die beiden Hoden (<?) liegen in
der Axe des Leibes hinter einander; die innere Samenblase wurde
in die Zeichnung nicht aufgenommen. Der Cirrusbeutel (/) befindet
sich gerade vor dem Bauchnapfe; aus ihm ist der S förmig gekrümmte
Penis hervorgetreten, der mit seiner glatten Oberfläche und seinem
verhältnissmässig weiten Centralcanal sich gegen sein freies Ende
zuschmalert. Die ausgedehnten Dotterstöcke (]i) reichen in ihrer
gedrängten Traubenform von rückwärts bis ungefähr zum vordem
Viertheil. Die quergelagerten Ausführungsgänge der Dotterstöcke
(g) begegnen sich von beiden Seiten in der Axe des Thieres und
liegen hinter dem Eierkeimstock (g), dessen Ausführungsgang sich
(wie aus der beigegebenen Figur ersichtlich ist) mit jenem der
Dotterstöcke kreuzt. Die Eier mit ihrer gelbgefärbten Schale sind
0-093 Millim. lang , 0-072 Millim. breit und liegen in dem eben
nicht ausgedehnten Uterus.
Die hintere LeibesölTnung (i) ist sehr ausgesprochen und führt
zu einer deutlich abgegrenzten ampullenförmigen Höhlung. Bei
jugendlichen Individuen wird es ganz klar, dass aus letzterer eine
konische Papille hervorgestreckt wird und sich dabei gegen die
Bauchseite des Thieres krümmt. Die Papille ist nach Art einer Schlaf-
mütze oder eines Handschuhfingers aus und einstülpbar. Die Musculatur
ist stark entwickelt. Über die Ausdehnung und Richtung der Muskel-
faserbündel instruirt man sich am besten durch feine Durchschnitte
des getrockneten Wurmes. Die Muskelfaserschichten an den beiden
Kopflappen («, d) kreuzen sich in dreifachen Reihen, so dass hie-
durch die Contraction nach den drei verschiedenen Dimensionen
ermöglicht ist. Die äussere Haut ist glatt.
7. Geschlechtlich anentwickeltes Distoma.
In dem submucösen Bindgewebe des Ösophagus einer Ardea
purpurea, in der Brustmusculatur von Ardea nycticorax, unter der
Haut des Halses und Kopfes einer Ardea cinerea , in dem umhüllen-
den Bindegewebe der Brustmuskel von Gallinulla crex und am
gleichnamigen Orte bei Podiceps nigricollis habe ich mitunter sehr
248 Wei.L
zahlreich eingekapselte Trematoden ohne geschlechtliche Entwick-
lung gefunden. Dieselben sind dem blossen Auge als discrete, weisse
ovale, glatte Körnchen auffällig, die bei einem Längendurchmesser
von etwa 3/4 Millim. leicht von ihrer Umgebung loszulösen sind.
Die prall gespannte Kapsel ist von ungleicher Dicke. An jener
Stelle nämlich, wo der Vordertheil des Thieres sich befindet (bei a
in Fig. 8) schien mir die Kapsel dicker , als an anderen Orten (6).
Dieselbe besitzt eine bedeutende Resistenz, ist structurlos und faltet
sich nach Art der Linsenkapsel. In der Flüssigkeit zwischen Kapsel und
Thier ist eine aus agglomerirten feinen Moleeulen bestehende Masse
suspendirt, die wohl als excrementieller Stoff angesehen werden kann
(«'). Das Thier füllt den grössten Theil des Kapselinhaltes aus und
rollt sich in dem engen Räume träge hin und her. Seine Structur
ist schwierig zu ermitteln, da das Parenchym des Thieres mit einer
grobfettkörnigen Masse (ff) erfüllt ist, und die Isolirung desselben
wegen der grossen Schlüpfrigkeit der Oberfläche und Wider-
standsfähigkeit der Kapsel kaum zu erzielen ist. Quetscht man die
Kapsel bis zumEinriss, so wird auch stets das zarthäutige Thier ver-
letzt. Durch Vergleichung mehrerer mitunter hellerer solcher Kapsel-
würmer und der gewonnenen Rruchstücke lässt sich Folgendes er-
mitteln. Der Mundsaugnapf (c) führt durch den Bulbus oesoph. zu
einem gabelig getheilten, weiten Darmcanal (d). Der Bauchnapf (e)
ist ziemlich weit rückwärts hinter der Queraxe gelagert und bei-
nahe nochmal so gross als der Mundnapf, dabei gewöhnlich ge-
schlossen, so dass er statt einer rundlichen Eingangs Öffnung, wie
gewöhnlich, eine dreischenkelige Spalte zeigt. Ausser den beiden
Näpfen und dem Darmcanal konnte ich nur noch zwei ovale, trans-
parente Organe (f) am Hinterleib unterscheiden.
8. Monostonia verrucosum (Zeder) = Notocolyle triserialis Dies.
Dieses durch einige Eigentümlichkeiten ausgezeichnete Thier
ist schon vielfach Gegenstand der Beobachtung geworden und mit
mehreren Namen belegt worden. Fröhlich, Zeder, Schrank, R u-
dolphi und Die sing (Aunalen des Wien. Mus. Bd. II, S. 235) geben
an, dass am Rücken zahlreiche Saugnäpfe in Reihen vorhanden sind,
welche Näpfe nachDiesing bis zu SO sich vermehren. In jugendlichem
Zustande des Thieres konnte jedoch letzterer gar keinen oder wenig
entwickelte Näpfe beobachten. (S. dessen Syst. helminth., Bd. II.
Anatomische Beobachtungen über Trematoden. 249
412.) Dujardin (I. c. 356) spricht jedoch von unbeständigen, zu-
weilen fehlenden an der Bauchseite hervortretenden Papillen, auch
Blanchard (Annales des sciences natur. Zool., 1847, 304) bedient
sich des Ausdruckes Papillen. Ich habe es mir angelegen sein
lassen, zu unterscheiden, ob es Näpfe oder Papillen seien. An
jenen Exemplaren , die ich mir von Blinddärmen von Fiilica atra
sammelte und die vollkommen geschlechtlich entwickelt waren, habe
ich mich überzeugt, dass der Wurm weder am Bücken noch am Bauche
mit Saugnäpfen versehen sei und die vermeintlichen zuweilen fehlenden
papillösen Hervorragungen den Gruppen der Endbläschen vom Dotter-
stocke entsprechen, wie dies näher aus der Beschreibung hervorgehen
soll. Es ist hiemit die Unbeständigkeit des Vorkommens erklärlich, in-
dem die Dotterstöcke der Trematoden , selbst wenn sie geschlechts-
reif sind, bald mehr, bald weniger geschwellt sind.
Der fleischige Mundnapf (Fig. 9 a) ist mit seiner Öffnung gegen
die Bauchseite gekehrt und führt unmittelbar, ohne zu einem Bulbus
oesoph. anzuschwellen, zudem bifurcirten, weiten Darmcanal (6,6), der
in seinen Wandungen zahlreiche Ausbuchtungen nach Art einer wellen-
förmigen Linie zeigt und mit einer meist grobkörnigen bräunlichen
Masse erfüllt ist (Fig. 11). Die beiden Hoden mit ihrer drüsigen
Obertläche liegen in dem hinteren Abschnitte des Wurmes (c, c). Der
verhältnissmässig voluminöse Penis (rf) tritt in der Medianlinie der
Bauchseite aus seiner starken Scheide (e) zuweilen hervor. In dem
hervorgestülpten Zustande ist seine Obertläche allenthalben mit stum-
pfen mit ihrem Ende gegen die Wurzel des Penis gerichteten Stacheln
(Fig. 10 a ) besetzt, die bei dem Zurückziehen des letzteren nach
einwärts geschlagen werden und allem Anscheine nach in die Lichtung
des Gliedes (c) zu liegen kommen. Es würde somit der Penis einen
musculösen Cylinder mit einer ziemlich dicken Muskellage (6) vor-
stellen, in dessen Lichtung eine Membran eingestülpt ist; letztere ist
an ihrer eingestülpten Oberfläche allenthalben mit Stacheln besetzt,
die eben beim Hervorstülpen des Penis nach auswärts gerollt werden
und sodann dessen äussere Oberfläche überkleiden.
Die Dotterstöcke (Fig. 9 f, f) treten, wie schon erwähnt, bald
mehr oder weniger deutlich hervor, sind nach aussen vom Darm ge-
lagert, ragen zuweilen bis zu einer Querlinie nach vorwärts, die man
sich von den Geschlechtsöffhuiigennach aussen gezogen denkt, beugen
sich an dem Hinterrande des Thieres von beiden Seiten nach vorwärts
250 W e d I.
und vereinigen sich in der Medianlinie, daselbst eine dritte Reihe
von Dotterbläschen bildend. Der Uterus windet sich in den bekannten
liegenden Achtertouren und nimmt den Mitteltheil des Körpers ein (g).
Die weite gefaltete Vagina (») befindet sich zur Seite der Penisscheide
und mündet sich gerade neben der Austrittsstelle des Penis. Auf eine
Eigenthümlichkeit der Eier, nämlich einen langen dünnen Anhang an
beiden Polen, hat zuerst v. S i e b o I d ( Wiegmann's Archiv, 1 . Jahrg. 56)
aufmerksam gemacht; auch Duj ardin (I. c. 356) erwähnt dieses Um-
standes und gibt eine Abbildung. Verfolgt man eine Reihe von aus den
eingerissenen Uterinalschläuchen hervortretenden Eiern, so ist also-
gleich die ungleiche Länge der fadenförmigen Fortsätze an den Ei-
schalen auffällig. Während diese Anhänge an den offenbar weniger
entwickelten Eiern kaum angedeutet oder ganz kurz sind (Fig. 12 «),
werden sie nach und nach länger und länger (b, c, c). Ist der
Embryo vollständig entwickelt (wie in d), wobei er als ein nett
abgegrenzter länglicher Körper in der transparenten Eihöhle zum
Vorschein kommt, so haben die Anhänge auch die grösste Länge
erreicht. Iu dem Uterus sind sie neben einander gelagert und bilden
Büschel von Fäden. Die Bedeutung derselben kennt man noch nicht,
da sie sich jedoch mit der Entwicklung des Embryo heranbilden,
letzterer innerhalb des Uterus nicht die Eischale verlässt, so scheinen
sie nach der Geburt der Eier ihren Zweck zu erfüllen, indem sie
wahrscheinlich durch Umschlingen eines Gegenstandes das Ei fixiren,
bis der Embryo die geborstene Eihülle verlässt.
Das Wassergefässsystem ist sehr stark entwickelt, man trifft
nicht selten gabelige Theilungen, insbesondere gegen die blinden
Endigungen (Fig. 13). Flimmerläppchen wurden nicht gesehen.
Blanchard (1. c.) versuchte sogar die Wassergefässe zu injiciren,
indem er mit der Spitze einer Nadel einen der Hauptcanäle öffnete
und es will ihm die Injection trotz des kleinen Umfanges dieser Art
auf eine ziemlich vollkommene Weise bei mehreren Individuen gelun-
gen sein (?). Gegen das Hinterende des Thieres befindet sich die
Caudalöffnung (Fig. 9 li), die in der Frontansicht rundlich erscheint
und von ihrer Begrenzung strahlig ausgehende Falten zeigt (Fig. 14).
Sie führt zu einer blindsackigen kleinen Höhle. Die äussere Decke
des Thieres ist glatt, d. h. ohne Stachel, dabei quer gerunzelt. Die
unter der Haut befindlichen Muskelfaserschichten kreuzen sich in
dreifacher Richtung.
Anatomische Untersuchungen über Trematoden. 251
9. Monostoma laiiceolatQin (n. sp.).
Frei in der Bauchhöhle eines Himantopus rubropterus fand
ich mehrere Exemplare eines bisher noch nicht beschriebenen Mono-
stoms, die bei einer abgeplatteten lancettförmigen Gestalt eine Länge
von 8 — 12 Millim. und eine Breite von 3Millim. besassen. Der kleine
Mundnapf liegt an der Bauchseite des zugeschmälerten Vordertheiles
des Thieres (Fig. 15 d) und ist nach rückwärts von einem dick-
fleischigen Bulbus oesophageus (b) begrenzt, von welchem die
beiden ziemlich weiten Äste des Darmcanals (c, c) auslaufen und
durch ihren gelbröthlichen Inhalt meist in die Augen springen. Diese
beiden Darmröhren münden an dem Hintertheil des Leibes in einander
und bilden ebenso wie bei Monostoma mutabile einen Bogen (d). Die
zwei Hoden (e, e) liegen in dem Hinterleibe schräg gegen einander
gestellt und werden von den beiden schief von rück- nach vorwärts
verlaufenden Ausführungsgängen (g, g) der Dotterstöcke überschrit-
ten; die letzteren sind ganz knapp gegen die Seitenränder des
Thieres gerückt und reichen bis zum vorderen Drittheil des Leibes
(sie wurden in der Zeichnung weggelassen). Der in der Längenaxe
des Thieres nach vorwärts ziehende, aus dem Zusammenflusse der
Ausführungsgänge (</, g) entstandene Dottergang mündet in dem
beginnenden Uterus, welcher Abschnitt von v. Siebold bekanntlich
als Tuba Fallopii angesehen wird. Der Eierstock (/') liegt in dessen
Nähe und besteht aus mehreren Lappen. Der Uterus nimmt wohl
hauptsächlich den Mitteltheil des Leibes ein, sendet jedoch eine eng
gedrehte Schlinge beiderseits (Ji, li) nach rückwärts und einen in die
Vagina übergehenden Gang (i) nach vorwärts.
Die Eier zeichnen sich im Allgemeinen durch ihr excessives
Volumen derartig aus, dass sie in reifem Zustande leicht mittelst
des blossen Auges wahrgenommen werden können. Ihr Längendurch-
messer beträgt 0-216 Millim., ungefähr das Doppelte von jenem des
Monostoma mutabile. Von der einen Seite betrachtet , zeigen sie
eine nierenfönnige Gestalt (Fig. 16). Die Eihülle ist dünn. Der
eiförmige Embryo lässt ähnlich wie jener von Monostoma mutabile
(vergl. v. S ieb ol d: Über die Band- und Blasenwürmer S. 21) gegen
sein breiteres Ende hin einen dunklen Fleck (Fig. 17 «) gewahr
werden. Bewegungen innerhalb der Eischale oderCilien an der Ober-
fläche des Embryo konnte ich an den untersuchten Exemplaren ebenso
252 w e a i.
wenig beobachten, als irgend eine Andeutung eines Keimschlauches
im Innern des Körpers.
10. Holostonia variabile (Nitzsch).
Die Anatomie der Holostomen ist sehr schwierig zu verfolgen;
man kennt desshalb ihre Organe nur auf eine unvollkommene Weise,
und die Deutung derselben divergirt bei den verschiedenen Autoren.
An dem Vordertheile oder dem sogenannten Kopfe des benannten
Holostoms unterscheide ich hauptsächlich zwei von einander ver-
schiedene Theile, einen gegen die Rückenseite des Thieres gelege-
nen musculösen Haftlappen (Fig. 18 a), der ungefähr nach Art des
Schirmes einer Mütze hervorragt und verschiedene Formen je nach
dem Zustande seiner Contraction annimmt; bald abgerundet wulstig,
bald mehr weniger in Falten gelegt erscheint. Offenbar ist dieserHaft-
lappen analog den Bothridien der Cephalocotyleen. Bei dieser Art ist
nicht nur die Haut des Lappens, sondern der ganze vordere Leibesab-
schnitt mit stäbchenartigen, symmetrisch geordneten Stacheln besetzt,
welche dem Thiere bei seinen progressiven Bewegungen gute Dienste
leisten, indem sie eben so viele Stützpunkte an der schleimigen, schlüpf-
rigen Oberfläche des Darmes abgehen. Das unter der Oberhaut befind-
liche Corium dieses Haftlappens besteht aus einein sich rechtwinkelig
durchkreuzenden, sehr feinen Fasernetze, worunter die strahlenför-
mig vertheilten Muskelbündel hinziehen. Das zweite an dem Vorder-
ende sitzende Organ ist der verhältnissmässig kleine, an der Bauch-
seite liegende Mundnapf (6) i); hinter ihm befindet sich der muscu-
löse Schlundkopf. Den Verlauf des gespalteten Darmrohres konnte
ich nicht bis an das Ende verfolgen.
An jener Stelle, wo der Vordertheil von dem grösseren Hinter-
theile durch eine tiefe Einkerbung geschieden ist, beobachtet man an
der Bauchseite eine blinde napfförmige Vertiefung (c) ungefähr
2 Mal so breit als der Mundnapf. Mit den Geschlechtsorganen stellt
sie in keinerlei Verbindung. Sie ist eine einfache Einstülpung der
Haut mit der unterliegenden Musculatur und kann nach aussen her-
vorgestülpt werden, so dass an der Bauchseile ein Wulst erscheint,
der wieder eingezogen wird. Es scheint somit dieser Bauchnapf theils
l) Nitzsch (Eneyklopädie von Er seh und G ruber, Seet. I, Thl.32, S.400)
erkannte zuerst den Mundnapf an der von ihm aufgestellten Gattung' Holostonia.
Anatomische Beobachtungen über Trematoden. 2!)3
als Adhäsionsapparat ähnlich jenem der Distome zn dienen, theils in
hervorgestülptem Zustande wie ein Tast- und Bewegungsorgan , zu
fungiren.
Von den männlichen Geschlechtsorganen unterscheidet man die
Hoden, die hinter der schon erwähnten Einkerbung zwischen Vorder-
lind Hintertheil zum Vorschein kommen (d). Das Vas deferens zieht
an der Seite der Vagina nach rückwärts und ist mit fadenförmigen
Spermatozoiden gefüllt. Der nackte kurze Penis ragt zuweilen an
dem Hinterende des Thieres in Gestalt eines stumpfen Zäpfchens
hervor, ist fleischig und wird in lebendem Zustande vor- und zurück-
geschoben.
Von den weiblichen Geschlechtsorganen ist die grosse Ausdeh-
nung des Dotterstockes hervorzuheben {e, e, e), der sich längs des
Rückens des Thieres hinzieht und vor und hinter der Einkerbungs-
stelle des Leibes quer über gegen die Bauchseite sich hin erstreckt.
Er hat die Structur einer gelappten Drüse, in deren Endbläschen
platte, durch gegenseitiges Aneinanderstossen polygonal begrenzte
Zellen mit einem körnigen Inhalte sieh gruppiren. Der Eierkeimstock
liegt in der Nähe der Hoden; seine Verbindung mit dem Uterus
konnte ich nicht ermitteln; letzterer, der mit wenigen seitlichen Bie-
gungen von vorn nach rückwärts verläuft, macht sich durch seine
verhältnissmässig grossen Eier kenntlich (f) , deren dicke Schale
strohgelb gefärbt ist. Es hält nicht schwer, die Eier mittelst eines
angewendeten Druckes aus dem Hinterende hervorzuquetschen, auch
sammeln sich dieselben nicht selten in der grubenförmigen Vertiefung
des Hintertheils, wo eben die Geschlechtsöffnungen sich befinden.
Die Veränderlichkeit der Form des Wurmes hängt blos von
den verschiedenen Contractionszuständen und von seiner zufälligen
Lage ab, insbesondere sind es die musculösen Haftlappen am Kopf-
ende und wohl auch der stark musculöse wulstige Hintertheil, die
verschiedenartige Gestalten annehmen. Auch der Mittelleib wulstet
sich bald streckenweise, bald erscheint er durchwegs gestreckt.
11. Holostoina Corna (Nitzsch).
Diese Art (vergl. insb. Dujard. I. c. 374) habe ich im Darm von
Ardea stellaris in mehreren 10 — - 15 Millim. langen Exemplaren ange-
troffen; sie zeichnet sich durch einen schlanken Bau und einen topf-
ähnlichen Ansatz von i'5 Millim. Breite am Vorderende aus (Fig. 19«).
254 w e il '•
Letzteres ist dünnhäutig, nach vorne abgestutzt, nach rückwärts
abgerundet, beiläufig in der Mitte mit einer Einbuchtung versehen
und ausgehöhlt, wie dies bei allen Holostomen der Fall ist. Die Epi-
dermis ist sowohl an dem Vorderende als an dem Leibe nackt , d. h.
mit keinerlei Stacheln besetzt. Dieser topfähnliche Ansatz besitzt ein
aus einem rechtwinkelig sich durchkreuzenden feinen Fasernetze
bestehendes Corium, als eigentliches Parenchym eine Molecularmasse
mit gleichmässig eingebetteten Kernen und als Bewegungsapparat
Muskelfaserbündel, die in gleichmässigen Abständen ausstrahlen; es
sind eben abgeplattete musculöse Kegel, die mit ihrer schmalen Seite
nach rückwärts, mit ihrer breiten gegen vorne gerichtet sind und bei
ihren Contractionen die betreffenden Hautpartien zurückziehen.
Der kleine Mundnapf (b) ist ganz knapp an den Bauchrand des
Ansatzes gerückt. Der eigentliche Leib des Thieres schmälert sich
zuweilen nach dem Kopfende hin noch mehr zu als dies in der Abbil-
dung gegeben ist und schliesst nach rückwärts mit einer napfartigen
Vertiefung (c), Avelche die Geschlechtsöffnungen beherbergt.
Der Dotterstock (d) mit seinen zahlreichen Endbläschen fett-
körnigen Inhalts bedeckt den grössten Theil des Leibes, erstreckt
sich nach vorne zuweilen über den halsähnlich zugeschmälerten Vor-
dertheil in die Substanz des sogenannten Kopfes mit 4 Fortsätzen, die
zu 4 gelappten Dotternebenstöcken sich ausbreiten (es wurden in der
Abbildung Fig. 19 a blos zwei derselben gezeichnet). Nach rück-
wärts verläuft der Dotterstock strangartig zugeschmälert und buchtet
sich an zwei Stellen (f, f) mit seinen Endbläschen aus. Knapp an
diesem hinteren Abschnitte des Dotterstockes liegt der Uterus mit
seinen verhältnissmässig grossen gelbschaligen Eiern, die sehr leicht
an dem einen Ende quer aufspringen , sich nach Entleerung ihres
Inhaltes in Falten legen und beim Druck aus der Vagina leicht hervor-
zuquetschen sind. An dem durchscheinenden hinteren Leibesab-
schnitte erkennt man nebstdem noch drei gelappte Organe (c, c),
deren nähere Structur nicht ermittelt wurde. Wahrscheinlich sind
wenigstens zwei von ihnen Hoden. Die hintere napfähnliche Vertie-
fung (e) kann geschlossen werden, so dass statt des rundlichen Lo-
ches eine dreischenkelige Spalte erscheint. Meiner Meinung nach
dient sowohl der hintere als der vordere Napf nebslbei als Adhäsions-
apparat, um sich nach Art eines Schröpfkopfes an die Schleimhaut-
oberfläche zu fixiren.
Anatoniische Beobachtungen über Trematoden. 21)5
12. Holostoina urnigcrum (Nitzsch).
Meine Untersuchungen über dieses Holostom = Amphistoma
urnigerum (Ru(\.) = Codonocephalus mutabilis (Dies.) stimmen
mit jenen von D u j a r di n (1. c. 378) überein, nur hätte ich noch hinzu-
zufügen, dass die Haut des glockenförmigen Kopftheiles, dessen Ge-
stalt nach den verschiedenen Contractionen sich vielfach verändert,
wie bei der vorigen Art, mit sehr feinen Stacheln besetzt ist. Die
Kalkkörnermasse ist an diesem Theile am stärksten angehäuft und
bildet im Leibe ein oberflächliches Netz, die Körner rollen bei den
Bewegungen des Thieres im lockeren Parenchym hin und her und
verschwinden unter Einwirkung von Salzsäure mit Entwickelung von
Gasblasen. Die älteren Individuen schienen mehr Kalkkörner zu ent-
halten; ganz verkalkte Würmer habe ich nicht gesehen, eben so
wenig als ich je geschlechtlich vollkommen entwickelte angetroffen
habe. Mit Ausnahme der beiden granulirten seicht gelappten Organe,
welche am hinteren Abschnitte des Thierleibes liegen und von Du-
j ardin als Hoden bezeichnet wurden, ist keines in der geschlecht-
lichen Entwickelung begriffenes vorhanden.
Das Thier lebt stets in einer bindegewebigen Kapsel der ver-
schiedensten Organe von Rana esculenta, welche Kapsel an ihrer
Innenseite allenthalben mit einem isolirbaren Epitel mit grossen
ovalen und nierenförmigen Kernen ausgekleidet ist. Dieses Epitel
wird insbesondere an Weingeistexemplaren deutlich; und ich hatte
solches an frischen, eingekapselten Trematoden bisher noch nicht zu
sehen Gelegenheit.
Im Allgemeinen finde ich den Bau dieses Thieres übereinstim-
mend mit jenem der Holostomen und möchte kaum die Statuirung
eines neuen Genus für gerechtfertigt halten. Die Ansammlung von
kohlensaurem Kalk in Körnerform ist höchst wahrscheinlich nur in
den besonderen Lebensverhältnissen (der Einkapselung) zu suchen,
da wir ja bei vielen eingekapselten Trematoden derlei Kalkkörner als
eine Art Skelet im Leibesparenchym vorfinden, und dieselben bei
geschlechtlich reifen, sich frei bewegenden Saugwürmern fehlen.
13. Hemistoma trilobnm (Dies.).
Der kleine, von Bremser im Darme \on HaliaeusCarbo gefun-
dene und auch von mir daselbst angetroffene Trematod wurde von Ru-
dolphi (Synop. 104 und 392) mit Unrecht den Distomen angereihet
256 W e ,1 I.
und als Distoma trilobnm bezeichnet. Duj ardin (I.e. 449) bezwei-
felte die richtige systematische Stellung und schaltete ihn fraglicher
Weise unter die Holostomen ein; erst Die sing (Syst. heim. I, 310)
erkannte darin eine Art der von ihm eingeführten Gattung Hemistoma.
Um sich eine klare Vorstellung von dem äusseren Habitus des
Thieres zu machen, ist es nothwendig, dasselbe unter verschiedenen
Lagen bei reflectirtem Lichte und niederer Vergrösserung zu be-
trachten. Es erscheint sodann der Vordertheil des Wurmes, von der
Bauchseite besehen , schief abgestutzt {oblique truncatum Dies.)
(Fig. 20). Der Mundnapf («), ebenso wie der längsgeschlitzte mitt-
lere Bauchnapf (6) sind gegen die letztbenannte Seite gekehrt, wäh-
rend von der Bückseite der Bauchnapf als stumpfe Hervorragnng sich
darstellt (Fig. 21 b). An dem vordersten Abschnitte unterscheide ich
zwei Blätter; ein aus drei Papillen bestehendes Bauchblatt, dessen
mittlere Papille gewulsfet ist (Fig. 20 f und Fig. 22 f, f) und den
Mundnapf aufnimmt. Die beiden seitlichen (g, g) sind membranartig
und verschmelzen mit dem Bückenblatt (/<), das als häutiger Anhang
von dem Bücken auswächst und nach Art eines schmalen Schirmes
einer Kappe die drei beschriebenen Papillen an der Bauchseite über-
dacht. Da wo die beiden Blätter verschmelzen, setzt sich ein häuti-
ger Saum an der Bauchseite des Thieres fort und begrenzt sich unge-
fähr in dem Mitteltheile des Leibes in einer bogenförmigen Linie
(Fig. 20 c). Durch diesen Verlauf des Hautsaumes erhält der Wurm
die Gestalt eines schief abgestutzten Trichters , dessen schmälerer
Hintertheil massiv ist und ein abgerundetes Ende (Fig. 20 d) besitzt.
Hier befindet sich auch der hintere Napf (Fig. 22 e und Fig. 21 c)
mit den Geschlechtsöffnungen.
Von den männlichen Geschlechtswerkzeugen konnte ich die mit
Spermatofilen gefüllte Samenblase (Fig. 22 d) in der Längenaxe des
Körpers und die höchst wahrscheinlich zwei Hoden vorstellenden Or-
gane (c, c) an den beiden Seitengegenden des Hinterleibes unter-
scheiden. Der Dotterstock tritt erst nach Behandlung des ganzen
Thieres mit kohlensaurem Natron in seiner ganzen Ausdehnung deut-
lich hervor, indem er sonderbarer Weise eine cochenillerothe Fär-
bung annimmt. Er hat, wie aus der Zeichnung (i, i, i, i) ersichtlich,
eine beträchtliche Ausdehnung, erstreckt sich nach vorne in die Sub-
stanz des Bücken- und Bauchblattes, umgrenzt den spaltenförmigen
Bauchnapf eben so wie die beiden Floden und dehnt sich an den
Anatomische Untersuchungen über Trematoden. &äi
beiden Seitentheilen des Hinterleibes bis an dessen Ende ans. Die
eelbscbaliffen reifen Eier 0-084 Millim. lang, 0057 Millim. breit,
gering an Zahl , sind in der Längenaxe des Hinterleibes zu suchen
und lassen sich aus dem Hinterende (bei e) hervorquetschen.
Die sich nach Einwirkung von kohlensaurem Natron abhebende
Umhüllungsmembran des Thieres ist dickhäutig gegen den hinteren
Körperabschnitt; im vorderen breiteren hat sie ein regelmässiges
fein punktirtes Ansehen von sehr zarten Stacheln herrührend, welche
auch rings um die longitudinale Spalte (b) sich vorfinden.
14. Hemistoma spathula (Dies.).
Auch dieser von mir im Darm eines Sperbers aufgefundene, mit
mannigfachen Namen belegte Wurm (Vergl. Dies. syst. heim. I,
309) gehört ohne Zweifel der Gattung Hemistoma Diesing's an,
wie dies aus der Beschreibung ersichtlich werden soll. Von der
Bauchseite betrachtet wird es klar, dass der vordere Leibesabschnitt
ähnlich wie das vorige Hemistoma es gezeigt hat, aus zwei Blättern
besteht, einem Bückenblatte (Fig. 23 «), das nach Art eines stehenden
Kragens das Bauchblatt (b) mit dem Mundnapfe umschliesst. Das
erstere Blatt kann auch derartig von beiden Seiten zusammengezogen
werden, dass nur mehr statt der schiefen trichterförmigen Vertiefung
eine longitudinale Spalte übrig bleibt (Fig. 25). Der häutige Kragen
schliesst sich demnach nach der Weise eines Mantels über den brei-
teren platteren Vordertheil des Thieres. Der hintere Theil ist mehr
abgerundet, walzenförmig und trägt an seinem Ende die gruben-
förmige Vertiefung.
Der Mundnapf ist gegen die Bauchseite gekehrt und mit einem
starken Schlingmuskel versehen (Fig. 26 a), dessen Querdurchmesser
0-04 Millim. beträgt. Unmittelbar an ihn stösst der kugelförmige
Schlundkopf (b), von dem die beiden Äste des Darmcanals auslaufen
(Fig. 23). Zwischen letzteren beobachtet man auch an der Bauchseite
den schlitzförmigen Bauchnapf.
Von den männlichen Geschlechtstheilen konnte ich blos die
beiden Hoden (?) in dem abgerundeten Hintertheile wahrnehmen. Sehr
hinderlich für die nähere Untersuchung sind theils die in Längsreihen
nach der Axe des Leibes angeordneten Dotterstöcke (Fig. 24), die
ebenfalls nach Einwirkung von Alkalien eine schwach cochenillerothe
Färbung annehmen, theils die in dem Leibesparenchym vertheilten
Sit/.!>. <l. mathem.-naturw. Cl. XXVI. Bd. I.llft. 1?
258 w e d ..
Fettkugeln und Kalkkörperchen , die in dem vorderen Abschnitte ein
Netzwerk ähnlich wie hei Holostoma umigerum darstellen. Ver-
dünnte Salzsäure trägt wenig zur näheren Erschliessung der Organe
bei. Die Geschlechtsöffnungen münden sich höchst wahrscheinlich
in die hintere napfförmige Vertiefung, wie bei dem vorigen Heimstoni
und den Holostomen. Ich habe auch ein »elitäres ziemlich grosses
gelbes Ei mit transparenter Dottermasse in dem hinteren Abschnitte
des abgerundeten Hintertheils gesehen, was eben auf eine hintere
weihliche Geschlechtsöffnung schliessen lässt.
ANHANG.
I ber die Gattung Gyrodactylus.
Als A. v. Nordmann in seinen mikroskopischen Beiträgen zur
Naturgeschichte der wirbellosen Thiere 1832, S. 105 diese ausge-
zeichnete Gattung statuirte und zwei Arten derselben beschrieb,
schien er unschlüssig, welcher Ordnung er diese Parasiten einreihen
solle, denn es heisst: Am besten möchte jedoch diese neue Gattung
bei denCestoideen stehen. Allein vergleicht man hiermit seinen eige-
nen Ausspruch über den Dauungscanal und die Geschlechtswerkzeuge
von Gyrodactylus : DerDarmcanal scheint einfach und die Geschlech-
ter scheinen getrennt zu sein, so hat man wohl gar keinen Anhalts-
punkt für den Anschluss dieser Gattung an die Cestoideen. Creplin
(Encyklop.v.Er seh u. Grub er XXXII, 301) ging sogar so weit, dass
er es bezweifelte ob Gyrodactylus zu den Helminthen gehöre. Dujardin
(I. c. 480) stellte ihn zu den zweifelhaften Trematoden. Diesing
und v. Siebold erklärten ihn als zu den Trematoden gehörig.
Letzterer sprach sich ferner (Zeitschr. für wissenschaftl. Zoologie
v. Siebold und Kölliker I, 345) dahin aus, dass Gyrodactylus
ein ammenartiges Wesen sei. R. Leuckart (Archiv für physiol.
Heilkunde 1852, S. 417) schliesst sich ganz derselben Meinung an.
Siebold beobachtete nämlich innerhalb eines Gyrodactylus clegans
(Nordm.) einen jungen Gyrodactylus eingeschlossen, welcher von
seinem Mutterthiere nur um Weniges übertroffen wurde. Er überzeugte
sich, dass dieses Junge wiederum einen jungen Gyrodactylus in seinem
Leibe enthielt, wodurch er also Mutter, Tochter und Enkelin von
Gyrod. eleg. vor sich zu haben meinte. An zahlreichen Exemplaren fand
er die Wiederkehr dieses Falles. Geschlechtswerkzeuge konnte er
anatomische Untersuchungen über Tremaloden. <££)9
nirgends deutlich unterscheiden, wodurch ebenfalls seine Amiahme
gerechtfertigt erschien, den Gyrodactylus elegans für eine lebendig
gebärende Amme hinzustellen. Zudem beschrieb er noch das Verhal-
ten der Keime innerhalb dieses Thieres.
Auffallender Weise konnte er jedoch in dem Leibe von Gyro-
dactylus auriculatus (Nor dm.) kein Junges mehr finden, sondern blos
einen eierartigen Körper, so dass er sich genöthigt sah, den letzt-
benannten Gyrodactylus als ein eierlegendes ammenartiges Wesen anzu-
sehen, da er von männlichen Geschlechtswerkzeugen nichts entdeckte.
Bei meinen Nachforschungen über diese Gattung ist mir Gyro-
dactylus elegans nicht vorgekommen, hingegen traf ich bei verschie-
denen näher zu bezeichnenden Süsswasserfischen Formen von Gyro-
dactyli, die wohl die Allgemeinheit des Siebold'schen Ausspruches,
dass Gyrodactylus ein ammenartiges Wesen sei , einschränken,
indem ich einerseits den Dotterstock deutlich nachzuweisen ver-
mochte, anderseits die männlichen Geschlechtswerkzeuge.
Gyrodactylus auricularis J) habe ich an den Kiemen von
Cyprinus Carpio öfters angetroffen und in der Rücken- (Fig. 27) und
Seitenlage (Fig. 28) abgebildet. Meine diesfälligen Beobachtungen
stimmen wesentlich mit jenen v. Siebold's überein, auch ich habe
nie mehr als einen eierartigen Körper (Fig. 30) vordem als Keimstätte
bezeichneten Organe (Fig. 27 a) gesehen, nur weicht meine Ansicht
hinsichtlich des Dauungscanals von jener v. Siebold's ab; was er
als jenen ansieht, halte ich für Dotterstock. Ich habe mich nämlich
auch bestrebt die verschiedenen Entwicklungsstufen nach Möglichkeit
zu verfolgen. Ich fand Thiere, welche einen kleineren Umfang, etwa
den dritten Theil der gewöhnlichen Grösse von Gyrodactylus auri-
cularis erst erreicht hatten und sich durch hochgradige Transparenz
auszeichneten. Die vier abgerundeten, wechselweise vorstreekbaren
und zurückziehbaren Palpen am Vorderende (Fig. 29) sind eben so
wie der fächerförmige Hintertheil und die sogenannten vier Augen-
punkte schon ganz deutlich entwickelt, während von der feinkörnigen
gelbbräunlichen Masse an den Seitentheilen des Körpers dieser klei-
nen Exemplare auch nicht die Spur zu entdecken ist. In den mehr
entwickelten ist die besagte körnige Masse (der Dotterstock) nach
') Oli dieser Gyrodactylus nicht identisch ist <lem '.'. anchoratua (D u j a rd.) ? Die
skizzenhafte Beschreibung desselben lüsst wohl eine sulelie Frage zu.
17*
260 W e ,1 I.
vorne deutlich vom Mundnapf abgegrenzt , nie konnte ich beiden
kräftigsten Bewegungen des Thieres eine Regurgitation der Körner-
masse gegen den Mondnapf beobachten. Nach rückwärts vereinigt
sich die beiderseitige Dottermasse. Den vollgiltigen Beweis warum
ich das körnige Organ gerade als Dotterstock bezeichne, werde ich
gleich nachfolgend bei einer neuen Art Gyrodactylus aus den Kie-
men des Hechten geben, wo die anatomischen Verhältnisse überhaupt
prägnanter hervortreten.
Nicht selten fand ich, wie v. Siebold, Exemplare, die etwas
vorwärts von der Mitte der Längenaxe den von ihm beschriebenen
eierartigen Körper enthielten (Fig. 30), welchen er als Keimkapsel
bezeichnet, womit er die Ansicht verbindet, dass die Entwicklung
des Keimes ohne vorausgegangene Befruchtung in dem ammenartigen
Wesen vor sich gegangen sei. Das Ablegen dieser Keimkapseln hat
er nie beobachtet; der hornige Hakenapparat (Fig. 27 b), welchen
dieser Wurm in der Gegend des Vorderleibes an sich trägt, scheint
ihm ein besonderer Legeapparat zu sein. In einem Falle konnte ich
es unter meinen Augen verfolgen, wie der besagte eierartige Körper
aus dem Thiere ausgestossen wurde und zwar gegen die Vorderseite
hin, so dass wohl anzunehmen ist, die gleich sich wieder schliessende
Spalte befinde sich vor diesem Körper. Das seines eiförmigen Kör-
pers entledigte Thier zeigte keine Spur einer Verletzung, seine Be-
wegungen waren so kräftig wie zuvor.
In mancher Beziehung recht dankbar für das Studium von Gyro-
dactylus ist jene neue Art, welche ich öfters an den Kiemen von
Esox Lucius gefunden habe. Sie unterscheidet sich gleich auf den
ersten Blick von den bekannten Arten dadurch, dass an der hinteren
Haftscheibe zwei Paare grosser Haken vorhanden sind. Dieses Thier
erreicht die Länge von 1-1 Millim. bei einer mittleren Breite von 03
Millim. und besitzt eine etwas abgeplattete Gestalt. In abgestorbenem
Zustande nimmt das vordere Ende eine annähernd herzförmige
Gestalt an, in lebendem zeigt es sich, dass dieses Ende einer
beträchtlichen Streckung fähig ist, wodurch eine Zuschmälerung
gegen vorne hin erfolgt, welcher Umstand am deutlichsten in dessen
Seitenlage (Fig. 35) hervortritt; seine Substanz ist gegen seine Pe-
ripherie hin compacter und gewulstet, so dass hiedurch vier flache
Wülste in relaxirtem Zustande erstehen; die zwei mittleren (Fig. 34«)
ragen etwas weiter vor als die beiden seitliehen (b,b). Zuweilen
Anatomische Untersuchungen üher Trematoden. 2ßl
mehr zuweilen minder ausgeprägt erscheinen auch rundliche braun-
gelbe Körper (Fig. 32 a) in der Substanz des Vordertheiles und
erstrecken sich wohl auch etwas weiter nach rückwärts. Da dieselben
mit dein Dotterstocke nicht in Zusammenhang stehen, dürften sie
blos als Parenchym zellen anzusehen sein.
Die vier sogenannten Augenpunkte liegen vor dem Mundnapfe in
einein Rechteck; das vordere Paar ist etwa um die Hälfte kleiner
als das hintere. Sie bestehen aus einer Gruppe von Melaninkörnern
die ziemlich fest mit einander verkittet sind. Nord mann (I.e. 108)
gibt an, bei verstärktem Drucke des Pressschiebers fliesse das
schwärzliche Pigment aus und lasse die Begrenzung des einzelnen
Auges als eine ovale durchsichtigere Höhlung deutlich erkennen. Ich
habe mich bestrebt, einen lichtbrechenden Apparat nachzuweisen,
konnte jedoch hievon nichts mit Bestimmtheit entdecken; von einem
Sehen wäre also bei Gyrodactylus nicht zu sprechen, vielleicht
dienen diese Pigmentflecke zur erhöhten Empfindung der strahlenden
Wärme oder etwa, wie v. Siebold meint, als Farbenschmuck.
Der Mundnapf öffnet sich an der unteren Körperoberfläche
(Fig. 32 6), erscheint im Grundriss rund, im Aufriss gestreckt, dick-
fleischig und ist von einem schief nach auf- und rückwärts verlaufen-
den Canale durchbohrt, der eine spindelförmige Erweiterung (rudi-
mentäre Mundhöhle} besitzt. Der weite Darmschlauch beginnt gleich
hinter dem Mundnapfe und verläuft in ziemlich gleicher Breite mit
letzterem gerade von vor- nach rückwärts (Fig. 32 c). Gegen sein
hinteres Ende (Fig. 33 a) schmälert er sich beträchtlich zu, entzieht
sich dabei dem Auge derartig, dass ich bedauern muss , nicht zur
Entscheidung gekommen zusein, ob ein After vorhanden sei oder
nicht. DieZuschmälerung nach rückwärts spräche wohl eher für das
Vorhandensein eines solchen. Die innere Oberfläche des Darmes ist
mit einem platten Epitel ausgekleidet. Zuweilen trifft man seinen trans-
parenten Inhalt schwach röthlich gelb gefärbt, und es zieht sich in
solchen Fällen ein eben so gefärbter breiter Streifen von vor- nach
rückwärts; selten ist derDarmcanal mit einer schmutzig gelben Masse
erfüllt. In manchen Exemplaren ist der letztere in Beziehung auf
seine äussere Begrenzung platterdings nicht zu verfolgen , wenn die
Dotterstöcke ihn seitlich überragen; sind diese jedoch günstig gele-
gen, weniger entwickelt oder wie bei jugendlichen Individuen, noch
gar nicht vorhanden, so erscheint der schlauchartigeDarm deutlicher
2(>2 W e .1 I.
Es ist somit ersichtlich, dass der Verlauf des Darmes beim Gyrodac-
tylus des Hechten, wie er eben von mir beschrieben wurde, sich der
Angabe von Nordmann anschliesst, dass der Darmcanal ein einfa-
cher sei und längs der Mitte des Leibes siel) eistrecke. Nach
v. Siebo ld beginnt hinter dem Schlundkopfe von Gyrodactylus ele-
gans die weite Darmhöhle, welcbe sich aber sogleich in zwei Blind-
schläuche theilt. Ich werde gleich weiter unten zeigen, dass diese
beiden Schläuche beim Gyrodactylus des Hechten in gar keiner Ver-
bindung mit dem Darme stehen.
Die äussere Haut ist nicht homogen , sondern sehr zart quer-
geringelt, so dass der Rand des unversehrten Thieres bei starker
Vergrösserung allenthalben fein gekerbt erscheint. Von einer Haut-
musculatur konnte ich, wahrscheinlich wegen der Zartheit des Ob-
jeetes, nichts wahrnehmen, hingegen fielen mir gegen die hintere
Haftscheibe zu zwei scharf markirte konische Faserzüge (Fig. 33 c,c)
auf, welche in diesem complicirten Haftapparate nicht weiter verfolgt
werden konnten. Aus der Analogie mit dem später zu beschreibenden
Gyrodactylus iässt sich schliessen, dass die beiden Muskeln zur Bewe-
gung der Haken dienen. Ein Wassergefäsa-System ist wahrscheinlich
vorhanden, indem ich an mehreren Stellen, namentlich gegen den Hin-
tertheil eine lebhafte Flimmerung an isolirten Stellen bemerken konnte.
Die hintere Haftscheibe ist ein Klammerapparat, womit das Thier
die Kiemenblätter umfasst, auf ähnliche Art, wie wir es mit den Fin-
gern unserer Hand zu thun pflegen, mit dem Unterschiede, dass eine
Membran inzwischen ausgespannt ist, und die Bewegung nur in
bestimmter mehr beschränkter Richtung vor sich geht. Ebenso wie
bei Gyrodactylus auricularis ein fixirter Querbalken (Schloss) sich
vorfindet (Fig. 31) . um welchen die Rotation der beiden Haken
erfolgt, so erblicken wir auch beim Gyrodactylus des Hechten gegen
die Rückenseite der Haftscheihe ein als Stützpunkt dienendes Schloss
(Fig. 37 c in isolirtem Zustande dargestellt), aus zwei stumpf drei-
eckigen, durch einen schmalen brückenartigen Ast verbundenen
Platten bestehend. Die beiden grossen Hakenpaare besitzen einen
breiten grossen Basaltheil (Fig. 37 a, a, b, b), von je welchem ein
zapfenartiger Fortsatz hervorragt. Mir war es nicht möglich, an mei-
nen Präparaten zu ersehen, ob sich an dieselben die Muskelfaser-
bündel inseriren; bei einem andern nächstfolgenden Gyrodactylus
habe ich die Insertion an einem analogen solchen Fortsatze gesehen.
Anatomische Untersuchungen iiher Trematorten. 2(>3
Die sichelförmigen zugespitzten und fluch gekrümmten Fortsätze
der grossen Haken sitzen unmittelbar auf der platten Handhabe, dem
Basaltheile.
Die hintere Haftscheibe besteht aus mehreren häutigen, stumpf
papillösen Hervorragungen, welche eine wandelbare Stellung zu
einander haben; in vier derselben liegen die vier sichelförmigen
Fortsätze der vier grossen Haken in einer Duplicatur der häutigen
Papillen, aus denen sie hervorgestreckt werden können, so dass ein
grösserer oder kleinerer Theil des Fortsatzes frei zu Tage kommt.
Auch die übrigen häutigen Papillen haben solche bewegliche
hornige Skelete in Gestalt von Häkchen mit vorstreckbaren Spi-
tzen (Fig. 33). Diese Häkchen sind ganz analog jenen der Tänien-
Embryonen gebaut und in ihrer Lage durch nicht darstellbare,
doch notwendiger Weise vorhandene contractile Elemente ver-
änderlich.
Der Mechanismus der grossen Haken ist mir nicht ganz klar
geworden, namentlich was die Articulation anbelangt.
Das Schloss (Fig. 37 c) schien sich mir nur zwischen das eine
Paar der grossen Haken einzuschieben, welche in flachen Gelenksgru-
ben articuliren. Das zweite Paar der grossen Haken liegt in einer
eigenen Duplicatur der Haftscheibe und es ist die Frage unentschie-
den, ob eine Articulation zwischen beiden Paaren stattfindet. Es ist
jedoch so viel klar, dass die gegenseitige Lage der grossen Haken-
paare sich ändern nach den verschiedenen Contractionszuständen der
Papillen. Hierdurch wird nothwendig eine Annäherung und Entfer-
nung derselben bewirkt und eine Adhäsion an die mit schlüpfrigem
Schleime überzogenen Kiemen ermöglicht. Der Gyrodactylus haftet
an letzteren nicht blos dadurch, dass die stachelförmigen Fortsätze der
grossen Haken vorgeschoben werden und wahrscheinlich mit ihrer
feinen Spitze die Kiemenhaut durchstechen, sondern auch durch die
häutigen contractilen Papillen, welche als eben so viele Haftscheib-
chen mit Häkchen dienen.
Geschlechts Werkzeuge. Bei sorgfältiger Behandlung des
Thieres wird es klar, dass an dessen Seitentheile zwei gestreckte
Organe mit einem lappigen Baue seitlich vom Mundnapf bis zu einer
geringen Entfernung der hinteren Haftscheibe sich ausdehnen und
eine feine dunkelkörnige lnhaltsmasse besitzen. Der lappige Bau
dieses Organes wird in der Seitenansicht bei der Seitenlage des
264 w e d t.
Thieres noch offenbarer, wo die Läppchen als beuteiförmige Anhänge
erscheinen. Ich habe mich schon früher bestimmt ausgesprochen,
dass diese beiden Organe (Fig. 32 d, d und Fig. 33 b, b) in keinem
Zusammenhange mit den Mundnapfe stehen. Dies wird insbesondere
recht ersichtlich, wenn man ganz frische, eben gefangene Gyrodac-
tyli in eine mit Wasser verdünnte Mischung von doppelt chromsauren
Kali und Glycerin legt1)- Es nimmt die Körnermasse dieses beider-
seitigen Organes eine sehr markirte bräunlich gelbe Färbung an, welche
sich an den Präparaten sehr wohl erhält. Man kann an solchen deut-
lich eine zarte Umhüllungsmembran auch in dem vorderen Abschnitte
des Organes unterscheiden. In dem ferneren Verlaufe ist insbesondere
hervorzuheben, dass von dem vonv. Siebold als Keimstätte bezeich-
neten Organe ein querer Verbindungsast stets zu beobachten ist,
(Fig. 32 c) und es allen Anschein hat, dass der quere Ausführungs-
gang der beiderseitigen Drüsen (d, d) in derselben Beziehung zu
der knapp angelagerten sogenannten Keimstätte stehe , wie dies bei
so vielen Trematoden nachgewiesen ist, dass somit die beiderseitigen
Drüsen als Dotterstöcke und die Keimstätte als Eierkeimstock anzu-
sehen wären. Letzterer liegt ähnlich wie bei Gyrodact. anricularis
in der Mitte der Longitudinalaxe, hat eine ovale Form und schliesst
eine Menge zellenartiger Gebilde ein, die von rück- nach vorwärts
an Volumen zunehmen. Obwohl es mir in den bis jetzt untersuchten
Gyrodactylus-Exemplaren des Hecbten noch nicht gelungen ist, einen
eierartigen Körper, wie z. ß. bei Gyrodact. auricularis und in später
zu beschreibenden neuen Formen zu finden, so glaube ich nichts desto
weniger an der ausgesprochenen Bedeutung des Eierkeimstockes auch
aus dem Grunde festhalten zu müssen, da andere Gebilde hinzutre-
ten, die ich im Vergleiche mit andern geschlechtlich mehr entwickel-
ten Gyrodactylis nur als männliche Geschlechtswerkzeuge ansehen
kann.
Von der Mittellinie etwas seitwärts links befindet sich ein birn-
förmiger, blasenartiger Körper, der einen nach vorwärts ziehenden
Fortsatz absendet und in seinem Innern eine stets transparente Masse
l) Ich bediene mich zur Aufbewahrung- verschiedener mikroskopischer Präparate mit
Vortlieil einer solchen Mischung-. Eine concentrirte und filtrirte Lösung- von doppelt
chromsaurem Kali wird mit einer doppelten Menge von Glycerin gemengt und mit
etwa 8 bis 1U Theilen destillirlen Wassers verdünnt.
Anatomische Untersuchungen über Trematoden. 2t)b
enthält (Fig. 32 e). Das an der Bauchseite des Thieres gelegene
hornige Gebilde (/*), zu dem der letzterwähnte Fortsatz hintritt,
besteht aus zwei verschlungenen Theilen, von denen der eine
umschlingende compact, der andere umschlungene hohl zu sein
scheint (Fig. 36). Behandelt man nämlich dieses hornige Gebilde
mit Glycerin, so zeigt sich ein verschiedener Bau; der S förmig
gekrümmte Theil wird hiedurch in seiner ganzen Längenausdehnung
transparenter und die Ränder treten als scharf contourirte Linien
hervor; der spiralig den anderen umschlingende Theil besteht aus
einer compacten, soliden Masse. An dem lebenden Thiere konnte ich
nur eine schnellende zuckende Bewegung dieser Gebilde wahrnehmen.
Der Umstand nun, dass das eine derselben allem Anscheine nach
hohl ist und die Verbindung mit dem Fortsatze der birnförmigen
Blase sind wohl einladend, letztere als Samenblase, den einen horn-
artigen Theil als ausgehöhlten Penis und den anderen als elastische
Spiralfeder zu deuten, die bei der Streckung des Penis sich aufrollt
und bei der Retraction des letzteren einrollt.
Was schliesslich die Benennung dieses Gyrodactylus anbelangt,
so könnte man ihn als Gyrodact. Cochlea bezeichnen.
An den Kiemen von Lucioperca Sandra (Cuv.) lebt ein Gyro-
dactylus von verhältnissmässig beträchtlicher Ausdehnung; sein
Längendurchmesser beträgt bis 2 Millim. , sein querer 0*7 Miliim.
Er zeichnet sich durch einen prägnanten Geschlechtsapparat aus.
Sein Yordertheil ist dicker als der zugeschmälerte mit einer verhält-
nissmässig kleinen Haftscbeibe versebene Hintertheil. An ersterein
befinden sich gegen dessen Rückenseite die vier sogenannten Augen-
punkte (Fig. 38 «) , von denen das hintere Paar grösser ist. In der
Nähe des vorderen Paares der Augenpunkte entspringt ein aus gerad-
linigen Faserzügen zusammengesetzter konischer Muskel, der wohl
als retractor palparum medius zu bezeichnen ist. Es hat jedoch
nicht blos der Rüssel seinen Muskel, sondern auch die abgeplatteten
stumpfen Palpen des Vordertheiles werden durch Muskelfaserbündel
in Bewegung gesetzt, die unter schiefen Winkeln sich durchkreuzen.
Die Hautmusculatur ist überhaupt bei diesem Gyrodactylus in hohem
Grade entwickelt. Die mehrfache Durchkreuzung der Muskelfaser-
hündel ist insbesondere unter der Haut hinter dem Mundnapfe stark
ausgeprägt. Gegen den zugeschmälerten Hintertheil sind sie um so
auffälliger in vier Bichtungen zu verfolgen (Längs-, Quer- und zwei
266 W e (I I.
schiefe Bündel), da keine ihre Ansicht heirrende Organe unterliegen;
vier starke Muskelbündel ziehen gegen die hintere Haftscheibe (c),
um als Bewegungsapparat für die vier Haken der letzteren zu dienen.
Der Klammerapparat am Hinterende besteht aus zwei gleich-
gebauten Paaren von Haken, jedes Paar ist mit einem gleichen Quer-
schloss versehen. Die Haken charakterisiren sich durch einen flachen,
ziemlich grossen Basaltheil (Fig. 40 a, a) , der einem an den Ecken
abgestumpften Vierecke gleicht. An der einen Ecke entspringt der
sichelförmige stark gekrümmte Fortsatz mit seinem spitzen Ende
(Fig. 40 b, b). Die Ecke der gleichen Seite besitzt einen stumpf
papillösen kurzen Fortsatz, der als Insertionspunkt für den betreffen-
den starken Hakenmuskel dient (d, d). Das Schloss (c), das die
Basaltheile von je zwei Haken brückenartig verbindet, ist aus zwei
seitlichen und einem mittleren Knopfe zusammengesetzt. Die seit-
lichen Knöpfe ruhen wie Gelenksköpfe auf der Innenseite der Basal-
theile, letztere sind wahrscheinlich an dieser Stelle ausgehöhlt
und werden um die fixirten Köpfe rotirt. Der mittlere Knopf des
Schlosses liegt frei und scheint blos zur massiveren Structur des
Mitteltheiles beizutragen. Das eine Paar der Haken liegt an der
Bücken-, das andere an der Bauchseite; es ist somit begreiflich,
dass, wenn die Hakenmuskel der einen Seite sich contrahiren, die
Curven der Haken in eine mehr weniger parallele Lage gebracht
werden , indem sie eine Viertelkreisdrehung machen. Es ist ferner
klar, dass die häutige Haftscheibe durch diesen Mechanismus in ver-
schiedener Bichtung gespannt wird und sich der dargebotenen
Kiemenoberfläche adaptiren kann. Die stabile Fixirung wird wohl
dadurch bewerkstelligt werden, dass die sichelförmig gekrümmten
Hakenfortsätze in die Kiemenhaut sich einbohren und hiebei wahr-
scheinlich ihn einen oder anderen Knochenstrahl des Kiemenblattes
umstechen. Die äussere Haut ist ganz so wie jene des vorigen
Gyrodactylus beschaffen, d. h. sie zeigt am Bande des Thieres,
also an der Umschlagsstelle, eine regelmässige zarte Kerbung, ent-
sprechend einer feinen Querringelung.
Über den Verdauungsapparat bin ich nicht in der Lage nähere
Angaben zu machen; es standen mir auch nur einige wenige Exem-
plare dieses Wurmes zu Gebote. Der Mundnapf (Fig. 38 b) liegt,
wie gewöhnlich, unter und hinter dem hinteren Paare der Augen-
punkte.
Anatomische Untersuchungen über Trematoden. 2£6T
G esc hl e c hts Werkzeuge. Der Dotterstock hat eine eminent
traubige Structur und breitet sicli , wie dies bei der dickeren
Beschaffenheit des Thierleibes hier insbesondere hervortritt, in vier
Zügen von vor- nach rückwärts aus , zwei derselben liegen an den
beiden Seitentheilen des Rückens, zwei an jenen des Bauches. Der
Inhalt ist ein dunkelkörniger. Der quere Ausführungsgang des Dotter-
stockes (Fig. 38 d, d) befindet sich, wie im vorigen Falle, gerade
vor dem Eierkeimstock (e)', letzterer hat eine ziemliche Ausdehnung
in die Breite und ist mit einer Menge von kleineren und grösseren
zellenartigen Gebilden (Eiern) vollgepfropft. Ein ausgebildetes Ei
habe ich nicht zu Gesicht bekommen. Vor und hinter dem Eierstocke
kommen Organe zum Vorschein (/'und g), die wohl dem männlichen
Geschlechtsapparat angehören dürften. Fernere Untersuchungen über
den Inhalt und die Structur derselben werden hoffentlich einen Auf-
scbluss gewähren. Die benannten Organe haben eine ausgebuchtete
Oberfläche; das vordere derselben (g) (vordere Samenblase?) lagert
sich an. den schlangenförmig gewundenen Gang (ä), der seinerseits
wieder mit dem hornigen Penis im Zusammenhange steht. Das hinter
dem Eierstocke liegende (hintere Samenblase?) hat ziemlich dieselbe
Ausdehnung, wie das vordere Organ. Die nähere Betrachtung ergibt
ferner, dass der dickwandige Schlauch (Fig. 39 a, a) eine Masse
enthält, welche im frischen Zustande keiner speciellen Untersuchung
unterzogen wurde und im gewonnenen vorliegenden Präparate ein
fein moleculäres Ansehen gewährt. Der bornähnliche Penis zeigt
eine flache Krümmung, eine schaufeiförmige Basis (Fig. 39 b) , ein
sich zuschmälerndes Ende (6'); er stellt einen Halbcanal dar, etwa
nach Art einer Dachrinne, und der doppelt contourirte Rand beider-
seits ist nur der Ausdruck des aufgekrümmten Seitentheiles. Er steckt
in einer Scheide (c), die wahrscheinlich durch den Druck des Deck-
glases geborsten ist und darum in der Abbildung verhältnissmässig
weit erscheint. Zur Seite der Penisscheide liegen zwei kurze horn-
ähnliche Häkchen auf einer knöpf förmigen Basis sitzend (d). Ich bin
jetzt aus Mangel an frischen Exemplaren dieses Gyrodactylus nicht
in der Lage, eine bestimmte Erklärung über diese beiden, in weni-
ger Entfernung von einander stehenden Häkchen zu geben, die
Frage dürfte jedoch erlaubt sein , ob sie nicht etwa am Eingang der
Vagina liegen, und dazu dienen, den in letztere eingetretenen rinnen-
rönnig ausgehöhlten Penis spangenartig zu umschliessen und aut
268 w e d i.
diese Weise zu tixiren ? Was einigen Anhaltspunkt für die Aufstel-
lung dieser Frage gewährt, ist der Umstand, dass die concave
Seite der Krümmung des Penis gegen jene Seite gekehrt ist, wo der
vermeintliche Eingang in die weibliche Scheide sich befindet, dass
ferner an derselben Seite der Penisscheide ein konischer Muskel (e),
den ich protrusor penis nennen möchte, sich inserirt und offenbar
bei seiner Contraction , da er mit seinem breiteren Ende auf der
äusseren Haut sitzt, eine Annäherung, ein Heranziehen jenes Theiles
der Penisscheide bewirkt. Mit letzterer wird auch der Penis der
Haut genähert.
Die Benennung dieses Gyrodactylus als Gyrodactylus cras-
siusculus ist durch seine stärkere Complexion gerechtfertigt.
Perca fluviatilis beherbergt an seinen Kiemen einen kleinen
Gyrodactylus, im mittleren Längendurchmesser 09 Millim., im
Querdurchmesser an der breitesten Stelle 0'15 Millim. haltend. Das
Thier kann sich übrigens so zusammenziehen, dass es ungefähr den
doppelten Querdurchmesser auf Kosten des Längendiameters annimmt,
wobei eine feine quere Faltung am Körper eintritt. Am vordersten
Abschnitte beobachtet man vier vorstreckbare Palpen, ähnlich wie
bei Gyrodactylus auricularis, welche in ihrem Centraltheile eine
compactere Masse besitzen (Fig. 45); hinter derselben liegen an
der Rückenseite die vier gewöhnlichen Augenpunkte. Der Verdauungs-
canal ist auch bei diesem Gyrodactylus nicht verfolgt worden, da
er von anderen Organen verdeckt ist. An dem umgeschlagenen Rande
der äusseren Haut konnte ich keinerlei Einkerbungen entdecken, es
hat daher den Anschein, dass dieselbe glatt sei. Die hintere Haft-
scheibe wird durch eine Hautduplicatur gebildet, welche von zwei
grösseren Haken mit ihrem Schloss und 14 kleineren gleichfalls beweg-
lichen Haken ausgespannt erhalten wird. Zu diesen gleichsam
als bewegliche Rippen zu betrachtenden Skelettheilen der Scheibe
kommt an der Rückenseite ein einigermassen kreuzförmiges Horn-
stück (Fig. 41 «), an dem sich der längere dickere Schenkel einer-
seits zu einer Spitze zuschmälert, andererseits gabelig spaltet, während
der quere Schenkel des Kreuzes zu beiden Seiten des longitudinalen
einen flachen Bogen bildet. Die grösseren an der Bauchseite der
Scheibe liegenden Haken (6) charakterisiren sich durch einen schlan-
ken Bau. Der Körper des Hakens entspringt von einer gabelig
getheilten Basis und endigt andererseits in einen stark gekrümmten
Anatomische Untersuchungen über Trematoden. 26»)
and spitzen Fortsatz. Beide grössere Haken articuliren an einem
ziemlich starken quergestellten Schlosse. Die kleinen Haken, ringsum
die Scheibe in Gruppen abgetheilt, sind verhällnissmässig dünn und
lang, und verlaufen einerseits in eine sehr zarte hakenförmig gebo-
gene Spitze. Dieser Klammerapparat wird hauptsächlich durch ein
Muskelfasersystem in Bewegung gesetzt, das in seiner Anordnung
dem chiasma nervorum opticorum gleicht, d. h. es sind nach innen
Faserzüge, welche sich kreuzen, während die äusseren an derselben
Seite in einem flachen Bogen hinziehen (Fig. 42).
Der Dotterstock hat eine ziemliche Ausdehnung, schickt beider-
seits einen queren Ausführungsgang, der hinter der vorderen
Samenblase und vor dem Eierstocke liegt und rückwärts nach Art
eines Bogens geschlossen ist. Sein Inhalt besteht aus kugeligen, an
Grösse differenten, mehr weniger mit Fettkügelchen erfüllten Ele-
menten (Fig. 44). An dem vorderen Abschnitte des in der Längenaxe
des Thieres befindlichen Eierkeimstockes wird zuweilen ein solitäres
Ei angetroffen, dessen Dottermasse mehr weniger in der Furchung
begriffen ist (Fig. 43 a). Die dicke Eischale hat eine braune Fär-
bung. Von besonderem Interesse sind die männlichen Geschlechts-
organe. Gegen den Hintertheil des Thieres konnte ich zwei Organe
unterscheiden, welche mir die Hoden zu sein scheinen, obwohl es
mir nicht gelingen wollte, wegen der Ausdehnung des Dotterstockes
eine Verbindung dieser vermeintlichen Hoden mit jenem sackartig
erweiterten Gange zu ermitteln. Den Sack nun kann ich nur als
hinteres Samenbläschen ansehen, da in selbem ein Aggregat von
feinen, zu Bündeln vereinigten und mit einander verschlungenen
Fäden sich befindet, an welchen ich wohl kein Spermatozoidenge-
wimmel beobachtete, jedoch beim Druck unter günstigen Bedingun-
gen ein Fortgleiten dieser Fäden aus dem Sacke (Fig. 43 b) in den
langen bogenförmig verlaufenden Gang (c) deutlich verfolgen konnte.
Der letztere mündet nach vorne zu in eine ähnliche mit Samenfäden
erfüllte Blase (vordere Samenblase (l), die ihrerseits mit ihrem zwei-
ten Ende zwischen zwei walzenförmige gestreckte Organe (e, e) tritt.
Diese bestehen aus einer glashellen resistenten Masse , zeigen ein
abgerundetes Ende einerseits und andererseits ein zugeschmälertes,
welch' letzteres mit dem vorderen Samenbläschen in Zusammen-
hang steht.
270 W e ,1 I.
Der hornartige Tlieil des männlichen Geschlechtsapparates hat
einen complicirten Bau und kann in zwei Abschnitte getrennt werden,
den eigentlichen Penis (f) und den accessorischen Theil (g)\ der
erstere ist weiter nach rückwärts gerückt und lagert sich mit seinem
schaufeiförmigen Basaltheile an die beschriebenen walzenförmigen
Körper und das eine Ende des vorderen Samenbläschens; der von
dem Basaltheile entspringende, in einer sanften Krümmung nach vor-
wärts ragende schmale Fortsatz des eigentlichen Penis liegt allem
Anscheine nach in einer rinnenförmigen Aushöhlung des accessori-
schen Theiles , der seinerseits mit einer hakenförmig gekrümmten
Spitze endigt (</); letztere steckt in zurückgezogenem Zustande in
einer Art Navicula. Wenn es nun nach dem Gesagten erlaubt ist
sich eine Vorstellung von dem Vorgange bei der Begattung zu machen,
so würde sie ungefähr so ausfallen. Ist der hakenförmige Fortsatz
des accessorischen Theiles aus seinen Navicula vorgeschoben, so wird
die Vagina fixirt, der eigentliche Penis gleitet in die letztere hinein
und leitet den Samen aus der vorderen Samenblase hinein. Welche
Bedeutung die anscheinend soliden beiden walzenförmigen Körper
(<?, e) haben mögen, ob sie etwa bei der Hervorstreckung des Penis
eine Locomotion erfahren und als elastische Polster zur Auspressung
des Samens dienen, ist wohl noch problematischer als die vermeintliche
Vorstellung über die Kornartigen Theile des männlichen Geschlechts-
apparates. Es mögen daher diese ausgesprochenen Meinungen nur
als vorläufige hingestellt sein.
Der vorzuschlagende Name für diesen Gyrodactylus wäre Gyr.
tenuis wegen der Zartheit seiner äusseren Haut.
Zu den beschriebenen drei neuen Arten von Gyrodactylus will ich
noch drei neue Formen hinzufügen, einerseits um zu zeigen, dass es
derselben gewiss noch genug geben wird und andererseits, dass die
Klammer- und männlichen äusseren Geschlechtsapparate schätzens-
werthe charakteristische Merkmale abgeben. Nähere anatomische
Daten habe ich über die letztere nicht gesammelt, die Charakteristik
jedoch festgestellt.
An den Kiemen von Colitis fossilis sitzt zuweilen ein Gyro-
dactylus von 2/3 Millim. Länge und J/4 Milliin. Breite an seinem dicksten
Abschnitte. An dem Vorderende ragen vier Palpen hervor, welche
durch Einbuchtungen von einander getrennt sind ; die beiden mittle-
ren Palpen sind jedoch beinahe nochmals so breit als die beiden
\n:tf omisohe Untersiicliting-en über Trematoden. 271
äusseren und durch eine seichte Einkerbung in zwei Abtheilungen
geschieden, so dass durch diesen Linstand sechs papillöse Hervor-
ragungen erwachsen. Hinter ihnen sitzen die vier Augenpunkte. Die
äussere Haut bietet eine feine Querstreifung dar, unter ihr ziehen die
sich in schiefen Richtungen durchkreuzenden Muskelfaserbündel,
die an dem hinteren Leibestheile gegen die Haftscheiben zur Bewe-
gung der daselbst befindlichen vier grossen Haken deutlich ausgeprägt
sind. Das eine Paar der letzteren ist gegen die Rücken-, das andere
gegen die Bauchseite gekehrt und jedes mit einem Schlosse verse-
hen (Fig. 46). Der Basaltheil der Haken ist gabelig gespalten und arti-
culirt mit dem Schlosse mittelst eines der gabeligen Fortsätze. Beide
Hakenpaare liegen in einer Hautduplicatur, aus welcher die Spitzen
der Hakenfortsätze bei der Relaxation der Hakenmuskeln hervor-
ragen. Zum hornigen Apparat des männlichen Geschlechtsapparates
gehörig betrachte ich den an der Bauchseite des Thieres befindli-
chen Penis, der in einer enganliegenden Scheide zwei Theile beher-
bergt (Fig. 47); der eine derselben («) ist etwas länger, ragt mehr
aus der Scheide heraus und ist an seinem freien Ende stumpf, wäh-
rend der zweite (6) kürzere accessorische Theil eine hakenförmig
gekrümmte Spitze zeigt und bei dem Hineingleiten des Penis in die
weibliche Scheide als Fixirungsmittel dienen dürfte.
Die kreuzförmige Stellung der Haken der hinteren Haftscheibe
veranlasste mich, diesen Gyr. cruciatus zu benennen.
Einen 08Millim. langen, 0'3Millim. an der dicksten Stellebreiten
mit vier Augenpunkten und wenig vorragenden stumpfen Palpen ver-
sehenen Gyrodactylus (Fig. 48) habe ich an den Kiemen einer nicht
näher bezeichneten Cyprinusart angetroffen. Der hintere Haftapparat
zeichnet sich durch zwei grössere sensenförmige an einem Schlosse
articulirende und 14 kleinere Haken aus; die ersteren lassen an
jener Stelle, wo der verhältnissmässig lange Hakenfortsatz von dem
Basaltheile entspringt einen kurzen stumpfen Fortsatz (Fig. 50 a, a)
als eine Verlängerung des Hakenfortsatzes, in entgegengesetzter Rich-
tung gewahr werden. An dem abgerundeten Hakenstiele inserirt sich
der Hakenmuskel. Das Schloss besteht nur aus einem sehr massig gebo-
genen Querbalken. Die 14 kleineren Haken stehen in Gruppen bei-
sammen; ihr Stiel ist gerade, mit einem zugeschmälerten Ende und
einem eingeschnürten Mitteltheile. Ihr Hakenfortsatz verläuft gleichfalls
gradlinig und ist gegen sein freies Ende in eine sehr feine, leicht zu
212 Wed I.
übersehende Hakenspitze ausgezogen. Der traubenförmige Dotter-
stock (Fig. 48 a, d) breitet sich zu beiden Seitentheilen des Kör-
pers aus und sendet sowohl hinter dem Mundnapfe als auch hinter dem
ziemlich ausgedehnten Eierkeimstocke (6) querüber Gruppen von
Dotterbläschen. Der hornige Theil des männlichen Geschlechtsappa-
rates lässt auch hier zwei wesentliche Bestandteile erblicken; einen
rinnenförmigen abgestumpften Penis (Fig. 49 b) und den accessori-
schen Theil (c), welche beide auf einer stumpfen schaufeiförmigen
Basis (d) sitzen.
Die Bezeichnung dieses Gyrodaetylus als falcatus wurde wegen
der sensenförmigen Beschaffenheit der grösseren Haken gewählt.
Zum Schlüsse mag es mir noch gestattet sein eines Gyrodae-
tylus zu erwähnen, der an den Kiemen von Cyprinus Garpio vor-
kömmt. Er zeichnet sich durch die Weichheit seines Körperparen-
chyms aus, so zwar, dass er unter dem Drucke des Deckglases
gleichsam zerfliesst. Die hintere Haftscheibe mit einem Querdurch-
messer von 0-16 Millim. unterscheidet sich durch ihren Hakenapparat
auf den ersten Blick von den bisher angeführten Gyrodactylus-Arten
(Fig. 51). Das Schloss zeigt eine schwach wellenförmige Krümmung
(a); zu beiden Seiten desselben befinden sich die beiden (in der
gegebenen Abbildung etwas losgetrennten) grösseren Haken, die
jedoch im Vergleich mit den bisher bekannten Gyrodactylis das
kleinste Volumen darbieten und einen stark gekrümmten und spitzen
Hakenfortsatz besitzen. Die 14 kleineren Haken mit ihrem langen
geraden Stiel und dem stark gekrümmten sehr zarten Fortsatze ste-
hen in symmetrischer Vertheilung und sind nicht mit dem wahr-
scheinlich nur zum Hautskelete der Haftscheibe gehörigen Theile
(J) zu verwechseln , der zwei von einem kurzen Stiele ausgehende
bogenförmig gekrümmte und stumpf endigende Fortsätze besitzt,
somit nicht zum Hakenapparate gehörig betrachtet werden kann.
Gyrodaetylus mollis möchte ich diesen Gyrodaetylus wegen
seiner weichen Körperbeschaffenheit nennen.
Es ergibt sich nun aus dem was über Gyrodaetylus in diesem
Anhange angeführt wurde, Folgendes:
1. Der Gyrodaetylus ist an den Kiemen (G. elegans wurde von
Creplin und von Siebold auch nebstbei an den Flossen gefunden)
der Süsswasserfische in viel zahlreicheren Formen vertreten als dies
bisher bekannt war, indem ich beinahe in jeder der untersuchten
Anatomische Untersuchungen über Tremntoden. 273
Arten von solchen Fischen einen besonderen Vertreter von Gyrod.
oefunden habe und es somit den Anschein hat, ein jeder Süsswasser-
fisch besitze seinen eigenen Gyrodactylus. Zuweilen schmarotzen
zwei derselben an einer Kieme, häufig sind sie mit Trichodinen und
den noch immer räthselhaften Psorospermien anzutreffen.
2. Der Klammerapparat der hinteren Haftscheibe muss bei einem
so zarten Thiere , das einem in stätigen Perioden vorüberziehenden
Wasserstrome ausgesetzt ist, verhällnissmässig stark entwickelt und
dem jeweiligen besonderen Wohnorte accommodirt sein; vielleicht
liegt in letzterem der Grund von der grossen Mannigfaltigkeit in der
Mechanik des Hakenapparates der hinteren Haftscheibe.
3. Dieser Hakenapparat gibt ein sehr schätzenswerthes mit
mathematischer Schärfe hervortretendes Kennzeichen für die Unter-
scheidung der Arten ab: ob zwei oder vier grosse Haken, ob zwei
Schlösser oder eines , von welcher Conformation und Verbindung zu
einander, ob kleine Haken vorhanden seien oder nicht, im ersteren
Falle in welcher Anzahl, Form und Vertheilung u. s. w.
4. Die äussere Haut ist zuweilen quer geringelt, in anderen
Fällen scheint sie glatt zu sein.
5. Der Muskelapparat ist mitunter sehr stark ausgeprägt. In der
Mehrzahl der Fälle lassen sich eigene an dem Hakenstiele sich inse-
rirende Muskel, auch sich mehrfach durchkreuzende Hautmuskeln,
nachweisen; ein retractor pal partim medius und protrusor pcnis
wurden bei G. crassitisciilus gefunden.
6. Die vier sogenannten Augenpunkte an dem Rücken des Vorder-
theiles wurden bei allen Gyrodaetylis beobachtet (G elegans besitzt
keine). Es fehlt, wie schon v. Siebold lehrt (vergl. Anat. d. wir-
bellosen Th. 127), der lichtbrechende Körper; die Palpen scheinen
als retractüe Tastorgane zu fungiren (in einem Falle bei G. crass.
wurden Muskelfaserbündel gesehen) und treten mehr oder weniger
markirt hervor.
7. Die Beobachtungen über den Dauungscanal sind insoferne
ungenügend, als nur in einem Falle bei Gyr. Cochlea ein einfacher
von dem Mundnapfe von vorn nach rückwärts ziehender mit Epithel
ausgekleideter, zuweilen gelbröthlich oder schmutzig gelb tingirter
Schlauch mit einem wahrscheinlichen After sich darstellte, während
in allen übrigen Fällen sein Verlauf nicht eruirt wurde. Der Grund
hievon mag in der Transparenz der Inhaltsmasse und in einem innigen
SiUb. d. mathem.-naturw. Cl. XXVI. Bd. I. Uli. 18
274 W e .1 I.
Verschmolzensein der Warn) des Dauungscanales mit dem Leibes-
parenchym liegen. Auch sind theilweise die übrigen Organe ein
Beobachtungshinderniss.
8. DieGeschlechtswerkzeuge sind bei drei Arten (Gyr. Cochlea,
crassiusculus und tenuis) in sieb ergänzender Weise nachgewiesen.
DerDotferstock charakterisirtsich durch seinen traubenförmigen Bau,
seine runden Secretionszellen , welche eine körnige Masse entbalten
und in einer Umhüllungsmembran eingeschlossen sind, so zwar dass
zwischen Mundnapf und jenem als Dotterstock bezeichneten Organe
keine directe Verbindung stattfindet. Sein Ausführungsgang liegt vor
dem Eierkeimstock. Bei allen Gyrodactylis, wo überhaupt ein Ei
mit der gelblichen Schale zur Beobachtung kam, wurde dasselbe stets
in einfacher Zahl und nur einmal das Ausschlüpfen desselben gese-
hen. Die zwei Samenbläschen treten am deutlichsten bei Gyr. tenuis
hervor, sind mit einem Convolut von Fäden erfüllt und stehen mit
einander durch einen Gang in Verbindung. Der Zusammenbang des
hinteren Samenhläschens mit dein vermeintlichen Hoden wurde nicht
ermittelt; das vordere hängt mit dem hornartigen äusseren männli-
chen Geschlechtsapparate zusammen. Der letztere zeichnet sich durch
eine grosse Mannigfaltigkeit der Conformation aus, so dass man
sagen könnte : „Ex pene speciem". Man unterscheidet im Allgemei-
nen einen eigentlichen, etwas gekrümmten, rinnenförmig ausgehöhlten
Penis zur Fortleitung des Samens und einen accessorischen, oft haken-
förmig gekrümmten soliden Theil, der wahrscheinlich als eine Art
Fang- und Adhäsionswerkzeug für die Vagina dient. In einem Falle
bei Gyr. crassiusculus fehlte der accessorische Theil, zwei Häk-
chen vermutblich am Eingange der Vagina vertreten die Stelle des-
selben und umklammern den eingefülirten Penis. Es ist somit Gyro-
dactylus zuweilen geschlechtlich entwickelt und kann nicht als ein
blosses ammenartiges Wesen hingestellt werden.
Anatomische Untersuchungen über Trematoden. 275
Erklärung der Abbildungen.
Fig. i. Distoma ovatum (Rud.) aus der Bursa Fabricii v. Grus cinerea;
a Mundnapf, b Bulbus oesoph., c, c Darmcanal, d Bauchsaugnapf, e, e
Hoden, f Samenbläschen, g Penis, h Dotterstock, i Uterinalscblüuche,
k Uteruscanal mit dem Yas deferens (geringe Vergr.).
„ 2. Distoma aur ieulatum (n. sp.) aus dem Darme von Acipenser Ku-
thenus; a Mundnapf, b, b Auriculae, c Oesophagusschweliung, d, d
Darmcanal, e Bauchnapf , f Dotterstock, g Eier, h Hoden, i Penis,
k innere Samenblase, l querer Ausführungsgang des Dotterstockes,
?/i hintere Leibesöffnung (g. Vergr.).
„ 3. Distoma c ampanula (Dujard.) aus dem Darmschleime von Esox
Lucius; a, a derbe konische Hervorragungen, b Bauchnapf, c oblonges
Organ (Hode?), d Ende des Uterinalschlauches (g. Vergr.), e Ei mit
dem Embryo (st. Vergr.).
,, 4. Distoma crassiusculum (Rud.) aus der Gallenblase von Buteo
vulgaris; a Mundnapf, b, b Darm, c, c Hoden, d innere Samenblase, c
Dotterstock, f Hautstacheln in vorgestrecktem Zustande , g dieselben
in zurückgezogenem Zustande, h netzförmiges Gewebe der Hautmuskeln,
i viereckige Zähne am Mundnapf, k Bauchnapf, / Geschlechtsöffnungen,
m querer Ausführungsgang des Dotterstockes der einen Seite , n Eier-
keimstock. (Mit Ausnahme von f, g, h, i, welche stark vergrössert sind,
ger. Vergr.)
„ 5. Distoma echinatum (Zeder) aus dem Darme von Haliaeus Carbo;
a, a gezähnte Scheibe am Vordertheile, a' ßauchnapf, b, b Darm, c, c
Hoden, d innere Samenblase, e Cirrusbeutel, /"Penis, g, g Dotterstock,
h Eier (g. Vergr.).
„ 6. Penis desselben Distoms (st. Vergr.).
„ 7. Distoma b Hob um (Bud.) aus dem Darme von Ibis falcinellus ; a, a
zweilippige gezähnte Scheibe, b Mundnapf, V Schlundkopf, c Bauch-
napf, d, d Darm, e Hoden, f Cirrusbeutel, g Eierkeimstock, g Aus-
führungsgang des Dotterstockes, h Dotterstock, i hintere Leibes-
öffnung mit der blindsackigen Höhle (g. Vergr.).
„ 8. Ei ngekap s e 1 tes D i st o m ohne geschlechtl. Entwicklung aus dem
submucösen Gewebe der Speiseröhe von Ardea purpurca; a dickerer,
b dünnerer Theil der Kapsel, a' excrementielle Stoffe in der Kapsel-
höhle, c Mundnapf, r/Darm, e Bauchnapf, f transparente Organe, # grob-
körnige Masse im Parenchym des Thieres (st. Vergr.).
18 *
27() W e .1 I.
Fig. 9. Monostoma verrucosum (Zeder) aus den Blinddärmen von Fu-
lica atra; a Mundnapf, b, b Darm, c, c Hoden, d Penis, e dessen Seheide,
f Dotterstock, g Uterinalschläuche, h hintere Leibesöffnung, i weibliehe
Scheide (g. Vergr.).
„ 10. Penis desselben Monostoms, a die nach aussen gerollten stumpfen Sta-
cheln, b dicke Muskellage, c Lichtung (st. Vergr.).
„ 11. Ein Stück Darm desselben Monostoms (st. Vergr.).
„ 12. Eier desselben Monostoms, a mit kurzen, b und c mit längeren faden-
förmigen Fortsätzen an derEischale, d enthält den Embryo (st. Vergr.).
„ 13. Blind endigende Wassergefässe desselben Monostoms (st. Vergr.).
„ 14. Frontansicht der hinteren Leibesöffnung desselben Monostoms (st.
Vergr.).
„ 15. Monostoma lanceolatum (n. sp.) aus der Bauchhöhle von Himan-
topus rubropterus; a Mundnapf, b Schlundkopf, c, c Darm, d dessen
Umbeugungsschlinge, e, e Hoden, /"Eierstock, g, g Ausführungsgänge ;
der Dotterstöcke, h Uterinalschläuche, % weibliche Scheide (st. Vergr.).
,, 16. Ei desselben Monostoms von der Seite betrachtet (st. Vergr.).
„ 17. Ei desselben Monostoms mit dem Embryo, der bei a einen dunklen Fleck
zeigt (st. Vergr.).
„ 18. Holostoma variab ile (Nitzsch) aus dem Darme von Ardea cinerea;
«Kopfkappe, b Mundnapf, c Bauchschlitz mit einem hervorstülpbaren
Wulst, d Hoden, e, e, e Dotterstock, f Eier, g Penis (gr. Vergr.).
„ 19. Holostoma Cornu (Nitzsch) aus dem Darme von Ardea stellaris;
a Vorderende, b Mundnapf, c, c Hoden ('?), d Dotterstock, e napfähn-
liche Vertiefung am Hinterende mit den Geschlechtsöffnungen, f, f
hintere Ausbreitung des Dotterstockes (g. Vergr.).
„ 20. Hemistoma trilob um (Dies.) aus dem Darme von Haliaeus Carbo;
von der Bauchseite; a Mundnapf, b Bauchschlitz, c häutiger Saum, d
Hinterende, /"mittlere Papille des Bauchblattes, g, g die zwei seitlichen
Papillen desselben Blattes, k häutiges Rückenblatt (gr. Vergr.).
„ 21. Rückenseite desselben Hemistoms, a durchscheinender Mundnapf, b
Hinterseite des Bauchschlitzes, c Geschlechtsspalte, d Rückenblatt
(gr. Vergr.).
„ 22. Dasselbe Hemistom etwas stärker vergrössert von der Bauchseite ; a
Mundnapf, b Bauchschlitz, c, c Hoden, d Samenblase, e hintere napf-
ähnliche Vertiefung mit den Geschlechtsöffnungen, /", f mittlere Papille
des derberen Bauchblattes, g, g seitliche Papillen desselben Blattes,
h dünneres häutiges Rückenblatt, i, i, i, l Dotterstock.
„ 23. Hemistoma s pathula (Dies.) aus dem Darme von Falco von der
Bauchseite; a Rückenblatt, ßpapillöses derberes Bauchblatt (gr. Vergr.).
,, 24. Dasselbe Hemistom von der Rückenseite mit der Ausbreitung des
dunklen Dotterstockes (gr. Vergr.).
Anatomische Untersuchungen über Trematod en. 277
Fig. 25. Dasselbe Hemistom von der Bauchseite mit geschlossenem Rückenblatt
(g. Vergr.).
„ 26. Von demselben Hemistom ; a der Mundnapf, b der Schlundkopf (st.
Vergr.) .
„ 27. Gyrodactylus nur icularis (Nordmann) aus den Kiemen von
Cyprinus Carpio von der Bauchseite, a Keimstätte nach v. Siebold,
b vielleicht ein besonderer Legeapparat nach v. Sie b o 1 d (mittlere
Vergr.).
„ 28. Dasselbe Gyrodactylus von der Seite (mittl. Vergr.).
„ 29. Die theils retrahirten theils gestreckten Palpen am Vorderende mit
den vier sogenannten Augenpunkten (mittl. Vergr.).
u die beiden mittleren, b die beiden seitlichen, stumpfen Palpen
(st. Vergr.).
.. 30. Eiartiger Körper nach v. Siebold (st. Vergr.).
„ 31. Das klaffende grössere Hakenpaar von der hinteren Haftscheibe des-
selben Gyrodactylus (st. Vergr.).
„ 32. Gyrodactylus Cochlea (n. sp.) aus den Kiemen von Esox Lucius
vorderes Drittheil ; a rundliche Zellen zum Körperparenehym gehörig,
b Mundnapf, c Darmschlauch, d, d Dotterstock mit dem queren Aus-
führungsgange, e Samenblase (?) , /"zum äusseren, hornigen männ-
lichen Geschlechtsapparat gehörig (mittl. Vergr.).
„ 33. Hinteres Drittheil desselben Gyrodactylus; a Darm mit dem Epithel,
b, b Dotterstöcke, c, c Hakenmuskel (mittl. Vergr.).
„ 34. Von demselben Gyrodactylus; Rückenansicht des Vordertheils.
„ 33. Seitenansicht des Vordertheils von demselben Gyrod. (st. Vergr.).
„ 36. Hornartiger männlicher'Geschlechtsapparat von demselben Gyr. (st. V.)
„ 37. Zum Hakenapparat der hinteren Haftscheibe desselben Gyrod. gehö-
rig; a, a das eine, b, b das zweite Paar der grossen Haken; c das
Schloss (st. Vergr.).
„ 38. Gyrodactylus crassiusculus (n.sp.) aus den Kiemen von Lucio-
perca Sandra, a die vier sogenannten Augenpunkte, b Mundnapf,
c hintere Haftscheibe , d, d Dotterstock mit dem queren Ausführungs-
gan^,t' Eierkeimstock, /"hintere, g vordere Samenblase (?) , h dick-
wandiger Schlauch an der Peniswurzel (g. Vergr.).
„ 39. Zum äussern männlichen Geschlechtsapparat desselben Gyrod. gehörig,
a dickwandiger Schlauch , b schaufelf'örmige Peniswurzel, b periphe-
res Ende, c Penisscheide, d Häkchen an dem Eingange zur weiblichen
Scheide (?), e protrusor peius (st. Vergr.).
„ 40. Zwei der Haken der hinteren Haftscheibe desselben Gyrod. a, a abge-
platteter Körper, b, b Hakenfortsätze , c Schloss, d, d Hakenmuskel
(st. Vergr.).
278 Wedl. Anatomische Untersuchungen über Trematoden.
Fig. 41. Gyrodactylus tenuis (n. sp.) aus den Kiemen von Perca fluviatilis,
zur hinteren Haftscheibe gehörig; a an der Riickenseite derselben
befindlich, b ein grosserer, c ein kleinerer Haken.
„ 42. Muskelfaserbündel, welche zu den grösseren Haken der hinteren Haft-
scheibe desselben Gyrod. ziehen.
„ 43. Zum Geschlechtsapparat desselben Gyrod.; a Ei, b hintere Samenblase,
c Verbindungsgang zur vorderen Samenblase, d, e, e walzenförmige
Körper, f Penis, g accessorischer Theil (st. V.).
,. 44. Zellen des Dotterstockes (st. V.).
„ 45. Die Palpen am Vorderende desselben Gyrod. (st. V.).
„ 46. Gyrodactylus cruciatus (n. sp.) aus den Kiemen von Cobitis fos-
silis; Hintertheil mit dem Hakenapparate (st. V.).
„ 47. Zum männlichen Geschlechtswerkzeug desselben Gyrod.; a Penis,
b accessorischer Theil (st. V.).
,. 48. Gyrodactylus falcatus (n. sp.) aus den Kiemen von einer nicht
näher bestimmten Cyprimis-Ait; a Dotterstock; b Eierkeimstock.
„ 49. Zum männlichen Geschlechtsorgan desselben Gyrod.; a Peniswurzel.
b Penis, rinnenförmig, c accessorischer Theil.
„ 50. Hintere Haftscheibe desselb. Gyrod.; a stumpfer Fortsatz am Ursprung
des grösseren Hakenfortsatzes der beiden grösseren Haken.
„ 51. Gyrodactylus mollis (n. sp.) aus den Kiemen eines Cyprinus Car-
pio; hintere Haftscheibe mit dem Klammerapparate; a Schloss zwischen
den beiden grösseren Haken.
Wedl Anatomische Beobachtungen über TrematoAea.
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Wedl. Anatomische Beert achtungen übet Trematoden.
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Ditscheiner. Über die graphische Kreis-Methode. 271)
Über die graphische Kreis- Methode.
Von Leander Ditscheiner.
(Mit VI Tafeln.)
(Vorgelegt in der Sitzung vom 9. Juli 1857.)
Die Wichtigkeit der graphischen Methoden zur Entwicklung der
Combinationen, besonders aber zur bildlichen Darstellung des Zouen-
zusammenhanges, ist zu bekannt, als dass ihrer hier noch erwähnt
werden soll; sie bieten dem KrystallographenVortheile, die ihm keine
mathematische Formel zu leisten im Stande ist. Der ganze Zonenver-
band einer Krystallreihe liegt bildlich dargestellt vor seinen Augen;
sie dient ihm also auch zugleich als Prüfstein für die etwa aus Kan-
tenwinkeln berechneten Gestalten und dieEntscheidung ob eine gege-
bene Krystallfläche in dieser Reihe möglich sei, kann gleichsam in
einem Momente geführt werden.
Es sind vorzüglich fünf Gesetze, auf welchen eine graphische
Methode beruht, und diese sind folgende:
1. Das Gesetz des Flächenparallelismus, welches lautet: Jeder
Krystallfläche entspricht eine ihr parallele.
2. Das Gesetz des Zonenzusammenhanges, lautend : Jedes Glied
einer Krystallreihe ist bestimmt durch die Zone der früheren Glieder,
oder was dasselbe ist, jedes Glied einer Krystallreihe lässt sich aus den
früheren Gliedern deduciren.
3. Das Gesetz der rationalen Verhältnisse, welches lautet: Die
Axen jeder Gestalt einer Krystallreihe stehen in rationalem Verhält-
nisse zu den Axen des als Grundgestalt angenommenen Gliedes der
Reihe.
4. Das Gesetz der Symmetrie, welches dahin lautet: Dass alle
gleichen Theile einer Krystallgestalt, bei hinzutretenden neuen Flächen
gleiche Veränderung zu erleiden haben, welches Gesetz ebenso wie das
Gesetz des Flächenparallelismus nur bei dem Eintreten der Hälften
eine Ausnahme erleidet, und
280 Ditscheinc r.
5. Das Gesetz der Erhaltung des Systems, welches lautet: Nur
solche Flächen können sich combiniren die im Deductionszusammen-
hang jener Krystallreihe der Species liegen, auf welche die genann-
ten Flächen bezogen werden.
Professor Neumann (Beiträge zur Krystallonomie 1. Heft. Ber-
lin und Posen 1823) bestimmt seine Zone durch eine gerade Linie
in welcher alle Flächenorte jener Flächen liegen, welche dieser Zone
angehören. Seine Flächenorte bestimmt er durch den Durchschnitt
von Linien, welche durch den Mittelpunkt des rechtwinkligen Coor-
dinatensystems gehen und senkrecht stehen auf der Fläche, von welcher
der Flächenort bestimmt werden soll, mit einer horizontalen Ebene
welche in einer Entfernung = 1 vom Mittelpunkte gelegt ist. Zone
ist also nach Professor Neumann der Inbegriff aller jener Flächen,
deren Flächenorte in einer geraden Linie sich befinden.
Professor Quenstedt (Methode derKrystallographie, Tübingen
1840) legt alle seine Krystallflächen durch den Mittelpunkt des Coor-
dinatensytems und sucht die Durchschnitte jeder dieser Flächen mit
einer ebenfalls in der Entfernung = 1 vom Coordinaten-Mittelpunkte
gelegten horizontalen Projections-Ebene. Es ist nun natürlich, dass
alle jene Ebenen, die in einer Zone liegen, sich in einer Linie schnei-
den, welche durch den Mittelpunkt des rechtwinkligen Coordinaten-
systems und welche sich in der Projections-Ebene als ein Punkt
darstellt, welcher nichts Anderes ist, als der Durchschnittspunkt dieser
Zonenaxe mit der Projections-Ebene. Es müssen sich also auch alle
jene geraden Linien, welche die Projectionen der in einer Zone lie-
genden Flächen sind, in dem genannten Durchschnittspunkte schnei-
den. Zone ist nach Quenstedt also der Inbegriff aller Flächen,
deren Projectionen in einem Punkte sich schneiden.
In dem Folgenden soll nun eine andere graphische Methode
auseinander gesetzt werden, die sich von den genannten Methoden
dadurch unterscheidet, dass die Flächenorte einer Zone alle in Kreis-
linien liegen, welche Kreislinien sämmtlich durch den Mittelpunkt
der als Projections - Ebene angenommenen horizontalen in einer
Entfernung = — 1 vom Mittelpunkte des rechtwinkligen Coordi-
naten- Systems gelegten Ebene gehen. Zone ist somit in dieser
Methode der Inbegriff aller jener Flächen, deren Flächenorte in
einer durch den Mittelpunkt der Projections-Ebene gehenden Kreis-
linie liegen.
Über die graphische Kreis-Methode. 281
Man nennt die Ne um a nn'sche Methode die „graphische Punkt-
methode," und die Q uenstedt'sche Methode die „graphische Linien-
methode," man könnte somit die folgende Methode die „graphische
Kreismethode" nennen. Consequent aber würde es sein, dieNeu-
m an n' sehe Methode die „graphische Linienmethode" und die
Q uenstedt'sche die „graphische Punktmetho de" zu nennen.
Es würde sich also bei der Qu enstedt'schenMethode dieZone als ein
Punkt, bei der Neumann'schen als eine gerade Linie und bei der
graphischen Kreismethode als eine Kreislinie darstellen.
§■ 1.
Vor allem Anderen müssen wir uns einigen über den Begriff des
Flächenortes, welchen wir im Folgenden beibehalten wollen. Man
denke sich zu diesem ßehufe jene Fläche, von der man den Flächen-
ort bestimmen will, durch den Mittelpunkt M Fig. 1 des rechtwink-
ligen Coordinaten-Systems M y x z gelegt. Ferner denke man sich
in der Entfernung MO = — 1 , also nach unten, vom Coordinaten-
Mittelpunkte eine horizontale der Ebene y z parallele Ebene o yx zf,
gelegt, welche wir als die P r ojections-Ebe ne ansehen wollen.
So ist es nun klar, dass wenn M N P die Ebene ist, von welcher der
Flächenort bestimmt werden soll, die Linie NP die Durchschnittslinie
der Ebene MNP mit derProjections-Ebene ist. Wenn wir uns nun eine
auf N P senkrechte und durch die Linie M 0 gehende Ebene MQO
denken, so schneidet sie die Linie NP in Q und die Ebene oyu zu
sowie die Ebene MNP nach den Linien 0 Q und M Q, und es ist
an und für sich klar, dass die Linie OQ auf der Linie NP senk-
recht steht.
Wir nennen nun, wie schon bemerkt, die Fläche oyx,zx, die P ro-
je et ions -Ebene, den Punkt Q den Fläch en ort der gegebenen
Fläche MNP, ferner NP die Projectio n der Fläche MNP,0 den
Mittelpunkt des Coordinaten-Systems und o y , sowie o z, die Axen
der b und der c.
Ganz etwas Ähnliches findet Statt, wenn man die Fläche auf kein
rechtwinkliges, sondern auf ein schiefwinkliges Axensystem bezieht.
Da diejenige Ebene, welche man auf die Projection der Fläche senk-
recht stellt, auch hier wieder eine verticale ist, so kann sie nur in
dem Falle durch 0 M gehen, als 0 M auf der Ebene oyuzu senkrecht
steht. In jedem anderen Falle geht sie aber durch eine verticale von
M aus gezogene Linie und man muss, wenn man den Flächenort einer
!<£ ö 2 Ditscheiner.
Ebene bestimmen soll, auf dieProjection dieser Ebene eine senkrechte
Linie ziehen, welche durch den Durchschnittspunkt, der vom M aus
vertical gezogenen Linie mit der Projections-Ebene, geht.
Der Fall eines rechtwinkligen Coordinaten- Systems tritt beim
orthotypen, pyramidalen und hexaedrischen Systeme ein, jener wo die
Axen y und z einen Winkel von 60° einschliessen , die Axe der x
aber vertical auf der Projections-Ebene steht, tritt beim rhomboedri-
schen Systeme ein, während ein schiefwinkliges Axensystem bei den
schiefprismatischen Krystallsystemen sich vorfindet.
%.2.
Wir wollen uns nun den geometrischen Ort aller jener Flächen-
orte bestimmen, deren Flächen in einer Zone liegen, d. h. wir wollen
die Lage und die Form der Zonenlinie bestimmen.
Denken wir uns zu diesem Behufe vorerst eine Zone, deren Flä-
chen sich in einer Linie schneiden, welche mit der Linie 31 N Fig. 1
identisch ist, eine Zone also, deren Zonen axe M N ist. So ist es klar,
dass, wenn in Fig. 2 iVderDurchschnitlspunkt der Zonenaxe MN mW
der Projections-Ebene o yi} z1} ist, die Linien N P, NP', N P"
die Projectionen aller jener Flächen sind , die in derjenigen Zone
liegen, deren Zonenaxe M N ist. Um nun die Flächenorte aller dieser
Ebenen zu bestimmen, müssen wir senkrechte Linien von 0 aus auf
ihre Projectionen ziehen und man erhält somit die Punkte m, m, m",
m'" als die gesuchten Flächenorte von N P, N P, N P',
N P"
Nun bedarf es wohl keines weiteren Beweises mehr, dass die
Verbindungslinie N, m, m', . . . 0 nichts anderes als eine Kreislinie
ist , welche durch den Mittelpunkt 0 des Coordinaten-Systems geht
und deren Mittelpunkt R im Halbirungspunkte der Linie 0 N liegt.
Ebenso verhalt es sich, wenn die Zonenaxe nicht in einer der
coordinirten Ebenen, sondern ausserhalb derselben eine beliebige
Lage hat. Sie schneide also z. B. die Projections-Ebene o yt, zA
Fig. 3 in dem Punkte N, so sind wieder NP, NP', NP", NP'" . . .
die Projectionen aller jener Ebenen die in derjenigen Zone liegen,
deren Zonenaxe M N ist, und welche die Projections-Ebene in iV
schneidet. Zieht man nun wieder die senkrechte Linie 0 aus auf die
Projectionen der Flächen, so sind wieder m, m'. m", m" die
Flächenorte der einzelnen Flächen der Zone und die Verbindungs-
linie O. m, mj m", m'" N. d. i. der geometrische Ort aller
Über die graphische Kreis-Methode. 283
Flächenorte dieser Zone, ist wieder eine durch den Coordinaten-
Mittelpunkt gehende Kreislinie.
Es lässt sich dies auch streng analytisch nachweisen. Es sei
zu diesem Behüte in Fig. 1 NP dieProjection einer beliebigen Fläche.
Ferner sei P 0 = n und ÖA7= p, Q sei der Flächenort dieser
Fläche und ,r,, yu die Coordinaten dieses Flächenortes.
Somit ist die Gleichung der durch den Punkt Q und durch den
Mittelpunkt 0 des Coordinaten -Systems gehenden Geraden OQ
folgende:
Vi
y = — . x
und da die Gerade N P auf der Geraden (f Q senkrecht steht und
zugleich durch den Punkt Q (?/,. ,r,) geht, so ist ihre Gleichung
.Vi
oder diese auch auf ihre gewöhnliche Form gebracht, erhält man
y = •'• +
Aus dieser Gleichung folgen nun dieWerthe von den der Fläche
MNP entsprechenden Abständen 0 P und 0 N \v\e folgt:
»ia +yi2
P =
ia + y\ g
.r,
Soll aber diese Fläclie einer bestimmten Zone angehören, so
muss, da p = \ ist, wie wir später hören werden, die Gleichung
stattfinden :
^ P
= M ,
n p
in welcher Gleichung M, N und P Werthe sind, welche von den die
Zone bestimmenden Flächen abhängig sind. Setzt man in diese Rela-
tion die oben gefundenen Werthe für n und p, so erhält man die
Gleichung :
N . Vi P . .»•.
- + — — - — = M
.i-, 2 + //, ■ .<•, « + y, 2
284 Ditscheiner.
oder nach einer kleinen Reduction folgt die Gleichung :
N P
1 J M J M
welche aher identisch mit der bekannten Gleichung ist
#8 + r + %qy + %px = 0,
welche nichts anderes ist als die Gleichung eines durch den Coordi-
naten-Mittelpunkt gehenden Kreises.
Es folgt daraus wieder: Die Zonenlinie ist eine durch
den Mittelpunkt der Projections-Ebene gehende Kreis-
linie.
Da in der obigen Gleichung des Kreises p und q nichts anderes
sind als die Coordinaten x und y des Mittelpunktes der Kreislinie,
so folgen
P . N
x = und y =
als die Coordinaten des Mittelpunktes der Zonenlinie.
Da jede Zonenlinie durch zwei Punkte bestimmt ist, so ist auch
hier der Kreis durch zwei Punkte hinreichend bestimmt, indem sich
als der zur Bestimmung des Kreises nothwendige dritte Punkt als der
Coordinaten-Mittelpunkt ergibt.
Wir werden im Folgenden sehen, dass man zur Bestimmung
der Zonenlinie den Punkt N nicht bedarf.
§. 3.
Aus dem bisher Gesagten unterliegt es nun keiner Schwie-
rigkeit mehr, die Zonenlinie, welche durch zwei gegebene Flächen-
orte geht, zu bestimmen. Man hat nämlich nur durch die beiden gege-
benen Punkte eine Kreislinie zu ziehen, welche auch durch den Coor-
dinaten-Mittelpunkt geht und die Aufgabe ist gelöst.
Hat man zu untersuchen, ob eine gegebene Fläche in der Zone
zweier anderer gegebener Flächen liegt, so hat man blos von diesen
drei Flächen die Flächenorte zu bestimmen, durch zwei derselben
und den Coordinaten-Mittelpunkt eine Kreislinie zu ziehen, und zu
sehen ob der dritte Flächenort in dieser Zonenlinie liege oder nicht.
Ob eine Fläche E, welche die coordinirtcn Axen x, y und z
in den Entfernungen ma, nb und pc den Coordinaten- Mittelpunkt
schneidet, in der Zone zweier anderer Flächen E' und E", mit den
respectiven Abständen m' a, n' b und p' c sowie m" a, n" b und p" c
Über die graphische Kreis-Methode. 285
vom coordinaten Mittelpunkte, liege, ergibt sich aus der Gleichung:
M N P
- — -+- >
m n p
wobei M, JVund P folgende Werthe haben:
// // — n p in p — p rn
lll II
31 = — <L—r^-r^- .N= ,' „ „ . P = -f
/; y; II ll JJ JJ lll lll lll II lll' II
Setzt man diese Werthe in die oben gefundenen
P , N
x = und \i = ,
2 3/ J 2 3/
so erhält man für die Abscissen des Mittelpunktes einer durch die
Flächen ml a:ri b:p' c und m" a: n" Ir.p' c gehenden Zonenlinie fol-
gende Werthe :
ji p" (m" n' — n" in')
*= +
im' m" (/>' " ii' — n" p )
n' h" (in" p' — p" in |
im' in." { p" ii — n" p' )
Ob eine Fläche E — ma : nb :pc zugleich in der Zone der
Flächen E' = m'a : ii b \p'c und E" = m"a : ri'b : p" c und in der
Zone der Flächen JE/ = ml'a:nI,bipI' c und Et" = 17^" a:n1"b:pI" e
liege, ergibt sich aus den bekannten drei Gleichungen :
i t 1
P =
P X, — l\ N
in welchen Gleichungen ist
M =
r •• •• f
p'p" n' n"
Mt =
p, nl — ii," p,'
P, P, n'i ",'
31 P
i -
- P J/, ' r
in
' P ~
- p" ni
Hl' lll'
P'p'
m!
'*'-
-p'i' "ii
MA't -
- NMt
9
m'
' ii — n
" ni
ni m" n
n"
m,'
'«,' — ii,'
' ni,'
. N =
m, m, p, p, m, rn, n, n,
Mittelst dieser letzten Gleichungen ist man auch leicht im
Stande, wenn E, E", Ex' und Ex" gegeben sind, die Fläche E zu
berechnen, man nennt diese Gleichungen auch desshalb Combina-
tionsgl eichungen.
Wir kommen nun zur Bestimmung der Flächenorte der einzel-
nen Krystallflächen, und zwar hauptsächlich jener des orthotypen
Krystallsystems, weil auf eine ähnliche Art dann die Flächenorte der
(ihrigen Systeme gefunden werden. Auch von den Flächenorten der
Krystallflächen des orthotypen Krystallsystems sollen zuerst die Flä-
chenorte der Grenzsrestalten bestimmt werden.
28(5 Ditscheiner.
Es sei somit in Fig. 4 0 B C unsere Projections- Ebene, ox
die Axe der b, o y jene der c und o der Coordinaten-Mittelpunkt.
Um den Flächenort der Grenzgestalt P — oo zu bestimmen,
müssen wir diese Fläche durch den Mittelpunkt M unseres rechtwink-
ligen Coordinaten- Systems Fig. 1 legen, den Durchschnitt derselben
mit der Projections-Ebene bestimmen und von o aus auf die Projection
eine verticale Linie ziehen, so hat man dann den Flächenort dieser
Gestalt. Da aber P — oo parallel mit unserer Projections-Ebene
ist, so schneidet sie dieselbe gar nicht oder doch erst in unendlicher
Entfernung und dann in jeder beliebigen Richtung, somit hat auch
die daraus gezogene senkrechte von o aus eine beliebige Lage, woraus
folgt, d a s s der Flächenort von P — «> i n j e d e r beliebigen
Richtung und in unendlicher Entfernung von 0 aus
lieg e.
Ebenso ergibt sich der Flächenort jedes verticalen Prisma's
(P-\- «=)m als mit dem Coordinaten-Mittelpunkt 0 übereinstimmend.
Denn die Projection jeder Fläche eines verticalen Prisma's ist eine
Linie, welche durch den Coordinaten-Mittelpunkt 0 geht, somit geht
auch die von 0 aus auf diese Projection gezogene verticale Linie in
einen Punkt über, woraus folgt: Der Flächenort jed er Flä che
eines verticalen Prisma's liegt i tri Coordinaten-Mittel-
punkt 0.
Da auch Pr-\- «»nichts anderes als ein verticales Prisma ist, in
welchem m = <*> ist, so folgt, dass auchÖ der Flächenort von
Pr -f- oo ist.
Um nun den Flächenort eines horizontalen Prisma's Pr -f- n zu
finden, so denken wir uns die Fläche MNP Fig. 1, so bewegt, dass
OP immer grösser wird, so nähert sich auch Q immer mehr dem
Punkte JVund wenn endlich OP= oo geworden ist, so fällt auch Q
mit N zusammen. Es ist somit N der Flächenort von Pr-\-n. Auf
eine ganz ähnlicheWeise folgt somit auch, dass P der Flächenort von
Pr-\- n sei.
Es folgt daraus für die Bestimmung des Flächenortes irgend
eines horizontalen Prisma's Pr-\-n folgende höchst einfache Regel:
Man findet den Flächenort irgend eines horizontalen
Prisma's Pr -\- n, wenn man a u f j e n e c o o r d i n i r t e Axe, auf
welche das horizontale Prisma sich bezieht, die Länge
d e r a u f a" = 1 r e d u c i r t e n D i a g o n a 1 e a u f t r ä g t.
Über die graphische Kreis-Methode- 287
Es istsomit in Fig. 4w der Flächenort YonPr und m' jener vonPr,
wenn om = ff und om' = c ist. Ebenso ist für om,, = 1b und om///—2c,
m derFlächenort von Pr — 1 und mtll der Flächenort von Pr — 1.
Es unterliegt somit keiner Schwierigkeit die Flächenorte der
Grenzgestalien sogleich in das Schema eintragen zu können.
§.5.
Wir wollen nun sogleich übergehen auf die Bestimmung einer
Zonenlinie, welche einer Zone angehört, die durch irgend eine dieser
Grenzgestalten bestimmt ist.
Es sei also Fig. 5 wieder unser Coordinaten-System und m der
Flächenort irgend einer Fläche der Krystallreihe. Man soll nun die
Zonenlinie bestimmen, welche durch diesen Punkt m geht und zugleich
auch in der Fläche P — «> liegt. So ist es zweifellos, dass die Ver-
bindungslinie om dieser Zone entspricht, denn die Zonenlinie ist eine
durch o gehende Kreislinie, deren Radius unendlich ist, da der sie be-
stimmende Flächenort von P — ©o von o in unendlicher Entfernung liegt.
Um nun die Zonenlinie zu bestimmen, welche durch eben diesen
Punkt m geht und zugleich dem verticalen Prisma (P-f- °e)m ent-
spricht, so sei NP der Durchschnitt dieser Fläche, in einer beliebigen
Lage, mit der Projections-Ebene, so ist dann offenbar die zu NP
parallele Linie N' OP die Projection derFläche (P-\- °°)'". Da aber
der Durchschnittspunkt jeder Zonenaxe, die in derFläche (P-f- oo)m
liegt, in dieser Projection liegen müsse, so ist es klar, dass auch die aus
der Combination (P-f-o©)'". (P-|-w)'", deren letzterer Fläche der
Flächenort m entspricht, entstehende Zonenaxe in derselben liegen
muss, somit auch N' P die Richtung des Durchmessers unserer Zonen-
linie sein muss. Wir haben also die Bestimmung der Zonenlinie, aus der
Combination (P-\-n)m. (P-J- oo)'" folgende Regel: Man lege durch den
Coordinaten-Mittelpunkt und durch den gegebenen Flächenort m von
(P-f- n)m eine Kreislinie so, dass ihr Durchmesser mit der Projection
von (P-\- oo)"' zusammenfällt.
Hat man den speciellen Fall, dass (P-\- °°) in Pr-\- «> übergeht,
so ist dann die Linie OiVdie Projection von Pr-\- °© und die Linie
OP die Projection von 7V-|- <x> und man hat dann die Kreislinie so
zu ziehen, dass OiVund OP die Richtungen der Durchmesser werden.
So ist die Kreislinie OmS die Zonenlinie der Combination (P-\-n)m
Pr-\- oo und Om TdieCombinations-Linie der Combination (Pr-f-oo)'"
Pr-f m.
288 D i t s c h e i n e r.
Ist der Flächenort von irgend einer Gestalt (P-\-n)m gegeben
und man soll die Zonenlinie bestimmen, welche der Combination
(P-\-n)m. Pr-\- n entspricht, so hat man die im §. 3 gegebene Regel
gänzlich zu beobachten. Man legt nämlich durch 0 und die Flächen-
orte von (P-\-n)m sowie Pr-\-n eine Kreislinie, welche die ver-
langte Zonenlinie darstellt.
§.6.
Nach dem bisher Gesagten ist man nun auch in den Stand
gesetzt, den Flächenort von P, der Grundgestalt, zu bestimmen. Es
ist bekannt, dass P bestimmt ist durch zwei Zonen, von denen die
eine bestimmt ist die Gestalten Pr und Pr -j- oo und die zweite geht
durch die Flächen Pr und Pr -j- ©©. Ist somit in Fig. 6, oB = b und
oC—c, so sind nach dem Obigen B und C die Flächenorte von Pr
und Pr und omB ist die Zone, welche durch Pr und Pr-\- <x geht,
während omC jene ist, die durch Pr und Pr -\- «» geht. Ihr Durch-
schnittspunkt m ist somit der verlangte Flächenort von P.
Auf eine, dieser ganz ähnlichen Art findet man den Flächenort
von P — -1, P-(- 1, überhaupt von jedem Orthotyp (P-j- fi)m.
Man erhält somit für diese Bestimmung die allgemeine Regel:
Man findet den Flächenort irgend eines Orthotyp es
(P-\-ri)m, wenn man in den demselben entsprechenden
Axenverhältniss a„ :b„:c„ d i e A x e an = 1 setzt, und die
hierdurch reducirtenAxen der b und c von o aus in das
Schema einträgtundendlieh d u r c h o u n d b s o w i e d u r c h o
und c Kreise so zieht, dass ob und oc ihre Durchmesser
sind, in dem Punkte, wo sich diese Kreise schneiden,
liegt der gesuchte Flächenort von (P-\- n)m.
Nun ist es auch leicht für einen gegebeneu Flächenort dieAxen-
dimensionen zu bestimmen. Man legt nämlich durch m und o Kreis-
linien omS und omT, von solcher Beschaffenheit, dass ihre Durch-
messer mit ob und oc zusammenfallen, wo diese dieAxen schneiden,
befinden sich die Flächenorte der, dem Orthotype m entsprechenden
horizontalen Prismen, somit ist das verlangte Axenverhältniss ax :bx :ci =
= \:oS:oT, woraus dann das Zeichen der Gestalt leicht gefun-
den ist.
Man sieht auch aus der Bestimmung des Flächenortes m von
(jP-f- n)m leicht ein, dass von einem Orthotype jederzeit vier Flächen-
orte sich bestimmen lassen, die in den vier Quadranten symmetrisch
Über die graphische Kreis-MeHiode. 280
vertheilt sind. Die Flächenorte der Hälften dieser Orthotipe erschei-
nen ebenfalls vier an Zahl, von denen zw Vi von Flächen herrühren,
die sich über der Basis der Diagonalen, zwei Andere aber Flächen reprä-
sentiren, die sieh unterhalb dieser Basis befinden. Man muss auf dieses
Verhältniss bei dem Gebrauche des Schemas gehörig Rücksicht nehmen.
Wir wollen nun die im Obigen aufgestellten Regeln zur Entwick-
lung einiger Combinationen des orthotipenKrystallsystems anwenden.
1. Es soll also z. B. jene Krystallfläche des prismatischen Hai-
Barytes (Schwerspath) bestimmt werden, welche zu gleicher Zeit in
der Zone von Pr undPr + <*>, sowie in der Zone derKrystallflächen
Pr und (P-f °°)3 liegt.
Bestimmt man sich nun in Fig. 7 die Flächenorte der gegebenen
Krystallfläehen , so liegt in o der Flächenort von Pr -f- e» und von
(P-J- oo)25 ;n ß (jer Flächenort von Pr, sowie in C (wenn OB = b
und OC = c ist) der Flächenort von Pr. Es ist also ovc die Zonen-
linie, welche der Combination Pr undPr-|- <» entspricht, und wenn
OP' die Projection von (P+ °°)3 ist, so ist 0 BW die Zonenlinie,
welche der Combination Pr.(P -f oo)2 entspricht. DerDurchschnitts-
punkt m beider Zonenlinien ist also der Flächenort der zu bestimmen-
den Krystallfläche. Wenn aber m der Flächenort ist, so ist die auf
om senkrecht gezogene Linie CP die Projection der zu bestimmen-
den Fläche und man kann nun durch eine leichte Rechnung dieAxen-
dimensionen dieser Fläche bestimmen. Es ist nämlich OC=ct —c,
BPi = 2c, somit OBl=i/s b = bit also sind die Axenverhältnisse
der gesuchten Gestalt
üi : b : Ci = a : y3 b : c = 3 a : b : 3 c
und die zu bestimmende Gestalt war also
(P+w)m = (P)3.
Dass die zu bestimmende Gestalt nach b abgeleitet ist, folgt schon
daraus, dass sie in der Zonenlinie OmCVliegt, welche der Combina-
tion Pr.Pr-\- oo entspricht.
2. Eine andere ebenfalls dem prismatischen Hai-Baryte (Schwer-
spathe) entlehnte Fläche (P +??)"' liegt zu gleicher Zeit in der Zone
der Flächen (P-|-l)^ und Pr-\- <», sowie in derjenigen der Flä-
chen (P)a und (P -\- «a)a. Man soll diese Fläche bestimmen.
Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. XXVI. Bd. I. Hfl. 19
290 D i t s c h e i n e r.
Die Axen Verhältnisse der die Zonen bestimmenden und gegebenen
Krystallflächen sind nachtun Mohs'schen Zeichen folgende:
(P+l)^" = rt:1/36:1/3c; Pr -f <» = °oa:°ob:c;
(P)8=a:d:Vac; (P + «x>)* = Ma:6:2c.
Somit sind in Fig. 8 « und b die Flächenorte von (P-j-l)'a und
(P)3 und o jener von Pr-\- <*> und (P+oo)3. Also auch o«c die
Zone von PY-f-oo und (P-f-1)^, sowie obd die Zone von (P)3
und (P-f- °»)3. Beide Zonen schneiden sich in /*, es ist also /"der
Flächenort der zu bestimmenden Fläche und die auf of senkrecht
stehende Linie de ist also ihreProjection. AlsdieAxendimensionender
zu bestimmenden Fläche erhält man somit leicht folgendes Verhältniss:
cti'.bi :ci-=a: ±6:xc= 3«: b.c.
Es wird somit die zu bestimmende Gestalt mit folgenden Zeichen
bezeichnet werden müssen :
3P=y3p-fi==y4p-f2.
§.8.
Die Bestimmung der Flächenorte im rhomboedrischen System
wird ähnlich wie bei dem orthotypen Systeme vorgenommen. Man
denkt sich nämlich ebenfalls die Ebene, von welcher der Flächen-
ort bestimmt werden soll, durch den Mittelpunkt des Krysf alles gelegt,
ihre Projection auf der Projectionsebene gesucht und vom Coordina-
ten-Mittelpunkte auf diese Projection eine senkrechte Linie gezogen,
so ist der Durchschnittspunkt der Projection mit der senkrechten
Linie der zu bestimmende Flächenort der gegebenen Krystallfläche.
Die Projectionsebene besitzt einen Mittelpunkt, der durch den
Durchschnitt der drei Krystallaxen entsteht, welche sich horizontal
unter Winkel von 60° schneiden und welchen wir auch fernerhin den
Coordinaten-Mittelpunkt nennen wollen. Das Axensystem in der Pro-
jeetions- Ebene einer Krystallreihe aus dem rhomboedrischen Systeme
ist also ein schiefwinkliges, bestehend aus drei Axen die sich unter
einem Winkel von 60° schneiden und die, wie wir später sehen wer-
den, die Flächenorte der Rhomboeder der Haupt- und Nebenreihe in
sich begreifen und den drei prismatischen Axen einer gleichkantigen
sechsseitigen Pyramide parallel sind. Ausser diesen Axen nimmt man
jedoch noch drei andere Axen an, die sich ebenfalls unter 60° schnei-
den, deren ganzes System aber gegen das der früheren noch um 30°
verdreht erscheint. Es enthält dieses Axensystem alle jene Flächen-
orte in sich, welche den gleichkantigen sechsseitigen Pyramiden ent-
Über die graphische Kreis-Methode. 291
sprechen. Dieses letztere Axensystem ist bei allen folgenden Figuren
und Schema's etwas stärker als das erstere hervorgehoben.
Wir gehen nun sogleich auf die Bestimmung der Grenzgestalten-
Fläehenorte über, weil wir wieder auf diese die Bestimmung der
Flachenorte der übrigen Gestalten basiren werden.
Der F 1 ä c h e n o r t der horizontalen E r d f 1 ä c h e R — oo
liegt wieder von o aus in einer beliebigen Richtung
und in einer unendlichen Entfernung, aus ganz denselben
Gründen, vermöge welcher die Gestalt P — oo im orthotypen Systeme
diese Lage hat (s. Fig. 9).
Die Flächenorte der verticalen Prismen J?-f oo,
P-J-oo un d(P-f <x>)m liegen wiederimCoordinaten- Mittel-
punkt, ganz ähnlich wie (P-f- oo) im orthotypen Systeme.
Was die horizontalen Prismen Pr + n im orthotypen Systeme
sind, das sind gleichsam die gleichkantigen sechsseitigen
Pyramiden im rhomboedrischen Systeme. Ihre Flächenorte
liegen in den Axen OA, OB und OC, welche unter sich
Winkel von 60° ei nschli essen, in einer gewissen be-
stimmten Entfernung vom Coordinaten-Mittelpunkte
0, so zwar, dass wenn Oa = Ob = Oc = 0 a' = 0 b' = Od = d
ist, a, b. . . . die Flächenorte von P sind, wenn Oax = Obx = . . . .
Oci = 2d ist, at, bt . . . . c/ die Flächenorte von P — 1 sind und
wenn endlich Oau'. . . .Ocu'= % f/ ist, an . . . .c"' die Flächenorte
von P-\- \ u. s. w. sind, wo natürlich stets die Hauptaxe als Einheit
angenommen wird und wobei d abhängig ist von den Abmessungen
der gleichkantigen Pyramide und also indirect von jenen des Grund-
1
rhomboeders, es ist nämlich Oa = — , wobei wieder ^ = %a ist
und a die Axe = •/, V — . c-^-l des Grundrhomboeders mit dem
' T 2 1— Icosol
Axenkantenwinkel a bildet. In der Folge wollen wir beim Schema
immer «« = i^3 annehmen (s. Fig. 9), damit, wie wir später sehen,
OB, d. i. die Entfernung des Flächenortes von R vom Coordinaten-
Mittelpunkt = - — ~ = — (für m = Y) wird.
3 m + 1 4 v J
§.9.
Jetzt kommen wir nun wieder auf die Bestimmung der Lage der
Zonenlinie, welche durch irgend einen von der Gestalt (P-(-w)m
herrührenden Flächenort m und durch den Flächenort einer dieser
19*
292 Ditscheiner.
Grenzgestalteu, wenn es erlaubt ist, auch die gleichkantige sechs-
seitige Pyramide P-\-n so zu nennen, geht.
Um die Zonenlinie zu erhalten , welche von der Combination
(P-\-?i)m . R — oo bestimmt ist, hat man nur den Flächenort
m mit dem Coordinaten -Mittelpunkte o zu verbinden,
denn auch hier geht die Kreislinie in eine gerade über.
Hat man die Zonenlinie zu bestimmen, die zwischen einem gege-
benen Flächenorte m der Gestalt (P-f-w)"' und irgend einer Fläche
der Grenzgestalten 7? -J-oo, P-\-oo und (P-f- °°)*" hegt, so bestimmt
man sich die Projection dieser Fläche, d. h. man zieht durch
den Coordinaten-Mittelpunkt o eine parallele Linie zum Durchschnitt,
welche diese Fläche in irgend einer Lage mit der Projections-Ebene
bildet , und legt dann eine Kreislinie so durch den Coor-
dinaten-Mittelpunkt o und d e n g e g e b e n e n F I ä c h e n o r t
m, dass der Durchmesser dieser Kreislinie mit der Pro-
jection der Fläche der Grenzgestalt zusa mmenfällt. So
ist z. B. in Fig. 10 die Zonenlinie mVO (He Zonenlinie, welche durch
m und R-\-<x> geht, während die Zonenlinie mWO durch m und
P-j- oo geht. Natürlich kömmt es hierauf an, welche von den drei
Flächen von R -J- oo oder P-\-oo, oder welche von den sechs Flächen
von (P-|-<X3)m in dieser Zone liegt, denn darnach richtet sich, wie
leicht einzusehen ist, die Lage der Projection der Fläche, also auch
die Lage des Durchmessers der Zonenlinie, welche durch den Punkt
m und durch den Coordinaten-Mittelpunkt geht.
Hat man irgend einSkalenoeder (P-\-n)m, dessen Flächenort wie-
der m ist und soll man durch diesen Flächenort und durch den Flächenort
einer gleichkantigen sechsseitigen Pyramide P-\- n eine Zonenlinie
legen, so folge man wieder gänzlich der im §. 3 gegebenen Regel.
§.10.
Jedes Rhomboeder R-\-n liegt bekanntlich in zwei abwech-
selnden Zonen von P-f- n und R-\-oo. Wollen wir also den Flächen-
ort des Grundrhomboeders bestimmen , so müssen wir vorerst diese
Zonenlinien feststellen , welche durch die gleichkantige sechsseitige
Pyramide P und einer gewissen bestimmten Fläche von R-\-ao geht.
Es seien zu diesem Behufe alt «2, ...((& Fig. 11 die Flächenorte
von P und es ist natürlich, dass Oa± zugleich der Durchmesser jener
Zonenlinie ist, welche zwischen Pund R-\-<x> liegt, denn MN reprä-
sentirt diese Fläche R-\-oo und Oa, ist zu ihr parallel. Es ist somit
Über die graphische Kreis-Methode. 293
OR(ti auch die Zonenlinie die durch P und 7? -f °° geht. Ebenso
repräsentirt ORa* die zweite, die Gestalt R bestimmende Zonenlinie,
somit ist in R, dem Durchschnittspunkte beider Zonenlinien, der
gesuchte Flächenort vom Grund rhomboeder. Die übrigen zwei
Flächenorte von R findet man auf dieselbe Art und sie liegen in III
und V Quadraten (wenn man einen Winkel von 60° so nennen darf)
und werden dort ebenso, wie im ersten Quadranten gefunden. In den-
selben Quadranten wie R liegen auch alle anderen Rhomboeder der
Haupt- und Nebenreihe mit geradem Index (R ± [2»])ä während jene
mit ungeradem Index (R± [2w-f I]) im II, IV und VI Quadranten zu
liegen kommen. Man hat auf die Lage dieser Flächenorte in den
Quadranten bei Ausführung des Schemas besonders zu achten, weil
sich sonst leicht Fehler einschleichen können.
Man erhält also für die Bestimmung des Flächenortes irgend
eines Rhomboeders R -f- n folgende Regel: Um den Flächenort
des Rhomboeders R-\-n zu bestimmen, lege man durch
den Flächenort der diesem Rhomboeder entsprechenden
gleich kantigen sechsseitigen Pyramide P-\- n und den
Coordinaten- Mittelpunkt oje z w ei Kreis e, so zwar, dass
dieVerbindungslinie o.P-\- n zumDurchmesser wird; in
dem Punkte nun, wo sich diese beiden Kreise schnei-
den, ist der gesuchte Flächenort, wobei man auf die
Stellung in den Quadranten besondere Rücksicht zu
nehmen und die darauf bezügliche oben gegebene
Regel zu befolgen hat.
Ebenso leicht findet man die Flächenorte eines Skalenoeders
(P+w)'". Man bestimmt sich nämlich die Axendimensionen «1:61:
Ci und reducirt diese auf ^ = 1, trägt die hierdurch erhaltenen
Werthe von b und c von 0 aus auf die betreffenden Axen OAh, OR,
und zieht dann ähnlich wie bei Rhomboeder die Kreislinien Opn
und Opm. Ihr Durchschnittspunkt p (Fig. 12) ist der gesuchte
Flächenort. Für irgend ein Skalenoeder (P-\-u)m hat man aber
i • c, • , i , 3» . 3 m
«i =m«Q, wobei a0 =2« ist und /V, = sowie ct =
3 m + 1 3wi— i
es ist also für a{ = I
b_ 3 = 3_
(3»i + l)2«' (3m— 1)2"«'
hierbei ist abermals Rücksicht zu nehmen auf die Lage der Flächen-
orte in den sechs verschiedenen Quadraten und es gilt hier die Regel,
294 Ditscheiner.
dass der Flächenort irgend eines Skalenoeders (P-\- n)m in demsel-
ben Quadranten liege als das ihm entsprechende Rhomboeder R-{- n.
Jedes Skalenoeder repräsentirt sich im Schema (Fig. 12) durch
sechs Flächenorte, von denen je zwei immer in einem Quadranten
symmetrisch vertheilt sind.
Von den Flächenorten derDyrhomboeder erscheinen immer sechs
im Schema, von denen drei mit den Flächenorten jenes Rhomboeders
übereinstimmen , aus welchen das Dyrhomboeder abgeleitet ist. Die
drei anderen Flächenorte dieser Gestalt befinden sich aber in jenen
Quadranten, in welchen die betreffenden Rhomboeder-Flächenorte
nicht erscheinen, ebenso gestellt wie diese in den anderen Quadran-
ten unseres Axensystems.
Dasselbe gilt von dem Flächenorte der Dypyramiden , welche
zwölf an Zahl erscheinen, sechs mit den Skalenoederflächen überein-
stimmen und die sechs andern in den drei andern Quadranten symme-
trisch vertheilt sind.
Die Flächenorte aller jener Flächen , die Hälften begrenzen und
nach der ersten oder zweiten Zerlegungsmethode erhalten werden,
erscheinen auch nur mit der halben Anzahl derjenigen der vollflächen
Gestalt, während jene welche nach der dritten Zerlegungsmethode
erhalten worden sind, mit der ganzen Anzahl der Flächenorte ersehei-
nen, bei denen aber wieder zu unterscheiden ist, ob sie Flächen an-
gehören, die sich ober oder unter der Rasis des Grundrhomboeders
befinden.
§.11.
Es soll nun auch hier wieder der Weg angezeigt werden, den
man bei der Entwicklung der Combinationen des rhomboedrischen
Systems zu gehen hat.
1. Zwischen den schärferen Axenkanten eines Skalenoeders (P)3
liegt mit paralleler Combinationskante die Fläche eines Rhomboeders
R-\-n\ es sollen die Axendimensionen desselben bestimmt werden.
Zu diesem Rehufe bestimmt man sich die Fläche norte des Ska-
lenoeders (P)3, für welches die Axenverhältnisse offenbar ax : bt : ct
= 1 : 3/lod : 3/sd sind, und man erhält somit in Fig. 13 in au a2,
a3, . . . a6, die Flächenorte a, und «8 sind aDer offenbar die Flächen-
orte jener Flächen, die mit einander die stumpfere Axenkante bilden,
somit liegt in der Zone oat maä der zu bestimmende Flächenort, der
aber der Voraussetzung gemäss auch in der Zonenlinie OA liegen
Über die graphische Kreis-Methode. 295
muss, also ergibt sich in m der gesuchte Flächenort, welcher aber,
wie leicht berechnet werden kann, der Fläche
R+n=R-\- 1
angehört, also ist das Rhomboeder R-\-\ dasjenige, welches der
obigen Bedingung entspricht.
Hat man aber jenes Rhomboeder R + n' zu bestimmen, welches
zwischen den stumpferen Axenkanten mit parallelen Combinations-
linien liegt, so lege man durch v, «j und a6 eine Kreislinie, welche
unsere Zonenlinie darstellt, bestimmt den Durchschnitt dieser Kreis-
linie mit der Zonenlinie OB und man erhält dann in ml den Flächen-
ort der zu bestimmenden Gestalt, welche sich also als
R+n*=%R
ergibt, wie aus einer einfachen Rechnung hervorgeht.
2. In einer Combination des rhomboedrischen Eisenerzes (Roth-
eisenstein) liegt die zu bestimmende Fläche (P-\-?i)m mit parallelen
Combinationskanten zugleich zwischen den Flächen P und jP+oo
sowie zwischen R und (P — I)3. Man soll die Gestalt gehörig
bestimmen.
Man bestimmt sich zu diesem Behufe zuerst den Flächenort von
P und legt durch diesen und jenen von P-j-oo eine Zonenlinie 0 A,
aus welcher (Fig. 14) schon folgt, dass die zu bestimmende Gestalt
eine gleichkantige sechsseitige Pyramide P-\-n ist. Dann bestimmt
man sich in a±, a2 . . . a6 die Flächenorte des Skalenoeders (JP — l)3
mit den Axendimensionen a* :bt : Ci=l : 3/5 d:s/^d und ebenso in
ftt, bz und bs jene vom Grundrhomboeder R. Legt nun durch o, a
und h eine Kreislinie, so ist sie der, durch R und (P — l)3 gehen-
den Zonenlinie entsprechend, und wo sie die Zonenlinie OA schneidet,
also in m, dort ist der gesuchte Flächenort, den man leicht als der
Fläche
p_|_w. = jp.f 1
entsprechend tindet.
§.12.
Wir kommen nun dahin, nach den aufgestellten Regeln den In-
begriff aller Krystallflächen einer Krystallreihe auf eine graphische
Weise darzustellen, d.h. das Schema dieser Krystallreihe zu bilden.
Wir wählen hierzu vorerst eine Krystallreihe des orthotypen
Krystallsystems, nämlich jene des prismatischen Topases (Topas).
296
Dit scheiner.
Die Grundgestalt dieser Mineralspecies hat folgende Abmes-
sungen :
P = 1410 7; 101°52'; 90<> 55'
a:b:c = 1 : V 4440 : V 1328.
Die wichtigsten an dieser Mineralspecies vorkommenden einfachen
Gestalten sind mit ihren Axendimensionen in der folgenden Zusam-
menstellung enthalten :
P — OO =
p— 1 =
V« ^ — l =
p =
p-f 1 =
P+ OO =
Pr + 1 =
Pr -f 2 =
oo rt
oo 6 :
oo C
2 6
2 c
3/36 :
V»c
b
c
»/.ä:
!/8C
6
c
% 6 :
oo C
«/%*:
oo C
(y3P_l)3 = a
(P +1)1= a
(P + 2)1 = «
(P -f Oo)2 = oo a
{P -f oo)f = oo a
(P -f oo)s = oo a
P r + 1 = rt
P r -f- oo = «
3A * : 3A c
% 6 : */. c
*A6
b
b
b
oo 6
oo b
l/SC
2c
3/zC
3 c
oo C
Diese Gestalten finden sich, mit noch einigen anderen, im Schema
Fig. 15 nach den bisherigen Regeln eingetragen und es ist somit
Fig. 15 das Schema des prismatischen Topases. Die entsprechenden
Flächenorte sind mit den Mohs'schen Zeichen bemerkt.
Der ganze Zusammenhang und die Stellung der einzelnen Ge-
stalten wird durch das Schema mit einem Blicke klar, und man kann
sich sogleich über die Zonenlage jeder Krystallfläche Rechenschaft
geben. Man sieht sogleich aus dem Schema , dass die Zonenlinien,
welche Flächen angehören die unter sich horizontale Combinations-
kanten hervorbringen, gerade Linien sind, die durch den Mittelpunkt
o unseres Coordinaten-Systems gehen. Ferner ist zu ersehen, dass
jedes höhere Orthotyp , sei es aus der Haupt- oder aus einer Neben-
reihe, dadurch bestimmt wird von dem nächst niederen Orthotyp
dieser Reihe, dass es mit dem Mittelpunkt jener Zonenlinie überein-
stimmt, welche durch das letztere Orthotyp und den Mittelpunkt des
Coordinatensystems so geht, dass ihre Verbindungslinie zur Richtung
eines Durchmessers wird. Auch die Flächenorte aller Orthotype un-
ähnlichen Querschnitts mit der Grundgestalt, welche nach ein und
derselben Diagonale nach einer gleichen Ableitungszahl abgeleitet
sind, liegen in geraden Linien die durch den Coordinaten-Mittelpunkt
o gehen. Jene Orthotype, welche nach ein und derselben Diagonale,
Über die graphische Kreis-Methode 297
jedoch aus einer und derselben Gestalt, der Hauptreihe nach verschie-
denen Ableitungszahlen erhalten werden, besitzen Flächenorte die
ebenfalls in einer und derselben Zonenlinie liegen. Ebenso leicht ist
es im Schema zu untersuchen, ob eine bestimmte Fläche in der Zone
zweier anderer liege, indem es sich meist schon ohne irgend eine
Construction von selbst ergibt. Ist dies jedoch nicht der Fall , so
muss man durch die gegebenen zwei Flächenorte eine Zonenlinie
nach §. 3 legen, und sehen, ob in dieser der dritte Flächenort liege.
Auch die Axendimensionen jedes beliebigen im Schema gegebenen
Flächenortes ist leicht bestimmt. Es sei z. B. m der gegebene Ort
vun welchem man die Axendimensionen bestimmen soll, so sieht man
sogleich, dass für ihn bx = Ab und ct = 2c ist, man hat also für diese
Gestalt das Axenverhältniss
ax : bt : cx = a-Ab :2c = % ■ 2« :2b :c,
welchem Axenverhältniss aber die Gestalt
(P— 1)2
entsprechend ist. Die weiteren Verhältnisse des Zonenzusammenhan-
ges werden bei einer genaueren Betrachtung des Schemas sogleich
klar werden.
§.13.
Das Schema des pyramidalen Krystallsystems ist jenem des
orthotypen ganz ähnlich, wie dem überhaupt beide Systeme eine
gewisse Ähnlichkeit besitzen. Die Orthotype sind durch gleichkantige
vierseitige Pyramiden vertreten, mit einem geraden Index also durch
(P + 2ii), während die horizontalen Prismen Pr-\-n und Pr-\-n
vereint durch gleichkantige vierseitige Pyramiden vertreten sind,
die in ihren Zeichen einen ungeraden Index besitzen, also durch
(P± \2n ± 1]). Die im Orthotypen als (P-\-n)m und (P+ »)msich
darstellenden Flächenorte gehören im pyramidalen System nur einer
Gestalt, nämlich der ungleichkantigen achtseitigen Pyramide an.
P-j-°° bleibt ebenfalls hier P-\- <x> und (P-f oo)m sowie (P-f °o)"'
gehören dem achtseitigen Prisma (P-foo)m an, sowie auch Pr-\-oo
und Pr-\- oo vereint der Gestalt [-P-f- <x>] angehören.
In Fig. 16 ist das Schema des pyramidalen Granates (Vesuvian,
Egeran) dargestellt.
Die Abmessungen der Grundgestalt dieser Mineralspecies ist:
P = I29<>29'; T4*> 14
a = V 0-5726.
298
Ditscheiner.
Es ist somit für a == 1 , 6 = c
0-5726
1316, welcher
Werth in unserem Schema eingetragen ist.
Die wichtigsten an dieser Mineralspecies vorkommenden einfachen
Gestalten sind sammt ihren Axendimensionen in der folgenden Tabelle
enthalten :
P-
P
P-
I P
ao = a : oo 6 : oo b
- 2 = « : j/a 6 : 1 6
- 1 = a: 1 b : Vi b
- 2 = a:W*b : 6
P = rt : |/| 6 : 4 6
P-f 1 = « : ib :Wib
P+2 = a:il/|ö : ib
tP+2 = a:ifi6 : i6
P + oo = oo a : f'i ä : 16
[P+oo] = «,«: 16 :^|ö
(py = « : i- ö : i b Vi
(P— 2)3= «: i 6 1/2 : 16
(P_l)3= rt: x6 : |6V2
(PJ3 = a : x 6 : | ft VI
(P+l)3_ a: ij : ibVl
(P+oo)* = oo« : |6 : Vi b
[(P+oo)"] = oo« : 1/16 : 16
(P)5= ft: |6 : \bV-i
Im Schema sind diese Gestalten , sowie noch einige andere,
welche zur Vervollständigung des Ganzen dienen sollen, mit ihren
Mohs'schen Zeichen angeführt und können somit leicht gefunden
werden.
Man könnte vielleicht statt diesem rechtwinkligen Axensystem
ein schiefwinkliges von 45° Axenneigung, ähnlich wie beim rhombo-
edrischen Systeme annehmen, man würde sich damit viele Reductio-
nen auf die zweite rechtwinklige Axe ersparen. Bei diesem Schema
ist dies auch geschehen und die obigen Axendimensionen beziehen
sich auch auf zwei unter 45° geneigte Axen. In dem einen Systeme
von rechtwinkligen Axen liegen dann immer die Flächen von
(P+2w), während im zweiten, gegen das erste um 45° gedrehten
Systeme die Flächenorte von (P + [2w -f 1]) zu liegen kommen. Die
Über die graphische Kreis-Melhode. 299
Flächenorte von (P-\-n)m liegen in dem von den Axen gebildeten
Zwischenräume auf eine aus dem Schema leicht ersichtliche Art. Die
Flächenorte der vierseitigen sowohl als der achtseitigen Prismen
liegen im Coordinaten- Mittelpunkte und in Bezug auf die Bestimmung
der durch ihnen gehenden Zone wäre hier wieder das nämliche zu
bemerken . was wir schon beim orthotypen und rhomboedrischen
Systeme angeführt haben.
Bei dem ersten Blick aufs Schema nimmt man wahr, dass alle jene
ungleichkantigen achtseitigen Pyramiden, die eine gleiche Ableitungs-
zahl besitzen, ihre Flächenorte so gelagert haben, dass sie in einer
durch den Coordinaten-Mittelpunkt gehenden geraden Linie liegen,
wenn sie auch Quadratpyramiden entsprechen, deren Flächenorte
ebenfalls in geraden Linien liegen, d. h. wenn sie alle aus gleichkan-
tigen vierseitigen Pyramiden mit geradem oder ungeradem Index nach
einer und derselben Ableitungszahl abgeleitet sind. Ebenso folgt aus
dem Zonenverband, dass jede niedere gleiclikantige vierseitige Pyra-
mide bestimmt ist durch die Flächenzone der nächst höheren Qua-
dratpyrainide. Die Flächenorte der Hälften erscheinen im Schema,
wenn sie nach der zweiten Zerlegmethode abgeleitet sind , nur mit
der halben Anzahl, als jene der Flächenorte aus denen sie abgeleitet
sind, während jene nach der dritten oder vierten Zerlegungsmethode
abgeleiteten Hälften mit der ganzen Anzahl der Flächenorte der voll-
flächigen Gestalt erscheinen, aber bei diesen Flächenorten ist wieder
zu unterscheiden, ob sie von Flächen herrühren die im Krystalle über
oder unter der Basis der prismatischen Axen liegen.
Die übrigen Zonenverhältnisse werden durch den Anblick des
Schema'svon selbst sich aufklären und zu beobachten sein.
§.14.
Wir kommen nun auf das Schema des hexaedrischen Systems,
bei welchem wir wieder ein rechtwinkliges Axensystem annehmen
wollen, obwohl vielleicht auch das für das pyramidale System ange-
nommene Axensystem hier ebenso gute Dienste leisten wird, wie das
rechtwinklige.
In dem Schema Fig. 17 sind folgende, von Mohs aufgestellte
Gestalten eingetragen und es wird keiner Schwierigkeit unterliegen,
auch jene einzutragen, für welche dies hier nicht geschehen ist. In
der folgenden Zusammenstellung ist die verticale Axe immer mit a
bezeichnet und = l zu setzen, während die horizontalen und auf ein-
300 Ditscheiner.
ander senkrecht stehenden mit 6 und 6, bezeichnet sind. Auch sind
bei den Axendimensionen alle verschiedenen Stellungen der Flächen
im ersten Quadranten berücksichtigt worden.
H =
a :
oo b :
oo 6j ;
oo a :
b :
oo 6, ;
oo « :
oo 6 :
6,;
0 =
n :
b :
&,;
a :
6:
6,:
oo a :
6 :
6,;
D==
oo
a :
b :
6t :
« :
: oo 6 :
6,;
a :
6 :
: oo 6, ;
4 =
a :
a :
16 :
b :
6,;
t 6i;
a :
« :
: oo 6 :
: oo 6 :
16,:
tf :
rt :
16 :
61:
oo 6, ;
: oo 6, ;
A,=
( oo
ä :
a :
2 6 :
b :
2 6, ;
a
: 2 6 :
: oo 6 :
oo 6, ;
2 6,;
a '.
a :
16 :
oo 6 :
oo 6, ;
16,;
A=
i"
a :
a :
3 6:
6 :
: h;
3 6,;
a
a
: oo 6 :
: oo 6 :
: 3 6,;
: i6,;
a :
« :
3 6
16:
: oo 6, ;
: oo 6, ;
Bt =
a :
: b :
: 2 6t;
a :
2 6:
6,;
rt :
: 16 :
: 16,;
Bz =
a :
6 :
: 16,;
a
: 16:
6,;
a :
: 16
: 16,;
ct =
a :
2 6:
2 6,;
a :
1 6:
6,;
« :
b :
: 16,;
cz =
u :
: 3 6 :
: 3 6,;
a
: +6 :
: 6,;
a :
: 6
: 16,;
A =
j
a :
: 16 :
: 3 6, ;
<i
: 16
: 2 6, ;
rt
: 16
: 16, ;
1
a :
3 6:
16,:
a
: 2 6 :
: 16,;
r/ :
16
: 16, ;
T3 =
!
a
a
: 16
: o 6
: o 6, ;
: 16,;
a
u
: 3 6
: 16:
: 16,;
: 3 6,:
a
a
: 16
: 16
: 16,;
: 16,;
Ts=
!
a
a
: 2 6
: 46
: 4 6,;
: 2 6,;
a
(i
: 1 b
: 2 6
: 2 6, ;
: 16,;
a
a
: 16
: 16
: 16,;
: 16, .
Die im Schema eingetragenen Flächenorte sind auch hier wieder
mit ihren Mohs'schen Zeichen angegeben worden.
Man sieht aus dem Schema und der oben gegebenen tabellari-
schen Zusammenstellung, dass die Flächenorte von H sich im Coordi-
naten-MiUelpunkte o oder in jeder beliebigen Richtung von o aus in
unendlicher Entfernung befinden. Die Flächenorte vom Oktaeder sind
vier an Zahl und in jedem Quadranten einer von ihnen vorhanden.
Die Flächenorte von D befinden sich im Coordinaten-Mittelpunkte
oder in dein ihnen im Schema angewiesenen Platze an den Axen.
Ebenso jene von dem hexaedrischen Trigonal-Ikositetraeder. Die
Flächenorte von der oktaedrischen Trigonal-Ikositetraeder erschei-
nen drei in jedem Quadranten, von denen einer in der Zonenlinie HO,
die anderen aber um diese Zonenlinie im Quadranten symmetrisch
vertheilt sind. Dasselbe gilt von den Flächenorten des zweikantigen
Tetragonal-Ikositetraeder Die Flächenorte von den Tetracontra-
Über die graphische Kreis-Methode. 301
Oktaedern liegen alle im Quadranten zwischen den rechtwinkligen
Axen, aber alle um jede derselben symmetrisch vertheilt. In Bezug
auf die Hälften des hexaedrischen Systems ist dasselbe zu bemerken,
was bereits beim orthotypen und pyramidalen Systeme mehrmals
bemerkt wurde.
Auch hier werden sich die übrigen Zonenverhältnisse von selbst
ergeben.
§; 15.
In Fig. 18 ist das Schema einer Krystallreihe des rhomboedri-
sehen Krystallsystems dargestellt, nämlich das Schema des rhomboe-
drischen Kalkhaloides (Kalkspath) mit seinen wichtigsten Gestalten.
Die Abmessungen der Grundgestalt des rhomboedrischen Kalk-
haloides sind :
R = 105°5', a = V 2-1985,
woraus für das Schema folgt:
oa = d = - V— V = 0-8428.
4 T 2-1983
Die wichtigsten bei dieser Mineral-Species vorkommenden ein-
fachen Gestalten sind im Schema und in der folgenden Zusammen-
stellung eingetragen. Es schien hier nicht nothwendig die Axenver-
hältnisse anzugeben, theils weil sie leicht zu entwickeln sind, theils
weil sie sich von selbst aus dem Schema herauslesen lassen.
R — oo. R — 2. R— 1. R. — R. Ä-fl.
R + 2. —R + 2. #+3. IR + l. iR^\. iÄ+1.
tf + OO. P. P+2. fP+2. P+OO. (P— 2)3.
(P-l)\ (P)3. (P)3. (P)5. (P)7. (P)9.
(P+ 1)-. (P+ l)3. (P-f OO)2- (|P+1)3.(IP)I. (IP)3-
Die schon im Obigen bemerkte Stellung der Flächenorte wird
auch hier im Schema wieder bestätigt. Jedes Rhomboeder liegt in
der Flächenzone seiner gleichkantigen sechsseitigen Pyramide. Jedes
niedere Rhomboeder ist bestimmt durch die Flächenzone seines
nächst höheren Rhomboeders. Alle Flächenorte der gleichkantigen
sechsseitigen Pyramiden liegen in geraden, durch den Mittelpunkt
des Coordinaten-Systems gehenden Linien. Die Flächenorte der
Rhomboeder befinden sich immer in abwechselnden Quadranten und
zwar die mit geradem Index im I, III, V, jene mit ungeradem Index
302 Ditscheiner.
aber im II, IV und VI Quadranten. Alle Rhomboeder der Hauptreihe
sowohl als der Nebenreihe liegen in einer Zonenlinie, welche eine
durch den Coordinaten-Mittelpunkt gehende gerade Linie ist, die mit
geradem Index in dem einen Quadranten, jene mit ungeradem Judex
aber im entgegengesetzten Quadranten. Dasselbe gilt von allen Ska-
lenoedern, die eine und dieselbe Ableitungszahl haben, indem alle
Skalenoeder dieser Gattung in einer durch den Coordinaten-Mittel-
punkt gehenden geraden Linie liegen, aber alle mit geradem Index
einem, jene mit ungeradem Index dem entgegengesetzten Quadranten
angehören.
Die übrigen Verhältnisse des Zonenverbandes werden ebenfalls
leicht aus dem Schema zu entnehmen sein, wesshalb sie hier nicht
weiter betrachtet werden sollen.
h 1H-
Wenden wir uns nun zur Bildung des Schema's des hemiortho-
typen Krystallsystems.
Wir wollen aber, bevor wir zu dieser Bildung übergehen, noch
in die Bestimmung der Flächenorte der einzelnen Gestalten etwas
näher eingehen. Es sei zu diesem Behufe in Fig. 19 AÄ BB' CG
ein Hemiorthotyp, dessen Basis BCB'C wir wie früher als die Pro-
ectionsebene annehmen wollen, so ist denn der Endpunkt A der
Hauptaxe AÄ jener Punkt, durch welchen wir alle jeneFlächen legen
wollen, von denen der Flächenort zu bestimmen ist. Es sei also A B C
irgend eine Krystallfläche dieses Systems, welche schon durch den
Punkt A gelegt ist, so hat man wie früher, um den Flächenort zu
bestimmen, auf die Projection dieser Fläche durch den Punkt A eine
senkrechte Fläche APQ zu legen, welche Ebene die Projection BC
in Q schneidet. Es ist nun Q der gesuchte Flächenort. Die Ebene
APQ schneidet die Ebene ABC nach einer aufßC senkrechten
Linie A Q, ferner die Ebene AGB nach der auf OB senkrechten AP
und endlich die Projectionsebene OBC nach der auf B C senkrecht
stehenden und durch den Punkt P gehenden Linie PQ. Man erhält nach
dieser Betrachtung also für die Bestimmung des Flächenortes Q einer
Fläche ABC die Regel: Man ziehe zur Bestimmung des Flächenortes
irgend einer Fläche von dem Punkte P auf die Projection dieser Fläche
eine senkrechte Linie, der Durchschnitt dieser beiden Linien ist aber der
gesuchte Flächenort. In Fig. 19 a ist die Bestimmung eines solchen
Flächenortes in der Projectionsebene dargestellt. Aber man sieht
Übef die graphische Kreis-Methode. 303
auch sogleich, dass man den Flächen ort auch blos mit Hilfe von Kreis-
linien zu bestimmen im Stande ist. Es lässt sich nämlich sowohl durch
P B und Q, als auch durch PC und Q eine Kreislinie legen, von der
Beschaffenheit, dass BP und respective PC ihr Durchmesser ist.
Beide Kreislinien schneiden sich nun in den zu bestimmenden Flächen-
ort. Es folgt daraus die allgemeine Regel für die Bestimmung des
Flächenortes einer gegebenen Fläche a:nb:pc, welche lautet: Um
den Flächenort irgend einer Krys tallfläch e von der
Form ((i-.bi-.Ci—a-.nb'.pc zu bestimmen, trägt man sich
aufden Richtungen der Axen der b und der c die Wert he
w&undpcauf, legt dann durch jeden der so erhaltenen
Punkte und dem Punkte P Kreislinien, deren Dur c hm es-
ser in die Richtung der Verbindungslinien BP und PC
fallen und bestimmt den Durchschnittspunkt dieser
Kreislinien als den zu bestimmenden F 1 ä c h e n o r t.
Der Punkt P ist, wie man aus dem Früheren ersehen kann, ab-
hängig von den Abmessungen der Grundgestalt und ist bestimmt durch
die Länge OP. Nach den Mohs'schen Annahmen ist OP = \, nach
den Naumann'schen aber ist OP=sina, wobei ex. = 0 AP ist,
man kann also auch jederzeit leicht diese Grösse aus den Abmessun-
gen der Gtajindgestalt berechnen *)•
In Fig. 20 sind nach diesen Principien alle Flächenorte des
Grundhemiorthotypes dargestellt. Die Flächenorte m, m gehören der
positiven, jene mu m{ aber der negativen Hälfte dieser Gestalt an.
Der Flächenort der Grenzgestalt P — oc liegt wieder in jeder
beliebigen Richtung von Paus, aber in unendlicherEntfernung. Man
erhält also die Zonenlinie die durch irgend einen Punkt M geht und
zugleich auch durch den Flächenort von P — oo zu gehen hat, als
eine gerade Linie, die durch M und P bestimmt ist.
Pr
Die Flächenorte der horizontalen Prismen — und B' jenes von
2
Pr
— . Die Flächenorte vonPr-j- n liegen, wie sich leicht erweisen
lässt, alle in einer durch P zu OC parallel gezogenen Linie PD, so
dass z. B. S der Flächenort von Pr ist. Man sieht hieraus leicht, dass
S in der durch P und C gezogenen Zonenlinie liegen müsse, was
l) Ditscheiner, Über die Axenverhältnisse des Hemiorthotypes. Im C.Bande von
Poggendorffs Annalen, S. 516.
304 Ditscheiner.
auch dem Zonenverbande dieses Systemes entsprechend ist. Ist
Pi — 1
OBz =20 B, so ist offenbar Bz der Flächenort von -|- • — und
z
wenn PSt = 2PS ist, so ist auch Sx der Flächenort von Pr — 1.
Um den Flächenort irgend eines verticalen Prismas (/5-j-<x>)'"
zu erhalten, muss man sich wieder die durch den Punkt o gehende
Protection dieser Fläche bestimmen, sei dieselbe in Fig. 20 die Linie
R 0, und von dem Punkt P auf dieselbe eine Senkrechte Pn ziehen,
so ergibt sich n als der gesuchte Flächenort. Man kann daraus erse-
hen, dass die Flachen irgend eines verticalen Prismas (P-foo)'" sich
nicht mehr, wie dies früher immer der Fall war, in o ergeben, son-
dern dass jetzt jede Fläche (jP-{- oo)'" ihren eigenen F 1 ä-
c h e n o r t besitzt und dass d e r I n b e g r i f f a 1 1 e r F 1 ä c h e n o r t e
s ä m m 1 1 i c h e r verticalen Prismen sich als eine Kreislinie
ergibt, welche durch die beiden Punkte 0 u n d P g e h t
und die Linie OP zum Durchmesser hat. Man hat somit zur
Bestimmung der Zonenlinie der durch irgend einen Punkt M und
durch eine Fläche von (P-f"00)"" geht, nur durch die betreffenden
Flächenorte und durch den Punkt P eine Kreislinie zu legen.
Der Flächenort von Pr -\- oo ergibt sich i n d e n C o r d i-
n a t e n - M i 1 1 e 1 p u n k t 0, während jener v o n Pr -}- oo s i c h i n
dem Pu nkte P befindet. Es folgt daraus, dass jedes (P-\-oo)m
in der Zone von Pr -f-oo . Pr -J- oo liegt, was auch der Sache ganz
entsprechend ist.
Es ist natürlich, dass sich alles das , was wir von der grösseren
Diagonale und die sich darauf beziehenden Gestalten gesagt haben,
sich auf die kleinere Diagonale und ihre Gestalten bezieht, wenn die
Abweichung nicht, wie es hier angenommen worden, ist auf die grössere
Diagonale, sondern auf die kleinere Diagonale sich bezieht.
§. 17.
Wir wollen hier zur Darstellung eines Schemas des hemiortho-
typen Krystallsystems die wichtigsten Gestalten des prismatischen
Smaragdes (Euklas) benützen, welche Herr Professor J. Schabus
in seiner „Monographie des Euklases" *) gibt.
Die Axenverhältnisse der Grundgestalt des prismatischen Sma-
ragdes sind nach Herrn Professor Schabus' Angaben folgende:
') S. VI. Rd. der Denkschriften der kais. Akademie der Wissenschaften in Wien.
Über die graphische Kreis-Methode.
305
(156° 13' 38") 910I6' 41"; 94°29'38"
r (1S1° 42'38'V
a.b.c.d = 5-52151:5-45057:16-83884:1 . a, = 10M5'56"
a:b:c= 1:0-97135:300086. C= 79»44'4".
Die Abweichung findet in der Ebene der kleineren Diagonale Statt.
Die wichtigsten Gestalten dieser Krystallreihe sind folgende:
cm*
+
+
p
Y
p
~2
P-1
2
(P-1)*
2
(P-i)5
2
(P-l)8
2
(£) 23
= a : 0 : c
— a : b : c
= a:2 b:2 c
= « : 2 6 : y3c
== a : 2 6 : 3/5c
= a :2 b : J/4c
== « : 6 : 3/3c
+
Vx ^
a :
6 :
y4c
2
(P>
b :
A 1 ~
a :
i/zC
2
(P + l)3
a :
V26:
VsC
2
Pr =
«
oo b :
c
_i_ ^2! = a : 6 : y3c
~ 2 '
(P+oo)2 = oo« : 6 : c
(P + oo)4 = oo a : 4/36 : c
Pr -\- oo = oo a : oo b : c
Pr -\- 1 == a : oob : y3c
3AP>-+2= a: oob : l/sc
Pr—2 . ,
= a : 4 o : oo c
= « : 2 6 : oo c
2
Pr — 1
(P — oo) 3 = oo a : 3 b : c
P — oo = a : oo b : oo c
P r -f- oo = oo a : oo b : c
Alle diese Gestalten sind im Schema Fig. 21 mit ihren Mohs'-
schen Zeichen bemerkt und können also leicht aufgefunden werden.
Aus dem Schema ist es ferner ersichtlich, dass alle Hemiortho-
type derHaupt- und Nebenreihe Flächenorte besitzen, welche in einer
durch den Punkt P gehenden geraden Linie liegen und dass in dieser
Zone auch P-}-oo liege. Ferner ist zu bemerken, dass auch die
Flächeiiorte aller jener Hemiorthotype, die nach einer und derselben
Diagonale mit einer und derselben Ableitungszahl abgeleitet sind, in
einer durch den Punkt P gehenden Geraden liegen und dass auch in
dieser Linie der Flächenort des betreffenden verticalen Prisma's
(P-f-°o)m liegen müsse u. s. w. Auch hieraus werden sich die übrigen
Zonenverhältnisse wieder aus dem Schema sogleich beim ersten An-
blick ergeben.
Sitzb. d. raathem.-naturw. Cl. XXVI. Bd. I. Hft. 20
306 Ditscheiner.
§• 18-
Für dasAnortholyp oder überhaupt für die Flächen des anortho-
typen Krystallsystemes sind die Bestimmungen der Flächenorte ähn-
lich jenen wie wir sie bereits an den Flächen des hemiorthotypen
Krystallsystemes kennen gelernt haben. Der Punkt P, Fig. 22, den
wir wieder bekommen, wenn wir vom Endpunkte der Hauptaxe des
Grund-Anorthotypes auf die Projectionsebene ein Perpendikel fällen,
liegt nun nicht mehr in einer der beiden , schief gegeneinder liegen-
den Diagonalen, sondern erliegt zwischen denselben; durch ihn gehen
wieder alle unsere Zonenlinien, seien sie nun Kreise oder gerade
Linien, und er selbst wird wieder durch die Abmessungen der Grund-
gestalt bestimmt. Jede Fläche von der der Flächenort bestimmt wer-
den soll, wird nun durch den Endpunkt A der Hauptaxe der Grund-
gestalt gelegt, ihr Durchschnittspunkt mit der Projectionsebene
gesucht, wodurch sich die Projection dieser Fläche ergibt und von
dem Punkte P auf diese Projection eine senkrechte Linie gezogen,
wodurch sich der gesuchte Flächenort ergibt. In Fig. 22 ist dies für
dieFläche, deren Projection BC ist, geschehen; w,, ist ihr Flächenort.
Man sieht aber auch sogleich, dass mt in zwei Kreislinien liegen
müsse, von denen die eine durch jPund/?geht und P/ZzumDurchtnesser
hat, während die zweite durch P und Cgeht und PC zu ihrem Durch-
messer hat. Man erhält dadurch wieder für die Bestimmung des
Flächenortes einer Fläche folgende Regel: Um den Flächenort
einer Fläche «t :6j :ct =a:nb:pc zu bestimmen, legt man
sich auf der Axe der b die Länge nb und auf der Axe der
c die Länge pc auf und legt durch die so erhaltenen
Punkte B und C so wie durch P Kreislinie dermassen,
dass 2?P und CP ihre D urchmesser sind. In d en Durch-
schnittspunkt dieser beiden Kreise ist der gesuchte
Flächen ort. Nach dieser Regel sind in Fig. 22 die Punkte mu
P P
mz, m3 und m± als die Flächenorte der Gestalten -)-r — , -\-l. — ,
il it
P P
— r — und — l. — .
2 2
Der Flächenort von P — oo liegt wieder in jeder beliebigen
Richtung, von P wieder in unendlicher Entfernung, wesshalb auch die
durch einen Flächenort M und P — oo gehende Zonenlinie, wieder
Über die graphische Kreis-Methode. 307
eine durch P gehende gerade Linie ist, wie dies auch früher immer
der Fall war.
y
Die Flächenorte aller verticalen Prismen (/J-f-°°)m liegen auch
hier wieder in einer Kreislinie, welche durch 0 und P geht und die
Linie OP zum Durchmesser hat. In den Punkten wo dieseZonenlinie
die Axen der b und der c schneiden, sind auch die Flächenorte von
Pr-\-oo und Pr-\-oo, denn der Flächenort von Pr-j-oo wird gefun-
den, wenn man von Paus auf deren Protection, welche sich hier offen-
bar als die Axe der b ergibt, eine Senkrechte fällt, ebenso erhält man
den Flächenort von Pr-\- oo, wenn man von P auf die Axe der c ein
Perpendikel zieht, welche beide Flächenorte aber offenbar in der
eben bezeichneten Zonenlinie liegen müssen.
Die Flächenorte aller horizontalen Prismen Pr-\-u liegen eben-
falls in geraden durch den Punkt P gehenden Linien , von denen die
eine, für Pr-\-n, sich als eine auf der Axe der c senkrecht stehende
Linie ergibt, während die zweite, für Pr-\-n, sich als eine auf der
Axe der b senkrecht stehende Linie darstellt. Soll demnach der
Flächenort von Pr-\-n bestimmt werden, so trägt man sich aus auf
die grössere Diagonale den entsprechenden Werth für a = l nämlich
1
— b auf und erhält dadurch einen gewissen Punkt z. B. d und zieht
nun durch P und d, Pd als Durchmesser genommen, eine Kreislinie,
wo dieselbe die auf der Axe der c senkrecht stehende und durch den
Punkt P gehende Linie trifft, dort ist der gesuchte Flächenort.
\\ ie man den Punkt aus den Abmessungen der Grundgestalt
findet, wird in dem folgenden Paragraphe, bei Gelegenheit der Bestim-
mung der Neigungen in den Zonen gezeigt werden.
In den Schematen der anorthotypen Krystallreihen sind dann die
übrigen Zouenverhältnisse leicht zu ersehen. Die Flächenorte aller
Anorthotype aus der Haupt- und Nebenreihe liegen wieder ebenso
wie jene, welche von Anorthotypen von gleicher Ableitungszahl und
auf gleiche Diagonale bezogen, herrühren in geraden Linien, welche
durch den Punkt P gehen u. s. w.
§19.
Nachdem nun das Schema der Krystallreihe entworfen ist, so
kann man dasselbe auch zur Bestimmung der Neigungsverhältnisse
in den Zonen benützen. Man kann nämlich aus dem Schema selbst
die Neigung zweier Flächen in einer Zone fast herauslesen. Da in
20*
308 Ditscheiner.
jeder Zone ein verticales Prisma liegen muss, so hat man offenbar, um
die Neigungen zweier Flächen zu bestimmen, nur die Neigung jeder
derselben gegen die Prismenfläche zu bestimmen; die Differenz dieser
beiden Neigungen ist dann der gesuchte Kantenwinkel. Sind
somit tang cc und tang a! die Tangenten der Neigungswinkel zweier
Flächen E und E gegen die in ihrer Zone liegenden Prismenfläche,
so ist offenbar a0 = <^(E.E) gegeben durch die trigonometrische
Gleichung
tang a — tang tx!
tang cc0 = — — .
9 1 + tgcttga'
Es handelt sich hiernach blos um die Neigung einer Ebene gegen die
in ihrer Zone liegenden verticalen Prismenfläche.
Professor Neumann hat diese Bestimmung in seinen „Bei-
trägen zur Krystallonomie" vorgenommen, wo sie sich auch ausführ-
lich dargestellt findet.
Man hat hiernach für die Neigung einer Fläche ma:nb:pc in
der Zone der Flächen m1a:nib:pic und nilla\nnb\pllc, gegen die
in dieser Zone liegenden Prisinenfläche folgende Gleichung
A 1 1
sin <x : cos a = — — : — — — ,
a b c N pcz Pnb2
in welcher a der zu bestimmende Neigungswinkel ist und ferner
-V
62 cz
a* -\ 1
Nz Pz
so wie
m p — p m , „ m n '
N = ...... und P= —
m m p p m m n n
ist, und also blos von den die Zone bestimmenden Gestalten abhängig
ist. Die Grössen a, b und c sind die Axendimensionen der Grund-
gestalt auf rechtwinklige Axen bezogen.
Diese Gleichungen, welche ursprünglich von Neumann aus der
geraden Zonenlinie abgeleitet worden sind, finden bei der graphi-
schen Kreis-Methode eben so gut wie bei der graphischen Neu-
m an n1 sehen Linien-Methode Anwendung, da sie sich nicht auf die
Form der Zonenlinie, sondern nur auf die Lage der Flächen be-
ziehen. Übrigens könnte man diese Relationen auch leicht nach
unserem Schema entwickeln.
Über die graphische Kreis-Methode. 309
Wir wollen nun diese für das orthotype System geltenden Glei-
chungen auch auf jene anderen Krystallsysteme anwenden, denen kein
rechtwinkliges Axensystem entspricht. Wir werden unsere Aufgabe
gelost haben, wenn wir jede in einem beliebigen Axensystem gegebene
Flüche auf ein rechtwinkliges Axensystem zurückgeführt haben.
Im rhomboedrischen Systeme sind in dieser Beziehung zwei
Lagen der Ebene zu beachten, es hat dieselbe nämlich a die Lage
EF oder b die Lage GH. Im ersten Falle ist dann OF = c und
OJ=b als gegeben zu betrachten und man hat dann (Fig. 9)
OF = p = c und OE = n = ^-^s
r 2c-b
während im zweiten Falle OG = b und OK=a gegeben ist, und hat
dann
OL = n = -^-Y3 und OK=p =
a + b J b—a
Diese Werthe sind dann nur in die obige Gleichung für den Neigungs-
winkel gehörig zu setzen, dass m immer = 1 vorausgesetzt ist.
Im hemiorthotypen Systeme behalten wund p die Werthe, welche
aus dem Zeichen der Gestalt folgen, nur m erhält die Werthe
ab ab
a. = und az = - ,
1 b + d b-d
je nachdem man eine negative oder eine positive Hälfte in der Zone hat.
Um die Flächen des anorthotypen Krystallsystems auf recht-
winklige Coordinaten zu beziehen, so bestimmt man sich die Coordi-
naten der Punkte A, B und C Fig. 23 auf die rechtwinkligen Coor-
dinaten und bestimme dann die Abstände welche die durch diese
drei Punkte gelegte Ebene vom Coordinaten- Mittelpunkt hat. Es sei
zu diesemBehufev4P = «l5 AE = ?n, OE==mA, AF=n, CF=nu
OP=g, PE = e\md PF=f; so hat man, da OA=a, OB=h
OC = c, AOB = a, AOC = y und BOC=ßist auch
2 — 2 cos -y — {cos2 a. + cos2 ]3)
cos AEP = cos ö =
cos AFP — cos s =
2 Vi -cos2* Vi - cos2 ß
2 — 2 cos a — {cos2 ß + cos2 '/)
2 Vi— cos2 ß Vi - cos2*t
Man erhält sonach
310 Ditscheiner.
m — a .sm <x
m1 = a .cos a.
n = a .sin 7
n* = a .cos 7
«! = m.sin §
e = m.cos d
«i = n .sin e
f — ?l . COS £
9Z =
a 3 — «j 8.
Man erhält nun nach diesen für A, B und C folgende Coordi
naten :
B; x, = b,
y, = 0, 9, = 0
C; xu = c cos ß,
?/„ = c siw ß, «„ = 0
ü) Hl *'^y>
2//// = ^ */,/ = «/•
Für die durch A, B und C gehende Ebene hat man nun bekannt-
lich die Werthe:
A = y' zw — y,n », + y„ z, — yt »„ + yw %„ — yn ziu,
B = x, %„ — xu z, -f xnzul — xlnztl + XIU 9, — X, 9„/t
C = XiVm— ^mUt + xm V, — Vn x> + ®,u Vu — Vu^u*
d = *,(siu*j„— y,„*,d+ #//(>///*/— &*<«) + Buüpn— y,&)>
woraus man dann leicht erhält:
DD D
m = , n = und p =
A B F C
als die neuen auf das rechtwinklige Coordinatensystem bezogenen
Abstände, welche dann für m=l gesetzt in unsere obige Grund-
gleichung gezogen werden müssen.
§.20.
Die Entwerfung des Schema geschah bis jetzt immer nur auf
der geraden Endfläche P — 00, aber es unterliegt nun keiner Schwie-
rigkeit mehr dasselbe auch auf jeder beliebigen Krystallfläche zu ent-
werfen. Man bezieht nämlich in diesem Falle alle Flächen auf ein
neues Coordinatensystem, von der Beschaffenheit, dass jene Krystall-
fläche, auf die das Schema entworfen werden soll, in Bezug auf dieses
neue Coordinatensystem die gerade Endfläche ist.
Die Coordinaten irgend eines Punktes M seien also in Bezug
auf das alte System x, y und z, während sie in Bezug auf das neue
System xx, 2/1 und zt sind; dann seien (x' .y) (x' ,x) {x' .z), (y' .x)
iy' .y) ($'•%)> («'•#) (*'-2/) und (z' .z) die Neigungen der Axen
gegen die alten, so finden folgende bekannte Relationen Statt :
Über die graphische Kreis-Methode. 311
x = x' cos (x' . x) -f- y' . cos (y' .x) -f- %' . cos (%' . x),
y = x1 cos (x' . y) -f- y' . cos (y' .y) -f- z' . cos («' . y),
z = x' cos (x' .z) -f- y ' . cos (y' . z ) -f- z' . cos (z' . z) ;
dabei finden bei den neun Winkeln folgende sechs Bedingungsglei-
chungen Statt:
cos2 (x' .x) -f- cos2 (x' .y) -f- cos2(x'.z) = 1,
cos2 (y' . x) -f- cos2 (y . y) + cos2(y'.z) = 1,
cos3 («' .a?) + cos3 (»' . ?/) + cos3 (z' • Ä) == 1»
und
cos (a?' . a?) . cos (2/' . a?) -f- cos (a?' . i/) . cos (y' . y) -f-
-J- cos (a?' . z) . cos (y' . z) = 0
cos (a/ . x) . cos (z' . z) -f- cos (a/ . y} . cos (V . y) -f-
-|- cos (a?' . 2;) . cos (V . 2) = 0
cos (y' . a?) . cos (V . a?) -|- cos (y' . y) . cos (z' . y)
-j- cos (y' . z) . cos (z' . z) = 0 ,
so dass von diesen neun Winkeln sofort nur drei willkürlich und von
einander unabhängig sind.
Zwei dieser Winkel ergeben sich schon aus der, zur neuen
geraden Endfläche angenommenen Krystallfläche, indem sie nichts als
die Neigungen der auf diese Fläche gezogenen Normalen gegen die
alten Coordinatenaxen sind; der dritte Winkel wird angenommen und
muss in jedem speciellen Falle selbst bestimmt werden. Man ist sodann
leicht imStande die übrigen zur Bestimmung von x, y und z nöthigen
Winkel zu bestimmen. Sind die Winkel bestimmt, so ist man nun
leicht im Stande für irgend einen Punkt M bei gegebenen Coordi-
naten x, y und * in Bezug auf das alte System jene des neuen
Systems zu berechnen.
Soll nun die Gleichung der Ebene ma:nb:pc in Bezug auf das
neue System bestimmt werden, so geht diese Ebene in Bezug auf das
alte System offenbar durch folgende drei Punkte
Mii x/ = m, y/ = 0, z, = 0,
Mz ; xu = 0, ylt = n, zu = 0,
Ms ; xltl = 0, yui = 0, ztll --= p.
Wir erhalten also für die Coordinaten dieser Punkte in Bezug
auf das neue System gewisse Werthe, welche z. B. folgenden ent-
sprechen :
312 Ditscheiner. Über die graphische Kreis-Methode.
¥1 * Vi , *i' .
/y» It *, II „ II
indem man statt #,,?/,, *, in den obigen Relationen, der Reihe nach
*/» #/» */! »//. 2///' *//J *,//• 2//;,» *«/; setzt. Man erhält desshalb die
Gleichung der Ebene in Bezug auf die neuen Coordinaten, wenn man
die gefundenen Werthe von #,'„ y/f «/; y{'f xx\ zT"; y(" , xi"
und Zj" in die folgenden Relationen setzt:
A = i// */" _ yi'" ^' + y>> %; _ ^ ^/ + yin zii _ yii zin^
B = xl' z/ — x{ z," + #/'*/" — #i"V + ar/" */ — *,'" .r/,
C = x/y['" — y( xr + x? y! - x( y>> + ^y» _ ^"g,/",
Z) = xi W z>" - */' yf) + **" &/" «/ - */" y/) +
wo dann
i4a? + %+C*+.D = 0
die Gleichung unserer Ebene ma:nb:pc in Bezug auf die neuen
Coordinatenaxen ist, woraus dann
0 /) D
Wh = -, nt = und p. =
A B " ■* C
sich als die neuen Abstände der Ebene von dem neuen Coordinaten-
Mittelpunkte ergibt. Es ist somit für jede Ebene die im neuen Schema
ist, diese Rechnung durchzumachen, die sich jedoch in speciellen
Fällen sehr vereinfacht, wenn diese Ebene nicht schon im Zonenver-
bande der übrigen eingetragenen Flächen liegen sollte.
Es unterliegt somit gar keiner Schwierigkeit des Schema einer
Krystallreihe auf einer andern Fläche als P— <x darzustellen, wenn
auch die jedesmalige Rechnung eine etwas längere ist.
Die Bestimmung der Neigungsverhältnisse in den Zonen ge-
schieht auf dieselbe Art wie früher, nur muss man sich zu diesem
Behufe die neuen Axendimensionen der als Grundgestalt angenommenen
Fläche bestimmen.
Es bedarf wohl keiner Erwähnung mehr, dass bei jenen Flächen,
die in dem Schema aufP— oo in einer Zonenlinie liegen, dies auch in
allen Schematen stattfinden muss, seien sie auf was immer für einer
neuen Fläche entworfen worden.
DiUcheiner (kaplii.irlie k'rns Mrfliodr
Taf.l.
SitaungsW k.Akad d W. matJi nalurw fIXXVIBd.1 Heft 1857
ttflruckerei
lliUrhrinrr. ttiaphtatlu Kreis Mrthodr.
Sitaungsb d k Akail ü K uialh naliiru- CIXXVIIlil liiert I8J]
Düacheiner Graphische Kreis Methode
Taf.
i
Siiy.uinj.stid k.Akad.d W math i.atuiw U XXVI Bd.l Heft 1851.
Dilsrheinrr. Graphische Kreis Methode,
*'"/ '/
S't'ung'sb.il.k.Aknla.W'.niaaLnii • i \m\
Dilschpincr, Oraphtsrlie Kreis -Methode
/■,,/ /<r.
,Vr/tri///i r/t/- rvii/l//ry.\/r/i üt - .ttujtm r/.-.r r/mm /tr///./////rj/,/t.,
Sii/.niiüsli il.k .ik.-uUH matt naturw 1IXXVIH1I 1 ll.lt I8ä
Dnsrtleiner. Graphische Kreis Mrtliodt
Schema de# pri&matescTien Smaragde*.
Sitsune'sta d LÄkad AM iiuiih. iiütnnv ClXXVIUii 1 lieft 1853
Heller. Beiträge zur österreichischen Grotten-Fauna. 3 1 U
SITZUNG VOM VI. OCTOBER 1857.
Eingesendete Abhandinngen.
Beiträge zur österreichischen Grotten- Fauna.
Von Dr. Cam. Heller.
(Mit i Tafel.)
(Vorgelegt in der Sitzung vom 8. October 1857.)
Während durch die rastlosen Bemühungen des Herrn Ferd.
Schmidt aus den unterirdischen Hallen der Krainer Gebirge noch
fortwährend neues Materiale zu Tage gefördert wird, begann man
in neuester Zeit auch an andern Punkten der österreichischen Monar-
chie die Höhlen in Bezug auf ihre Fauna näher zu untersuchen. —
So wurden namentlich in Ungarn durch die Herren von Frivaldszky
und von Koväcs mehrere grosse Höhlengebiete im vorigen Jahre
genau durchsucht, worüber auch Herr Emerich von Frivaldszky
bei der letzten hier abgehaltenen Naturforscher-Versammlung einen
allgemeinen Bericht erstattete, sowie auch seither in den Schriften
des zoologisch-botanischen Vereines mehrere neue, damals aufgefun-
dene Coleopteren beschrieben wurden J)-
J) Ein neuer Höhlenkäfer aus Ungarn — Pholeuon angusticolle — beschrieben von
Dr. C. Hampe in den Verhandlungen des zool.-bot. Vereines 1856, pag. 463,
Taf. VII, Fig. 7. — Beschreibung eines neuen Höhlenkäfers (Drimeotus KovacziiJ
von L. Miller. Ebendaselbst, pag. 635, Taf. VIII, Fig. 2. — Drei neue Grotten-
käfer aus Ungarn — Anophthalmus Redtenbacheri , Pholeuon Leptodir/an, Drimcotut
Kraatzii — beschrieben von Emerich und Johann von Frivaldszky. Ebendaselbst.
Jahrgang 1857, pag. 43.
314 Heller.
Durch Herrn Dr. Wankel wurden ferner die mährischen Höh-
len, namentlich die Slauper- und Katharinenhöhle in echt wissen-
schaftlicher Weise durchforscht und hiebei sowohl bezüglich der
vorweltlichen als recenten Fauna höchst interessante Entdeckungen
gemacht. Ein vorläufiger Bericht hierüber erschien bereits in den
Verhandlungen des zoologisch - botanischen Vereines *)» euie aus_
führlichere Arbeit wird nachfolgen.
In den nachfolgenden Zeilen bringe ich die Beschreibung einiger
neuer, in den Höhlen lebenden Myriapoden und Crustaceen. — Von
den erstem waren bisher noch keine als Höhlenbewohner bekannt,
wiewohl man gerade bei ihnen voraussetzen konnte, dass sie ver-
möge ihrer lichtscheuen Natur und Lebensweise in diesen dunklen,
feuchten Orten häufiger vorkommen würden. Sie gehören in die
Abtheilung der Chilognathen und hier ist die eine Form den Glome-
riden, die andere den Polydesmiden einzureihen.
Von Crustaceen sind bereits mehrere als ausschliesslich in
Grotten vorkommend aufgefunden und beschrieben worden, nament-
lich führe ich hier an: Troglocaris Schmidtii Dorm.2), Niphargus
stygius S c h i ö d t e, Titanethes albus S c h i ö d t e 3), Monolistra coeca
Gerstaecker 4). — Hiezu erwähne ich noch einer Grottenassel,
welche mit der letzterwähnten sehr übereinstimmt und vielleicht das
Weibchen davon ist. — Schliesslich gebe ich die Beschreibung einer
neuen, wegen ihres Vorkommens auf den Alpen interessanten Art
von Titanethes.
1) Über die Fauna der mährischen Höhlen von H. Wankel. Verhandlungen des zool.-
bot. Vereines in Wien. 1856, pag. 467.
2) Dormitzer in der Zeitschrift Lotos, 3. Jahrgang, pag. 85. Dieser Caride
wurde von Heinr. Freyer zuerst in der Kumpoljska jama in Dürrenkrain gleich-
zeitig mit llypoehthon Freyeri Fitz, entdeckt, seither aber von F. Schmidt auch
in andern Höhlen aufgefunden.
3) Schiödte, Specimen faunae suhterraneae 1849, pag. 26— 36,Taf. III— IV.— Niphar-
gus stygius wurde von Schiödte in der Adelsberger und Lueger Grotte, von
F. Schmidt in der Grotte von Podpec und von H. F r ey e r in der kleinen Grotte
Pekina gröpa am Karst bei Gabrovica aufgefunden. — Nach einer Mittheilung von
Westwood an die L i nn e'sche Gesellschaft in London wurde dieser Amphipode
neuestens auch in England in grosser Anzahl entdeckt. (Annals and raagaz. of nat.
bist. Fol. XII, 1853, pag. 44.) — Titanethes albus ist häufig und findet sich fast in
allen Grotten vor.
4) Carcinologische Beiträge von Dr. A. Ger sta ecker. W i eg raa n n 's Archiv für
Naturgeschichte , XXII. Jahrgang , 2. Heft, pag. 159, Taf. VI, Fig. 5—14.
Beiträge zur österreichischen Grotten-Fauna. 315
Trachysphaera nov. gen.
(Fig. 1-6.)
Dieses Geschlecht charakterisirt sich durch seinen länglich
ovalen Körper , der aus eilf gürtelförmigen, an der Oberfläche mit
kleinen Höckern besetzten Segmenten zusammengesetzt ist und zu
beiden Seiten des Kopfes vier in einer Längsreihe hinter einander
stehende rudimentäre Augen trägt.
Der Kopf (Fig. 3) ist breiter als lang, dreieckig. Der hintere
Rand, fast gerade, geht unter einem sehr stumpfen Winkel beiderseits
in den bogenförmigen Seitenrand über. Dieser hat gegen sein vor-
deres Ende hin einen leichten Einschnitt , von wo er alsbald in den
gleichfalls bogenförmigen Vorderrand sich verliert. In der Mitte des
letzteren bemerkt man einen ziemlich tiefen Ausschnitt, aus dessen
Grunde ein stumpfer kegelförmiger Fortsatz hervorragt (Fig. 3 a).
Die obere Fläche ist gewölbt und namentlich in ihrer vordem Hälfte
mit einzelnen spitzen Höckerchen besetzt. Etwas hinter der Mitte
und gegen den Seitenrand hin sind die Fühler (6) eingefügt. Dieselben
sind siebengliederig und gegen ihr Ende hin verdickt. Das erste und
zweite Glied haben fast gleiche Länge, das dritte, länglich keulen-
förmig, erreicht die doppelte Länge des vorhergehenden zweiten;
das vierte und fünfte Glied sind wieder kurz, beide zusammen kaum
so lang als das dritte, dagegen zeichnet sich das darauffolgende
sechste Glied durch seine Länge und Dicke vor allen übrigen aus
und nimmt an seinem abgestutzten äussern Ende das siebente kleinste
rundliche Glied auf. Alle Glieder sind mit kurzen steifen Börstchen
besetzt. Zwischen der Einfügungsstelle der Antennen und dem
äussern Seitenrande ist eine länglich ovale Grube (c) ebenso wie
bei den übrigen Glomeriden vorhanden.
Am hintern Seitenrande findet man vier hinter einander liegende
Augen (d). Von diesen sind jedoch nur die zwei vordem etwas
deutlicher ausgebildet und ähnlich wie bei den übrigen Glomeriden
gebaut, während die zwei hintern ganz rudimentär geworden sind,
eines lichtbrechenden Körpers entbehren und als zwei kleine in
einander verschwommene dunkle Pigmenthaufen erscheinen !).
1) Ich zweifle nicht, dass die meisten Höhlenthiere, welche bisher als vollkommen
augenlos beschrieben wurden, mit Rudimenten von Augen versehen sind, dass aber
316 Heller.
Die Mund werkzeuge sind auf folgende Weise gebildet. Unmittel-
bar unter dem Kopfschilde sind zwei nach innen gekrümmte starke
Mandibel sichtbar. Diese Mandibel sind zusammengesetzt aus einem
starken Basalstück, an welches sich viele Muskeln inseriren, und aus
dem eigentlichen Zahnstück. Letzteres (Fig. 4) ist nach aussen
leicht gewölbt und trägt an seinem obern Ende vier ziemlich kräftige,
braun gefärbte, nach innen gewendete Zähne. Der oberste, zugleich
längste und spitzeste («), ist von den folgenden durch eine tiefe
Ausbuchtung getrennt. Diese (6) liegen unmittelbar hinter einander,
sind kürzer und nehmen von vorn nach hinten an Länge ab. Von
diesen wieder durch einen grössern Zwischenraum getrennt, liegt
nach rückwärts noch ein grosser, mit elliptischer Krone vorspringen-
der brauner Mahlzahn (c). Fast der ganze Zahnrand der Mandibel
wird nach aussen durch einen grossen länglichrunden Lappen über-
ragt, welcher an seiner Innenfläche mit mehreren in Querreihen
geordneten spitzen Stacheln besetzt ist (d). — Von unten legt
eine plattenartige, breite, nach vorn in der Mitte ausgeschweifte
Unterlippe sich an (Fig. 5). Die seitlich vorspringenden Hälf-
ten derselben tragen an ihrem vordem Rande beiderseits einen
innern dickern und äussern schmälern Fortsatz, wovon der letz-
tere an der Spitze mit drei feinen Stacheln bewehrt ist. Nebst-
dem ist die ganze Oberfläche mit langen zerstreuten Borsten
besetzt.
Der Körper ist länglich oval, oben gewölbt, unten concav aus-
gehöhlt, zum Zusammenrollen geeignet. Er besteht aus eilf auf
einander folgenden gürtelförmigen Segmenten. Das erste unmittel-
bar auf den Kopf folgende Segment (Halsschild) ist schmal, halb-
mondförmig und stosst mit seinem vordem geraden Rande unmittelbar
an den hintern Rand des Kopfes, während der hintere bogenförmige
in die vordere Ausschweifung des folgenden Gürtels sich hineinlegt.
diese äusserst klein oder von der Haut ganz überdeckt sind, so dass ihre Wahr-
nehmung sehr schwierig wird. So wurde bereits von Dr. G. Kraatz bei einem
Höhlenkäfer, welchen er in den Verhandlungen des zool.-bot. Vereines, Jahrgang
1856, pag. 624 beschrieb und Typhlobium stagophyllum benannte, auf ein Organ
aufmerksam gemacht, welches sich an der Stelle der Augen jederseits vorfindet und
sich als eine kleine ovale, schräg von oben nach unten und innen verlaufende, mit
hellerem, gelblichem Pigmente überzogene Stelle darstellt und wahrscheinlich den
Zweck hat, den Käfer für Lichteindruck empfänglicher zu machen.
Beiträge zur österreichischen Grotten-Fauna. 317
Dieses zweite Segment (Brustschild) ist unter allen am grössten und
breitesten. Sein vorderer Rand ist stark ausgeschweift und hat
beiderseits zwei vorragende stumpfe Ecken, der untere bogenförmige
Rand ist verdickt und an seinem hintern Ende zur Aufnahme des
folgenden Gürtels gespalten. Die nun folgenden sechs Segmente sind
etwas schmäler, die drei hintersten aber wieder breiter, namentlich
ist der letzte (eilfte) Gürtel von den übrigen durch seine Form ver-
schieden. Er ist halbkreisförmig, nach hinten und unten gewölbt
abgedacht, sein hinterer Rand mit dem untern Rande der andern
Gürtel in einer Ebene gelegen.
Alle Segmente sind mit zierlichen kleinen Höckern auf der Ober-
fläche besetzt. Auf der untern Körperseite findet man ebenfalls die
bei den übrigen Glomeriden vorhandenen häutigen Blättchen. Die
Fusspaare, deren man fünfzehn zählt, sind neben der Mittellinie
gelagert, sechsgliederig, mit zahlreichen feinen Börstchen besetzt,
übrigens ähnlich wie bei Glomeris gebildet (Fig. 6).
Von der Gattung Glomeris unterscheidet sich Trachysphaera
durch die geringere Anzahl der Körpersegmente, durch die Anzahl
und Form der Augen und endlich durch die Beschaffenheit der
Oberfläche.
Trachysphaera Schmidtii nov. sp.
Diese Species stammt aus der Pasica- und Siavka-Grotte in
Krain, wo sie von Herrn Ferd. Schmidt an feuchten Orten, am
Boden unter Stalaktiten aufgefunden wurde.
Das grosse vordere Segment ist auf seiner Oberfläche mit
mehreren in Querreihen stehenden runden Höckern geziert, wovon
eine einfache gleich hinter dem Vorderrand und eine andere Doppel-
reihe längs dem Hinterrande verläuft. Ebenso sind die andern Gürtel
und zwar auf dem leistenförmig vorspringenden Hinterrande mit
einer Reihe von Höckerchen besetzt. Auf der übrigen Oberfläche
zerstreut finden sich nebstdem einzelne kleinere, blos bei stärkerer
Vergrösserung sichtbare Höckerchen. Die Körperfarbe ist graulich-
weiss. Die Körpergrösse =1-2 Millim. in der Länge, 0-6 Millim.
in der Breite.
318 Heller.
Brachydesmus nov. gen.
Fig. 7—10.
Sowohl in denKrainer Grotten als auch in den neuestens durch
Herrn Dr. Wankel untersuchten mährischen Höhlen finden sich ziem-
lich häufig kleine zierliche Myriapoden, die auf den ersten Anblick
ganz einem Polydesmus gleichen. Sie unterscheiden sich jedoch con-
stant davon durch den Besitz von blos neunzehn Körpersegmenten,
so wie sie auch diesem entsprechend zwei Fusspaare weniger besitzen-
Auf diesen Umstand hin habe ich mich bewogen gefunden, dieselben
in einem eigenen Genus zu vereinigen.
Der Körper ist langgestreckt, etwas abgeglättet. Der Kopf hat
eine fast fünfseitige Gestalt mit abgerundeten Ecken (Fig. 9). Sein
hinterer fast gerader Rand ist am längsten und verbindet sich mit dem
Halsschild. Die Seitenränder verlaufen in der hintern Hälfte gerade
nach vorn, sind gegen ihre Mitte hin durch einen schmalen Einschnitt
der sich auf der Oberfläche des Kopfes als seichte Furche gegen die
Insertion der Fühler (Fühlerfurche) hinzieht, unterbrochen, von
wo sie alsdann stark gebogen nach vorn und innen gerichtet sind. Der
vordere kürzeste etwas ausgeschweifte Rand ist mit 3 kleinen Zähn-
chen («) besetzt. DieOberfläche ist stark gewölbt, äusserst feinpunktirt
und mit weissen langen Börstehen besetzt. Von der Mitte des hintern
Randes zieht eine seichte Furche nach vorn, wo sie sich allmählich
verliert. Die Fühler (6) inseriren sich ungefähr in der Mitte der
oberen Fläche, dem Seitenrande genähert und sind siebengliederig.
Das 3. Glied ist am längsten, das 6. am dicksten, das erste kurz
walzenförmig, das 2. bis 6. umgekehrt kegelförmig, das 7. konisch
zugespitzt. Das Längenverhältniss der einzelnen Glieder zu einander
ist, in Zahlen ausgedrückt, von innen nach aussen wie 1 V^^1/*, l3/4,
l^a, l3/4, 1. Alle Glieder sind mit feinen Börstchen dicht besetzt.
Augen nicht sichtbar. — Die Kauwerkzeuge sind ähnlich wie bei den
übrigen Chilognathen gebaut. Gleich unter dem Kopfschilde liegen
zwei starke Mandibel , deren einander entgegengekehrte innere
Ränder mit mehreren Zähnen besetzt sind. Der oberste mehr allein
stehende Zahn ist am grössten und hakenartig, die drei hinter dem-
selben folgenden sind kleiner und stumpfer. Am weitesten nach
hinten findet sich ein halbkugelförmiger Mahlzahn. Eine länglich-
runde mit mehreren feinen Stacheln reihenweise besetzte Platte
Beiträge zur österreichischen Grotten-Fauna. 319
überragt nach aussen den Zahnrand. Die Unterlippe, welche von
unten her die Mandibel deckt, ist aus mehreren unter einander ver-
wachsenen Theilen zusammengesetzt. Vorerst unterscheidet man ein
dreieckiges durch Chitinleisten gestütztes Basalstück. An dieses
schliessen sich nach vorn mehrere Blättchen und zwar zwei innere
und zwei äussere. Die innern sind schmäler als die äussern, stossen
an ihrem innern Rande zusammen, enden nach vorn abgerundet und
lassen hier gewöhnlich noch mehrere kleine nach innen gewendete
spitze tasterartige Fortsätze bemerken. Die äussern Blättchen sind
etwas breiter, ragen vorn über die innern hervor und tragen an ihrem
vordem Ende noch zwei zungen förmige, an ihrer Spitze mit feinen
Stacheln besetzte Fortsätze.
Das erste Segment oder das Halsschild bildet ein halbmond-
förmiges Plättchen mit geradem vordem und bogenförmigen hintern
Rand, sowie abgerundeten Seitenecken. Es stellt keinen vollkom-
menen Ring dar, wie die übrigen Gürtel, sondern blos ein oberes
schildförmiges Schlussstück, das zwischen dem Kopfe und zweiten
Segmente eingefügt ist. — Die übrigen Gürtel sind ringförmig und
zwar nehmen sie nach hinten an Grösse zu. Sie bestehen sämmtlich
aus einem vordem mehr cylindrischen Abschnitte und einem hintern,
der sich nach aussen in Form eines flügelartigen am Rande gezäh-
nelten Fortsatzes ausbreitet. Das letzte Segment ist dreieckig, stumpf
zugespitzt, die Analklappen von oben deckend. Das zweite, dritte
und vierte Segment haben blos je ein Fusspaar. Die folgenden drei-
zehn Segmente tragen durchgehends bei den Weibchen zwei Fuss-
paare. Die zwei letzten Gürtel haben keine Füsse. Beim Männchen
ist am siebenten Gürtel blos ein Fusspaar vorhanden, mithin finden
sich im Ganzen beim Weibchen 29 , beim Männchen 28 Fusspaare.
— Die einzelnen Füsse (Fig. 10) sind ziemlich lang, sechsgliederig,
mit feinen Börstchen besetzt und mit einer spitzen Klaue versehen.
Das zweite Fussglied ist namentlich an den vordem Fusspaaren merk-
lich angeschwollen.
Brachydesmus snbterranens n. sp.
Der verbreiterte Theil der einzelnen Ringe fast viereckig mit
leicht convexem vordem und massig concavem hintern Rande. Die
vordem Seitenecken sind leicht abgerundet, die hintern spitz vor-
320 Heller.
gezogen. Die ersten vier Segmente sind schmal und auf ihrer obern
Fläche mit zwei Querreihen flacher Höckerchen besetzt. Auf den
folgenden Segmenten bemerkt man drei Querreihen solcher Höcker-
chen und zwar eine längs dem Vorder- und zwei längs dem Hinter-
rande verlaufend. Die Körperfarbe ist am Rücken und Kopfe bräun-
lich bis grünlichweiss, Füsse und Unterseite sind lichter gefärbt.
Die Körperlänge beträgt 11 Millim.; die grösste Breite 1 Millim.
Diese Beschreibung wurde nach den in mährischen Grotten
aufgefundenen Thieren entworfen. Die aus den Krainer Grotten stam-
menden Thiere unterscheiden sich namentlich durch ihre Grösse von
den eben beschriebenen, indem ihre Körperlänge 15 Millim., ihreBreite
2 Millim. misst, ferner sind die Seitenfortsätze namentlich an den
hinteren Segmenten stark aufwärts gebogen. Doch halte ich diese
Unterschiede nicht für hinreichend, um eine von der vorigen ver-
schiedene Art darauf gründen zu können, glaube vielmehr, dass diese
Abweichungen durch Altersverschiedenheiten bedingt sind.
Sie leben in den Höhlen an feuchten Stellen. Die Oberfläche
derselben ist oft von abgeschiedenem Kalksinter ganz überkrustet.
Monolistra coeca G e r s t a e c k e r.
Unter diesem Namen wurde von Gerstaecker in Wiegmann's
Archiv für Naturgeschichte *) eine interessante Höhlenassel be-
schrieben. Sie gehört nach ihm in die Abtheilung der Sphaeromidae
cheliferae Milne Edwards und stimmt mit der einzig bisher bekannten
Gattung Ancinus in der allgemeinen Körperbildung und besonders
in der Form des Abdomen und dessen sichelförmigen hinteren Anhän-
gen überein, unterscheidet sich aber namentlich durch gänzlichen
Mangel der Augen und dadurch, dass nicht die ersten Fusspaare, son-
dern nur das zweite in eine Scheere verwandelt ist, während das
erste, obwohl in seinen einzelnen Theilen beträchtlich verkürzt, mit
den hintern Paaren übereinstimmend gebildet erscheint.
In letzterer Zeit erhielt ich von Ferd. Schmidt ein weibliches
Exemplar einer Grottenassel zugesendet, welche in der allgemeinen
l) L. c. pag. 159.
Beiträge zur österreichischen Grotten-Fauna. *)i\
Körpergestall, durch Form und Bau des Kopfes, der Mundtheile, so
wie durch den Mangel der Augen, dessgleichen auch durch die
Beschaffenheit der Fusspaare ganz mit der von Gerstaecke r beschrie-
benen Art übereinstimmt. Jedoch ist sie etwas kleiner, indem sie in
ihrer Länge hlos 7 Millim. , in der Breite 3 Millim. misst, ferner
zeichnet sie sich durch den Mangel der hintern sichelartig gebogenen
Endglieder aus. Die Eier sind hirsekorngross, weiss und von dünnen
häutigen Lamellen bedeckt, ziemlieh zahlreich in den Bruttaschen
zwischen den Füssen angehäuft.
Es liegt demnach die Vermuthung nahe, dass das erwähnte
weibliche Exemplar zu dieser Species gehöre und dass blos die
männlichen Individuen mit den charakteristischen hintern sichel-
artigen Fortsätzen, welche wahrscheinlich als Copulationsorgane
dienen, versehen sind1).
Bezüglich der Mundtheile, welche übrigens in beiden gänzlich
übereinstimmen, will ich hier nur noch zur Vervollständigung der
von Gers taecker gegebenen Beschreibung zufügen, dass sich an den
Mandibeln beider Seiten insofern eine Verschiedenheit bemerken
lässt, dass an der rechten Mandibel zwei spitze vordere, an der
linken blos ein solcher braun gefärbter Zahn sieb vorfindet. Das
gewimperte Blättchen liegt rechterseits zwischen den beiden Zähnen,
linkerseits an der innern Seite des einfachen. — Nebst diesen spitzen
Zähnen findet sich gegen den innern Rand hin an beiden Mandibeln
noch ein rundlicher Mahlzahn, welcher an seiner Oberfläche mit
vielen feinen Querfalten versehen und dadurch zur Trituration der
Nahrungsmittel recht geeignet ist.
i) Mittlerweile erhielt ich noch mehrere Exemplare mit den charakteristischen hinteren
Anhängen gleichzeitig mit solchen, welchen sie fehlen. Sie stammen beide aus der-
selben Grotte bei Podpec, wo sie im Wasser an Steinen sitzend gefunden wurden.
Eine wiederholte Vergleichung konnte mich nur in der oben aufgestellten Vermu-
thung bestärken, dass man es hier mit den beiden Geschlechtern einer und derselben
Species zu thun habe. Dass aber der Mangel der hinteren Anhänge nicht vielleicht
blos zufällig, durch Abbrechen derselben bedingt sei, kann man sich leicht über-
zeugen, indem hier der llinterrand des letzten grossen, schildförmigen Abdominal-
segmentes ganz gerade und ohne Unterbrechung verläuft, während sich dort an der
Einfügungsstelle der genannten Anhänge immer eine kleine gelenkartige Vertiefung
und Einbuchtung am Rande deutlich bemerken lässt.
Sitzb. d. matbem.-naturw. Cl. XXVI. Bd. I. Hft. 21
322 Heller.
Titanethes Si'hiödte.
Von diesem Genus kennt man bisher blos eine einzige Art,
nämlich den von Sehiödte beschriebenen, in allen Höhlen Krains
ziemlich häufig vorkommenden T. albus.
Im hiesigen k. k. zoologischen Museum befinden sich Exem-
plare einer wahrscheinlich neuen Art aus der Agteleker Höhle in
Ungarn. Dieselben zeichnen sich namentlich durch eine geringere
Körpergrösse, sowie durch die starke Körnung auf der ganzen
Oberfläche aus, nach welchem Merkmale dieser Species vom Herrn
Director Kollar auch der Name T. graniger beigelegt wurde. Doch
befinden sich die vorhandenen Exemplare in einem solchen mangel-
haften Zustande , dass eine wissenschaftliche Untersuchung und
Beschreibung nicht möglich ist.
Dagegen will ich im Nachfolgenden die Beschreibung einer
neuen Art hier anfügen, welche durch ihr Vorkommen von ganz be-
sonderem Interesse ist. Dieselbe wurde nämlich auf einer naturhisto-
rischen Excursion vom Herrn Director Kollar auf dem Schafberge
im Salzkammergute unter Steinen entdeckt und befindet sich in
mehreren Exemplaren im k. k. Museum.
Titanethes alpieola Kollar.
Fig. 11—14.
Der Körper ist 6 — 7 Millim. lang, und 1- 5 — 2 Millim. breit,
von graulichweisser Farbe. Der Körper verschmälert sich nach
hinten allmählich und ist auf der obern convexen Fläche überall mit
kleinen zarten Tuberkeln besetzt. Der Kopf fast viereckig, ver-
schmächtigt sich nach vorn und hinten etwas und ist gegen seine
Mitte hin am breitesten. Die vordem Seitenecken springen nur
wenig vor. Die Seitenränder gehen nach aussen gewölbt unter sehr
stumpfem Winkel in den hintern convexen Rand über. Die Augen
fehlen. Die äussern Antennen erreichen ein Drittheil der ganzen
Körperlänge , sie sind zart und mit feinen Börstchen besetzt. Ihr
Stiel ist fünfgliederig. Die beiden ersten Glieder sind kurz, gleich
lang, das dritte gegen die Spitze verdickt, fast zweimal so lang als
das vorhergehende; das 4. und 5. Glied gleich lang, cylindrisch,
Beiträge iur österreicliisclu'n Grottea-Fauna. Oi<)
das S. etwas schmäler, beide fast die doppelte Länge des 3. errei-
chend. Die kurzen Börstchen auf denselben stehen in einzelnen
kleinen Häufchen zusammengedrängt. Die Geissei (Fig. 12) ist von
der ungefähren Länge des vorhergehenden d. Stielgliedes und be-
steht aus 7 ungleich langen Gliedern, welche allmählich gegen die
Spitze hin an Dicke abnehmen. Jedes der sechs ersten fast walzen-
förmigen Glieder ist an seinem Ende mit längern Börstchen wirtei-
förmig besetzt. Das letzte Glied ist am längsten und dünnsten und
trägt an seiner stumpfen Spitze ein Büschel kurzer Börstchen.
Die Mundwerkzeuge verhalten sich ähnlich wie bei Titanethes
albus. Eine halbmondförmige Oberlippe bedeckt von oben den
ganzen Kauapparat. Die Mandibeln sind an ihrem ohern Ende mit
drei starken, spitzen braungefärbten Zähnen versehen, an ihrem
innern ausgehöhlten Rande erhebt sich ein beweglicher, gleichfalls
mit einigen kürzern Zähnen besetzter Anhang, welcher ausserdem
nach hinten drei häutige, längliche , an ihremVorderrai.de gefiederte,
ungleich lange Fortsätze trägt. Am meisten nach rückwärts springt
ein grosser elliptischer, an seiner Oberfläche mit 20 bis 2S zarten
Que.&falten versehener und nach hinten mit einem federbuschartigen
zarten Fortsatz gezierter Mahlzahn hervor. Die Faltchen der Ober-
fläche sind mit feinen kurzen Cilien dicht besetzt. — Auf diese
Mandibeln folgt eine zweilappige bewimperte Unterlippe. — Das
erste Maxillenpaar besteht aus zwei Stücken. Das äussere längere
und breitere zeigt sich blos am äussern Rande mit vielen Cilien be-
setzt und trägt am Vorderrande acht sehr spitze starke, leicht ge-
bogene Stacheln; das innere Stück trägt am Vorderende drei häutige
nach innen gerichtete, gefiederte , lanzettliche Fortsätze. — Das
zweite längliche Maxillenpaar ist an der Spitze abgestumpft, kurz
behaart. — Die Maxillarfüsse sind breit und lang, am äussern Rande
stark behaart und nach vorn mit mehreren Fortsätzen und Anhängen
versehen. Der äussere grössere palpenartige besteht aus drei deut-
lichen Gliedern. Das erste Glied ist kurz, das zweite Glied ist am
grössten, länglich viereckig, nach aussen mit einigen einzelnstehen-
den langen Borstenhaaren besetzt. Nach vorn und innen verlängert
sich dasselbe in einen konischen, an der Spitze mit einem Haar-
büschel gezierten Fortsatz , an dessen Grunde und zwar am vordem
innern Seitenwinkel gleichfalls ein Büschel von fünf langen Haaren
steht. Am meisten nach aussen und vorn inserirt sich das kegel-
21*
324 Helle r.
förmige dritte Glied1, welches den innern Fortsatz an Länge noch über-
ragt und an seiner Spitze gleichfalls einen Büschel langer Haare trägt.
— Ein von der Palpe bedecktes inneres Stück (mala), fast die
Länge des vordem Fortsatzes vom 2. Palpalglied erreichend , ist
vorn abgestuzt und daselbst mit einem mittlem grössern und einigen
kleinern feinen Stacheln besetzt. Die Basalblättchen sind länglich
rund, am Rande bewimpert.
Von den sieben Thoraxsegmenten ist das erste auf den Kopf
unmittelbar folgende am grössten. Sein Vorderrand ist ausgerandet
und umfasst mit den seitlich etwas vorspringenden Ecken den hintern
Umfang des Kopfes. Der Hinterrand ist convex, die hintern Seiten-
winkel sind sehr stumpf. Die nun folgenden sechs Segmente sind
schmäler, ihr Hinterrand anfangs gerade, wird bei den hintern mehr
und mehr concav, und die hintern Seitenecken erscheinen dadurch
spitzer, besonders bei den drei letzten Segmenten, wo sie in Form
spitzer schmaler Fortsätze nach hinten ragen. Der Hinterleib erreicht
den vierten Theil der ganzen Körperlänge. Er verschmälert sich
nach hinten allmählich und endigt mit kurzer Spitze. Die beiden
ersten Segmente sind kürzer als die übrigen und werden von den
hintern Fortsätzen des 7. Thoraxsegmentes beiderseits umfasst.
Die drei folgenden sind länger aber schmäler, ihr Hinterrand ist
fast gerade, die Hinterecken erscheinen dadurch fast rechtwinklig
und springen nach hinten nirgends vor. Das 6. Segment ist am
längsten und endigt nach hinten mit kurzer Spitze. — Alle Seg-
mente sind mit kleinen Höckerchen besetzt. Dieselben stehen an
den Thoraxseginenten in mehreren Querreihen , während sie an
den Abdominalsegmenten mit Ausnahme des letzten blos eine ein-
fache Reihe längs dem Hinterrande bilden.
Die Thoraxfüsse sind zart und nehmen von vorn nach hinten
an Länge zu. Sie sind wie am Basaltheil der Antennen mit kurzen
büschelweise beisammenstehenden Börstchen, sowie mit einzelnen
längern Stacheln besetzt , welche letztere aus feinern Fasern zu-
sammengesetzt sich zeigen. Das Klauenglied (Fig. 13) ist zwei-
gliedrig und besteht aus der spitzen, etwas verkrümmten und nackten
Klaue (6) und einem behaarten Basaltheil («), an welchem man
nach aussen einen langem Anhang (c) gewahrt. Derselbe ist einfach,
verbreitert sich gegen sein Ende hin und ist am Rande faserig zer-
schlitzt.— Das Basalglied (Fig. 14 a) der Abdominalfüsse ist dick
I)r Heller Beilratfe bot Osten Grotten Knima
SilzuiigsbdkAUidWmath natura- riXXVIBAlHfft 1857
.
Beiträge zur österreichischen Grotten-Fauna. 325
und überragt wenig das letzte Abdominalsegment. Der äussere (6)
auf demselben eingefügte Fortsatz ist fast dreimal so lang als das
Basalglied, konisch zugespitzt, fein behaart. Der innere (c) Fort-
satz ist dünner und um die Hälfte kürzer als der äussere und an der
Spitze mit einem Büschel feiner langer Haare besetzt.
Hebt man nun aus der vorhergegangenen Beschreibung die
unterscheidenden Merkmale heraus, so ergeben sieb als solche:
Geringere Körpergrösse , schmälere Körperform, die Gegenwart
zahlreicher kleiner Tuberkel auf der obern Fläche. Ferner sind die
Antennen kürzer, namentlich ist ihre Geissei aus weniger und zwar
blos aus 7 Gliedern zusammengesetzt. Die Mundwerkzeuge zeigen
nebst anderen geringeren Unterschieden, namentlich im Baue der
Maxillarfüsse sowohl in Form als Grössenverhältnissen der ein-
zelnen sie zusammensetzenden Theile bedeutende Verschiedenheiten.
Die Thoraxsegmente sind ziemlich schmal, die Hinterecken nur massig
vorspringend. Der Hinterleib ist verhältnissmässig kurz, der Hinter-
rand der einzelnen Segmente fast gerade. Die Thoraxfüsse haben am
Klauenglied blos einen einzigen gefiederten Anhang. Grösse und
Form der letzten Abdominalfüsse sind gleichfalls charakteristisch
für diese Art.
Erklärung der Abbildungen.
Fig. 1. Trachysphaeva Schmidtii von der Rüekenfläehe angesehen; stark ver-
grössert.
„ 2. Dasselbe Thier von der Baiichfliiche.
„ 3. Kopf sehr stark vergrössert ; a vorderer Ausschnitt mit dem mittleren
kegelförmigen Fortsatze, b die siebengliederigen Fühler, c die äusseren
ovalen Gruben, d Augen.
„ 4. Zahnstück der rechten Mandibel, von der innern Seite, a oberster, von
den übrigen durch eine Ausbuchtung getrennter Zahn, b die drei
darauf folgenden kürzeren Zähne, c der halbkugelförmige Mahlzahn,
d äusserer den Zahnrand überragender mit spitzen Stacheln besetzter
Lappen.
„ 5. Unterlippe mit den vordem tasterartigen Fortsätzen.
„ 6. Ein Fühler.
„ 7. Braekydesmus subterraneus. Von der Rückenseite, vergrössert.
„ 8. Dasselbe Thier von der Bauchseite.
326 Sachs. Über eine Methode, die Quantitäten
Fig. 9. Kopf mit den drei kleinen Zähnchen am Vorderrand a, dem sieben-
gliederigen rechtsseitigen Fühler b, der Fühlerfurche auf der linken
Seite c und dem Halsschild d.
„ 10. Ein mittlerer Körpergürtel mit dem davon entspringenden Doppel-
fusspaar.
„ 11. Titanethes atpicola, vergrössert von oben gesehen.
„ 12. Ein Theil der Antenne, a letztes Basalglied, b die aus sieben Gliedern
bestehende Geissei.
„ 13. Klauenglied eines Thoraxfusses, bestehend aus einem behaarten
(d) und einem nackten Theil (b) ; c gefiederter Anhang an ersterem.
„ 14. Nach hinten vorragender Abdominalfuss , a Basalglied, b äusserer,
c innerer Fortsatz.
Über eine Methode, die Quantitäten der vegetabilischen Eigen-
wärme zu bestimmen.
Von Dr. Julias Sachs.
(Vorgelegt durch Herrn Professor Unger.)
Die von Haies herrührende und seit dem in allen botanischen
Schriften verbreitete Ansicht, dass die Pflanzen unter Umständen,
zumal regelmässig in der Nacht. , der Atmosphäre Wasserdampf
entziehen sollen, wurde zuerst durch die Abhandlung des Herrn
Professor Unger: „Nehmen die Blätter der Pflanzen dunstförmiges
Wasser aus der Atmosphäre auf?" (Sitzungsberichte der kaiser-
lichen Akademie, IX, 1852) widerlegt. Bei meinen im Sommer 1856
angestellten Versuchen über die Abhängigkeit der Verdunstungs-
thätigkeit der Pflanzen von den Temperaturen und Feuchtigkeits-
graden der Luft, kam ich zu demselben Resultat: dass nämlich
die Pflanzen unter allen Umständen, auch in einer mit Wasserdampf
gesättigten Atmosphäre ihre Verdunstungs-Thätigkeit fortsetzen.
Stand dies einmal fest, so drängte sich die Frage auf, wie dies
mit den physicalischen Gesetzen der Dampfbildung zu vereinbaren
sei. Es liegt im Begriff einer mit Dampf gesättigten Atmosphäre,
dass sie, so lange keine Temperaturerhöhung stattfindet, die weitere
Dampfbildung verhindert. Wenn nun dennoch aus einer Pflanze
in eine mit Dampf gesättigte Luft weitere Dampfquanta austreten,
so kann dies nur dadurch geschehen, dass diese letzteren eine
der vegetabilischen Eigenwärme zu bestimmen. 327
höhere Spannkraft haben, welche sie einer Temperatur verdan-
ken müssen , die höher ist , als die der umgebenden Luft. Dieser
Temperatur -Überschuss des austretenden Dampfes kann natürlich
nirgends anders herstammen als aus der Pflanze selbst: diejenigen
Stellen, an denen sich der Dampf bildet, müssen im Bildungs-
momente eine höhere Temperatur haben als die gesättigte Luft, denn
sonst würde sich der Dampf eben nicht bilden können. Auch ohne
die Quellen dieser Wärme zu kennen , ist einerseits klar, dass sie
nur im Vegetationsprocesse selbst liegen können, und andererseits
zeigt eine genauere Erwägung der Umstände, dass die durch den
Vegetationsprocess entwickelte Wärme bis auf ein Minimum zur Bil-
dung von Wasserdampf verwendet werden muss. Denn da die chemi-
schen Processe, durchweiche jene Wärme frei wird, im flüssigen Inhalt
der Zellen stattfinden, so öndet jedes noch so kleine Wärmequantum
sogleich eine Wassermenge , welche dadurch in Dampf verwandelt
werden kann. Selbst bei der Annahme, dass auch so noch ein Ver-
lust durch Ausstrahlung stattfinden könne, wird dies nur von den
äussersten Zellenschichten gelten : denn wenn die in den inneren
Schichten entstandene Wärme ausstrahlt , so muss sie in den ver-
schiedenen Zellinhalten, Zellhäuten und Zwischenzellräumen so ver-
schiedene Medien durchsetzen, dass wohl die Annahme gerechtfertigt
erscheint, sie werde, bevor sie zur Oberfläche gelangt, gänzlich
absorbirt, also in geleitete Wärme verwandelt und so zur Bildung
von Wasserdampf geeignet sein.
Erscheint es somit als gewiss, dass 1 . die Verdampfung einer im
dampfgesättigten Raum stehenden Pflanze nur auf Kosten ihrer Eigen-
wärme möglichist; dass 2. die ganze Eigenwärme bis auf ein Minimum
zur Bildung von Wasserdampf verwendet wird, so kann man hier-
aus eine Methode ableiten, die Quantität der Eigenwärme einer
Pflanze, welche sie während einer bestimmten Zeit entwickelt, zu
messen, indem man als Mass derselben den auf ihre Kosten entstan-
denen Wassertlampf betrachtet.
Das Wesentliche dieser Methode besteht in Folgendem : Man
bringt eine Pflanze in einen Raum, in welchem die Atmosphäre wäh-
rend einer bestimmten Zeit immerfort mit Dampf gesättigt ist; dazu
sind zweierlei Bedingungen erforderlich: 1. muss diese Atmosphäre
mit einer freien Wasserfläche in Berührung stehen; 2. müssen die
stattfindenden Temperaturschwankungen so langsam vor sich gehen,
328 Sachs. Über eine Methode, die Quantitäten
dass beim Steigen der Temperatur vermittelst der freien Wasser-
fläche schnell genug Dampf entstehen kann, um ein Sinken unter das
Spannungsmaximum der neuen Temperatur zu hindern. Hierbei ist
ausser der Langsamkeit der Temperaturerhöhung die Grösse der
freien Wasserfläche eine wesentliche Bedingung.
Da blos der von der Pflanze entwickelte Dampf gemessen wer-
den soll, so muss man sie mit den Wurzeln und dem zugehörigen
Boden in ein Glasgefäss setzen, die Oberfläche desselben ebenfalls
mit einem Glasdeckel luftdicht so verschliessen , dass der Stengel
luftdicht durch den Deckel geht. Da die Pflanze während des Experi-
ments Wasser verdampft, so müssen die Wurzeln im Boden so viel
Feuchtigkeit finden, dass die Pflanze weder Mangel hat noch durch
Übermass leidet. Endlich muss die Pflanze gesund sein und während
der Zeit des Versuchs Licht und Wärme in dem Masse, welches ihr
zusagt, geniessen. Den von der Pflanze entwichenen Wasserdampf
bestimmt man durch eine Wägung des Apparates, in welchem sie
steht, unmittelbar vor und unmittelbar nach dem Versuch ; die Gewichts-
abnahme gibt den entwichenen Dampf, aus welchem man die ent-
wickelte Wärmequantität bestimmt.
Erster Versuch:
In drei hinreichend geräumige Glasgefässe wurden drei beinahe
gleiche Exemplare von Aehimenes Hilii gepflanzt. Der Boden war wie
bei Blumentöpfen durchbohrt, durch das Loch war vor dem Einpflan-
zen ein Baumwollen-Docht gezogen und zwischen der Erde und der
Glaswand zerfasert worden; ausserhalb reichte das untere Ende
desselben in ein anderes niederes Glasgefäss, welches mit Was-
ser gefüllt war; von hier aus konnte der Docht immerfort kleine
Quantitäten Wasser der Erde zuführen. Dieses untere Gefäss war
luftdicht an den Boden des als Blumentopf dienenden Gefässes gekittet.
Aus dem letzteren erhob sich in der Mitte der Pflanzenstengel; ein
halbirter Glasdeckel schloss , luftdicht aufgekittet, den Topf und
Hess nur den Stengel hierdurch, der ebenfalls umkittet wurde. In-
soweit waren die drei Apparate völlig gleich. Einer derselben (Nr. I)
wurde gewogen und dann an einem Fenster ruhig stehen gelassen;
ein anderer (Nr. II) kam in ein grosses cylindrisches Glasgefäss zu
stehen , welches mit einem gläsernen Deckel , durch den ein Ther-
mometer eingelassen war, luftdicht verschlossen wurde. Auf dem
der vegetabilischen Eigenwärme zu bestimmen.
329
Boden dieses grossen Gefässes standen drei Gefässe mit concentrirter
Schwefelsäure; der dritte Apparat (Nr. III) wurde gleichermassen
in ein ebenso grosses Glasgefäss eingeschlossen. Bei Nr. I konnte die
Verdampfung nur durch die Blätter stattfinden (so wie bei II und III),
die von der Zimmerluft umgeben waren; bei Nr. II wurde das aus
den Blättern verdampfte Wasser durch die Schwefelsäure absorbirt;
es geschah dies so vollständig, dass während der Dauer des Ver-
suches niemals ein Niederschlag an den Glaswänden stattfand; bei
Nr. III trat der Dampf aus den Blättern in die gesperrte Atmosphäre,
sättigte diese zuerst, bildete dann einen feinzertheilten Wasserüberzug
an allen Wänden, der sich immerfort vermehrte und zugleich als
freie Wasserfläche diente, durch welche die abgeschlossene Atmo-
sphäre in Sättigung erhalten wurde. Nach Beendigung des Versuches,
welcher sieben Tage dauerte, wurde Nr. I wieder gewogen, bei Nr. II
wurde die Gewichtszunahme der Schwefelsäure bestimmt, bei Nr. III
wurde der im grossen Gefäss entstandene Niederschlag gesammelt, mit
einem gewogenen Filirirpapier ausgewischt und gewogen. Die Tem-
peratur wechselte in den Gefässen täglich um 3-5° B. Da die Fläche
des an den Wänden vertheilten Niederschlages vielmal grösser war
als die Blattfläche, und da die Verdampfung einer freien Wasserfläche
viel rascher ist, als die aus der Pflanze, so konnte bei dem Steigender
Temperatur um 3-5» B., welches übrigens sehr langsam geschah, der
Dampfgehalt im Gefässe niemals merklich unter das Maximum sinken.
Folgende Tabelle enthält die Einzelheiten des Versuches.
Dauer
Fläche der
Verdunstetes
Verdunstung von
Nr.
des
Temp. R°.
Blätter in
Wasser in
100a Ceutim. in
Versuches.
nCentim.
Grammes.
24 Stunden.
I.
ctober
Tage.
Mittel 13°
214
663
4-47
II.
SS 3
1 I
Maximum:
13?5
310
62-5
2-88
III.
S M
o co
> TN
Minimum :
1 10°
806
15-88
0-45
Nennt man die Wärmemenge, welche im Stande ist die Tem-
peratur eines Gramm Wasser von t° C. auf (t + 1°) C. zu bringen
330 Sachs. Über eine Methode, d. Quant, d. veg. Eigenwärme zu bestimmen.
eine Wärmeeinheit, so entwickelte die Pflanze III binnen 24 Stunden
im Mittel ■ 540 = 1225 Wärmeeinheiten , oder soviel als durch
7
Verbrennung von 0-1508 Gramm C. zu C03 entwickelt wird.
Zweiter Versuch.
Hier und im folgenden Versuch wurden nur zwei Apparate
verwendet; der eine wie Nr. I beim vorigen Versuche, der andere
wie Nr. III desselben, aber mit der Abänderung, dass hier der
Boden des grossen Glasgefässes, welches den Apparat mit der
Pflanze umschloss, mit Wasser übergössen wurde. Die Verdampfung
der Pflanze im dampfgesättigten Räume wurde durch Wägung des
Apparates III vor und nach dem Versuche bestimmt.
Althaea rosea , junge Pflanzen.
Dauer
Blattfläche
Verdunstetes
Verdunstung von
Nr.
des
Temp. R°.
in
Wasser in
lOODCentim. in
Versuches.
aCentim.
Gramm es.
24 Stunden.
I.
11. bis
April;
tundcn.
Mittel: 1096
370
5637
7-3796
III.
> "* 5*.
zwischen
8° und 12°
381
7-00
0-938
Dritter Versuch.
Calceolaria, junge reichbeblätterte Pflanzen.
Nr.
Dauer
des
Versuches.
Temp. R°.
Blattfläche
in
QCentim.
Verdunstetes
Wasser in
Grammes.
Verdunstung' von
lOODCentim. in
24 Stunden.
I.
III.
Vom 24. bis
29. April 1857;
119 Stunden.
Mittel: 997
zwischen
694bisl094
307
348
44-7
7-7
2933
0-452
Für gleiche Flächen und Zeiten verhielten sich also die
Wärmequanta bei Achimenes, Althaea und Calceolaria wie 0-45:
Sa chs. Über die gesetzmassige Stellung der Nebenwurzeln etc. 331
0*94 : 0 4ö2. Die Eigenwärme dcv Althea wäre also doppelt so gross
;ils die der beiden anderen gewesen ; dies dürfte sich zum Theil
daraus erklären, dass die Althaca bei so niederen Temperaturen
schon sehr kräftig vegetirt, während dieselben für die beiden anderen
schon zu niedrig waren. Eine dem Vegetationsprocess günstige Luft-
Temperatur muss die Eigenwärme steigern.
Über die gesetzmassige Stelbmg der Nebenwurxehi der ersten
und zweiten Ordnung bei verschiedenen Dicotyledonen-
Gattungen.
Von Dr. Julias Sachs.
(Mit 2 Tafeln.)
(Vorgelegt von dem w. M. , Herrn Prof. Unger.)
Wenn man mit Pflanzen physiologische Experimente anstellt, so
ist man sehr häufig in dem Falle, dass die Gegenwart des Bodens, in
welchem dieselben wurzeln, die Genauigkeit der Wägungen und
Messungen, in jedem Falle aber die Totalität der Beobachtungen hin-
dert. Das Gewicht des Bodens, den eine Pflanze für ihre Wurzeln
nöthig hat, übersteigt immer das Gewicht der letzteren um ein Viel-
faches, und muss somit überall, wo man mit der Wage an lebendigen
Pflanzen experimentirt, als eine stetige Fehlerquelle auftreten. Es ist
unmöglich an den Wurzeln, auch wenn man sie mit der grössten
Vorsicht aus der Erde genommen und gereiniget hat, die Anzahl der
aufsaugenden Wurzelhaare zu bestimmen, und wir sind desshalbüber
das Verbältniss der aufsaugenden Wurzelfläche zur Verdunstungs-
fläche der Blätter noch völlig im Unklaren. Das Verbältniss, in
welchem das Wachsthum der Wurzel zu dem der grünen Theile
steht, ein Gegenstand, der für die Physiologie jedenfalls von Inter-
esse ist, ist wegen der Gegenwart des Bodens ebenfalls noch völlig
unbekannt. Man kann sich ferner die Frage vorlegen, ob die Capila-
rität des Bodens bei der aufsaugenden Thätigkeit der Wurzeln als
ein wesentliches Moment zu betrachten ist , ja man kann die Frage
aufwerfen , ob die Gegenwart irgend eines Bodens überhaupt eine
Vegetationsbedingung ist, und wie die Pflanze ohne dieselbe vegetirt.
332 Sachs. Über die gesetzniässige Stellung der Nehenwurzcln der ersten
Man kann freilich in derartigen Fällen zu echten Wasserpflan-
zen seine Zuflucht nehmen; allein die damit erhaltenen Resultate
lassen dann immer noch die Frage offen , ob sie nur für jene oder
auch für die im Boden wurzelnden Pflanzen gelten.
Alle diese Übelstände, mit denen der experimentirende Pflanzen-
Physiolog zu kämpfen hat , schienen mir beseitigt zu sein, wenn es
gelingt Landpflanzen verschiedener Familien ohne Erde zum Wach-
sen zu bringen und zwar so, dass sie sich dabei vollkommen gesund
und wohl befinden; als Kennzeichen, dass die Pflanze den Assimila-
tionsprocess gehörig ausführt, kann man es betrachten, wenn sie es
bis zu einer Entwickelungsstufe bringt, wo bei regulärer Gestalt ihr
Gewicht ein Vielfaches des Samengewichtes ist. Die Entwicklung
von Bliithe und Samen hängt noch von anderen Umständen ab und
ist bei den oben berührten Fragen nicht unumgänglich noth-
wendig.
Eine grosse Anzahl von Versuchen hat mich nun überzeugt, dass
Pflanzen, die sonst nur im trockenen Lande, in Gartenerde gedeihen,
auch im blossen Wasser, gleichgiltig ob Brunnen- ob Flusswasser,
recht gut wachsen, und es sogar bis zur Bliithe bringen können. Ich
schlage dabei folgenden Weg ein : die Samen werden in sehr lockere
feuchte Erde oder in groben Sand gelegt, wo sie binnen 20 — 24
Stunden im Hochsommer eine l/a — 2 Zoll lange Wurzel treiben. Ich
stecke die Samen vorsichtig so, dass die austretende Wurzel sogleich
ohne Krümmung senkrecht abwärts wachsen kann. Dann nehme ich
die Keime vorsichtig aus der Erde und wasche sie rein ab. Eine An-
zahl gläserner Gefässe steht bereit mit Wasser gefüllt, sie sind mit
gläsernen Deckeln bedeckt, die eine oder mehrere Durchbohrungen
haben und die Oberfläche des im Gefässe enthaltenen Wassers berüh-
ren. In jedes Loch der gläsernen Deckel wird die Keimwurzel eines
Samens gesteckt, die also allein in das Wasser, wo möglich senkrecht,
hineinragt, während die noch in den Samendecken enthaltenen Cotyle-
donen auf dem Deckel trocken liegen. Letzteres ist zum Gedeihen
wesentlich, sind sie zu lange feucht, so faulen sie, oder befinden
sie sich gar unter dem Wasser, so findet keine weitere Entwicke-
lung Statt.
Schon nach 3 — 4 Stunden hat sich die Keimwurzel im Wasser
um ein Merkliches verlängert, im Juli und August wuchsen sie
binnen 24 Stunden oft um 2 — 3 Centimeter. Am zweiten oder dritten
und zweiten Ordnung bei verschiedeneu Dicolyicdonen-Galtungeu. 333
Tage erscheinen gewöhnlich die ersten obersten Nebenwurzeln;
dann darf man dieKeimpflanze nicht mehr ans dem Loch des Deckels
herausziehen, man nimmt den Deckel sammt den darin steckenden
Keimen ah , um neues Wasser einzufüllen. Letzteres befördert das
Gedeihen ausserordentlich, wenn es täglich ein- bis zweimal ge-
schieht.
Später setzen sich zwischen dem feinen Sammt der Wurzel-
haare grüne Algen an, man kann dies dadurch verhindern, dass man
das Glasgefäss aussen mit Bleifolie umwickelt, die man jederzeit ab-
nehmen kann, um die Wurzeln ungestört zu beobachten. Wenn die
über dem Deckel befindlichen grünen Theile sich entwickeln, werden
Vorrichtungen nöthig, um sie gehörig zu stützen, was mit Kork und
Drath immer leicht zu bewerkstelligen ist.
Ich habe im Laufe des Juli, August und September über fünfzig
Bohnen (Phaseolus multiflorus und vulgaris), Erbsen, Buffbohnen
(Yicia Fabu), Dulichos Lablab, Cucurbita Pepo, Helianthus an-
nuus und Mirabilis Jalappa erzogen. Etwa ein Dutzend Phaseolus
vulgaris brachten es so bis zu grossen Blüthenknospen, die sich
jedoch wogen Mangel an Sonnenschein nicht entfalteten, drei Exem-
plare von Ph. multiflorus wurden 3 — 4Fuss hoch, brachten Blüthen-
knospen und über 20 wohlausgebildete grosse, schöngrüne Blätter;
nach sechs Wochen trieben sie aus den unteren Blattaxeln kräftige
Seitentriebe; sie hatten die Cotyledonen nach 12 — 14 Tagen abge-
worfen und wuchsen dann noch einen Monat lang freudig weifer; sie
wurden dann entfernt, um dieGefässe für neue Pflanzen zu benützen.
Von mehreren Buffbohnen, die ich nach 10 — 12 Tagen wieder
herausnahm, blieb eine zwei Monate lang im Wasser, sie entwickelte
einen 2 — 3 Fuss hohen, kräftigen Stengel mit 10 recht wohl ausge-
bildeten Blättern und zwei Seitentrieben. Ebenso verhielten sich
Erbsen undDolichos. Auch zwei Kürbispflanzen entwickelten noch im
September ihre grossen Cotyledonen und die ersten Blätter, wuchsen
dann aber wegen der zu tief gesunkenen Temperatur nicht weiter.
Ähnlich ging es mehreren Sonnenrosen und Maispflanzen,
Ich hatte hierbei Gelegenheit die Wirkungen des Lichtes auf die
Wurzeln zu studiren. Ich bemerkte nicht, dass die Wurzeln unter
dem Einfluss des Lichtes leiden, aber ich konnte auch niemals bemer-
ken , dass sie dasselbe fliehen. Da das Bichtnngsstrehen der Keim-
wurzel gegen das Erdcentrum nur bei den jüngsten Altersstufen
334 Sachs. Über die geselzmiissig'e Stellung der Nebenwurzeln der ersten
derselben stattfindet, so wachsen die Wurzeln in der Regel in der
Richtung weiter, welche sie bei dem Einstecken in den Deckel
erhielten. Den Nebenwurzeln kommt ein derartiges Richtungsstreben
überhaupt niemals zu; sie wachsen aus der Hauptwurzel unter einen
beinahe rechten Winkel in das Wasser hinein, ohne sich seitlich auf-
oder abwärts zu krümmen. Eine Krümmung der Wurzeln , die man
ein Fliehen vor dem Licht nennen könnte, beobachtete ich auch hier
nicht. Dieser Einfluss des Lichtes könnte sich natürlich nur dadurch
geltend machen, dass die dem Lichte zugekehrte Seite convex
würde, wahrend sie bei den Stengeln und Blattstielen concav wird.
Ich vermuthe, dass man bei den Versuchen, welche der Ansicht,
dass die Wurzeln das Licht fliehen, zur Grundlage dienten, nicht
gehörig auf die Grenze zwischen Wurzel und erstem Internodium
Rücksicht genommen hat. Letzteres erleidet aber durch das Licht
sehr intensive aber coneave Krümmungen , dadurch wird , wenn die
Pflanze nicht befestigt ist, ihr Schwerpunkt verrückt, und zwar
der Art, dass die Plumula dem Lichte entgegen fällt, wobei natür-
lich die Wurzel als anderer Hebelsarm die entgegengesetzte Bewe-
gung macht. Ich habe dies oft gesehen, niemals aber eine selbst-
ständige Krümmung der Wurzel vom Lichte weg beobachtet.
Dagegen bildet sich zuweilen in der seeundären Rinde und im
Mark der Wurzeln unter dem Einfluss des Lichtes Chlorophyll, in der
primären äusseren Rinde beobachtete ich solches nicht.
Durch die Ungleichförmigkeit und Festigkeit des Bodens
werden die Wurzeln mannigfaltig verbogen und in ihrer regulären
Ausbildung gehemmt. Dies fällt im Wasser weg und die Grössen-
verhältnisse und die Stellung der Wurzeln zeigt hier eine Regel-
mässigkeit, die den Wurzeln gewöhnlich abgesprochen wird. Was
ich im Folgenden über die Stellung der Nebenwurzeln der ersten und
zweiten Ordnung mittheile , habe ich an den im Wasser erzogenen
Pflanzen ohne Ausnahme bestätigt gefunden, und wenn ich die hier
einmal erkannten Stellungsverhältnisse an den Wurzeln solcher
Pflanzen, die im Boden erwachsen waren, wieder zu finden hoffte,
so fand ich mich darin nur dann getäuscht, wenn zu starke Ver-
legungen das Gesetz unkenntlich machten.
Bei allen Exemplaren von Phaseolus multiflorus und vulgaris,
die ich im Wasser zog und einigen hundert anderen, die ich in Erde
keimen Hess, fand ich die Nebenwurzeln erster Ordnung an der
und zweiten Ordnung: bei verschiedenen Dicotyledonen-Gattungen. 33i)
Pfahlwurzel in vier Reihen gestellt1) (s. Taf. I, Fig. 2. einen sechs
Tage alten im Wasser gewachsenen Ph. multiflorus). Unterhalb jedes
Cotvledons verläuft eine Reihe von Nebenwurzeln gegen die Spitze
der Hauptwurzeln hin. Die beiden Reihen stehen einander diametral
gegenüber. Eine dritte Reihe verläuft auf der Vorderseite der
Wurzel, die vierte hinten von oben nach unten. Auch diese beiden
Reihen stehen einander diametral gegenüber, und bezeichnen die
beiden Seitenlinien der Pflanzenaxe , welche die opponirten Blätter
der Plumula tragen, oder mit andern Worten, diese beiden Wurzel-
reihen verlaufen unterhalb der ersten Blätter, sowie die beiden
Seitenreihen unterhalb der Cotyledonen verlaufen. Da nun die Blätter
der Plumula mit den Cotyledonen gekreuzt sind, so stehen mithin die
vier Wurzelreihen ebenfalls im Kreuz: zwischen je zwei benachbarten
Wurzelreihen ist ein Viertel der Peripherie in der Hauptwurzel ent-
halten ( vergl. Taf. II, 2 c). Es findet demnach Flicht nur eine regel-
mässige Vertheilung der Nebenwurzeln in vier geradlinige Reihen
(Orthostichen), sondern auch zugleich eine offenbare Relation dieser
Orthostichen zu den Blattgebilden des Keimes (Cotyledonen und
Plumula) Statt. Nur bei zwei Exemplaren vun Phaseollis multiflorus
beobachtete ich statt einer hinteren Reihe deren zwei dicht neben
einander, sonst war die Anordnung nicht gestört. Als Gegenstück
dazu fand ich bei zwei Keimen von Phaseolus vulgaris drei Cotyle-
donen, an einem drei Blätter der Plumula in einem Quirl.
Die vier Reihen bilden sich gleichzeitig nebeneinander aus und
zwar immer von oben nach unten fortschreitend, niemals entsteht
zwischen zwei Wurzeln einer Reihe oder gar zwischen zwei Reihen,
die neben einander laufen, eine neue Nebenwurzel; die jüngste Neben-
wurzel ist immer die unterste der Reihe, welche der Spitze der
Hauptwurzel am nächsten steht, jedoch stehen selbst die jüngsten
Nebenwurzeln immer hoch über der untersten Wurzelspitze, also
anders als die Blattgebilde am Stengel, deren jüngste Glieder dicht
unter der fortwachsenden Spitze hervorwachsen. Eine bestimmte
geometrische Beziehung der Glieder einer Orthostiche zu denen
l) Im Folgenden mussieb an der Keimpflanze ein vorn, hinten, rechts uud links unter-
scheiden: ich nenne vorn die Seite des Keims , welche im Samen concav ist. das
Übrige ergibt sich dann.
330 S a c li s. Über die geselzmässige Stellung- der Nebenwurzeln der ersten
einer benachbarten scheint durchaus nicht stattzufinden , indessen
findet man häufig vier Wurzeln, davon jede einer Orthostiche ange-
hört, in einem Quirl stehend, was besonders dann sehr deutlich
hervortritt, wenn man eine Pfahlwurzel von oben bis unten mit
dem Messer in sehr dünne Querschnitte auflöst. Viele derselben
enthalten dann je vier Längsschnitte von Nebenwurzeln, die dem-
nach quirlförmig angeordnet sind (s. Taf. II, 2 c).
Bei den Bohnen bleiben die vier Orthostichen im Wasser er-
wachsener Ptlanzen immer deutlich, ja sie werden mit zunehmendem
Alter deutlicher, denn da die einzelnen Wurzeln sich ein wenig ver-
dicken, so werden die Reihen dichter.
• Die aus den Nebenwurzeln erster Ordnung hervorsprossenden
Nebenwurzeln der zweiten Ordnung stehen gewöhnlich nicht sehr
dicht, doch findet man bei einiger Aufmerksamkeit auch hier sehr
leicht die reihenweise Ordnung. Auf jeder Nebenwurzel erster Ord-
nung stehen wieder vier Orthostichen von Nebenwurzeln der zweiten
Ordnung (s. Taf. II, 2 c, r. II). Die Bildung derselben beginnt vom
ältesten Theil der Nebeuwurzel erster Ordnung und schreitet gegen
die Spitze derselben hin fort; sie beginnt erst dann, wenn die Letz-
teren ihre definitive Länge schon beinahe erreicht haben.
Die Stellung der leztgenannten Orthostichen ist dieselbe recht-
winklig gekreuzte, wie die der Nebenwurzel erster Ordnung. Auch in
Bezug auf die Pfahlwurzel zeigen die Reihen der zweiten Ordnung
eine bestimmte Stellung: sie stehen nämlich auf der Nebeuwurzel
erster Ordnung so, dass, wenn man sich diese in die Richtung der
Pfahlwurzel gelegt denkt, so würden diese Orthostichen genau so
stehen wie die der ersten Ordnung, oder mit andern Worten, wenn
man sich die Nebenwurzeln erster Ordnung horizontal denkt, so
stehen die Orthostichen der zweiten Ordnung oben, unten, rechts,
links.
Auch bezüglich der Länge der Nebenwurzeln der im Wasser
erwachsenen Bohnen findet eine Art Gesetzmässigkeit Statt. Obgleich
die Nebenwurzeln erster Ordnung nicht gleich lang sind , so difle-
riren sie doch so wenig, dass man erkennt, dass ihnen allen eine
gewisse mittlere typische Länge eigen ist. Dasselbe lässt sich von den
Nebenwurzeln zweiter Ordnung sagen. Alle Nebenwurzeln erster
Ordnung zeigen eine beinahe gleiche mittlere Dicke, ebenso die der
zweiten Ordnung. Bei älteren Pflanzen werden einzelne Wurzeln der
und zweiten Ordnung' bei verschiedenen Dicotyledonen-Gnttungen. 337
zweiton Ordnung stärker als die übrigen und sehen dann aus als ob
sie der ersten Ordnung angehörten.
Alle diese Eigentümlichkeiten der Bohnenwurzeln finden sich
auch dann, wenn die Pflanzen im Boden erwachsen sind, indessen
sind sie schwieriger zu erkennen.
Bei Dolichos Lablab findet genau dieselbe Anordnung wie bei
Phaseolus Statt, auch hier stehen zwei Orthostichen unter den Coty-
Iedonen, zwei unter den Blättern der Plnmula, alle vier Reihen
bilden ein rechtwinkliges Kreuz. Auch die Nebenwurzeln zweiter
Ordnung stehen wie bei Phaseolus, doch fehlten den beobachteten
Exemplaren gewöhnlich die unteren Reihen, die seitlichen waren
weniger dicht, nur die obere Reihe deutlich ausgebildet.
Cucurbita Pepo stimmt mit Phaseolus und Dolichos in der
Wurzelstellung völlig überein; die Blätter der Plumula sind hier aber
nicht, wie bei jenen opponirt, sondern alternirend, aber so, dass sie
mit den Cotyledonen um einen rechten divergiren, demnach gilt die
oben angedeutete Relation der Wurzel-Ortliostichen zur Stellung der
ersten Blätter auch hier (vergl. Taf. I, Fig. 4 ein acht Tage alter
Kürbis). In dieser Hinsicht stimmt Mirabilis Jalappa mit Cucurbita
überein (vergl. Taf. I, Fig. 6).
Anders sind die Verhältnisse bei der Erbse. Hier fehlt die vordere
Reihe immer; es sind immer nur drei Orthostichen vorhanden. Die
beiden seitlichen Reihen stehen einander nicht diametral gegenüber,
sondern schliessen nach vorn einen Winkel ein, welcher kleiner ist
als 2 R. Dagegen steht die hintere Reihe, dem Früheren entsprechend,
genau unter dem ersten der alternirenden Blätter der Plumula (s. Taf. I,
Fig. 1 eine sechstägige Erbse). Dem zweiten Blatte entspricht hier
demnach keine Orthostiche. Wieder anders ist die Wurzelstellung
bei der Buffbohne. Sie hat fünf Wurzelreihen erster Ordnung, nur
einmal unter vielen Exemplaren fand ich deren sechs. Zwei Reihen
stehen auch hierunter den Cotyledonen einander gegenüber, statt der
einen hinteren Reihe sind hier zwei, neben einander unter dem ersten
der alternirenden Blätter der Plumula. Vorn steht eine Reihe unter dem
zweiten Blatte. Diese Anordnung ist auch bei alten im Wasser ge-
wachsenen reichverzweigten Wurzeln der Buffbohne deutlich, zu-
weilen selbst bei älteren Bodenexemplaren zu beobachten (s. Taf. I,
Fig. 3 eine sechs Tage alte Buffbohne). Die Nebenwurzeln zweiter Ord-
nung stehen hier entweder in vier Reihen, und zwar rechts oben
Silzb. d. mathem.-naturw. CI. XXVI. Bd. 1. Ilft. 22
338 Sachs. Über die gesetzmassige Stellung der Nebenwurzeln der ersten
rechts unten, links oben, links unten, oder in drei Reihen, zwei unten,
eine oben (s. Taf. II, Fig. 5 r, II).
Bei der Sonnenrose (Heliantlms Annuus) scheinen, wie bei
der vorigen Gattung, fünf Reihen typisch zu sein, zwei hintere, eine
vordere, zwei seitliche; jedoch kommen auch drei Reihen vor, die
wie bei der Erbse geordnet sind. (Taf. I, Fig. 7 eine 10 Tage alte
Sonnenrose mit zwei seitlichen und einer hinteren Wurzelreihe; und
Taf. II, Fig. 4 b Diagramm der Wurzel mit fünf Nebenwurzeln.) In
beiden Fällen bleiben aber mit fortschreitender Verlängerung der
Hauptwurzel nur die beiden Seitenreihen übrig, der untere Theil der
Wurzel sieht dann aus wie ein Kamm mit zwei Reihen Zinken.
Leider konnte ich die Anzahl der Gattungen, um deren Wurzel-
stellung zu studiren, nicht vermehren, denn nachdem